Der Zollgesetzgebung kam im Deutschen Reich aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung zu. Zum einen stellten Zolleinnahmen zu dieser Zeit die größte Einnahmequelle des Staates dar. Zum anderen wurden sie aber auch zu einem wichtigen Finanzinstrument, da sie im Vergleich zu Steuern einfacher zu erheben waren. Da es dem Staat durch Zolleinnahmen möglich wurde staatliche Dienstleistungen für die Bürger zu finanzieren, wurden Zölle im gesamtwirtschaftlichen Interesse erhoben. Die Zollpolitik war aber auch aufgrund der Unzulänglichkeiten von Geld- und Fiskalpolitik, sowohl theoretisch, als auch institutionell, die einzige potentielle Möglichkeit des Staates zur Konjunkturbeeinflussung und Wiedererlangung von Wachstumsstabilität, und wurde aus diesem Grund systematisch eingesetzt: Mit Hilfe von Importzöllen wurden ausländische Anbieter diskriminiert und die heimische Ökonomie so gegen Einflüsse von außen abgeschottet. Auf Grund ihrer Bedeutung, wurden zollpolitische Fragestellungen im Kaiserreich zu Fragen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gestaltung der Zukunft hochstilisiert. Verbunden war mit ihnen die Frage nach dem Wandel Deutschlands von Agrar- zum Industriestaat, gegen den sich insbesondere die Landwirtschaft werte und ihre politische Tätigkeit ausweitete, um den Verlust ihrer dominierenden Stellung zu kompensieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Überblick über historische Epochen der Zollgesetzgebung im Deutschen Reich
2. Das politische System im Deutschen Reich
2.1.Die vier Säulen des politischen Herrschaftssystems
2.2.Die Parteien und Interessenverbände
3. Das Zollgesetz von 1902
3.1.Der Gesetzgebungsprozess
3.2.Konsequenzen des Bülow-Tarifes
4. Schlussfolgerungen und Fazit
Literaturverzeichnis
1.Einleitung und Überblick über historische Epochen der Zollgesetzgebung im Deutschen Reich
Der Zollgesetzgebung kam im Deutschen Reich aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung zu. Zum einen stellten Zolleinnahmen zu dieser Zeit die größte Einnahmequelle des Staates dar[1]. Zum anderen wurden sie aber auch zu einem wichtigen Finanzinstrument, da sie im Vergleich zu Steuern einfacher zu erheben waren. Da es dem Staat durch Zolleinnahmen möglich wurde staatliche Dienstleistungen für die Bürger zu finanzieren[2], wurden Zölle im gesamtwirtschaftlichen Interesse erhoben[3]. Die Zollpolitik war aber auch aufgrund der Unzulänglichkeiten von Geld[4] - und Fiskalpolitik[5], sowohl theoretisch, als auch institutionell, die einzige potentielle Möglichkeit des Staates zur Konjunkturbeeinflussung und Wiedererlangung von Wachstumsstabilität, und wurde aus diesem Grund systematisch eingesetzt: Mit Hilfe von Importzöllen wurden ausländische Anbieter diskriminiert und die heimische Ökonomie so gegen Einflüsse von außen abgeschottet[6].
Auf Grund ihrer Bedeutung, wurden zollpolitische Fragestellungen im Kaiserreich zu Fragen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gestaltung der Zukunft hochstilisiert. Verbunden war mit ihnen die Frage nach dem Wandel Deutschlands von Agrar- zum Industriestaat, gegen den sich insbesondere die Landwirtschaft werte und ihre politische Tätigkeit ausweitete, um den Verlust ihrer dominierenden Stellung zu kompensieren.
Die Geschichte der Zollpolitik lässt sich in verschiedene Etappen einteilen, deren Anfang der Liberalismus machte, der vor Beginn des Deutschen Reiches herrschte. Dieser ging mit einem enormen wirtschaftlichen Wachstum einher, das schwerwiegende Probleme mit sich brachte, die die Märkte nicht selbstständig zu lösen in der Lage waren[7]. Als die deutsche Wirtschaft zwischen 1873 und 1879 von einer Rezession heimgesucht wurde, die sowohl den Binnenmarkt, als auch den Außenhandel in Mitleidenschaft zog[8], näherte sich die Freihandelsära ihrem abrupten Ende und es kam zu ersten Sondierungen protektionistischer Kreise, wobei sich Landwirtschaft und Industrie langsam aneinander annäherten[9] und das Verlangen nach Schutzzöllen immer deutlicher wurde. In dieser politisch, gesellschaftlich und nicht zuletzt auch ökonomisch schwierigen Zeit, befürwortete Reichskanzler Bismarck die Kooperation von Industriellen und Landwirten[10], die ein Meilenstein in der politischen Geschichte Deutschlands war, da sie das Fundament der „Sammlungspolitik“ bildete und die Politik des Kaiserreiches maßgeblich prägte. Diese Kooperation hatte Symbolcharakter: Die Abwendung von der Freihandelspolitik war in vollem Gange. Bismarck kündigte dem Bundesrat in seinem Weihnachtsbrief an, dass er eine umfassende Steuernovelle vorlegen werde, deren Kern ein allgemeiner Wertzoll zum „Schutz der nationalen Arbeit“ sein würde[11].
Das Hauptziel dieses Zolles war es, zusätzliche Staatseinnahmen zu generieren und so die finanzielle Unabhängigkeit des Reiches voranzutreiben. Um allerdings die notwendige parlamentarische Unterstützung für sein Vorhaben zu finden, musste Bismarck das Zentrum auf seine Seite ziehen und dieses Ziel in Form der Frankensteinschen Klausel zumindest zum Teil opfern[12]. Mit dem Zollgesetz, das am 12. Juni 1879 beschlossen wurde und 1880 in Kraft trat[13], machte Bismarck den Grundsatz der zollpolitischen Autonomie zum Leitmotiv der deutschen Handelspolitik[14] und das Reich drang in eine Vorreiterrolle ein: Es begann – abgesehen von der kurzen Pause in der Caprivi-Ära – eine Phase des gemäßigten Protektionismus[15], die bis zum Ersten Weltkrieg andauerte. Es folgten erhebliche Zollerhöhungen in den Jahren 1885 und 1887[16], wobei auch diese die Strukturkrise, die vor allem im Agrarsektor wütete, nicht in den Griff bekommen konnten[17].
Mit der Entlassung Bismarcks fehlte der preußisch-deutschen Machtpyramide ihre Spitze. Es kam zu einem Machtvakuum, das in den Augen Wehlers eine „permanente Staatskrise“[18] bedingte und der Grund für den Zickzackkurs der Reichspolitik in den folgenden Jahren war.
Nach Bismarck bekleidete Leo von Caprivi das Amt des Reichskanzlers und sorgte dafür, dass eine wirtschafspolitisch liberalere Ära anbrach, in der die Zollsätze um etwa ein Drittel sanken[19] . Die liberale Außenhandelstheorie wurde von Adam Smith[20], David Riccardos Theorie des komparativen Vorteils[21], den zunehmenden Exportchancen der Unternehmen und nicht zuletzt der guten Wirtschaftsentwicklung in den 1860er Jahren[22] kolportiert, wobei der ideologische Druck des „Laissez-faire“ die wohl stärkste Waffe der Freihandelsbewegung darstellte[23]. Nach dem liberalen Leitbild sollte die Politik den Märkten die ökonomische Koordination überlassen, da staatliche Interventionen in das Marktgeschehen den Preismechanismus verzerren[24]. Das ordnungspolitische Konzept der Wettbewerbsfreiheit sollte das Konzept der Zukunft sein und zu einer Modernisierung der Volkswirtschaft führen.
Auf Grundlage dieses Gedankenkonstrukts, vor allem aber verbunden mit der Hoffnung durch ein System aufeinander abgestimmter Handelsverträge ein Zeichen zu setzen und die international angespannte zollpolitische Lage zu beruhigen[25], basierte die Caprivische Politik. Eine Deeskalation war auch dringend geboten, da Frankreich, das nach der Deutschen Rückkehr zum Schutzzoll 1879 zum handelspolitischen Knotenpunkt geworden war, höhere Zölle eingeführt hatte[26]. Auf der Suche nach einer stabilen Mehrheit für seine Politik, ging Caprivi neue Wege: Anstatt die Arbeiterschaft zu unterdrücken, versuchte er die Sozialdemokraten, die im Fahrwasser der Rezession einen Aufschwung erlebt hatten und ihre Forderung nach einer Umverteilung des Volkseinkommens zu Gunsten der Arbeitnehmer mit zunehmender Vehemenz deutlich machten, für sich zu gewinnen und trieb die Ausgestaltung der staatlichen Sozialpolitik voran.
Der Abschluss des Zollgesetztes im Dezember 1891, rief enorme Proteste auf Seiten der konservativ-agrarischen Kreise auf den Plan, da die Getreidezölle gesenkt wurden, während die Industriezölle unangetastet blieben. Diese Maßnahme sollte helfen, der Deutschen Industrie neue Exportmöglichkeiten zu erschließen[27] und unterstützte den Wandel des Reiches von einer Agrar- hin zu einer expandierenden Industrienation[28]. Von den Protesten der Agrarier und somit partikularen wirtschaftlichen Interessen unbeirrt, vereinbarte Caprivi Handelsverträge mit Österreich-Ungarn, Italien, Belgien, der Schweiz, Serbien und Rumänien, die während ihrer 12jährigen Laufzeit nicht modifiziert werden durften.
Die Agrarier hatten im „Kaiser ohne Ar und Halm“[29] ihr Feindbild gefunden und gingen zu einer Fundamentalopposition über, die im Jahr 1893 in der Gründung des „Bundes Deutscher Landwirte“ (BdL) ihren Höhepunkt erreichte. Die politische Bedeutung der Agrarier im Machtgefüge des Kaiserreiches – dies zeigte der Sturz Caprivis, der im Oktober 1894 in die Enge getrieben wurde und zurücktrat – lies keine Politik gegen ihre Interessen zu[30]. Außerdem wurde deutlich, dass durchsetzungsfähige Zollpolitik im Reich mit Schutzzollpolitik gleichzusetzen war[31].
Angesichts des Rücktritts Caprivis war der Weg frei für die Revision des außenpolitischen Kurses und die Protektionisten gewannen wieder die Überhand. Der Aufstieg des neuen Reichskanzlers Hohenlohe war eng mit dem des preußischen Finanzminister Miquel verknüpft, da dieser als strategischer Kopf der neuen Regierung den Versuch startete, die verworrene innenpolitische Situation durch eine Reaktivierung der bereits unter Bismarck bewährten „Sammlungspolitik“ in den Griff zu bekommen[32]. Um das „Kartell der produktiven Stände“ auf seine Seite zu ziehen, machte Hohenlohe deutlich, dass er die Fürsorge für die Landwirtschaft als oberste Priorität ansah, da die Maßnahmen in der Caprivi-Ära ausschließlich dem Handel und der Industrie zu Gute gekommen seien[33]. Die Zollgesetzgebung konnte Hohenlohe allerdings nicht grundlegend ändern, da die Caprivischen Handelsverträge noch immer ihre Gültigkeit besaßen.
Bernhard von Bülow hingegen, der im Jahr 1900 Reichskanzler wurde, brachte in seiner Amtszeit ein neues Zollgesetz auf den Weg. Mit dem Gesetzgebungsprozess, der zum „Bülow-Tarif“ führte und den Konsequenzen dieses Gesetzes, wird sich diese Arbeit im Folgenden beschäftigen.
2.Das politische System im Deutschen Reich
2.1.Die vier Säulen des politischen Herrschaftssystems
Als die Verfassung des Deutschen Reiches, die aus der Verfassung des Norddeutschen Bundes entwickelt wurde, am 16. April 1871 in Kraft trat, war das Deutschen Reich als Bundesstaat geboren. Um die politischen Abläufe im Kaiserreich zu verstehen, ist es nötig, dass politische Herrschaftssystem genauer zu beleuchten. Das Herrschaftssystem setzte aus vier Säulen zusammen, die allerdings nicht den gleichen politischen Einfluss hatten.
Die erste Säule war der Bundesrat, der sich aus 58 Vertretern der 25 Einzelstaaten zusammensetzte und in dem die formelle Souveränität ruhte[34]. Er stellte den von den Länderexekutiven ernannten Teil der Reichslegislative dar. Rechtlich (und vor allem auch faktisch) war im Bundesrat Preußens Sonderstellung gewahrt, da die preußische Regierung über den Bundesrat maßgeblich an der Politik des gesamten Reiches mitwirkte. Diese Dominanz Preußens im Bundesrat – und somit auch in der Reichgesetzgebung – führte dazu, dass mit den Interessen von Großagrariern und Industriellen vornehmlich die Interessen der mächtigen preußischen Gesellschaftsschichten gewahrt wurden[35].
Die zweite Säule des Herrschaftssystems – der Deutsche Kaiser – galt im allgemeinen Bewusstsein und somit symbolisch als eigentlicher Reichssouverän. Der Reichskanzler als dritte Säule, führte für den Vorsitz im Bundesrat und übernahm unter anderem durch die Gegenzeichnung von Gesetzen die politische Verantwortung.
Neben Bundesrat, Kaiser, und Reichkanzler, galt der nach allgemeinem, direktem und geheimem Wahlrecht der Männer gewählte Reichstag, der sich aus rund 400 Abgeordneten zusammensetzte, als vierte Säule des politischen Systems im Kaiserreich. Die politische Macht des Reichstages wurde – obwohl das Budgetrecht bei ihm lag – dadurch eingeschränkt, dass das Auflösungsrecht bei Kaiser und Bundesrat lag[36]. Außerdem hatte der Reichstag kein Initiativrecht und Gesetze konnten erst in Kraft treten, wenn der Bundesrat den vom Reichstag nach absolutem Mehrheitswahlrecht verabschiedeten Gesetzen zustimmte. Gesetzvorlagen waren im Deutschen Reich aufgrund dieses Herrschaftssystems enorm von den Interessen der Bundesländer abhängig.
2.2.Die Parteien und die Interessenverbände
Die Geschichte und Theorie der Interessengruppen ist für das politische Verständnis des Deutschen Reiches von elementarer Bedeutung.
Interessenverbände sind Vereinigungen die auf freiwilliger Basis beruhen und direkt die wirtschaftlichen, sozialen Interessen ihrer Mitglieder vertreten[37] und frei von staatlicher Vormundschaft sind[38]. Sie bedienten sich des Mittels der Politik, um Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen zu können. Die Mitgliedschaft in einem Verband hatte im Deutschen Reich einen hohen Stellenwert für die Bürger. Da die Interessengruppen es meisterhaft verstanden ihre Ziele zu ideologisieren gab es keine Meinungsunterschiede, sondern nur unterschiedliche Weltanschauungen. Die Parteien waren von universalerem Interesse geprägt, als es die Interessengemeinschaften waren und beschäftigten sich mit nahezu allen Angelegenheiten des Staates. Parteien und Verbände hatten durchaus unterschiedlichen Ziele: Die Parteien wollten sich vor allem die Staatsgewalt aneignen, während die Verbände darauf abzielten, die Belange bestimmter sozialer Gruppen zu vertreten – und das vollkommen unabhängig von der jeweils herrschenden Partei[39].
Damit ein sich gesellschaftliches Interesse verbandsartig repräsentieren lässt, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Die gesellschaftlichen Interessen müssen grundsätzlich organisationsfähig sein. Das bedeutet, dass das Interesse für eine Vielzahl von Menschen ausreichend wichtig sein muss, damit genügend Ressourcen mobilisiert werden können, um eine Interessengruppe zu etablieren. Auch die Konfliktfähigkeit ist eine Voraussetzung für die gesellschaftliche Organisierbarkeit von Interessen und beruht auf der Fähigkeit einer Organisation, kollektiv Leistung zu verweigern, oder eine Leistungsverweigerung zumindest glaubhaft anzudrohen. Je nachdem wie hoch der Grad an Konfliktfreudigkeit der Verbände war, variierten deren politische Einflusschancen[40].
Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Industrialisierung spielten eine wichtige Rolle für die Aktivierung der Verbandsinteressen. Um ein Gegengewicht zum Emanzipationskampf der Arbeitnehmerschaft zu bilden und eine schlagkräftige Gegenpropaganda starten zu können, bündelten Unternehmen aus Industrie, Landwirtschaft und Mittelstand ihre Kräfte in Verbänden.
Da die Exportindustrie im Deutschen Reich zusehends an Bedeutung gewann, traten auch deren Vertreter in der politischen Landschaft immer öfter auf den Plan und machten ihren Ruf nach billigen Rohstoffen und dem Abbau von Auslandszöllen lauter. Konterkarierend dazu, bildete die Schwerindustrie den „Bund Deutscher Industrieller“ (BdI), der hohe Zölle forderte. Die Agrarkrise der 1890er Jahre entfesselte auf der anderen Seite eine agrarische Massenbewegung, die mit geradezu übermächtiger Gewalt nach Zöllen verlangte und im BdL, den bayerischen Bauernbünden und den katholischen Bauernvereinen politische Gestalt annahm[41].
Je weiter die wirtschaftliche Entwicklung voranschritt, desto mehr differenzierten sich die Interessen der einzelnen Wirtschaftssektoren voneinander und desto weniger ließen sich diese heterogenen Interessen auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Diese Interessendivergenzen spielten bis zum Jahr 1870 keine bedeutende Rolle, da die „nationale Frage“ bis dato absolute Priorität genoss. Aus diesem Grund kam es bis zur Reichsgründung auch zu keinen Konflikten zwischen Parteien und Interessenverbänden[42]. Eine weitere Bedingung für dieses harmonische Verhältnis war das Klassenwahlrecht, da dieses die Vorherrschaft der wirtschaftlichen Oberschicht sicherte und daher zwischen dieser und den Parlamentariern, eine Art Solidargemeinschaft bestand[43]. Als die Parteien aber nach der Reichsgründung mehr Macht erlangten, starteten die Verbände ihre ersten Versuche die Parteien für sich zu erobern.
Um die Funktionsweise der Interessengemeinschaften zu verstehen, ist es wichtig ihre Organisationsstrukturen zu analysieren. Die Organisation im ihrem Inneren war keinesfalls demokratisch, sondern es bildete sich das klare Übergewicht der Spitzenverbandsfunktionäre heraus, die oftmals auch in mehreren Verbänden vertreten waren[44]. Dieses Übergewicht wog sogar so schwer, dass das Charisma der Verbandsspitzen letzten Endes den Erfolg der Verbände in hohem Maße mitbestimmte. Die Spitzenfunktionäre verfolgten aber oftmals ihre eigenen Ziele und versuchten sich eher zu profilieren und selbst zu verwirklichen, als dem gemeinsamen Ziel zu dienen[45]. Sie konnten aufgrund der streng hierarchischen Ordnung der Verbände deren genaue politische Stossrichtung bestimmen und hatten die Möglichkeit das Verhalten der Mitglieder zu steuern. Ohne selbst von den Mitgliedern kontrolliert werden zu können, konnten die Verbände ihre Mitglieder sanktionieren, falls diese sich nicht an die vorgeschriebenen Verhaltensregeln hielten[46].
[...]
[1] vgl. Borchardt (1984), S.21
[2] vgl. Wehler (1995), S.646
[3] vgl. Drilmeier und Schmidt, in: North (1995), S.446
[4] Da sich die Reichsbanken an den Spielregeln einer Goldwährung auszurichten hatten, war keine moderne Geldpolitik als Mittel der Konjunktursteuerung möglich. (vgl. Wehler (1995), S.655)
[5] Gleiches galt auch für das „Deficit-Spending“ als Mittel einer expansiven Fiskalpolitik, das erst in den 1930er Jahren von John Maynard Keynes in den wirtschaftstheoretischen Diskurs eingebracht wurde. (vgl. Keynes (1936))
[6] Die theoretische Fundierung, also die Erkenntnis der besonderen Vorteilhaftigkeit von Exportzöllen bei preisunelastischer Auslandsnachfrage, setzte sich erst nach dem nationalökonomischen Denken des 18. und 19. Jhrdts. durch. (vgl. Walther, in: North (1995), S. 448)
[7] Es kam einer zunehmenden Urbanisierung und außerdem entstand mit der sozial schwache Arbeiterklasse eine neue Bevölkerungsgruppe, vgl. Wellenreuther, in: Tilly (1993), S.69
[8] Gerade der Agrarsektor – vor allem aber die ostelbischen Bauern, die sich auf den Getreideanbau konzentrierten – hatte unter der Entstehung eines modernen Weltagrarmarktes und den dadurch sinkenden Preisen und Erlösen zu leiden (vgl. Wellenreuther, in: Tilly (1993), S.79 und Wehler (1995), S.660ff.)
[9] vgl. Walther, in: North (1995), S.449
[10] Die Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer (VSW) – die erste politische Organisation der ostelbischen Großagrarier, die scharf antiliberale und rechtskonservative Interessen vertrat – und der Zentralverband der Industriellen (ZdI), formierten sich zu einem antiliberalen Lager und machten gemeinsame Sache gegen die liberale Wirtschaftspolitik (vgl. Wehler (1995), S.643)
[11] vgl. Böhme, (1966), S.388
[12] Nach der Franckensteinsche Klausel fiel der Mehrertrag aus Zolleinkünften, der über 130 Millionen Mark lag, nicht dem Reich, sondern den Einzelstaaten zu (vgl. Schneider, in: Pohl (1987), S. 298)
[13] vgl. Wehler (1995), S.649
[14] vgl. Hardach (1967).
[15] vgl. Blaich (1985), S.9
[16] Die Zollerhöhung 1887 war als Kampfmittel gegen Österreich-Ungarn und Russland gedacht, wobei diese Taktik ihre Wirkung verfehlte, da diese ihrerseits mit drastischen Zollerhöhungen auf Importprodukte reagierten (vgl. Platchetka (1967), S.176)
[17] vgl. Walther, in: North (1995), S. 449
[18] vgl. Wehler (1973), S. 69
[19] Ebeneda, S. 55
[20] Aus Sicht der liberalen Freihandelsdoktrin, hat eine weltweite Arbeitsteilung dieselben Vorzüge, wie sie die Arbeitsteilung innerhalb einer Volkswirtschaft hat: Weltweit steigenden Produktivität, die mit höherem Wachstum und sinkenden Kosten einhergeht. (vgl. Smith (1949,l Smith (1776))
[21] lieferte eine Begründung dafür, dass sogar ein Land, das in der Produktion aller Güter vergleichsweise teurer als ein anderes ist, vom Außenhandel profitieren kann, wenn es in der Produktion seinem komparativen Vorteil folgt. (vgl. Ricardo (1817))
[22] vgl. Pohl, in: Pohl (1987), S.12
[23] vgl. Coats, A.W. (1971), S.28ff. und Kindleberger, C.P. (1975), S.20-55
[24] „Kapitalbildung und Industrieentfaltung müssen in einem Lande dem natürlichen Gang der Entwicklung überlassen bleiben. Jede künstliche wirtschaftspolitische Maßnahme lenkt die produktiven Kräfte der Arbeit und auch die Kapitalien in die falsche Richtung“ (vgl. Smith (1949), S.24ff)
[25] vgl. Schneider, in: Pohl (1987), S.294
[26] vgl. Lotz, in: Schmoller (1901), S.62ff.
[27] „Wir müssen exportieren. Entweder wir exportieren Waren, oder wir exportieren Menschen. Der innere Markt genügt nicht mehr“ (vgl. Stenografische Berichte 1890/92, Bd. 5, S.3307)
[28] Alle entscheidenden wirtschaftspolitischen Kennziffern deuteten im Übrigen schon vor 1890 darauf hin, dass der angesprochene Wandel im ökonomischen Sinne längst vollzogen war. (vgl. Ambrosius, G., in: Spree (2001), S.50)
[29] vgl. Ullmann (1976), S.164
[30] vgl. Kaelble (1967), S.167
[31] vgl. Hentschel (1980), S.40
[32] vgl. Wehler (1995), S.1007f.
[33] vgl. Harms (1925), S.21
[34] vgl. Wehler (1973), S.60
[35] vgl. Wehler (1973), S.61f.
[36] vgl. Schade, Stark (1996), S.142
[37] vgl. Nipperdey (1961), S.267
[38] vgl. Fischer, in: Varain (1983), S.143
[39] vgl. Schulz, in: Varain (1983), S.27
[40] vgl. Offe, in: Varain (1983), S.369
[41] vgl. Nipperdey (1961), S.265
[42] Ebenda, S.263
[43] Ebenda, S.264
[44] vgl. Beutlin (1956), S.118ff.
[45] vgl. Nipperdey (1961), S.267
[46] vgl. Wehler (1995), S.1043
- Quote paper
- Nico Schmidt (Author), 2006, Politische Willensbildung am Beispiel des Zollgesetzes aus dem Jahr 1902, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69798
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