Parteienreform


Dossier / Travail de Séminaire, 2002

38 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Vorüberlegungen

2. Aufgaben und Funktionen politischer Parteien

3. Auf dem Weg zu einem Parteienstaat?

4. Rahmenbedingungen für Parteienreform
4.1. Die Wählerschaft
4.2. Die Parteimitglieder

5. Vorschläge zur Parteienreform
5.1. Organisations- und Strukturreform
5.2. Stärkung der Mitgliederrechte
5.3. Kommunikationsstrukturen
5.4. Netzwerke
5.5. Auswahl der Kandidaten und Rekrutierung des politischen Nachwuchses
5.6. Eingrenzen der Ämterkumulation
5.7. Einkünfte und Bezüge

6. Ausblick: Reform der Parteiendemokratie

7. Resümee

8. Bibliographie

1. Einleitung und Vorüberlegungen

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten Teil werden wir etwas allgemeiner auf die Aufgaben und Pflichten politischer Parteien in der Bundesrepublik Deutschland eingehen, weil nur mit diesem Hintergrundwissen eine Auseinandersetzung mit deren Problemstellungen und Reformen möglich ist. Zudem fragen wir nach den Rahmenbedingungen, die Parteienreform nötig werden lassen. Im zweiten Teil beziehen wir uns sowohl auf Vorschläge zur Parteienreform seitens der Parteienforschung und der Parteien selbst, beschränken uns dabei jedoch auf Ansätze der 1990er Jahre bis heute. Um den Rahmen einer Seminararbeit nicht zu sprengen, belassen wir es größtenteils bei einer Vorstellung der einzelnen Reformansätze. Abschließend sollen weitergehende Reformen, die über die Parteien hinausgehen, ansatzweise diskutiert werden. Dies geschieht besonders vor dem Hintergrund immer lauter werdender Parteien-kritik. Die einen bezeichnen Parteien als Dinosaurier, die vom Aussterben bedroht seien und entgegen ihrer eigenen Überzeugung kaum noch über Macht verfügen. Andere sehen in den deutschen Parteien Kraken, die stets darauf bedacht seien, ihre Macht zu festigen und zu erweitern und diese in allen gesellschaftlichen und politischen, zu einem Großteil auch in wirtschaftlichen Bereichen zu spüren sei.

Vorwegnehmend muss auf die Problematik bei der Quellen-bearbeitung hingewiesen werden. Zwar sind besonders bei den Onlineangeboten der Parteien zahlreiche Dokumente zu internen Reformen mehr oder weniger schnell zu finden, jedoch sind diese in ihrem Umfang und der inhaltlichen Ausführung meist recht dürftig. So ließ sich beispielsweise bei der FDP kein Dokument zu parteiinternen Reformansätzen finden und bei den GRÜNEN wird die Reform des Parteiprogramms oftmals mit Parteireform verwechselt.

Was aber bedeutet Parteienreform? Dieser Begriff ist mittlerweile zu einem Schlagwort geworden. Er fasst im Grunde sämtliche strukturellen und organisatorischen Veränderungen innerhalb der Parteien zusammen. Gemeint sind hier nicht Reformen von Politikressorts wie Bildungs- oder Sozialpolitik, diese sind externe, partei- und regierungspolitische Reformen. Wir beziehen uns daher auch nicht auf Parteiprogramme, also die thematischen Ausrichtungen der Parteien, sondern eher auf die Satzung der Parteien, da parteiinterne Reformen in dieser verankert werden (sollten).

Ob sich die parteiinternen Veränderungen aufgrund gesellschaft-licher Wandlungsprozesse vollziehen oder ob sie als Reaktion auf Kritik seitens der Parteienforschung, der Medien und auch der Bürger selbst zu werten ist, bleibt in der Literatur meist ungeklärt. Karlheinz Blessing, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der SPD, definiert Parteireform so:

»Parteireform heißt, aus der Analyse des Bestehenden Veränderungen herbeizuführen und auch Neues zu wagen.«[1]

Diese einzelne Aussage ist jedoch zutreffend für jede Reform, egal in welchem Bereich sie vollzogen werden soll. Blessings Aussage ist also eher unverbindlich, aber gerade deswegen ist sie auf jede Partei anwendbar. Deswegen erweitern wir Blessings Definition um explizite (genau definierte, konkrete), auf die Parteiorganisation bezogene Reformen, die demokratisch legitimiert sind. Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass die Veränderungen auf einem Konsens zwischen Parteibasis (also den einfachen Mitgliedern) und den Funktionären basieren. Zwar sitzen die Entscheider der Reformen in den oberen Parteietagen, die Reformen selbst jedoch haben die Stärkung der Mitglieder, also der Parteibasis, wie auch deren Mobilisierung zum Ziel.

2. Aufgaben und Funktionen politischer Parteien

Für die Parteienforschung ist eine Partei ein zielgerichtetes soziales Handlungssystem, die zudem eine Doppelrolle in demokratischen Gesellschaften einnimmt. Nach Hesse und Ellwein gehören sie der Gesellschaft an als Vereinigungen oder als soziale Gebilde. Die von ihnen vorgeschlagenen oder bestimmten Mandatsträger nehmen im Staat oder im politischen System zugleich politische Verantwortung. Aus diesem Grund wird von den Parteien erwartet, dass sie politische Handlungs- und Führungsfähigkeit des demokratischen Staates zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Probleme gewährleisten. Dazu ist eine politische Artikulation (Formulieren u.a. von politischen Konzepten und Programmen), eine politische Integration (Berücksichtigung gesellschaftlicher Gruppen hinsichtlich ihrer Interessen, politischer Vorstellungen usw.), die politische Kommunikation (der ständige Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen und der Bürger) und eine Personalauswahl (kompetentes Führungspersonal für politische Ämter und Mandate) von Nöten.[2] Demokratien können nur in dem Maße funktionieren, in dem es den Parteien gelingt, diese Aufgaben zu erfüllen.

Die Bundestagsparteien der Bundesrepublik sind mit unterschiedlicher Tradition, Begründung und Zielsetzung den gleichen Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet. Sie sind – im Unterschied zu Interessen- oder Klassenparteien – Volks- bzw. Wählerparteien, die alle Bevölkerungsschichten ansprechen. Sie sind bemüht, alle Wählerschichten zu erfassen, denn eine Partei, die an die Regierung gelangen will, muss sich auf eine breite Basis stützen können, da der Weg in die Regierungsämter nur über die Mehrheit der Wählerstimmen führt.[3]

Durch die Tatsache, dass der Bürger nicht mehr den Abgeordneten als Individuum, sondern die Partei als ganzes »nur noch rechtlich die Person, praktisch aber die Partei«[4] wählen soll, misst man den Parteiprogrammen verständlicherweise eine größere Bedeutung bei.

Politische Parteien sind dazu angehalten, ihre Ziele in politischen Programmen schriftlich niederzulegen.[5] Seit Ende der 1960er Jahre wurde die Programmarbeit intensiviert und spezialisiert. Sie dient aber weniger als früher der unmittelbaren Bürgeransprache, sondern mehr dem innerparteilichen Verständigungsprozess, in dessen Verlauf wichtige politische Vorentscheidungen getroffen werden.

3. Auf dem Weg zu einem Parteienstaat?

Haungs führt an, dass der Begriff des »Parteienstaats« in der Gründungsphase der Bundesrepublik (bis in die 1960er Jahre) eine überwiegend positive Bedeutung gewonnen hatte.[6] Mit der Änderung des politischen Systems nach der nationalsozialistischen Diktatur setzten die Deutschen in die beiden großen Parteien (Volksparteien), doch vor allem in die neu gegründete Christlich (einen traditionellen und zugleich emotionalen Wert vermittelnd) Demokratische (gleichbedeutend eines Versprechens nach Frieden, Gerechtigkeit und Bestand) Union (als Terminus nicht parteigeschichtlich vorbelastet) das größte Vertrauen sowie die Hoffnung, ruhigen Jahren des Friedens und des wirtschaftlichen Aufschwungs entgegenzusehen. Vor allem durch das Heranwachsen der neuen Generation und die staatskritisierende Studentenbewegung von 1968, doch auch durch »den Lauf der Zeit«, den Wertewandel und die ersten parteipolitischen Skandale wurde diese Sicht eklatant erschüttert.

Bei der Suche nach der Beantwortung der Frage, ob sich die Bundesrepublik zu einem Parteienstaat entwickelt hat, muss in jedem Falle von verschiedenen Perspektiven ausgegangen werden. So sollte beispielsweise nicht übersehen werden, dass neben den Medien, die mitunter Nichtigkeiten zu Skandalen aufblasen, der Bürger selbst zur Verantwortung zu ziehen ist. Ihm lassen sich oft überzogene Erwartungen vorwerfen, seine Ungeduld, schnelle und tragfähige Lösungen zu verlangen, ein Abschieben von Verantwortung auf Staat und Politik, eine Verweigerung und einen Entzug politischer Mitarbeit, eine überzogene Kritik.

Der Wertewandel und die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft, die wachsende Informationsflut und stetigen rasanten Neuerungen der Technik verursachen zudem beim Menschen eine (zumeist unterschwellige) Angst, mit dem Wandel der Zeit nicht mitwachsen zu können und provozieren ein Gefühl der Überforderung, sowohl auf Seiten der Politiker als auch auf Seiten der Bürger. Politikern allerdings könnte zum Vorwurf gemacht werden, dass eben sie die »Entscheidungsträger« sind sowie über entsprechende Mittel und Kompetenzen verfügen, diesbezüglichen Problemen vorzubeugen, ihnen entgegenzuwirken und sie sachgemäß aufzufangen. Oft sind aber auch sie mit den gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen schlicht überfordert oder können, beispielsweise aufgrund zu langer Entscheidungswege, nicht zeitnah Entscheidungen treffen.

Haungs schmälert das Problem nicht, wenn er von einer »Ausbreitung der Parteienstaatlichkeit« spricht, die seines Erachtens mit der Bürokratisierung der Politik einhergeht. Wie die Soziologen Scheuch in ihrer Kölner Studie versuchen aufzuzeigen[7], erkennt auch Haungs, dass im Laufe der Jahre eine »enge Symbiose von Parteien und öffentlichem Dienst« entstanden ist sowie sich ein sich nachteilig auf das System auswirkendes »Berufsbeamtentum« etabliert hat.[8]

[...]


[1] Blessing 1993, S. 9.

[2] Vgl. Hesse / Ellwein 1992, S. 162: Die Rekrutierung von Personal für die zu besetzenden Ämter wird heutzutage mit als Hauptfunktion der Parteien betrachtet. Häufiger Vorwurf an die Adresse der Parteien ist die Bildung von Seilschaften, die nur der Machtsicherung durch Ämterpatronage dienen.

[3] Aus diesem Grund treten in einer Volkspartei innere Spannungen, Flügelbildungen und Gruppierungen zutage. Die größere Schwierigkeit für sie ist die Integration der von ihr aufgenommenen und somit in ihr herrschenden unterschiedlichen Interessen und Meinungen der einzelnen Wählerschichten.

[4] Flohr 1968, S. 37.

[5] Vgl. § 1 S. 3 u. § 6 S. 1 PartG.

[6] Haungs 1993, S. 20.

[7] Das Ehepaar Scheuch hatte im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung der CDU Nordrhein-Westfalens den gegenwärtigen Zustand des westdeutschen Parteiensystems und die Qualität seiner Politiker zu analysieren: »Das Ergebnis veranlasste die CDU-Vereinigung, die Verbreitung des 30-Seiten-Textes schnell wieder zu stoppen.« Siehe das Vorwort in Scheuch 1992.

[8] Vgl. Arnim 1997, S. 59.

Fin de l'extrait de 38 pages

Résumé des informations

Titre
Parteienreform
Université
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Cours
Hauptseminar "Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland"
Note
1,7
Auteur
Année
2002
Pages
38
N° de catalogue
V69755
ISBN (ebook)
9783638622431
Taille d'un fichier
497 KB
Langue
allemand
Annotations
Arbeit mit breitem Rand (Anm. der Red.)
Mots clés
Parteienreform, Hauptseminar, Parteiensystem, Bundesrepublik, Deutschland
Citation du texte
Dirk Bessell (Auteur), 2002, Parteienreform, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69755

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