Gibt es sie noch, die berühmt-berüchtigte Berliner Schnauze? Oder stirbt sie (langsam aber sicher) aus? Wie entstand der Berliner Dialekt? Und welche Besonderheiten hat die Varietät „Berlinisch“? Dem wird hier auf den Grund gegangen - und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch an einem praktischen Beispiel, nämlich der gesprochenen Sprache des Berliner Comedians Kurt Krömer.
Inhaltsverzeichnis
1 Zielstellung (Einleitung)
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Berlinisch – Begriff und varietätenlinguistischer Status
2.1.1. Einordnung in die Varietätenlinguistik
2.1.2. Berlinisch als Dialekt
2.1.3. Berlinisch als Regiolekt/ Urbanolekt
2.1.4. Berlinisch als Soziolekt
2.2 Sprachliche Besonderheiten des Berlinischen
2.2.1 Phonetisch-phonologische Charakteristika
2.2.1.1 Lautung von Vokalen, Umlauten, Diphtongen
2.2.1.2 Lautung von Konsonanten
2.2.1.3 Betonung
2.2.1.4 Von der gesprochenen Standardsprache abweichend ausgesprochene Wörter
2.2.2 Lexikalische Charakteristika
2.2.2.1 Niederdeutscher Kern
2.2.2.2 Wörter aus dem Polnischen
2.2.2.3 Entlehnungen aus dem Jiddischen
2.2.2.4 Begriffe aus dem Lateinischen
2.2.2.5 Ausdrücke aus dem Französischen
2.2.3 Morphologische Charakteristika
2.2.3.1 Das Berlinische Kasussystem
2.2.3.2 Austausch von Adverbien und Adjektiven
2.2.3.3 Agglutination
2.2.4 Syntaktische Charakteristika
2.2.4.1 Umschreibung mit ‚tun’
2.2.4.2 Hervorhebung durch ‚kann’
2.2.4.3 Das überflüssige Wort ‚ja’
2.2.4.4 Das verstärkende Wort ‚da’
2.2.5 Die ‚Berliner Schnauze’
3 Untersuchungen und Ergebnisse
3.1 Zur Person Kurt Krömer
3.2 Charakterisierung des verwendeten Materials
3.3 Typische Merkmale des Berlinischen bei Kurt Krömer
3.3.1 Spricht Kurt Krömer den Berliner Dialekt?
4 Fazit und Bewertung (Zusammenfassung)
Literaturverzeichnis
1 Zielstellung (Einleitung)
Die vorliegende Hausarbeit gibt einen Überblick über die sprachlichen Besonderheiten der Varietät Berlinisch. Die Ausführungen beschränken sich jedoch nicht auf die bloße Theorie des Berlinischen. Vielmehr soll in einem weiteren Abschnitt auch anhand eines Beispiels gezeigt werden, was das Berlinische so besonders macht, denn „Wenn einer berlinern kann, ist es ein Vergnügen ihn zu hören.“ (Meyer 1965, 17) Zu diesem Zweck ist der Ausarbeitung ein Audio-Beispiel des Berliner Komikers Kurt Krömer beigefügt. Es wird untersucht, welche Aspekte des Berlinischen Kurt Krömer beim Sprechen verwendet. Und gibt es sie noch, die berühmt-berüchtigte ‚Berliner Schnauze’? Gehört Kurt Krömer zu den Menschen, die anhand ihrer Sprechweise als ‚typische Berliner’ erkannt werden?
2 Theoretische Grundlagen
Der folgende große Teil der Hausarbeit behandelt die Variatät ‚Berlinisch’ in der Theorie und anhand einzelner Beispiele zur Verdeutlichung.
2.1 Berlinisch – Begriff und varietätenlinguistischer Status
Das Berlinische scheint nicht eindeutig in ein Schema zu passen, denn es wird von verschiedenen Autoren als ‚Dialekt’ (Garbe 1974, 5), ‚Mundart’ (Buddée 2000, 9) oder ‚Jargon’ (Harndt 1983, 9) bezeichnet. Es wird im Folgenden geprüft, ob zwischen den genannten Begriffen wirklich Unterschiede bestehen, und falls dies der Fall sein sollte, welcher Art diese Unterschiede sind.
Was aber genau ist ein ’Dialekt’ varietätenlinguistisch betrachtet? Wie lassen sich Dialekte in die Varietätenlinguistik einordnen? Diese Zuordnung soll als erstes erfolgen.
Weiterhin ist zu prüfen, ob Berlinisch als ‚Regiolekt’ und ‚Soziolekt’ bezeichnet werden kann.
2.1.1. Einordnung in die Varietätenlinguistik
Die Soziolinguistik beschäftigt sich mit den wechselseitigen Zusammenhängen und Abhängigkeiten von Sprache und Gesellschaft. Als Teilgebiet der Soziolinguistik befasst sich die Varietätenlinguistik mit der Einzelsprache in unterschiedlichen Ausprägungen, die im wechselseitigen Zusammenhang mit der Gesellschaft stehen. ‚Varietäten’ sind also Teilsprachen einer Einzelsprache, die zu den sozialen Merkmalen von Kommunikationsteilnehmern und den situativen Merkmalen von Kommunikationsprozessen in Beziehung stehen. Ein ‚Dialekt’ ist nach Dittmar (1997, 179) eine Varietät der Ordnungsdimension ‚Raum’ mit dem Merkmal der lokalen Identität.
2.1.2. Berlinisch als Dialekt
Lexikonartikel verwenden die Begriffe ‚Dialekt’ und ‚Mundart’ synonym und erklären die Abstammung vom griechischen Wort ‚dialektos’, was mit ‚Redeweise’ (Wahrig 1999, 202) übersetzt wird. Auch wenn manch ein Sprachwissenschaftler die Unterscheidung der beiden Begriffe als „eines der Hauptprobleme der Dialektforschung“ (Löffler 2003, 1) bezeichnet, würde diese Diskussion zu weit vom eigentlichen Thema abweichen, weshalb ich mich der Auffassung der Lexika (und im Übrigen auch Herrn Löffler) anschließen und die Begriffe als Synonyme verwenden werde.
Das Lexikon der Sprachwissenschaft definiert ‚Dialekt’ als eine „von der Hoch- bzw. Schrift- oder Standardsprache unterschiedene, landschaftlich ausgeprägte Form gesprochener Sprache.“ (Bußmann 1983, 95)
Weiter heißt es, dass sich der Objektbereich der Dialektologie „nur jeweils einzelsprachlich definieren“ lässt, wobei „neben linguistischen Kriterien auch außersprachliche Aspekte wie topographische Verhältnisse(…), Verkehrswege, politische und religiöse Zentren bei der Untersuchung von Zustand und Entstehung der dialektalen Struktur eine wichtige Rolle spielen. Unter genetisch historischem Aspekt sind die Dialekte älter als die Hochsprache und daher in ihrer heutigen Ausprägung als Reflex historischer Entwicklung anzusehen.“ (Bußmann 1983, 95)
Auch im Studienbuch Linguistik wird ausgeführt, dass „der Begriff des Dialektes mit dem außersprachlichen Faktor des Sprachraumes verbunden“ (Linke/ Nussbaumer/ Portmann 1996, 305) sei.
Es wird von einem Dialekt gesprochen, wenn eine durch geographische Daten abgrenzbare Sprachgemeinschaft spezifische sprachliche Charakteristika verwendet. Auf die sprachlichen Spezifika des Berlinischen wird im weiteren Verlauf gesondert eingegangen werden, was jedoch festgehalten werden kann, ist, dass Berlin durch geographische Daten abgrenzbar ist vom übrigen Bundesgebiet und deshalb Berlinisch ein Dialekt ist, wenn die Berliner spezifische sprachliche Besonderheiten in ihrer gesprochenen Sprache verwenden.
2.1.3. Berlinisch als Regiolekt/ Urbanolekt
Berlinisch ist eine Umgangssprache mit einer relativ geringen regionalen Ausdehnung, es wird lediglich in Berlin selbst und in Teilen Brandenburgs gesprochen. Berlinisch ist also eine ortsgebundene Umgangssprache, welche begrenzt ist auf ein kleines Gebiet (z.B. im Vergleich zu Hessisch, das in ganz Hessen gesprochen wird) und kann somit als ‚Ortsmundart’ oder ‚Regiolekt’ bezeichnet werden.
Da Berlin eine Stadt ist und Berlinisch (fast) ausschließlich in Berlin gesprochen wird, kann Berlinisch auch als ‚Stadtsprache’, also ‚Urbanolekt’ bezeichnet werden.
2.1.4. Berlinisch als Soziolekt
Urbanolekte sind oft gleichzeitig Soziolekte, was auch beim Berlinischen der Fall ist. Ammon stellte in einer mehrjährigen empirischen Studie fest, dass „die ausgeprägten Dialektsprecher […] überwiegend, wenngleich nicht ausschließlich, zu den unteren sozialen Schichten“ (Ammon 1978, 13) gehören würden. Wenn also ein ‚Dialekt’ als ‚Soziolekt’ bezeichnet wird, dann kann von einer negativen Konnotation ausgegangen werden, denn der Soziolekt wird den unteren sozialen Schichten zugeordnet, die gesprochene Standardsprache den oberen sozialen Schichten.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine in Berlin 1982 durchgeführte Fragebogenerhebung zum Ergebnis hatte, dass die Berliner Sprachgemeinschaft zur Zeit der Teilung Berlins in Ost- und Westberlin „in zwei signifikant unterschiedliche Kommunikations-gemeinschaften“ (Regener 2000, 4) zu unterscheiden war. Im Westen der Stadt wurde der Dialekt negativ bewertet und „von erfolgs- und aufstiegsorientierten Sprechern vermieden“ (Regener 2000, 4), allein die gesprochene Standardsprache versprach Sozialprestige. Im Ostteil der Stadt wurde hingegen in allen sozialen Schichten das Berlinische verwendet, um sich vom „Rest der Republik“ (Regener 2000, 4) abzugrenzen. Heute, Jahre nach der Wiedervereinigung, sind diese frappierenden Unterschiede nicht mehr ganz so deutlich ausgeprägt, aber trotzdem ist die Berliner Sprachgemeinschaft noch deutlich inhomogen.
2.2 Sprachliche Besonderheiten des Berlinischen
In den folgenden Abschnitten sollen die sprachlichen Besonderheiten des Berlinischen im einzelnen kurz vorgestellt und betrachtet werden. Berlinisch wird hierbei immer als gesprochener Dialekt mit der gesprochenen Standardsprache verglichen, die Schriftsprache bleibt unberücksichtigt.
Die Darstellung der sprachlichen Analysen soll mittels ‚literarischer Umschrift’ erfolgen, welche das „Alphabet der Schriftsprache ohne jegliche Sonderzeichen“ (Löffler 2003, 58) verwendet.
Die erwähnten Beispiele sind, wenn nicht anders angegeben, von der Autorin dieser Arbeit erfunden.
2.2.1 Phonetisch-phonologische Charakteristika
Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit den phonetisch-phonologischen Merkmalen des Berliner Dialekts.
2.2.1.1 Lautung von Vokalen, Umlauten, Diphtongen
Im Folgenden gebe ich eine kurze stichwortartige Übersicht darüber, welche Vokale, Umlaute und Diphtonge sich in welcher Weise verändern:
Das /i/ wird zum /ü/, z.B. Fisch =< Füsch>.
Das /e/ wird zum /ö/, z.B. elf = <ölw>.
Das /ei/ wird zum /ee/, z.B. keine = <keene>.
Das /ä/ wird ebenfalls oft zum /ee/, z.B. Mädchen = <Meedchen>.
Das /a/ kann zum /aa/ werden, z.B. gehabt = <jehaabt>.
Das /au/ wird zum /oo/, z.B. auch = <ooch>.
Die Silbe /er/ wird in einer Vor- oder Nachsilbe oft zu /a/, z.B. verrückt = <varückt> und besser = <bessa>. Jedoch gibt es Ausnahmen von dieser Regel. (So sagt der Berliner auf keinen Fall er sei ‚Balina’, sondern er ist stets ein ‚Berlina’ – Weil Dazugezogene, also nicht in Berlin geborene Sprecher, diese Ausnahme meist nicht kennen und deshalb ‚Balina’ sagen, werden sie sofort von jedem ‚echten’ Berliner als solche erkannt.)
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Berliner scheinbar nicht gern Diphtonge spricht, denn diese werden vollständig getilgt und durch langgezogene bzw. doppelte Vokale ersetzt. Auffällig ist auch die Neigung aus einfachen Vokalen Umlaute zu machen, wobei jedoch der ursprüngliche Umlaut /ä/ widerum zu /ee/ wird.
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- Arbeit zitieren
- Jessica Brückner (Autor:in), 2006, Besonderheiten der Varietät Berlinisch. Analyse der gesprochenen Sprache des Berliner Komikers Kurt Krömer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69685
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