Theodor Storms (1817-1888) Erzählungen zeugen von einer auffallenden Vorliebe für geisterhafte Erscheinungen. Ziel dieser Arbeit ist es, Schauerelemente in den Novellen Storms und zwei seiner Zeitgenossen, Jeremias Gotthelf (1797-1854) und Theodor Fontane (1819-1898), herauszuarbeiten sowie in ihrer Ausführung und Entwicklung zu bewerten. Danach wird die Frage verfolgt, wie sich die untersuchten Erzählungen von Storm, Gotthelf und Fontane vor der Gattungstradition des Schauerromans darstellen. Dabei wird sich zeigen, dass die drei Autoren Komponenten des Genres nicht unverändert kopieren. Sie nehmen – jeder auf seine Weise – Elemente auf, verändern sie und verwenden sie für ihre eigenen Zwecke.
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
1. Zur Untersuchung des Schauerlichen: Ein Kriterienkatalog
2. Die Entwicklung der Schauerelemente in den Novellen Storms
2.1. Marthe und ihre Uhr (1848)
2.1.1. Ein kleines Bürgerhaus der Stadt: Zum Schauplatz
2. Mitten in der Nacht: Die unheimliche Zeit
2.1.3. In Gesellschaft einer Uhr: Figuren und Gegenstände
2.1.4. Allein: Themen und Motive
2.2. Draussen im Heidedorf (1872)
2.2.1. Am Wilden Moor: Zum Schauplatz
2.2.2. Die weißen Nebel: Zur Beschreibung der Natur
2.2.3. Es war kein Mondschein: Die unheimliche Zeit
2.2.4. Der weiße Alp: Figuren und Gegenstände
2.2.5. Wild wie eine Katze: Themen und Motive
2.3. Eekenhof ( 1879)
2.3.1. Beisammen in einer Gruft: Zum Schauplatz
2.3.2. In hellen Mondnächten: Die unheimliche Zeit
2.3.3. Die Dame mit der Reiherfeder: Figuren und Gegenstände
2.3.4. Des Vaters Wille: Themen und Motive
2.4. Der Schimmelreiter (1888)
2.4.1. Draußen auf den Watten: Zum Schauplatz
2.4.2. Das Wutgebrüll der Nordsee: Zur Beschreibung der Natur
2.4.3. Wüste Dämmerung: Die unheimliche Zeit
2.4.4. Die Geister der Ertrunkenen: Figuren und Gegenstände
2.4.5. Flatternder Mantel, bleiches Gesicht: Themen und Motive
3. Ein Blick auf Zeitgenossen
3.1. Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne (1842)
3.1.1. Wald und Schlucht: Zum Schauplatz
3.1.2. Zornesvoll heult der Sturm: Zur Beschreibung der Natur
3.1.3. Geister der Nacht: Die unheimliche Zeit
3.1.4. Des ´Grünen´ teuflisch Gesicht: Figuren und Gegenstände
3.1.5. Rote Feder, roter Bart: Themen und Motive
3.2. Theodor Fontane: Unterm Birnbaum (1885)
3.2.1. Tief im Keller: Zum Schauplatz
3.2.2. Unter der Erde: Zur Beschreibung der Natur
3.2.3. Mitternachtsgrusel: Die unheimliche Zeit
3.2.4. Unheimlich verzerrte Gestalten: Figuren und Gegenstände
3.2.5. Tod im Haus: Themen und Motive
4. Vergleichende Analyse
Bibliographie
Siglen-Liste
Die folgenden Werke werden zitiert mit Bandangabe in römischer und Seitenangabe in arabischer Zahl.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
KURZBESCHREIBUNG DER ARBEIT
Theodor Storms (1817-1888) Erzählungen zeugen von einer auffallenden Vorliebe für geisterhafte Erscheinungen. Ziel dieser Arbeit ist es, Schauerelemente in den Novellen Storms und zwei seiner Zeitgenossen, Jeremias Gotthelf (1797-1854) und Theodor Fontane (1819-1898), herauszuarbeiten sowie in ihrer Ausführung und Entwicklung zu bewerten. Danach wird die Frage verfolgt, wie sich die untersuchten Erzählungen von Storm, Gotthelf und Fontane vor der Gattungstradition des Schauerromans darstellen. Dabei wird sich zeigen, dass die drei Autoren Komponenten des Genres nicht unverändert kopieren. Sie nehmen – jeder auf seine Weise – Elemente auf, verändern sie und verwenden sie für ihre eigenen Zwecke.
Einleitung
In einer Welt, die durchaus die unsere ist, die, die wir kennen, eine Welt ohne Teufel, Sylphiden oder Vampire, geschieht ein Ereignis, das sich aus den Gesetzen eben dieser vertrauten Welt nicht erklären lässt. Tzvetan Todorov[1]
In dieser Passage aus der Einführung in die fantastische Literatur skizziert Tzvetan Todorov die harschen Gegensätze, die die Schauerliteratur in sich vereint: Einerseits eine dem Leser vertraute Erzählkulisse; andererseits unergründliche, rätselhafte und geheimnisvolle Geschehnisse, die das Genre erst ausmachen. Dieser Spannungsbogen, der den LeserInnen ein emotionales Erlebnis ermöglicht, ohne dass sie ihren Lesesessel verlassen müssen, mag einer der Gründe für die Faszination an dieser Gattung sein. Fest steht, dass die Schauerliteratur im England des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts eine ungemeine Popularität genossen hat.[2] Als in Deutschland sehr bekannte Erzählungen lassen sich Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho (1794) und Matthew Gregory Lewis The Monk (1796) bezeichnen.[3] Hier gab es zwar ebenfalls verschiedene Autoren, die Geschichten um Spuk und Mysterium schrieben[4]. Doch konnte sich die Schauergattung in der deutschsprachigen Literatur damals nicht als festes Genre etablieren[5].
Theodor Storms (1817-1888) Novellen zeugen dennoch von einer bemerkenswerten Vorliebe für Seegespenster, geisterhafte Edelfrauen und unheim-liche Heidebewohner. Auch bei Storms Zeitgenossen Jeremias Gotthelf (1797-1854) findet sich im Erzähltext das Zauberwerk einer Teufelsgestalt. In Theodor Fontanes (1819-1898) Unterm Birnbaum fasst ein einfacher Knecht die Analogie zur Gothic Novel zusammen: „Et spökt“ (F VIII, 111).
Die einleitenden Ausführungen skizzieren den thematischen Schwerpunkt der vorliegenden Studie. Ziel ist es, Schauerelemente in den Novellen Storms und seiner Zeitgenossen herauszuarbeiten sowie in ihrer Ausführung und Entwicklung zu bewerten. Die Materialauswahl beschränkt sich dabei innerhalb des erzählerischen Werkes auf Texte, die eine – mal mehr, mal weniger ausgeprägte – formale und inhaltliche Anlehnung an die Gattung aufweisen. Sechs Prosastücke lassen sich demnach zuordnen: Theodor Storms Werke Marthe und ihre Uhr (1848), Draussen im Heidedorf (1872), Eekenhof (1879) und Der Schimmelreiter (1888); Jeremias Gotthelfs Arbeit Die schwarze Spinne (1842) und Theodor Fontanes Erzählung Unterm Birnbaum (1885).
Die Literaturwissenschaft hat von den erwähnten Titeln vor allem den Schimmelreiter untersucht. Aufmerksamkeit erhielt dabei besonders der Protagonist Hauke – der Aberglauben und Gespensterseherei ablehnt – sowie sein geheimnisvoller Schimmel.[6] Auch mit Blick auf den Text Draussen im Heidedorf fand die Schauerthematik schon einige Beachtung.[7] Hingegen sind bei den Prosawerken Marthe und ihre Uhr[8] und Eekenhof[9] die Analogien zum Schauerroman in der Forschung bisher wenig zur Kenntnis genommen worden. Bei Gotthelfs Schwarzer Spinne überwiegen Deutungen, die religiöse gesellschaftskritische Aspekte zum Schwerpunkt machen. Die Schauerelemente, die dieser Prosatext offenbart, sind auch bisher nicht hinreichend untersucht worden[10]. Hingegen wurde Fontanes Unterm Birnbaum vornehmlich als Kriminalerzählung interpretiert.[11] Auch hier fehlt es bislang an Untersuchungen, die diese Gemeinsamkeiten dieser Erzählung mit der Schauerliteratur zum Thema machen[12]. Eine Studie, die einerseits das Schauerliche in der Novellistik Storms mit Blick auf verschiedene Schaffensphasen untersucht und andererseits mit den Erzählungen von Zeitgenossen vergleicht, stand bislang aus. Der vorliegende Aufsatz hat es sich zum Ziel gemacht, diesen Themenkomplex zu erforschen.
Einleitend werden Elemente der traditionellen Schauerliteratur vorgestellt und als Kriterien der Analyse etabliert. Schauplatz des Genrevorbildes sind z.B. unheimliche Gebäude, wie „heidnische Kultstätten [und] Burgruinen“ oder unüberschaubare Wälder und Berge.[13] Conrad spricht zudem von einem „Ort, der seine Geheimnisse hat, an den alle handelnden Personen festgebannt scheinen, ein[en] Ort unabsehbarer Ängste“[14]. Die unheimliche Stimmung wird verstärkt durch die beschriebene Natur, zum Beispiel durch einen düsteren Wald, durch Stürme oder Nebel, „der den Blick für die Realität verstellt“[15]. Diese Erzählkulisse bildet, „verbunden mit einer entsprechenden gruseligen Lokalität oder einer außergewöhnlichen Situation, den Rahmen für Wahrnehmungstäuschungen“[16]. Die Handlungsebene wird bestimmt durch „Elemente des Übersinnlichen, Unglaublichen oder doch zumindest Außergewöhnlichen, wodurch sie den Alltags- und Erfahrungsbereich der LeserInnen überschreitet“[17]. Angst und Schrecken werden erzeugt durch „das Erleben unerklärlicher Zusammenhänge“ oder aber „durch verbrecherische Handlungen oder andere bedrohliche Äußerungen von Macht, Gewalt und zerstörerischer Leidenschaft“.[18] Mit Blick auf verübte Verbrechen geht es allerdings nicht so sehr darum, einen Täter zu ermitteln. Im Zentrum steht vielmehr „die Frage nach der geheimen Verbindung, die alle Vorfälle miteinander verknüpft, und die Unsicherheit darüber, ob übersinnliche Kräfte walten oder sich ein übermächtiges, vorbestimmtes Schicksal vollstreckt.“[19] Das mysteriöse Geschehen erhält in der Schauerliteratur eine solche Bedeutung, dass „die Figuren psychologische Kontur nur insoweit bekommen, als es zur Konstruktion der Handlung unerlässlich ist“[20]. Das Gestaltenensemble weist „stereotype Charaktere [auf], die den Leser die Figurenkonstellation des Roman schnell erkennen lassen“[21]. Standardfiguren sind beispielsweise Nonnen, Mönche, die „Femme fragile“[22] sowie die „dämonische Verführerin“[23]. Ein bedeutender Gestaltentyp ist außerdem der Peiniger, der „als Vampir, Gespenst, Teufel und künstliche[r] Mensch“[24] auftreten kann. Die Schauerliteratur verfügt oft über „einen verwirrenden, dramatischen und diskontinuierlichen Handlungsverlauf sowie eine Vielzahl von Erzählsträngen, die immer wieder unterbrochen werden“[25]. „Wirkungsstrategisch ist der Schauerroman um „die Erzeugung von Schrecken“ bemüht.[26] Er beansprucht von Seiten der LeserInnen eine „Lesehaltung, die auf Identifikation und einem vollkommenen Sich-Einlassen auf die fiktionalen Welten beruht“[27].
Wie stellen sich die untersuchten Erzählungen von Storm, Gotthelf und Fontane vor dieser Gattungstradition dar? Die Prosatexte werden zur Beantwortung dieser Frage einer Einzelanalyse unterzogen. Ein erstes thematisches Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Handlungsort. Dabei wird zu untersuchen sein, inwiefern das Szenario dem unheimlichen Schauplatz der traditionellen Schauerliteratur entspricht. Mit Blick auf die Naturbeschreibung soll geklärt werden, ob Landschaft und Wetter – wie im Gattungsmodell – genutzt werden, um die schauerliche Stimmung zu verdichten. Diese Frage wird im zweiten Unterkapitel analysiert. Bedeutung erlangt – im dritten Unterkapitel – die Skizzierung der Tageszeiten. Erhält die nächtliche Zeit mit ihrer Dunkelheit und ihren ungewöhnlichen Lauten in den untersuchten Texten eine vermehrte Verwendung? Die Figuren und Figurenkonstellationen erhalten im vierten Unterkapitel Aufmerksamkeit. Sie werden – von der Schablone der traditionellen Schauerliteratur ausgehend – auf ihre gattungskonformen und innovativen Komponenten untersucht. Das fünfte Unterkapitel untersucht die Themen und Motive, die Storm und seine Zeitgenossen in ihren Erzähltexten verarbeiten. Untersucht werden soll, inwiefern diese Themen und Motive mit denen der Genretradition übereinstimmen. Hier wären als charakteristisches Thema beispielsweise das der „verfolgten Unschuld“[28] zu nennen und ein typisches Motiv lautet „Verführer und Verführte“[29].
Die Schlussbetrachtung wird die Ergebnisse der Einzelanalysen zusammenfassen und vergleichend bewerten. Durchlaufen die Schauerelemente in den Werkphasen eine Wandlung? Lässt sich dort ein Kontinuum verzeichnen oder ein Wechsel? Und: Wie verankert sind die Schauerelemente bei Zeitgenossen. Könnten sie möglicherweise als ein stiller Zweig bezeichnet werden, der mit der Gothic Novel korrespondiert?
1. Zur Untersuchung des Schauerlichen: Ein Kriterienkatalog
Um diese Analyse der Schauermotivik Theodor Storms systematisieren zu können, wird in diesem Kapitel ein Katalog erstellt werden, der einzelne „Schauerelemente“[30] aufschlüsselt. In die Gruppe der zu untersuchenden Schauerelemente wurden die Schauplätze, die Naturdarstellungen, die Zeiten, die Figuren und Gegenstände und die Themen und Motive aufgenommen.
Als erstes Schauerelement sollen in dieser Arbeit die Schauplätze einer Novelle untersucht werden, die zur Unheimlichkeit des Werkes beitragen. Als unheimliche Orte gelten beispielsweise „Kirchen, Friedhöfe, Klöster, Schlösser und alte Privathäuser“[31]. Eigenschaften dieser Plätze, wie Einsamkeit oder Verkommenheit können ihre unheimliche Atmosphäre noch unterstützen. In die Untersuchung der Natur fließen das Landschaftsbild – z.B. „Höhlen, Waldlichtungen, Einöden und Moore“[32] – als auch das Wetter ein. Die ausgewählten Novellen haben jeweils ein ganz eigenes Landschaftsbild, daher dürfte gerade an dieser Untersuchung sehr interessant werden, ob sich dennoch unheimliche Naturelemente überschneiden. Die Zeit kann ein weiteres Schauerelement bilden. Generell fällt die unheimliche Zeit in die Nachtstunde, da die nächtliche Dunkelheit für eingeschränktes Sehvermögen sorgt und daher für Spukerscheinungen geeignet scheint. Dabei kann die Geisterstunde um null Uhr als Auslösezeitpunkt fungieren. Doch auch die Dämmerung, abends und morgens, kann für die Darstellung von Schreckbildern nützlich sein, da die Lichtsituation viel Raum für Scheinwahrheiten bietet.
Bei der Analyse von Figuren werden zunächst die Protagonistin oder der Protagonist untersucht. Selbst wenn diese Figur keine Furcht einflößende Persönlichkeit aufweist, so ist sie höchstwahrscheinlich in das Schauergeschehen verstrickt. Es wird zunächst untersucht, wie der Charakter zum Erzählbeginn dargestellt wird. Nach Trautwein existiert in der Schauerliteratur häufig ein „Anfangsgleichgewicht“[33] der Hauptfigur, das sich in „räumlicher und sozialer Geborgenheit“ und in der „intakten Persönlichkeit“ der Figur ausdrückt.[34] Bedeutsam für die Figurenanalyse ist, ob dieses sichere Gefüge im Erzählverlauf auseinander fällt. Dieser Übergang zum „Ungleichgewicht“[35] verläuft in den untersuchten Novellen in drei Varianten: In Die schwarze Spinne verlässt Christine mit ihrem Teufelspakt die vertrauten und „sichernden Sozialbeziehungen“[36]. Hingegen dringt die Bedrohung im Schimmelreiter – in Form von zerstörerischem Wasser – in ein beschauliches Dorf ein.[37] Auch Vertrautes kann schauerlich werden, „ohne den Ort zu wechseln“[38]: So wird beispielsweise Hradschecks Keller (Unterm Birnbaum) durch das Vergraben der Leiche zu einem unheimlichen Ort. Bedeutsam ist, ob sich für die Figur am Erzählschluss ein „Endgleichgewicht“[39] einstellt – entweder, indem sich die anfängliche Ordnung wieder herstellt und die Figur das schaurige Erlebnis verarbeitet; oder aber die Figur erleidet einen „Ich-Verlust“[40] und wird beispielsweise verrückt.
Neben der Hauptfigur werden vornehmlich die Charaktere analysiert, die von vornherein als unheimlich auffallen. Dies geschieht meistens durch ein außergewöhnliches Aussehen oder durch ein befremdendes Benehmen. Mit Blick auf das gesamte Figurenensemble muss unterschieden werden, ob es sich um menschliche Gestalten, Geistererscheinungen oder Sagenfiguren handelt.
Letztlich können auch Gegenstände das Geschehen der Erzähltexte beeinflussen: Diese werden, sobald sie personifiziert werden und sich damit im übernatürlichen Bereich befinden, in die Analyse miteinbezogen.
Die Unterkapitel, die sich mit den Motiven beschäftigen, untersuchen die Handlungsebene der analysierten Novellen. Motiv meint in diesem Zusammenhang nach Frenzel, ein „stoffliches, situationsmäßiges Element [...], dessen Inhalt knapp und allgemein formuliert werden kann, z.B. als der Mann zwischen zwei Frauen“[41]. Ein solches aus Gotthelfs Schwarzer Spinne ist das – nicht zuletzt durch Goethes Faust bekannt gewordene – Motiv des Teufelspakts, den auch Christine mit dem Dämon eingeht. Neben den Motiven sind auch die Themen für die Analyse der Schauerelemente von Belang:[42] So ist zum Beispiel der Tod ein Thema, das – wie das folgende Kapitel zeigen wird – für Storms Erzählung Marthe und ihre Uhr sowie für die Erzählungen der Zeitgenossen von besonderer Bedeutung ist.
2. Die Entwicklung der Schauerelemente in den Novellen Storms
2.1. Marthe und ihre Uhr (1848)
Die Thematik dieser Novelle entstammt Theodor Storms Zeit als junger Jurist in Husum. Dort eröffnete er Anfang März 1843 eine Anwaltspraxis, verließ sein Elternhaus und begann „ein eigenes Leben“[43]. Sein Vater schenkte ihm eine altmodische Immobilie in der Husumer Neustadt, die Storm 1845 bezog. Hier habe der Dichter gern „in Dämmerstunden“ den melancholischen Geschichten seiner Haushälterin Christine Brick gelauscht, deren schwerste Erfahrung „der Tod der Mutter am Weihnachtsabend“ gewesen sei.[44] Teile ihrer einsamen Erinnerungen verarbeitete Strom in dieser ersten Novelle, die im Auftrag von Karl Leonhard Biernatzki in Husum entstand. Nach einigen Stormschen Gedichtsbeiträgen wünschte sich der Herausgeber des Volksbuchs für Schleswig, Holstein und Lauenburg dafür nun einen Prosatext, der darin im Jahr 1848 seine Erstveröffentlichung fand.
2.1.1. Ein kleines Bürgerhaus der Stadt: Zum Schauplatz
Sie borgte Teilchen ihrer Seele aus an die alten Möbel ihrer Kammer.
Theodor Storm (ST I, 282[45])
In Theodor Storms erster Novelle gibt es nur eine Kulisse: Marthes Haus. Dieses Gebäude und die darin lebende Protagonistin der Binnenhandlung sind intensiv miteinander verbunden. Da Marthes Geburtsstätte als Bühne für ihre Phantasie fungiert, erlebt sie eine Stätte voller Leben, wo eigentlich keines sein dürfte. Der auktoriale Ich-Erzähler des Rahmens klärt nicht eindeutig, ob Marthe die Vorgänge und Erscheinungen nur in den Schauplatz hinein illusioniert oder ob sie tatsächlich stattfinden. Er bemerkt, dass die Heldin den Möbeln des Hauses die Befähigung aneignet, „sich mit ihr zu unterhalten“ (ST I, 282). Durch die „Behandlung der Dingwelt“[46] suggeriert der Text eine mögliche Metaphysik, verweigert jedoch eindeutige Belege.[47]
Das Haus nimmt die Protagonistin auf unheimliche Weise in Besitz. Dies hat für Marthe zur Folge, dass sie immer einsamer wird: Denn als „alternde unverheiratete Tochter“ (ST I, 283) wohnt sie alleine in diesem Gebäude und verlässt es selten. Unternimmt sie den Versuch auszugehen, scheint das Haus durch sein Mobiliar Impulse zu senden, die sie endlich doch wieder umstimmen.
Neben Marthes Eigenart, mit den Möbeln zu kommunizieren, erfüllt auch ihre Vergangenheit die leeren Räume und ihre Gedanken. Die gesamten Erinne-rungen ihres Lebens projektiert die Heldin in ihr Obdach. Statt sich von realen Menschen unterhalten zu lassen, verbringt sie ihr Weihnachtsfest damit, sich in Gedanken ihren Vater im „braungeschnitzten Lehnstuhl“ (ST I, 284), ihre singenden Geschwister „in der kleinen Stube“ (ST I, 286) oder ihre alte Mutter im Sterbebett (vgl. ST I, 286) wieder wachzurufen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass das Haus eine Ruhestätte darstellt, in der Marthes Erinnerungen, Gedanken und ihre gesamte Vergangenheit begraben liegen.[48] Da sich Marthe mit ihren Erinnerungen mehr identifiziert als mit ihrem gegenwärtigen Umfeld und sie die Stätte auch wenig verlässt, symbolisiert das Haus auch ihre Ruhestätte. Denn Storm verwendet zweimal die Vokabel „totenstill“ (ST I, 286), obwohl sich die lebendige Marthe im Haus aufhält. Das Haus bildet einen von der Realität abgeschirmten Raum, in der die Vergangenheit für Marthe zur Realität wird. Außerhalb des Hauses hat Marthe lebende Familienmitglieder, doch sie zieht es vor, in ihren Tagträumen bei den Verstorbenen zu weilen.
Diese Kulisse ist auf eine andere Art schaurig als die Schauplätze, die in dieser Studie folgen werden. Sie ist nicht schaurig aufgrund ihres Habitus und ihrer Lage. Unheimlich an diesem Ort ist seine Geschichtsträchtigkeit für Marthe. Ihr Leben lang scheint sie sich in diesem Haus für ihre Familienmitglieder aufgeopfert zu haben. Nun bildet es eine Zuflucht für die Heldin, die immer nur innerhalb dieser Wände gelebt hat und nicht weiß, welche Rolle sie in der Welt außerhalb des Hauses einnehmen sollte. Daher klammert sie sich an die vertraute Umgebung und verpflichtet sich nun dem Haus und der alten Uhr. Auf diese Weise manövriert sie sich selbst in unnötige Einsamkeit, aber spendet sich selbst das Gefühl gebraucht zu werden. Denn genau die „Zwecklosigkeit ihres Lebens“ (ST I, 282) beklagt Marthe. Es ist allein diese immense Wirkung des Ortes auf die Protagonistin, die ihn unheimlich erscheinen lässt.
2.1.2. Mitten in der Nacht: Die unheimliche Zeit
Ja, da warnte es auf Elf. Theodor Storm (ST I, 286)
Auch wenn die Protagonistin abgeschieden in ihrem Haus lebt und die „langen Winterabende fast immer allein“ (ST I, 282) verbringt, scheint sie die Nachtzeit keineswegs zu fürchten. Wie der Erzähler dieser Novelle berichtet, steht Marthe entschieden auch „in der dunkelsten Nacht“ (ST I, 283) auf, um ihrer nicht mehr ganz funktionstüchtigen Wohnzimmeruhr, die plötzlich „schnurrt“ (ST I, 283) statt schlägt, beiseite zu stehen. Die Heldin stellt sich an dieser Stelle nur die pragmatische Frage, ob die „Uhr sie wohl geweckt“ (ST I, 284) habe, weil sie ihr Tagewerk nicht einwandfrei erledigt hatte. Doch erscheint an dieser Szene zusätzlich rätselhaft, warum die Uhr gerade „mitten in der Nacht“ (ST I, 283) zu schnurren beginnt. Bekanntermaßen läutet in Schauergeschichten eine Uhr mit zwölf Schlägen die Geisterstunde ein und etwas Erschreckendes passiert.[49] Dies kann als Anhaltspunkt des Autors verstanden werden, dem Möbelstück das gewisse Eigenleben einzuräumen und Mitternacht ist die zweckdienlichste Zeit, dies zum Ausdruck zu bringen. Doch Storm belässt es hierbei und überrascht mit einer unerschrockenen Protagonistin: Sie reagiert atypisch auf die Situation; ihr graut es nicht, sie steht auf, justiert die Uhr und legt sich wieder schlafen.
Noch ein zweites Mal wird die Zeit Mitternacht pointiert in der Novelle eingesetzt, diesmal im zweiten Tagtraum[50], der eine vergangene Zeitebene behandelt: Marthe sitzt Heiligabend in einem „schlummerähnlichen Zustand“ (ST I, 286) am Krankenbett ihrer Mutter und hält deren Hand. Erneut wird sie geweckt: „Die Uhr [schlug] zwölf! – Das Licht war ausgebrannt, der Mond schien hell in´s Fenster; aus den Kissen sah das bleiche Gesicht der Mutter“ (ST I, 286). Diese Uhrzeit – Trautwein folgend eine Ängste manipulierende „Auslösesituation“[51] – ist wiederholt gezielt gewählt, um ein schaudervolles Grundgefühl zu erzielen. Doch auch diesmal wird das gewohnte Schema der Geisterstunde unterbrochen und die schauerliche Stimmung verpufft: Marthe bleibt einfach still sitzen und hält bis zum Morgen die kalte Hand der Verstorbenen (vgl. ST I, 287).
2.1.3. In Gesellschaft einer Uhr: Figuren und Gegenstände
Ihre Ansprüche an das äußere Leben waren fast keine.
Theodor Storm (ST I, 281)
Die Protagonistin ist eine bescheidene bürgerliche Frau, die alleine ihr Elternhaus bewohnt. Marthe ist nur scheinbar einsam, denn sie erdichtet sich ihre eigene Gesellschaft in ihrem stillen Haus. Um diese Gesellschaft soll es in diesem Kapitel gehen, sie kann in zwei Kategorien eingeteilt werden:
Die erste Gruppierung besteht aus „geliebten“ (ST I, 282) literarischen Charakteren, wie z.B. Mörikes Novelle Maler Nolten. Marthes Phantasie lässt sie agieren wie „selbstbestimmende lebende Wesen, deren Handlungen nicht mehr an die Notwendigkeit des dichterischen Organismus gebunden“ (ST I, 282) sind. Es existiert in der Novelle keine Szene der direkten Kommunikation zwischen diesen Figuren und der Heldin, allein der Erzähler berichtet von diesem Zeitvertreib Marthes. Diese Figuren haben genauso wenig wie ihre Darstellung durch Marthe einen schaurigen Charakter.
Des Weiteren stellt sich Marthe ihre verstorbenen Familienmitglieder vor, Szenen ihrer Kindheit und Jugend laufen wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Diese Bilder sind im Gegensatz zu den oben genannten authentisch und von Marthe selbst miterlebt. Während die Phantasterei über Romanfiguren für Marthe eher einen unterhaltenden Nutzen erfüllt, erinnert sie sich ihrer Familienmitglieder aus melancholischen Trauergefühlen heraus. Die tonlosen Erinnerungsbilder über ihren Vater, ihre Mutter und die Geschwister tragen keine schauerlichen Züge. Aber sie drücken ein „Anfangsgleichgewicht“[52] aus: In der Zeit, aus der diese Erinnerungen stammen, war Marthe noch Teil eines, nach Trautwein, funktionierenden „Familienkreises“ und von „räumliche[r] und soziale[r] Geborgenheit“ umgeben.[53] Diese Bilder stellen einen Kontrast zur dargestellten Gegenwart der Heldin dar, denn in dieser ist ihr nur die räumliche Geborgenheit geblieben.
Die zweite Aufstellung bildet Marthes Hausrat, dem die Protagonistin laut Erzähler „eine Art von Leben und Bewusstsein“ (ST I, 282) gäbe. Der Gedankenaustausch zwischen Marthe und den alten Möbeln wird vom Erzähler als zwar „stumm“ (ST I, 282), aber desto „inniger und ohne Missverständnis“ (ST I, 282) beschrieben. Auch diese Unterhaltung wurde nicht szenisch in der Novelle umgesetzt, sondern nur erwähnt. Doch gerade durch die Anspielung auf die stumme Art der Unterhaltung setzt Storm hier eine eindeutige Differenzierung zum nächsten Möbelstück:
Die „altmodische Stutzuhr“ (ST I, 282) wird markant personifiziert. Storm ordnet dem Utensil Kräfte zu, die normalerweise nur Personen und Tiere ausüben können. Daher kann die Uhr als ein Gegenstand mit übernatürlichen Fähigkeiten bezeichnet werden.[54] Einzelne vermenschlichende Wendungen – wie „immer eindringlicher“ (ST I, 283, 285) – tauchen mehrfach auf. Andere werden variiert: Wie schon erwähnt, gesteht Marthe dem Wohnzimmerinterieur ein Bewusstsein ein (vgl. ST I, 282). Der Erzähler spricht präziser von deren „eigentümlichsten Grillen“ (ST I, 282). Ihre Uhr findet Marthe „drollig“ (ST I, 284), erwähnt deren „Willen“ (ST I, 284) und „eigenen Kopf“ (ST I, 283). Der Erzähler bezeichnet sie als Marthes „beredteste Gesellschaft“ (ST I, 283), die sich nicht mehr um „die neue Zeit“ (ST I, 283) schert, wie es die Protagonistin ja ebenfalls nicht tut. Abschließend verleiht er der Personifizierung der Uhr eine ganz neue Dimension („Sie wußte von Allem“, ST I, 287): Marthe und ihre Uhr werden hier sogar gleich gesetzt.[55]
Jeder Satz über die Uhr zeugt von Geheimnis und Fremdheit: Zunächst nennt der Erzähler als Kaufort der Uhr einen Amsterdamer Trödelmarkt, auf dem Marthes Vater das schon damals „uralte Stück“ (ST I, 283) erwarb. Da die Amsterdamer Schiffe lange den Seehandel mit den überseeischen Kolonien dominierten, charakterisiert dieser Hinweis Storms die Uhr als eine Rarität aus weiter Welt. Ebenso unterstreicht er mit dem Aussehen dieses außergewöhnlichen Exemplars dessen Mysterium: „Zwei Meerweiber“ (ST I, 283)[56] würden das Ziffernblatt umrahmen und die Uhrzeiger seien dem Schwanz eines Skorpions nachgebildet. Ähnlich der Wirkung der Sirenen-Musik, die den Seeleuten schmeichelt, sie den Augenblick vergessen lässt und in einen gegenwartsfernen Zustand versetzt, verhält sich Marthes Reaktion gegenüber den Geräuschen der Uhr. Diese psychische Gefahr wird durch eine physische erweitert: Die Uhrzeiger, geformt gleich einem Skorpions-Schwanz, symbolisieren dessen Tod bringende Wirkung.[57] Beide Symbole, die Meerweiber und der Skorpion, sollen die negative Wirkung auf Marthe unterstreichen und für den flüsternden Einfluss der Uhr auf die Heldin verantwortlich sein.
Vier tragende Szenen wirken, als ob der Chronometer Marthes Leben mehr steuere als sie selbst: Erstens reißt er durch nachdrücklicher werdendes Ticken Marthe aus einem „Hineinbrüten über ihre Einsamkeit“ (ST I, 283). Das Möbelstück übt in dieser Szene einen positiven Einfluss auf Marthe aus. Denn sobald Marthe aus ihren düsteren Grübeleien hoch geschreckt ist, freut sie sich wieder über die freundliche Umgebung vor ihrem Fenster (vgl. ST I, 283). In der zweiten Szene ist ein positiver Effekt auf die Protagonistin jedoch fragwürdig: Im Uhrwerk haben sich die Räder verhakt und Marthe muss nachts aufstehen und die alte Uhr „aus ihren Nöten“ (ST I, 283) erlösen. Auf den ersten Blick könnte eine positive Deutung dieser Szene lauten, dass die Uhr für Marthe die Bedeutung von einem hilfsbedürftigen Wesen einnehme und der Heldin die Empfindung vermittle unentbehrlich zu sein. Ein Gefühl, das Marthe ja gerade in der Welt außerhalb ihres Hauses vermisst. Doch genau diese Wirkung drängt Marthe noch mehr in die hausgemachte Einsamkeit und verstärkt zusätzlich ihre Abhängigkeit von dieser Uhr. Deutlich spürbar arbeitet Storm hier die riskante Wirkung der Uhr heraus[58]. Die dritte Szene schildert, wie sich die Protagonistin für eine Weihnachtsfeier außer Haus zurechtmacht, als die Uhr sie durch lautes Ticken scheinbar zu überreden versucht, daheim zu bleiben. Hier kann der Einfluss der Uhr auf die Heldin als problematisch gesehen werden: Marthe übersetzt das Ticken der Uhr mit den Worten „Was willst du da? Deine Weihnachtsfeier gehört ja nicht dahin“ (ST I, 284). Diese gaukeln – ganz nach dem Nixenprinzip – der einsamen Heldin eine verschobene Wahrheitsempfindung vor. Sie erhält den offensichtlich trügerischen Eindruck, besser in ein menschenleeres Haus zu passen als zu ihren lebendigen Familienmitgliedern. Marthe gehorcht dem Gegenstand und hängt das „schon hervorgezogene Festkleid wieder in den Schrank“ (ST I, 284). Hier findet eine Verführung statt, die gleich der Methode von den Sirenen funktioniert: Marthe deutet die Situation auf ihre Weise, wodurch sich ihre wirkliche Lage verschlechtert. Die vierte – gleich folgende – Szene verdeutlicht sogar eine Unterordnung Marthes vor der Uhr: Da diese nun „ihren Willen bekommen“ (ST I, 284) habe, so der Erzähler, wurde nun ihr Ticken wieder ganz leise, sodass die Protagonistin sich ihren Erinnerungen hingeben durfte (vgl. ST I, 284).
2.1.4. Allein: Themen und Motive
Die Andern waren alle, alle fort.
Theodor Storm (ST I, 286)
Verlassen, vergessen, „ganz allein zurückgeblieben“ (ST I, 286) – dieses Motiv beschreibt aus Marthes Sicht ihre Situation. Warum zelebriert die Protagonistin ihr Alleinsein dann geradezu? Marthes Furcht vergessen zu werden richtet sich auf die Welt außerhalb ihrer Stube. Dort sieht sie sich selbst als chancen- und nutzlos. Ihre Konzentration verlagert sie daher auf ihre eigenen vier Wände. Dadurch, dass sie dort all ihre Erinnerungen – in denen sie durchweg eine wichtige und nutzvolle Rolle spielt – immer wieder vor ihrem inneren Auge passieren lässt, entkommt sie, wie Lee es treffend formuliert, dem „Schicksal des Vergessenseins“[59]. Marthes Kreativität im Phantasieren weitet sich noch um eine weiteres Ausmaß aus, als es bislang in dieser Arbeit ausgedrückt wurde: Zwar sind ihre Eltern verstorben, aber die Protagonistin erschafft sich Ersatz: den Lehnstuhl für den Vater, das Spinnrad für die Mutter, beide mit eigensten Launen (vgl. ST I, 282), wie sie doch bei älteren Menschen gerne vorkommen. Marthe fühlt sich alleine am wenigsten einsam.
Zwei immer wiederkehrende Wörter klingen noch im Ohr der LeserInnen, nachdem die Novelle schon zu Ende gelesen ist: „Tick, tack!“ (ST I, 283). Dieses Textelement wird bei seiner ersten Nennung auch noch mit der Beschreibung „immer eindringlicher“ (ST I, 283) etikettiert und erhöht so seine Aussagekraft als Erinnerungsfunktion. Mit der verflochtenen Beziehung zwischen Marthe und ihrer Uhr setzt sich der Autor mit dem Thema Erinnerung auseinander. Die Uhr ruft auf komplexe Weise Marthes Erinnerungen wach: Durch das Ticken wird Marthes Aufmerksamkeit auf die Uhr gelenkt. Sobald sie auf das Ziffernblatt oder das Schlagen der Uhr achtet, erinnert sie sich an einen einprägsamen Moment der Vergangenheit, der genau zu dieser Stunde stattfand. Nur eine Ausnahme gibt es in diesem Schema: Während Marthe in ein „Hinbrüten über ihre Einsamkeit verfallen“ (ST I, 283) ist, schreckt die Uhr sie aus diesen Gedanken und erinnert sie an die sommerliche, erfreuliche „Welt um sie her“ (ST I, 283). In dieser Szene liegt der Erinnerungsmoment ausnahmsweise in der Gegenwart, anstatt in der Vergangenheit. Von dieser Unregelmäßigkeit abgesehen haben jedoch alle Wiederholungen des Tickens den Zweck, Marthe einen vergangenen – von der Uhr ausgewählten – Zeitpunkt ins Gedächtnis zu rufen.
Das Erinnern symbolisiert ein bestimmtes ´Verhalten´ der Uhr. Dieses Möbelstück übt eine Kontrolle über Marthes Gedanken aus. Diese Überwachung dient dazu, der Protagonistin immer wieder künstlich – da manipuliert – zu verdeutlichen, dass sie sehr wichtige Momente ihres Lebens an diesem Platz verbracht hat und eine gegenseitige Abhängigkeit und Assimilation besteht:[60] Ein glückliches Weihnachtsfest in der Kindheit im ersten Tagtraum veranschaulicht Stunden des Familienglücks. Der Sterbemoment ihrer Mutter im zweiten Tagtraum betont den Augenblick, ab dem Marthe als zurückgelassenes Familienmitglied allein bleibt. Das nächtliche Pflegen der kränkelnden Uhr akzentuiert, dass Marthe immer noch in dem Haus gebraucht wird. Das Lenken von Marthes Blick auf die sommerliche Heiterkeit vor dem Fenster führt vor, wie fröhlich es trotz des Alleinseins dort ist. Die Frage „Was willst du da?“ (ST I, 284) dient der Platzzuweisung Marthes in das Haus. Das Resümieren Marthes über die Uhr – „sie wusste von Allem, sie hatte Alles mit erlebt“ (ST I, 287) – beweist den gelungenen Prozess: Marthe wird erfolgreich von der unentbehrlichen Zweisamkeit mit einer Gesellschafterin überzeugt, die jede Minute von Marthes Leben miterlebt hat.
Ein wichtiges Thema dieser Novelle ist das Weihnachtsfest. Dieser Gegen-stand wird viermal aufgegriffen. Zunächst wird in der vergleichenden Schilderung der Gegensatz zwischen dem fröhlichen Fest des Erzählers, nach konventioneller Tradition mit Christbaum, freudestrahlenden Kindern und festlichem Mahl, und Marthes kargem, einsamen Fest dargestellt. Gleichzeitig soll diese Gegenüberstellung auf den Kontrast zwischen der Wirklichkeit außerhalb des Hauses und der verschobenen Realität in Marthes entrückter Welt hindeuten: Denn Marthe scheint keinen Grund dafür zu sehen, im Jetzt ihres Lebens zu feiern, sie sinniert lieber in Tagträumen über die verstrichenen Weihnachtsfeste ihres Lebens. Überhaupt wirkt es, als hätte Marthe den Anspruch, sich selbst zuliebe Abwechslung, Zeitvertreib und Vergnügen in ihr Leben zu integrieren, nie gehabt oder schon lange aufgegeben.
Als letztes bedeutendes Thema ist der Tod zu nennen. Wie ein Faden zieht sich die Reihe der toten Familienmitglieder Marthes durch Storms Novelle. Ihr Vater, ihre Brüder, die Kinder der Schwester Hanne und ihre Mutter werden nacheinander als verstorben erwähnt. Eindrucksvoll ist die Sterbeszene von Marthes Mutter im zweiten Tagtraum. Der Tod der Figur findet genau um Mitternacht statt. Also hat mit ihr auch der Tag sein Ende gefunden und das Licht der Kerze ist ebenfalls genau zum Todeszeitpunkt erloschen.
Wie Lee treffend erwähnt, wirkt diese Szene offensichtlich entgegen den „Erwartungen an Weihnachten“[61]. Sie erinnere viel mehr an die Sterbeszene Jesu Christi, den es ebenfalls kurz vor dem Todesmoment noch ein letztes Mal dürstet.[62] Seitdem empfindet Marthe das Haus als „totenstill“ (ST I, 286). Diese Szene ist bezeichnend für Marthes Entwicklung ins „Ungleichgewicht“[63]. Für die Protagonistin wird nach Trautwein das „Vertraute“[64] zu einer Bedrohung, die erstens durch ihre schon beschriebene Isolation entsteht, zweitens durch den Tod, der nach und nach alle Hausbewohner dahingerafft hat.
Wünscht sich die Protagonistin vielleicht heimlich ihren eigenen Tod? Zumindest nimmt sie bereitwillig den Platz im alten Lehnstuhl ein. Der Vater saß zuerst darin. Nachdem er verstorben war, nahm die Mutter diesen Platz ein. Wahrscheinlich hätte Marthe nichts dagegen, die Reihe fortzuführen. Doch unbarmherzig, wie sie gegen sich selbst ist, wird sie zum Ende des Werkes vom Erzähler zitiert: „Ich bin niemals krank gewesen; ich werde gewiß sehr alt werden“ (ST I, 287). Wer „das Leben liebe“ (ST I, 287), wage dies jedoch nicht auszusprechen, resümiert der Erzähler – und wahrscheinlich schon gar nicht „laut und ohne Scheu“ (ST I, 287). Wenn nun Marthe eine Prise Aberglaube unterstellt würde, könnte dies als sanfter Versuch gewertet werden, nicht mehr nur ihrer Vergangenheit nachzutrauern, sondern ebenfalls zur Vergangenheit zu gehören[65].
2.2. Draussen im Heidedorf(1872)
Den Stoff für diese Novelle hat „ein Fall aus der juristischen Praxis“[66] Theodor Storms geliefert. Der hauptberufliche Advokat übte von 1864 bis 1867 die Positionen des „Obervormund[s], Polizeimeister[s], Kriminal- und Zivilrichter[s]“[67] in Husum aus. Dort schrieb er 1871-1872 die Novelle Draussen im Heidedorf, in der die Stadt als Muster für den Ort der Eingangsszene diente. Die erzählte Zeit im Werk lässt sich auf das Jahr 1866 anberaumen. Denn im März 1866 war Storm kraft seines Amtes wegen einer Vermisstenanzeige in Rantrum, einem Dorf südöstlich von Husum, beschäftigt.[68] Ganz nach dem Prinzip des poetischen Realismus inszeniert Storm seine Novelle in einer örtlich bestimmbaren Kulisse, er nimmt dabei gegenüber „Unwissenheit“ und „Aberglauben“ der Bauernschaft eine kritische Haltung ein.[69] Auch den „distanzierten Erzählton des modernen Realismus“[70] verwirklicht der Dichter „mit klaren Konturen, ohne zuviel Schnörkel und Stimmung, so objektiv wie möglich“[71]. Die realistische Darstellung auch der „häßliche[n] Wirklichkeit“[72] in Storms Novelle wird teilweise als bedrückend empfunden und bewirkt Kritik einiger Zeitgenossen.
2.2.1. Am Wilden Moor: Zum Schauplatz
Kleine Handlaternen wankten wie Irrlichter durch die dunklen Gassen. Theodor Storm (ST II, 69)[73]
Der Schauplatz dieses Stücks, ist wie der Name schon verrät, ein abgeschiedenes Dörfchen am Rande einer norddeutschen Moorlandschaft: Er entspricht dem authentischen Landstrich des Wilden Moores, welcher sich östlich von Husum erstreckt. Darin liegen vereinzelte Geestdörfer wie Ostenfeld, Wittbek, Schwabstedt und Rantrum, wovon letzteres, wie schon erwähnt, als Vorbild für das Heidedorf fungiert hat.[74]
Die Eingangsszene der Novelle gibt einen gelungenen Vorgeschmack auf den Hauptschauplatz der Rahmenerzählung, das Wilde Moor. Es werden hier etliche Hinweise auf den schauerlichen Charakter dieses Ortes gegeben, die sich im Laufe des Stückes noch stärker entfalten. Zunächst beschreibt Storm eine Kulisse wie ein Bühnenbild, bei dem die agierenden Figuren unter einer Laterne hell ausgeleuchtet werden, der Rahmenerzähler jedoch unbemerkt aus dem Hintergrund auftritt.[75] Den herbstabendlichen Schauplatz definiert dieser als den Wirtshauseingangsbereich eines Städtchens, durch dessen angrenzende dunkle Gassen die „kleinen Handlaternen […] wie Irrlichter“ (ST II, 69) umher flackern. An diesem Schauplatz geschieht Heimliches: Der Amtsvogt lauscht aus dem Verborgenen einem Gespräch, Margreth und Hinrich verhehlen ihre seltsame Verbindung und die restlichen Passanten verbergen ihre Gesichter, da nur ihre Laternen zu erkennen sind. Der Erzähler bemerkt, „wie ein Schattenspiel“ (ST II, 71) sei alles vorüber, nachdem sich plötzlich die Pferde aufgebäumt hätten und „das Gefährt in die Nacht hinaus“ (ST II, 71) gerattert sei. In einem Schattenspiel sind die eigentlichen Figuren verborgen. Wenn Storm diese Figuren als Schatten bezeichnet obwohl sie leibliche Personen sind, belegt er sie gezielt mit einer geheimnisvollen Aura. Zusätzlich lässt diese Bemerkung des Erzählers erkennen, dass nur die kleinen Handlaternen diesen Schauplatz von der dunklen Nacht trennen. Nun werden gerade jene vom Erzähler noch bezeichnender Weise mit Irrlichtern verglichen.[76] Dem Hauptakteur schwant noch nichts Böses. Den LeserInnen hat Storm jedoch schon verraten, dass der Amtsvogt in unmittelbarer Gefahr schwebt, in die Irre geleitet zu werden.
Dies alles sind Vorankündigungen, die auf den eigentlichen Spielort der Novelle verweisen: Das Heidedorf. Zwei Häuser und ihre nahe Umgebung sind hier besonders interessant, erstens das Heim der Protagonistin und zweitens der Fehsesche Hof. Beide liegen etwas ab von dem Dorf, am Rand des Moores. Margreths Wohnhaus ist genau zwischen der Kirche und dem Moor errichtet und grenzt zusätzlich an den Friedhof des Ortes. Kirche und Friedhof, diese „unheimlichen“[77] Stätten, wirken unterstützend für die im Verlauf der Novelle geschaffene Verknüpfung zwischen der Figur Margreth und einem geisterhaften Wesen. Andererseits trägt gerade der Friedhof als Kulisse zweier nächtlicher Szenen beträchtlich zur Schauerstimmung bei, da die von Margreth deutlich erkennbaren „Kreuze“ (ST II, 93) und das Heulen des Sturms sie an den Satz „die Toten schreien in den Gräbern“ (ST II, 96) erinnern lässt. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, sie sei umgeben von Spukerscheinungen. Margreths Wohnhaus ist von „Holunder“ (ST II, 84) umgeben, den Geffers Browne als „Baum, der Unglück oder Tod ankündigt“[78] charakterisiert. So wirkt es bezeichnend, dass gerade das Haus der ambivalenten Figur Margreth, mit dieser Pflanze umrahmt wird, die auch noch „fast entlaubt“ (ST II, 84) ist und dies von Storm als eine bald drohende Todesankündigung verstanden werden kann.
Das Fesehsche Anwesen liegt „einsam und weit“ (ST II, 85) im Moor. Es ist nur durch einen Weg mit dem Dorf verbunden. Wenn Nebel aus dem Sumpf aufsteigt – so beobachtet der Erzähler – und über den Damm schwemmt, scheint dieser im Moor zu verschwinden (Vgl. ST II, 100). Für einen Betrachter könnte das Gehöft so abseits in der Landschaft verloren wirken. Vom Nebel eingeschlossen wirkt es wahrscheinlich wie abgeschieden von der restlichen Welt. Das Haus ist schon optisch Hinrich Fehse zuzuordnen, da es ihm auf auffällige Weise gleicht: Der Amtsrat erwähnt das schwere „Strohdach“ (ST II, 85), welches auf die niedrigen Fenster des Hauses drückt. Diese Aussage erinnert gleich an den vom Erzähler ebenfalls genannten „breite[n] Stirnknochen“ (ST II, 71), der Hinrich Fehses kleine Augen fast verdeckt. Zusätzlich wird vom Autor eine Parallele gestaltet zwischen dem Haus und dem seelischen Zustand seines Bewohners: Es symbolisiert, dass Hinrich verloren ist in seiner Besessenheit zu Margreth. Seine Begierde nach ihr umhüllt Hinrichs Geist wie der Nebel das Haus und lässt ihm alles andere entfernt und unwichtig erscheinen. Letztlich findet allerdings Hinrich keinen Ausweg aus seiner Verirrung als den Tod, während das Haus dem Nebel standhaft bleibt.
2.2.2. Die weißen Nebel: Zur Beschreibung der Natur
Mitunter aus der Luft herab kam der melancholische Schrei des großen Regenpfeifers. Theodor Storm (ST II, 79)
Die Kutschfahrt aus der Stadt zum kleinen Heidedorf verkündet einen atmosphärischen Wandel: Zunächst wärmt noch die Sonne, „rote zierliche Pfaffenkäppchen“ (ST II, 78) schweben in den Bäumen und die Reisenden blicken auf Felder und Wälle, also auf einen von Menschenhand gestalteten Landstrich. Dann beginnt jedoch das „Wilde Moor“ (ST II, 78) und der Erzähler bekommt den Eindruck, dass auch „der letzte Sonnenschein, der noch auf Erden war“, von dieser „düsteren Steppe“ (ST II, 78) geschluckt wird. Die Landschaft wirkt auf den Amtsrat „öde“ (ST II, 78f.), schwermütig und einsam. Er erwähnt neben dem „schwarzbraunen Heidekraut“ (ST II, 79) und den „größeren und kleineren Wassertümpeln“ (ST II, 79) zwar auch Torfhaufen, die – da sie von Menschen aufgeschüttet sind – auf Zivilisation hinweisen. Eigentlich müsste sein Eindruck der leblosen Atmosphäre dadurch abgemildert werden. Doch Trübsinn hat den Erzähler ergriffen und selbst den Ruf des „Regenpfeifers“ (ST II, 79) kann er nur noch als einen die Weite und Stille schwermütig durchbrechenden Schrei bemerken. Dieser Vogelruf verstärkt sogar noch seine Impression der lebensfeindlichen Natur, in der scheinbar nur diese eine Kreatur überlebt hat. Durch die visuellen Eindrücke des Amtrats, vermischt mit seinen Emotionen und Gedanken, erhalten die LeserInnen den Eindruck einer gespenstischen Landschaft. Durch die subjektiven Zusatzinformationen des Erzählers über das Moor schafft Storm hier eine „Schauerantizipation“[79]. Die persönlichen und durchweg düsteren Eindrücke des Erzählers über die Landschaft („öde“, ST II, 78f.; „melancholisch“, ST II, 79; “schwarzbraun“, ST II, 79; „einsam“, ST II, 79) lassen die Natur in dieser Novelle zu einem Schauerelement werden. Besonders seine Erwähnung von „unheimlichen Dingen“ (ST II, 79), denen hier manche „nachts und im Zwielicht“ (ST II, 79) begegnet sein wollen, machen das Moor in dieser Novelle zu einem geheimnisvollen, Furcht erregenden Ort.
[...]
[1] Tzvetan Todorov, Einführung in die fantastische Literatur, München: Carl Hanser, 1972, S. 25.
[2] Vgl. Günther u. Irmgard Schweikle, Metzler Literatur Lexikon, Begriffe und Definitionen, 2., überarb. Aufl., Stuttgart: Metzler, 1990, S. 183f.; Vgl. Jens Saathoff, Motive krisenhafter Subjektivität, Eine vergleichende Studie zu deutscher und englischer Schauerliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M.[u.a.]: Peter Lang, 2001, S. 83. Im Folgenden zitiert als: Saathoff, Subjektivität; Vgl. Silke Arnold-de Simine, Leichen im Keller, Zu Fragen des Gender in Angstinszenierungen der Schauer- und Kriminalliteratur (1790-1830), St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag, 2000, S. 234. Im Folgenden zitiert als: Arnold-de Simine, Leichen im Keller.
[3] Vgl. Jörg Schönert, Behaglicher Schauer und distanzierter Schrecken, in: Literatur in der sozialen Bewegung, Aufsätze und Forschungsberichte zum 19. Jahrhundert, hrsg. von Alberto Martino, Tübingen: Niemeyer, 1977, S. 27-92, hier S. 44f. Im Folgenden zitiert als: Schönert, Schauer.
[4] Siehe hierzu: Christian Heinrich Spiess (Das Petermännchen, Geistergeschichte aus dem 13. Jahrhundert, 1791); Isabella von Wallenrodt (Geistererscheinungen und Weissagungen, 1796); Sophie Albrecht (Das höfliche Gespenst, 1797); Joseph Alois Gleich (Mutter Irmentraut oder die Wundergaben des Schloßgespenstes zu Frauenstein, 1798); Ludwig Tieck (Der Runenberg, 1802); Johann August Apel / Friedrich Laun (Das Gespensterbuch, 1810-1813); Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (Elixiere des Teufels, 1815).
[5] Vgl. Saathoff, Subjektivität, S. 84f. Während die Gespenstergeschichte – als unspezifische Sammelbezeichnung von geheimnisvoll-dämonischen Geschehnissen – bereits in den meisten Kulturen vertreten ist, bildet die englische Gothic Novel eine eigene Gattung. Äquivalent zu dieser Bezeichnung wird in Deutschland der Begriff Schauerroman benutzt. Entsprechende deutsche Werke sind jedoch weniger schematisiert als das Vorbild und lassen ebenfalls Klassifizierungen, wie Geheimbundroman, Detektivroman, Gespenstergeschichte zu.
[6] Siehe hierzu: Walter Silz, „Theodor Storms Schimmelreiter“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 4 (1955), S. 9-30; Johannes Klein, Theodor Storm, in: J.K., Geschichte der deutschen Novelle von Goethe bis zur Gegenwart, Wiesbaden: Franz Steiner, 1960, S. 296-300. Im Folgenden zitiert als: Klein, Geschichte; Arthur Tilo Alt, „Flucht und Verwandlung, Theodor Storms Verhältnis zur Wirklichkeit“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 25 (1976), S. 19-24; Winfried Freund, Theodor Storm, Die phantastische Novelle am Wendepunkt, in: W.F., Literarische Phantastik, Die phantastische Novelle von Tieck bis Storm, Stuttgart [u.a.]: Kohlhammer, 1990, S. 143-147, siehe insbesondere S. 144f.; David Artiss, „Theodor Storms symbolische Tierwelt – dargestellt an seinen Vorstellungen von Wolf, Hund und Pferd“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 45 (1996), S. 7-22, siehe insbesondere S. 18f.; Klaus Hildebrandt, Theodor Storm, Der Schimmelreiter, 2., überarb. u. korr. Aufl., München:Oldenbourg, 1999, siehe insbesondere S. 45-55 u. 70f.; Regina Fasold, Theodor Storm, Stuttgart [u.a.]:Metzler,1997, siehe insbesondere S. 152-167; Johannes Harnischfeger, „Modernisierung und Teufelspakt, Die Funktion des Dämonischen in Theodor Storms Schimmelreiter“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 49 (2000), S. 23-44; Irmgard Roebling, Von Menschentragik und wildem Naturgeheimnis, Die Thematisierung von Natur und Weiblichkeit in ´Der Schimmelreiter´, in: Stormlektüren, Festschrift für Karl Ernst Laage zum 80. Geburtstag, hrsg. von Gerd Eversberg / David A. Jacksen / Eckart Pastor, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2000, S. 183-214; David A. Jackson, Theodor Storm, Dichter und demokratischer Humanist, Eine Biographie, Berlin: Erich Schmidt, 2001, siehe insbesondere S. 317-327; Christine Geffers Browne, Theodor Storm, Das Spannungsverhältnis zwischen Glauben und Aberglauben in seinen Novellen, New York: [u.a.]: Peter Lang, 2002, siehe insbesondere S. 111-121. Im Folgenden zitiert als: Geffers Browne, Aberglauben; Ingrid Schuster, Tiere als Chiffre, Natur und Kunstfigur in den Novellen Theodor Storms, Bern [u.a.]: Peter Lang, 2003, siehe insbesondere S. 155-170. Im Folgenden zitiert als: Schuster, Tiere als Chiffre; Sylvain Guarda, „Storms Schimmelreiter und Schillers Wallenstein, Geschichte versus Mythos“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 53 (2004), S. 109-118; Christine Reiter, Gefährdete Kohärenz, Literarische Verarbeitung einer ambivalenten Wirklichkeitserfahrung in den Novellen Theodor Storms, St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag, 2004, siehe insbesondere S. 75-84 u. 131-147. Im Folgenden zitiert als: Reiter, Kohärenz.
[7] Siehe hierzu: Klein, Geschichte, S. 286f.; Josef Kunz, „Theodor Storms Novelle Draußen im Heidedorf, Versuch einer Interpretation“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 22 (1973), S. 18-31; Geffers Browne, Aberglauben, insbesondere S. 25-30; Schuster, Tiere als Chiffre, insbesondere S. 102-110; Reiter, Kohärenz, insbesondere S. 52-59.
[8] Siehe hierzu: No-Eun Lee, Erinnerung und Erzählprozess in Theodor Storms frühen Novellen (1848-1859), Berlin: Erich Schmidt, 2005, insbesondere S. 29-43, (Husumer Beiträge zur Storm-Forschung; 4). Im Folgenden zitiert als: Lee, Erinnerung.
[9] Siehe hierzu: Schuster, Tiere als Chiffre, insbesondere S. 108-110; Reiter, Kohärenz, insbesondere S. 26-30.
[10] Siehe hierzu: Daniel Rothenbühler, Jeremias Gotthelf, Die schwarze Spinne, Hollfeld:Bange,2003; Winfried Freund, Dämon Weib – Jeremias Gotthelf, „Die schwarze Spinne“ (1842), in: W.F., Literarische Phantastik, Die phantastische Novelle von Tieck bis Storm, Stuttgart [u.a.]: Kohlhammer, 1990, S. 121-132. Im Folgenden zitiert als: Freund, Dämon Weib.
[11] Siehe hierzu: Gotthard Erler, Anhang [zu Unterm Birnbaum ], in: T.F., Grosse Brandenburger Ausgabe, hrsg. von Gotthard Erler in Zsarb. mit dem Theodor-Fontane-Archiv, Bd. 8, Berlin:Aufbau-Verlag, 1997, S. 131-149, insbesondere S. 85-94.
[12] Siehe hierzu: Sylvain Guarda, Theodor Fontanes "Neben"-werke: Grete Minde, Ellernklipp, Unterm Birnbaum, Quitt: ritualisierter Raubmord im Spiegelkreuz, Würzburg:Königshausen & Neumann,2004, insbesondere S. 48-63; Annelies Luppa, Die Verbrechergestalt im Zeitalter des Realismus von Fontane bis Mann, New York [u.a.]:Peter Lang, 1995, insbesondere S. 35-59. Im Folgenden zitiert als: Luppa, Verbrechergestalt.
[13] Gero von Wilpert, Die deutsche Gespenstergeschichte, Motiv, Form, Entwicklung, Stuttgart: Alfred Kröner, 1994, S. 18. Im Folgenden zitiert als: Von Wilpert, Gespenstergeschichte; Siehe auch: Günther u. Irmgard Schweikle, Metzler Literatur Lexikon, Begriffe und Definitionen, 2., überarb. Aufl., Stuttgart: Metzler, 1990, S. 183, s.v. „Gothic Novel“; Wolfgang Trautwein, Erlesene Angst, Schauerliteratur im 18. und 19. Jahrhundert, Systematischer Aufriß, Untersuchungen zu Bürger, Maturin, Hoffmann, Poe und Maupassant, München: Carl Hanser, 1980, S. 34ff. Im Folgenden zitiert als: Trautwein, Schauerliteratur; Saathoff, Subjektivität, S. 84; Horst Conrad, Die literarische Angst, Das Schreckliche in Schauerromantik und Detektivroman, Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag, 1974, insbesondere S. 21-24. Im Folgenden zitiert als: Conrad, Angst; Birgit Grein, Von Geisterschlössern und Spukhäusern, Das Motiv des ´gothic castle´ von Horace Walpole bis Stephen King, Wetzlar: Atelier für Graphik und Gestaltung, 1995, insbesondere S. 14-55.
[14] Conrad, Angst, S. 21.
[15] Ellen Schwarz, Der phantastische Kriminalroman,Untersuchungen zu Parallelen zwischen roman policier, conte fantastique und gothic novel, Marburg: Tectum,2001, S. 312.
[16] Ebd.
[17] Arnold-de Simine, Leichen im Keller, S. 243.
[18] Ebd., S. 228.
[19] Ebd., S. 476.
[20] Conrad, Angst, S. 17.
[21] Saathoff, Subjektivität, S. 84.
[22] Arnold-de Simine, Leichen im Keller, S. 307.
[23] Ebd., S. 309.
[24] Saathoff, Subjektivität, S. 101.
[25] Arnold-de Simine, Leichen im Keller, S. 476.
[26] Saathoff, Subjektivität, S. 84.
[27] Arnold-de Simine, Leichen im Keller, S. 238.
[28] Ebd., S. 258.
[29] Elisabeth Frenzel, Motive der Weltliteratur, Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte, 4., überarb. u. erg. Aufl., Stuttgart: Alfred Kröner, 1992, S. 756. Im Folgenden zitiert als: Frenzel, Motive der Weltliteratur.
[30] Dies bedeutet laut Trautwein eine „Einheit“, die darauf abzielt, „dem Leser eine bestimmte Art von Angst, Schauer, hervorzurufen“. Trautwein, Schauerliteratur, S. 17.
[31] Von Wilpert, Gespenstergeschichte, S. 18.
[32] Ebd.
[33] Trautwein, Schauerliteratur, S. 84.
[34] Ebd.
[35] Ebd., S. 85.
[36] Ebd., S. 86f.
[37] Vgl. Ebd., S. 87.
[38] Ebd., S. 88.
[39] Ebd., S. 99.
[40] Ein „Ich-Verlust“ kann entweder auf psychische Art erfolgen, in dem Fall wird die Figur wahnsinnig. Oder er kann auf physischer Ebene stattfinden, dann durchlebt die Figur eine Metamorphose. Trautwein, Schauerliteratur, S. 48.
[41] Elisabeth Frenzel , Stoff- und Motivgeschichte, 2., verb. Aufl., Berlin: Erich Schmidt, 1974, S. 12.
[42] Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, 7., verb. u. erw. Aufl., Stuttgart: Alfred Kröner, 1989, S. 943, s.v. „Themen“. Er definiert Themen als „Motive von solcher Abstraktheit, daß sie keinen Handlungskern bergen: Toleranz, Humanität, Ehre, Schuld, Freiheit, Identität, Gnade u.ä.“
[43] Karl Ernst Laage, Theodor Storm, Leben und Werk, 6., erw. u. überarb. Aufl., Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 1993, S. 18f. Im Folgenden zitiert als: Laage, Leben und Werk.
[44] Dieter Lohmeier, Marthe und ihre Uhr, Kommentar, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, Bd. 1, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 1010-1014, hier S. 1011.
[45] Zitiert wird hier und im Folgenden die Ausgabe: Theodor Storm, Marthe und ihre Uhr, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 1, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 281-287. Band und Seitenzahlen werden in Klammern angefügt.
[46] Regina Fasold, Theodor Storm, Stuttgart [u.a.]:Metzler,1997, S. 86.
[47] In dieser Untersuchung wird die These vertreten, dass das Haus, die Möbel und insbesondere die Uhr nicht nur in Marthes Phantasie mit ihr kommunizieren oder sie das mechanische Arbeiten der Uhr als Reaktion missdeutet. Zwar bemerkt der Erzähler die Abnützung deren „Räderwerk[s] durch langen Gebrauch“ (ST I, 283), was Diskrepanzen in ihrem Schlagen und Ticken erklären würde. Andererseits nennt er die Uhr Marthes „beredteste Gesellschaft“ (ST I, 283). Diese Analyse geht deshalb davon aus, dass zumindest die Uhr tatsächlich einen Eigenwillen hat, weil Storm betont personifizierende Elemente verwendet und zudem Wesen der griechischen Mythologie mit dem Wohnungsinterieur in Verbindung bringt. Auch Fasold vermutet „unter der realistischen Oberfläche“ dieser Novelle „Subtexte […], die u.a. Mythen mit eigener Handlungsdynamik aufrufen“. Regina Fasold, Theodor Storm, Stuttgart [u.a.]:Metzler,1997, S. 86. Anders verhält es sich mit den literarischen Figuren und den erdachten Familienmitgliedern. Diese stellt sich Marthe nur in Tagträumen vor und durch ihre rege Phantasie werden sie besonders lebensecht dargestellt.
[48] Auch Lee bekräftigt, dass Marthes Möbel „ihr Leben und ihre Eigenwelt der Erinnerung“ symbolisieren. Lee, Erinnerung, S. 33.
[49] Vgl. Trautwein, Schauerliteratur, S. 34.
[50] Die Bilder der beiden vergangenen Weihnachtsfeste werden in dieser Arbeit als Tagträume bezeichnet, wobei das Weihnachtsfest der Kindheit den ersten und die Sterbeszene der Mutter den zweiten Tagtraum darstellt.
[51] Trautwein, Schauerliteratur, S. 34. Der Autor bemerkt zusätzlich, dass oft „die Nacht Anteil an der Verwandlung des Vertrauten zum Bedrohlichen“ habe. Diese Entwicklung zeigt die Szene ganz klar, da in dieser Nacht Marthes soziale Geborgenheit ganz aus ihrem Leben verschwindet und sie isoliert zurücklässt. Ebd., S. 88.
[52] Ebd., S. 84.
[53] Ebd.
[54] Auch Lee vertritt den Richtungspunkt, dass die Uhr „aktiv“ in Marthes Gedanken eingreift. Lee, Erinnerung, S. 33.
[55] Lee geht sogar an diesem Punkt soweit zu sagen, die Uhr verkörpere Marthe selbst. Vgl. Ebd., S. 34.
[56] Mit Meerweibern könnte Storm entweder auf Fabelwesen des Typus der menschenfreundlichen Meeresnymphe anspielen, die in der griechischen Mythologie durch die Nereiden und Okeaniden vertreten wird. Vgl. Gert Richter / Gerhard Ulrich, Der neue Mythologieführer, Götter, Helden, Heilige, Weyarn: Sonderausgabe Seehamer Verlag / Bertelsmann Lexikon Verlag,1996, S. 214, s.v. „Nymphen“. Doch hier wird die Ansicht vertreten, dass mit „Meerweib“ ein nixenähnliches Wesen gemeint ist, artgemäß den Sirenen aus Homers Odyssee (obwohl diese zur Hälfte Vogelleiber, nicht Fischschwänze haben), die im Epos mit charmantem Gesang die Seeleute auf ihre Insel lockten und dann töteten. Vgl. Gerhard Fink, Who is who in der antiken Mythologie, illustr. Neuausg., München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2002, S. 211, s.v. „Sirenen“.
[57] In der griechischen Mythologie erhielt dieses Tier von der Erdgöttin den Auftrag, den Jäger Orion zu töten, da er sich durch Hochmut ihren Zorn zugezogen. Vgl. Ebd., S. 170, s.v. „Orion“.
[58] Der Auffassung Lees, die Uhr spiele in dieser Szene „eine mahnende Rolle“, muss hier deutlich widersprochen werden. Die Uhr schlägt nicht nachts ohne aufzuhören, wie die Autorin angibt. Im Gegenteil, die Uhr ist aufgrund ihres alten Räderwerks nicht imstande zu schlagen, bis Marthe sie repariert. Dies ist ein wichtiger Punkt. Denn mit der Uhr führt Marthe ein ähnliches Verhältnis fort, wie das, welches sie vorher zur Mutter hatte und seit deren Tod vermisst: sich um jemanden kümmern zu müssen. Doch ausdrücklich zugestimmt wird der Wissenschaftlerin in dem Punkt, dass die Uhr „Marthe in eine bestimmte Richtung“ zu treiben scheint, nämlich in die Einsamkeit. Lee, Erinnerung, S. 34.
[59] Ebd., S. 36.
[60] Die Augenblicke in denen das Erinnern stattfindet, werden hier nicht in der Reihenfolge genannt, in der sie in der Novelle auftreten. Stattdessen werden sie chronologisch, Marthes Leben entsprechend, aufgeführt. So lässt sich die Wirkung dieser Lebensmomente auf Marthe anschaulicher erklären.
[61] Ebd, S. 32.
[62] Vgl. Joh 19, 28, in: Stuttgarter Erklärungsbibel, Die heilige Schrift nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1992, S. 1367.
[63] Trautwein, Schauerliteratur, S. 85.
[64] Ebd., S. 88.
[65] Lees Ansicht, diese Aussage Marthes über ihr hohes Alter sei optimistisch gemeint, wird damit widersprochen. Auch ihre Anschauung darüber, dass Marthe sich, um „der Orientierungslosigkeit der Gegenwart zu entkommen“, auf die Zukunft ausrichte, kann nicht nachvollzogen werden. Im Gegenteil, die Protagonistin flüchtet sich in die Vergangenheit. Es findet sich – außer der zitierten Weissagung über ihr hohes Alter – kein Wort Marthes über die Zukunft. Vgl. Lee, Erinnerung, S. 30ff.
[66] Karl Ernst Laage, Draussen im Heidedorf, Kommentar, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 2, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 802-816, hier S. 806.
[67] Laage, Leben und Werk, S. 48.
[68] Vgl. Karl Ernst Laage, Draussen im Heidedorf, Kommentar, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 2, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 802-816, hier S. 806.
[69] David A. Jackson, Theodor Storm, Dichter und demokratischer Humanist, Eine Biographie, Berlin: Erich Schmidt, 2001, S. 38.
[70] Laage, Leben und Werk, S. 60.
[71] Karl Ernst Laage, Theodor Storms Novellen, 1867-1880, Kommentar, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 2, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 767-772, hier S. 768.
[72] Ebd.
[73] Zitiert wird hier und im Folgenden die Ausgabe: Theodor Storm, Draussen im Heidedorf, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 2, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 69-101. Band und Seitenzahlen werden in Klammern angefügt.
[74] Vgl. Karl Ernst Laage, Draussen im Heidedorf, Kommentar, in: T.S., Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. von Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Bd. 2, Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987, S. 802-816, hier S. 808.
[75] Der Rahmenerzähler dieses Werks beschreibt einen Fall, den er als Amtsvogt bearbeitete. Innerhalb dieses Berichts liegt eine Binnengeschichte vor, die dem Erzähler von verschiedenen Figuren nach und nach mitgeteilt wird.
[76] Heute wird angenommen, dass es sich bei Irrlichtern um kleine Flämmchen handelt, die durch Selbstentzündung von Sumpfgas oder Phosphorwasserstoff über morastigem Boden entstehen können. Diese Lichtchen wurden im „Volksglauben mit der Vorstellung von Totengeistern verbunden, die in die Irre führen od. Unglück bringen“ können. Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden, aktualisierte Online-Ausgabe, Mannheim [u.a.]: Dudenverlag, 1999-2004, http://www.duden.de/ (02.05.2006), s.v. „Irrlicht“. Aufgrund ihrer spukhaften Erscheinung ranken sich um Irrlichter viele Sagen und Legenden. Geffers Browne bringt in ihrer aufschlussreichen Analyse über Elemente des Aberglaubens, die Irrlichter mit den „Seelen der Verstorbenen“ in Verbindung. Geffers Browne, Aberglauben, S. 28f.
[77] Laut von Wilpert ist gerade die Kirche einer der Orte, an den „Gespenster dem Volksglauben nach“ vorwiegend gebunden sind. Von Wilpert, Gespenstergeschichte, S. 18.
[78] Geffers Browne, Aberglauben, S. 25. Neben diesem Symbol des Unglücks, schmückt Storm seine Protagonistin andererseits mit seiner „Lieblingsblume […] der Liebe“ und der „verzehrende[n] Leidenschaft“ – der roten Rose. Regina Bouillon, „Blumen im Werk Theodor Storms“, Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 51 (2002), S. 117-126, hier S. 119 u. 125. Er versinnbildlicht so in versteckter Weise den Konflikt des Werkes.
[79] Trautwein, Schauerliteratur, S. 84.
- Quote paper
- Sabine Immken (Author), 2006, Schauerliches in der Novellistik Theodor Storms, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70256
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