Nietzsche gibt zunächst als Altphilologe einen Versuch wider, die griechische Tragödie aus seiner Zeit heraus, die er als krisenhaft erlebte, vor allem
„wo der deutsche Geist, der nicht vor langem noch den Willen zur Herrschaft über Europa, die Kraft zur Führung Europas gehabt hatte, eben letztwillig und endgültig abdankte und, unter pomphaftem Vorwande einer Reichsbegründung, seinen Übergang zur Vermittelmäßigung, zur Demokratie und den „modernen Ideen“ machte!“ ,
zu interpretieren. Er sieht dabei zwei Prinzipien, „so verschiedne Triebe“ bzw. „künstlerische Mächte“ am Wirken, nämlich die dionysischen und apollinischen, die der Grieche durch die Götter Dionysos und Apollo, „Kunstgottheiten“ , so Nietzsche, repräsentiert wissen will.Nietzsche nimmt dabei zunächst einen unvermittelten Gegensatz an, er rührt demnach „aus der Natur selbst“ her. Dieser Gegensatz äussert sich, laut Nietzsche, zum einen „in der Bilderwelt des Traumes“, zum anderen als „rauschvolle Wirklichkeit, die wiederum des einzelnen nicht achtet, sonder sogar das Individuum zu vernichten und durch eine mystische Einheitsempfindung zu erlösen sucht.“ Im Vermittlungsprozeß jenen gegenüber steht der „Nachahmer“, ergo der Künstler als „entweder apollinischer Traumkünstler oder dionysischer Rauschkünstler oder endlich - wie beispielsweise in der griechischen Tragödie – zugleich [als] Rausch- und Traumkünstler [...]“ In seinem Rekurs auf die griechische Tragödie skizziert er nun den Mangel am degenerativem „´deutschen Wesen`“ und an der romantischen, deutschen Musik. Er statuiert ein „ernsthaft deutsche[s] Problem“ . Richard Wagner wird folglich als Vorkämpfer einer ersehnten, erlösenden Kunst und Kultur angesprochen, die „höchste Aufgabe“ und zugleich „metaphysische Tätigkeit“ sind. Ist Nietzsches Rezeption der Wagnerischen Kunst dazu geeignet, an der den Wissenschaften geneigten Moderne das Dilemma eines überhandnehmenden apollinischen Triebes aufzuweisen? Erfüllt oder enttäuscht Wagner bzw. Wagners Kunst die von Nietzsche erhoffte künstlerische Vollendung, ist er „zugleich Rausch- und Traumkünstler“ oder nur nachahmender Barbar? Vermag er es durch das Musikdrama, „das Bruderband beider Gottheiten zu symbolisieren: Dionysus redet die Sprache des Apollo, Apollo aber schließlich die Sprache des Dionysus: womit das höchste Ziel der Tragödie und der Kunst überhaupt erreicht ist“ ?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung
- Methodik
- Nietzsches Die Geburt der Tragödie
- Die Kategorien
- Das Dionysische
- Das Apollinische
- Richard Wagner
- Hinwendung Nietzsches
- Abwendung Nietzsches
- Die Kategorien
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" im Kontext seiner Begegnung mit Richard Wagner. Sie analysiert Nietzsches Kategorien des Dionysischen und Apollinischen und die Rolle Richard Wagners in Nietzsches philosophischem und ästhetischem Denken. Die Arbeit untersucht, wie Nietzsches Rezeption der Wagnerischen Kunst seine eigenen Kategorien beeinflusste und wie sich seine anfängliche Bewunderung für Wagner später in Kritik und Distanz verwandelte.
- Nietzsches Kategorien des Dionysischen und Apollinischen
- Die Rolle Richard Wagners in Nietzsches Denken
- Die Entwicklung von Nietzsches Rezeption der Wagnerischen Kunst
- Die Bedeutung der griechischen Tragödie in Nietzsches Philosophie
- Das Verhältnis von Kunst, Kultur und Gesellschaft in Nietzsches Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und skizziert die Fragestellung und Methodik. Sie beleuchtet Nietzsches Motivation für die Entstehung von "Die Geburt der Tragödie" und stellt seine Auseinandersetzung mit der griechischen Tragödie und seiner Zeit im Kontext des "deutschen Geistes" dar.
Kapitel 2 widmet sich Nietzsches "Die Geburt der Tragödie". Es analysiert die Kategorien des Dionysischen und Apollinischen, die Nietzsche zur Interpretation der griechischen Tragödie heranzieht. Es zeigt, wie Nietzsche diese Kategorien auf die Kunst und die Entwicklung der menschlichen Kultur anwendet.
Kapitel 2.2 beleuchtet die Rolle Richard Wagners in Nietzsches Denken. Es untersucht die anfängliche Hinwendung Nietzsches zu Wagner und dessen Musik sowie die spätere Abwendung und Kritik. Es analysiert, wie Wagner Nietzsches Kategorien beeinflusste und welche Bedeutung er für Nietzsches philosophisches Denken hatte.
Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und reflektiert die Bedeutung der Untersuchung für das Verständnis von Nietzsches Werk.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf zentrale Konzepte wie das Dionysische und Apollinische, die griechische Tragödie, Richard Wagner, die Rolle der Kunst in der Kultur, die Entwicklung von Nietzsches Denken, metaphysische Fragen, die Geschichte des "deutschen Geistes" sowie die Auseinandersetzung mit der Moderne und dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft.
- Quote paper
- Anton Distler (Author), 2007, Die Geburt der Tragödie: Nietzsches dionysische und apollinische Kategorien und die Rolle Richard Wagners, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70215