Maria Montessori und Montessori-Pädagogik - schon oft hatte ich diese Namen gehört. Wer das eigentlich war und was dahinter steckte, wusste ich nicht. Den Satz: “Hilf mir, es selbst zu tun“ kannte ich, doch wie sollte das geschehen? Kann eine Pädagogik, die vor fast 100 Jahren entwickelt wurde Antworten geben auf die pädagogischen Fragen unserer heutigen Zeit? Es ist doch offensichtlich, dass unsere Probleme und die Ratlosigkeit der Eltern und Pädagogen in Bezug auf unsere Kinder viel größer sind als früher. Was also sollten wir heute von Maria Montessori lernen können? Mit dieser Arbeit möchte ich die Grundaussagen der Montessori-Pädagogik erfassen und mir, aufgrund dieser Kenntnisse, eine Meinung bilden. Nach einem kurzen Überblick über Maria Montessoris Leben als Reformpädagogin werde ich ihre Erkenntnisse über das Kind und ihre pädagogischen Forderungen, die sie aus dieser Erfahrung heraus entwickelte, darstellen. Zuletzt stelle ich die „Waldschule X.“ vor und gebe damit einen Einblick in eine Montessoripädagogisch-inspirierte Grundschule. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Maria Montessori
3. „Die Entdeckung des Kindes“
3.1 Das Kind als Baumeister des Menschen
3.2 Der absorbierende Geist
3.3 Sensible Perioden
3.4 Die Polarisation der Aufmerksamkeit
4. „Hilf mir, es selbst zu tun“
4.1 Die vorbereitete Umgebung
4.2 Freiheit
5. Das Montessori-Material
6. Die Montessori-Erzieher
7. „Waldschule X.“
8. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Maria Montessori und Montessori-Pädagogik – schon oft hatte ich diese Namen gehört. Wer das eigentlich war und was dahinter steckte, wusste ich nicht. Den Satz: “Hilf mir, es selbst zu tun“ kannte ich, doch wie sollte das geschehen? Kann eine Pädagogik, die vor fast 100 Jahren entwickelt wurde Antworten geben auf die pädagogischen Fragen unserer heutigen Zeit? Es ist doch offensichtlich, dass unsere Probleme und die Ratlosigkeit der Eltern und Pädagogen in Bezug auf unsere Kinder viel größer sind als früher. Was also sollten wir heute von Maria Montessori lernen können?
Mit dieser Arbeit möchte ich die Grundaussagen der Montessori-Pädagogik erfassen und mir, aufgrund dieser Kenntnisse, eine Meinung bilden. Nach einem kurzen Überblick über Maria Montessoris Leben als Reformpädagogin werde ich ihre Erkenntnisse über das Kind und ihre pädagogischen Forderungen, die sie aus dieser Erfahrung heraus entwickelte, darstellen. Zuletzt stelle ich die „Waldschule X.“ vor und gebe damit einen Einblick in eine Montessori-pädagogisch-inspirierte Grundschule.
2. Maria Montessori
Maria Montessori wurde am 31. August 1870 in Chiaravalle, Italien als einziges Kind ihrer Eltern Alessandro Montessori und Renilde Montessori geboren. Sie wuchs in Rom auf. Vor allem ihre gebildete und liberal denkende Mutter unterstützte sie in ihren Bestrebungen, einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen Weg zu gehen.
Maria Montessori war die erste Frau in Italien, die Medizin studierte. 1896 promovierte sie zum Dr. med. und arbeitete im Anschluss als Assistenzärztin in der Kinderabteilung der psychiatrischen Universitätsklinik in Rom. Von 1899 bis 1901 war sie Direktorin eines Heilpädagogischen Instituts, in dem sie die Ausbildung von Lehrern für geistig Behinderte übernahm und gleichzeitig praktisch mit behinderten Kindern arbeitete. Während dieser Zeit wuchs ihr Interesse für Pädagogik und sie begann, die Werke von Itard und Séguin zu lesen, die Erziehungsmethoden für taubstumme und geistig behinderte Kinder entwickelt hatten.
Aufbauend auf ihren Beobachtungen von geistig behinderten Kindern und den bereits vorhandenen Methoden und Materialien von Itard und Séguin, entwickelte Maria Montessori besondere Hilfen und Materialien und förderte diese Kinder so, dass sie nach zweijährigem Training die öffentliche Prüfung der Normalschule bestanden.
Angeregt durch diese erfolgreiche Arbeit nahm sie ein weiteres Studium auf. Sie ergänzte ihre medizinische Ausbildung durch Studien der Pädagogik, der Philosophie und der Psychologie. 1904 wurde sie Professorin für Anthropologie in Rom.
1907 bekam Maria Montessori die Gelegenheit, auch mit gesunden Kindern zu arbeiten. Im römischen Elendsviertel San Lorenzo eröffnete sie das erste „Kinderhaus“, in dem sie ihre bisherigen Erfahrungen weiter erprobte und die Wirkung ihrer Methodik überprüfte. Im Ergebnis dieser Arbeit stellte sie weitere Materialien her und entwickelte ihre pädagogischen Prinzipien.
1909 vermittelte Maria Montessori diese Erfahrungen in einem ersten internationalen Kurs zur Einführung in die Montessori-Pädagogik. Von da an gab sie ihre Praxis als Kinderärztin auf und widmete sich ganz der Ausbildung von Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrern für die Montessori-Kinderhäuser und -Schulen, die sich weltweit gründeten.
Ihr blühendes Lebenswerk wurde durch den 2. Weltkrieg und die totalitären Regierungssysteme in Italien, Deutschland und Spanien zum Teil wieder zerstört.
Nach dem Krieg kehrte sie nach Europa zurück und wirkte hier weiter bis zu ihrem Tode. Am 6. Mai 1952 starb Maria Montessori in Noordwijk aan Zee in Holland, wo sie sich seit 1949 niedergelassen hatte.[1]
3. „Die Entdeckung des Kindes“
Der Entwicklung der Montessori-Pädagogik ging eine Zeit der Beobachtung und der Arbeit mit den Kindern der Kinderhäuser in San Lorenzo voraus, die Maria Montessori wichtige Entdeckungen brachte. Sie wurde von den Fähigkeiten und Eigenschaften der Kinder überrascht, die durch die Förderung und Fürsorge zu Tage traten. Montessori erkannte, dass die Kinder bestimmte Bedingungen benötigten, um sich ihrem Wesen gemäß zu entwickeln.
Sie stellte fest, dass das Kind sein eigener Baumeister ist, dass es durch seinen absorbierenden Geist, geleitet von sensiblen Perioden, die Welt in sich aufnimmt und dass es zu einer ungeahnten Konzentration fähig ist.
3.1 Das Kind als Baumeister des Menschen
„Das Kind ist nicht ein leeres Gefäß, das wir mit unserem Wissen angefüllt haben und das so alles uns verdankt. Nein, das Kind ist der Baumeister des Menschen, und es gibt niemanden, der nicht von dem Kind, das er selbst einmal war, gebildet wurde.“[2]
Maria Montessori gewann während der Beobachtungen im Kinderhaus in San Lorenzo den Eindruck, dass Kinder „Bauarbeiter“ sind, die unermüdlich damit beschäftigt sind, den erwachsenen Menschen zu schaffen, indem sie ihre Umwelt absorbieren. Im Kind gibt es den „finsteren Impuls“ zu wachsen und sich zu entwickeln, der nicht von den Erwachsenen abhängt. So sind es nicht die Eltern, die das Kind werden lassen, sondern das Kind selbst folgt seinem in ihm angelegten Bauplan. Diese große Leistung kann das Kind jedoch nicht ohne Hilfe vollbringen. Die Erwachsenen müssen mit dem Wissen, dass sie Helfer des Aufbaus sind, ihre Pflicht erfüllen und das Kind mit Weitblick unterstützen. Sie müssen dem Kind die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, damit es leben und seine aufbauende Arbeit leisten kann.
In dieser schöpferischen Tätigkeit des Kindes sieht Maria Montessori nicht nur eine individuelle Leistung, sondern misst ihr eine viel größere, übergeordnete, Bedeutung bei. Das Kind erschafft sich selbst und zugleich die gesamte Menschheit. Sie fordert die Gesellschaft auf, diese Tatsache wahrzunehmen und, den Rechten des Kindes Rechnung tragend, für seine Bedürfnisse aufzukommen.
Maria Montessori nennt das eine „neue, leuchtende Hoffnung für die Menschheit“, denn auf diesem Weg ist es möglich eine bessere Welt zu formen.[3]
„So müssen wir denn das Kind als schicksalhaft für unser Zukunftsleben ansehen. Wer immer für die menschliche Gesellschaft einen echten Vorteil erreichen will, der muss beim Kinde ansetzen, nicht nur, um es vor Abwegen zu bewahren, sondern auch, um das wirkliche Geheimnis unseres Lebens kennen zu lernen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, stellt sich die Gestalt des Kindes machtvoll und geheimnisreich dar, und wir müssen über sie nachsinnen, auf dass das Kind, welches das Geheimnis unserer Natur in sich birgt, unser Lehrmeister werde.“[4]
Maria Montessori bezeichnet das Kind als einen Reisenden im Leben, der seine Umwelt beobachtet und versucht, sie zu verstehen und große Anstrengungen unternimmt, um zu begreifen und nachzuahmen. Dem Erwachsenen kommt die Rolle des Fremdenführers zu, der den Weg zeigt und dem Reisenden dabei die Möglichkeit lässt, seine Entdeckungen selbst zu machen. Er begleitet das Kind und hilft ihm, seine Kraft und Zeit nicht mit unnötigen Dingen zu vergeuden.[5]
Der Erwachsene muss das Kind in erster Linie beobachten, um heraus zu finden, was es im Moment benötigt, um sich die Welt anzueignen und zu lernen. Es ist wichtig, zu erkennen, womit das Kind wirken und nützlich sein kann. Werden die in ihm ruhenden Potentiale im richtigen Moment angesprochen und durch das richtige Material gefördert, so kann das Kind seinem inneren Plan folgen und sich bestmöglich entwickeln.[6]
3.2 Der absorbierende Geist
„Die Entdeckung, dass der Geist des Kindes fähig ist zu absorbieren, hat eine Revolution im Bereich der Erziehung hervorgerufen. Jetzt ist es verständlich, warum die erste Periode der menschlichen Entwicklung, in der sich der Charakter bildet, die wichtigste ist. In keinem anderen Lebensalter ist eine einzige Hilfe notwendiger, und jedes Hindernis, das sich dem Kind in dieser Zeit in den Weg stellt, vermindert die Möglichkeit, sein schöpferisches Werk zu vervollkommnen...“[7]
Das neugeborene Kind hat weder Bewusstsein noch Wissen über die Welt. Es ist nicht in der Lage zu lernen, wie ein erwachsener Mensch, denn es muss sein Gedächtnis erst aufbauen. Maria Montessori nennt die Zeit von der Geburt bis zum 3. Lebensjahr die „unbewusste Zeit des Aufsaugens“. Das Kind absorbiert seine Umwelt allein dadurch, dass es alles, was es erlebt in sich aufnimmt. Diese verinnerlichten Wahrnehmungen werden durch das Spiel und später durch die Arbeit überprüft. Schritt für Schritt entwickelt sich so die Persönlichkeit des Kindes, es baut sein Bewusstsein auf, bildet das Gedächtnis und die Fähigkeit zu verstehen und zu denken. Dieser Prozess dauert bis zum 6. Lebensjahr.
Der kindliche Geist kann in dieser Zeit nicht durch „Wortunterricht“ erreicht werden. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, die Tätigkeit des absorbierenden Geistes zu unterstützen, in dem das Kind die, der jeweiligen Entwicklungsphase entsprechenden, Angebote erhält und nicht unter Störungen oder Einschränkungen leidet.
Das „Aufsaugen“ der Welt wird nicht durch den Willen des Kindes geleitet, sondern durch innere Empfänglichkeiten, die Montessori „sensible Perioden“ nennt.[8]
3.3 Sensible Perioden
„Es handelt sich um besondere Empfänglichkeiten, die in der Entwicklung, das heißt, im Kindesalter der Lebewesen auftreten. Sie sind von vorübergehender Dauer und dienen nur dazu, dem Wesen die Erwerbung einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen. Sobald dies geschehen ist, klingt die betreffende Empfänglichkeit wieder ab. So entwickelt sich jeder Charakterzug aufgrund eines Impulses und während einer eng begrenzten Zeitspanne.“
Diese Empfänglichkeitsperioden, die zuerst bei Tieren entdeckt wurden, stellte Maria Montessori auch bei den Kindern in den Schulen fest. Sie sah, dass die Kinder in einem bestimmten Stadium ihrer Entwicklung mit einem gesteigerten Energieaufwand handeln und sich so auf natürliche Weise eine bestimmte Fähigkeit aneignen.
„Auf Grund dieser Empfänglichkeit vermag das Kind einen außerordentlich intensiven Zusammenhang zwischen sich und der Außenwelt herzustellen, und von diesem Augenblick an wird ihm alles leicht, begeisternd, lebendig.“
Wird diese sensible Periode verpasst, indem das Kind nicht die Möglichkeit erhält, seinen inneren Impulsen gemäß zu handeln und zu lernen, so ist diese Chance vertan und ein späteres erlernen ist nur unter großen Mühen möglich.
Die sensitiven Perioden, in denen das Kind bewunderungswürdige Leistungen vollbringt werden von Perioden großer Gleichgültigkeit, in denen das Kind blind und leistungsunfähig ist, abgelöst. Diese Entwicklungsstadien lassen sich von außen nicht beeinflussen.
Aufgabe des Erwachsenen ist es, die sensiblen Phasen zu erkennen und dem Kind ein ungestörtes Lernen ohne Einschränkungen zu ermöglichen.[9]
3.4 Die Polarisation der Aufmerksamkeit
Die Entdeckung des kindlichen Konzentrationsvermögens war für Maria Montessori ein einschneidendes Erlebnis, welches sie als den Auslöser für die Entwicklung ihrer Methode darstellt.
Das geschah im Kinderhaus in San Lorenzo, als sie eines Tages „ein etwa dreijähriges Mädchen, das tief versunken in der Beschäftigung mit einem Einsatzzylinderblock war, aus dem es die kleinen Holzzylinder herauszog und wieder an ihre Stelle steckte. Der Ausdruck des Mädchens zeugte von so intensiver Aufmerksamkeit, dass sie für mich eine außerordentliche Offenbarung war.“ Bis zu diesem Zeitpunkt war Maria Montessori davon überzeugt, dass Kinder mit ihrem unsteten Geist nicht in der Lage waren, sich längere Zeit zu konzentrieren. Umso interessierter wurde sie für dieses Phänomen und sie beobachtete das Mädchen und begann, die Wiederholungen zu zählen. Das Kind ließ sich bei seiner Tätigkeit von keinerlei äußeren Einflüssen stören und beendete diese nur aufgrund eines inneren Impulses. Maria Montessori hatte 44 Wiederholungen gezählt und sie stellte fest, dass das Mädchen sehr zufrieden und erholt aussah nach dieser intensiven Tätigkeit.
Dieses Phänomen wiederholte sich bei den Kindern immer wieder im Zusammenhang mit bestimmten äußeren Bedingungen. In dem Eifer und der ruhigen Konzentration, mit denen diese Kinder sich ihrer Aufgabe widmeten, sah Montessori den Beweis dafür, dass die, dem Kind angebotenen Lernaufgaben mit dem aktuellen Lernbedürfnis übereinstimmten. Immer wenn „eine solche Polarisation der Aufmerksamkeit stattfand, begann sich das Kind vollständig zu verändern. Es wurde ruhiger, fast intelligenter und mitteilsamer. Es offenbarte außergewöhnliche innere Qualitäten, die an die höchsten Bewusstseinsphänomene erinnern wie die der Bekehrung.“
Die Polarisation der Aufmerksamkeit ist für Montessori der Anfang der Organisation des inneren Lebens. Das Unorganisierte im Bewusstsein des Kindes beginnt sich damit zu ordnen.[10]
[...]
[1] Anderlik, Lore, „Ein Weg für alle!“, Dortmund 2003, S. 19ff
[2] Alle Zitate in dieser Hausarbeit sind von Maria Montessori. Die genaue Literaturangabe folgt am Ende des Abschnittes.
[3] Montessori, Maria, „Das kreative Kind“, Freiburg 1972, S.13ff
[4] Montessori, Maria, „Kinder sind anders“, Stuttgart 1971, S.289
[5] Montessori, Maria, „Die Entdeckung des Kindes“, Freiburg 1969, S. 184ff
[6] Wichtmann, Gerda, „Kinder brauchen Orientierung“, Freiburg 1997, S.36f
[7] Montessori, Maria, „Das kreative Kind“, Freiburg 1972, S. 24
[8] Becker-Textor, Ingeborg, Hrsg., Maria Montessori „10 Grundsätze des Erziehens“, Freiburg 2002, S.67ff
[9] Montessori, Maria, „Kinder sind anders“, Stuttgart 1971, S.61ff
[10] Becker-Textor, Ingeborg, Hrsg., Maria Montessori „10 Grundsätze des Erziehens“, Freiburg 2002, S.80ff
- Arbeit zitieren
- Anke Orlamünder (Autor:in), 2005, Montessori-Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70107
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