Mit der Reform des Versicherungsvertragsrechts ergeben sich bedeutende Veränderungen für den Versicherer. Diese Abschlussarbeit untersucht die Auswirkungen der VVG-Reform auf den Vertragsabschluss. Betrachtet werden die Anforderungen an die Verbraucherinformationen und deren Übergabezeitpunkt an den VN. Bisher konnte der Versicherer beim
Übergabezeitpunkt zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Er konnte entscheiden, ob er die Verbraucherinformationen mit Antragsstellung oder mit Übersendung der Police aushändigen wollte. I.d.R. hat der Versicherer sich für das Policenmodell, d.h. die Aushändigung mit Versicherungsschein, entschieden. Das Policenmodell soll nach dem Willen des Gesetzgebers abgeschafft werden. Je nachdem ob der Versicherer nach dem Antrags- oder Policenmodell verfahren hat, ergaben sich für den VN unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten in Form von Widerrufs-, Widerspruchs- oder Rücktrittsrechten. Neben dem Übergabezeitpunkt der Verbraucherinformationen war auch entscheidend, ob der Vertrag nach den Regeln des Fernabsatzes oder über einen Vermittler geschlossen wurde. Die verschiedenen Regelungen des bisherigen VVG werden in ein neues Widerrufsrecht zusammengefasst. Die Vor- und Nachteile der Abschaffung des Policenmodells sowie die Regelungen für ein neues Widerrufsrecht werden diskutiert und die damit verbundenen Konsequenzen dargestellt. Gerade im Bereich der Kfz-Versicherung ist dem eigentlichen Hauptvertrag meist ein Vertrag über die vorläufige Deckung vorgelagert. Die vorläufige Deckung ist im bisherigen VVG nicht gesetzlich geregelt. Im neuen VVG wird die vorläufige Deckung mit einbezogen. Damit wird der Bedeutung der vorläufigen Deckung Rechnung getragen. Die Arbeit untersucht die neuen Regelungen und geht insbesondere auf die Vorstellung der Reformkommission zur Unwirksamkeit des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung ein. Die Arbeit zeigt zunächst die Regelungen des bisherigen Rechts auf. Im Anschluss daran wird das neue Recht erörtert und ein Vergleich zum bisherigen Recht hergestellt.
Grundlage für diese Arbeit ist der Regierungsentwurf vom 13. Oktober 2006. Sofern sich Änderungen zwischen Kommissions-, Referentenentwurf oder Regierungsentwurf ergeben haben, werden diese aufgegriffen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vertragsabschluss vor VVG-Reform
2.1. Gesetzliche Grundlage
2.2. Vertragsschluss
2.3. Inhalt der Verbraucherinformationen
2.4. Adressat
2.5. Anforderung an die Verbraucherinformation
2.6. Zeitpunkt der Übergabe der Information
2.6.1. Bei Antragstellung (Antragsmodell) § 8 Abs. 4 sowie Abs. 5
2.6.2. Nach Antragstellung (Policenmodell) § 5a VVG
3. Vertragsabschluss nach VVG-Reform
3.1. Gesetzliche Grundlage
3.2. Inhalt der Informationspflicht
3.3. Adressat
3.4. Form der Informationspflicht
3.5. Zeitpunkt der Informationspflicht
3.6. Zeitpunkt der Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen
3.7. Die Informationspflicht bei Abschluss über Vermittler
3.7.1. Vertragsvermittlung durch Versicherungsvertreter
3.7.2. Vertragsvermittlung durch Versicherungsmakler
3.8. Sanktionen bei Verstoß gegen Informationspflicht
3.9. Mögliche Prozessabläufe
3.9.1. Verzichtslösung
3.9.2. Ignorations-Lösung
3.9.3. Invitatio-Lösung
3.9.4. Die Informationsblatt-Lösung
3.10. Motive und Kritik an Abschaffung des Policenmodells
4. Stellungnahme zur Abschaffung des Policenmodells
5. Die Lösungsmöglichkeiten durch den VN vor VVG-Reform
5.1. Das Widerrufsrecht § 8 Abs. 4 VVG
5.1.1. Inhalt der Regelung
5.1.2. Rechtswirkungen
5.2. Das Rücktrittsrecht § 8 Abs.5 VVG
5.2.1. Inhalt der Regelung
5.2.2. Rechtswirkungen
5.3. Das Widerspruchsrecht § 5 a VVG
5.3.1. Inhalt der Regelung
5.3.2. Rechtswirkungen
5.4. Widerrufsrecht bei Fernabsatz § 48c VVG
5.4.1. Inhalt der Regelung
5.4.2. Rechtswirkung
5.5. Die Billigungsklausel § 5 VVG
5.5.1. Inhalt der Regelung
5.5.2. Rechtswirkungen
6. Die Lösungsmöglichkeiten des VN nach VVG-Reform
6.1. Das Widerrufsrecht
6.1.1. Gesetzliche Grundlage
6.1.2. Adressat
6.1.3. Beginn der Widerrufsfrist
6.1.4. Dauer der Widerrufsfrist
6.1.5. Beweisführung
6.1.6. Form des Widerrufs
6.1.7. Vertragszustand während der Widerrufsfrist
6.1.8. Ausschluss des Widerrufs
6.2. Rechtsfolgen des Widerrufs
6.2.1. Gesetzliche Grundlage
6.2.2. Zeitpunkt der Vertragsbeendigung
6.2.3. Rechtsfolgen bei korrekt erfolgter Belehrung durch den VR
6.2.4. Rechtsfolgen bei nicht erfolgter oder unvollständiger Belehrung
6.2.5. Erstattung der Prämie
6.2.6. Besonderheit in der Lebensversicherung
6.3. Abweichender Versicherungsschein
7. Stellungnahme zum neuen Widerrufsrecht
8. Die vorläufige Deckungszusage vor VVG-Reform
8.1. Gesetzliche Regelungen vor VVG-Reform
8.2. Trennungstheorie
8.3. Beginn der vorläufigen Deckung
8.4. Form der vorläufigen Deckungszusage
8.5. Einbeziehen von AVB
8.6. Beendigung des Vertrags über die vorläufige Deckung
8.6.1. Zustandkommen des Hauptvertrags
8.6.2. Nichtzustandekommen des Hauptvertrags
8.7. Zeitliche Begrenzung
8.8. Prämienerhebung für die vorläufige Deckung
8.9. Rückwirkender Wegfall der vorläufigen Deckung
9. Die Reglungen nach VVG-Reform
9.1. Die Bedeutung der vorläufigen Deckung
9.2. Gesetzliche Grundlage
9.3. Trennungstheorie
9.4. Die Informationspflichten nach § 7 VVG-E
9.4.1. Die Informationspflicht bei Abschluss über einen Vermittler
9.4.2. Die Informationspflicht bei Fernabsatzvertrag
9.4.3. Einbeziehung von AVB
9.5. Die Beratungspflichten des VR nach § 6 VVG-E
9.6. Das Widerrufsrecht
9.7. Beendigung der vorläufigen Deckung
9.7.1. Gesetzliche Grundlage
9.7.2. Durch Zustandekommen des Hauptvertrags
9.7.3. Nichtzustandekommen des Hauptvertrags
9.7.4. Durch Kündigung der vorläufigen Deckung
9.7.5. Befristung der vorläufigen Deckung
9.8. Prämienzahlung für den Vertrag der vorläufigen Deckung
9.9. Rückwirkender Wegfall der vorläufigen Deckung
10. Stellungnahme zur Regelungen der vorläufigen Deckung
11. Schlussbemerkung
1. Einleitung
Mit der Reform des Versicherungsvertragsrechts ergeben sich bedeutende Veränderungen für den Versicherer. Diese Abschlussarbeit untersucht die Auswirkungen der VVG-Reform auf den Vertragsabschluss. Betrachtet werden die Anforderungen an die Verbraucherinformationen und deren Übergabezeitpunkt an den VN. Bisher konnte der Versicherer beim Übergabezeitpunkt zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Er konnte entscheiden, ob er die Verbraucherinformationen mit Antragsstellung oder mit Übersendung der Police aushändigen wollte. I.d.R. hat der Versicherer sich für das Policenmodell, d.h. die Aushändigung mit Versicherungsschein, entschieden. Das Policenmodell soll nach dem Willen des Gesetzgebers abgeschafft werden.
Je nachdem ob der Versicherer nach dem Antrags- oder Policenmodell verfahren hat, ergaben sich für den VN unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten in Form von Widerrufs-, Widerspruchs- oder Rücktrittsrechten. Neben dem Übergabezeitpunkt der Verbraucherinformationen war auch entscheidend, ob der Vertrag nach den Regeln des Fernabsatzes oder über einen Vermittler geschlossen wurde. Die verschiedenen Regelungen des bisherigen VVG werden in ein neues Widerrufsrecht zusammengefasst. Die Vor- und Nachteile der Abschaffung des Policenmodells sowie die Regelungen für ein neues Widerrufsrecht werden diskutiert und die damit verbundenen Konsequenzen dargestellt.
Gerade im Bereich der Kfz-Versicherung ist dem eigentlichen Hauptvertrag meist ein Vertrag über die vorläufige Deckung vorgelagert. Die vorläufige Deckung ist im bisherigen VVG nicht gesetzlich geregelt. Im neuen VVG wird die vorläufige Deckung mit einbezogen. Damit wird der Bedeutung der vorläufigen Deckung Rechnung getragen. Die Arbeit untersucht die neuen Regelungen und geht insbesondere auf die Vorstellung der Reformkommission zur Unwirksamkeit des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung ein.
Die Arbeit zeigt zunächst die Regelungen des bisherigen Rechts auf. Im Anschluss daran wird das neue Recht erörtert und ein Vergleich zum bisherigen Recht hergestellt.
Grundlage für diese Arbeit ist der Regierungsentwurf vom 13. Oktober 2006. Sofern sich Änderungen zwischen Kommissions-, Referentenentwurf oder Regierungsentwurf ergeben haben, werden diese aufgegriffen.
2. Vertragsabschluss vor VVG-Reform
2.1. Gesetzliche Grundlage
Die Anforderungen an die Verbraucherinformationen sind im derzeitigen Recht in § 10 VAG sowie § 10a VAG i.V.m. Anlage D geregelt. Der Versicherer wird durch die gesetzlichen Regelungen verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformationen bei Vertragsabschluss auszuhändigen.[1] Der VN soll in die Lage versetzt werden, das unsichtbare Produkt Versicherung kennen zu lernen und zu verstehen.[2]
2.2. Vertragsschluss
Ein Vertrag kommt laut den gesetzlichen Regelungen des BGB durch zwei übereinstimmende Willenerklärungen, d.h. durch Antrag und Annahme, zustande. Bei einem Versicherungsvertrag stellt i.d.R. der VN den Antrag, welchen der VR konkludent durch Übersendung der Police oder ausdrücklich annimmt durch Übersendung einer Antragsannahmeerklärung. Eine abweichende Regelung gilt bei Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung. Lehnt der VR den Antrag nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich ab oder unterbreitet ein neues Angebot, gilt der Antrag als angenommen. Einer weiteren Erklärung bedarf es nicht. Der Versicherungsvertrag ist an keine gesetzliche Formvorschrift gebunden, so dass er auch mündlich geschlossen werden könnte.[3]
2.3. Inhalt der Verbraucherinformationen
Der Inhalt der Verbraucherinformation richtet sich für alle Sparten nach Satz 1 der Anlage D des VAG. Für die Lebens- und Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr sind die weiteren Informationen gemäß Satz 2 der Anlage D, bei der substitutiven Krankheitskostenversicherung sind die weiteren Informationen gemäß Satz 3 der Anlage D beizufügen.
Die Verbraucherinformationen für alle Sparte müssen enthalten:
- Name, Anschrift, Rechtsform und Sitz des VR (auch Niederlassung)
- AVB inkl. der Tarifbestimmungen
- Angabe des auf den Vertrag anwendbares Rechts
- Vertragslaufzeit
- Prämienhöhe: Einzelausweis der Prämien, Gesamtbeitrag sowie Nebengebühren- und Kosten
- Antragsbindefrist
- Belehrung über das Widerrufs- oder Rücktrittsrecht
- Anschrift der Aufsichtsbehörde[4]
Die weitergehenden Verbraucherinformationen für die Lebens- und Unfallversicherung müssen u.a. enthalten:
- Angaben über die Rückkaufswerte
- Angaben über den Mindestversicherungsbeitrag zur Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung sowie den Leistungen aus prämienfreier Versicherung
- Angaben über die Fonds, die der Fondsgebundenen Lebensversicherung zugrunde liegen
Die weitergehenden Verbraucherinformationen für die substitutive Krankheitskostenversicherung müssen zusätzlich enthalten:
- Angaben über die Auswirkungen steigender Krankheitskosten auf die zukünftige Beitragsentwicklung
- Hinweise auf die Beitragsbegrenzung im Alter und die nicht vorhandene Wechselmöglichkeit in die gesetzlichen Krankenversicherung mit zunehmendem Alter[5]
2.4. Adressat
Der VR ist gesetzlich verpflichtet die Verbraucherinformationen allen natürlichen Personen auszuhändigen, wobei Großrisiken i.S. des Art. 10 EGVVG von der Informationspflicht ausgenommen sind. In den Fällen von Großrisiken, genügt die Angabe über das anwendbare Recht und der zuständigen Aufsichtsbehörde. Streitig ist, ob Personengesellschaften ohne eigene Rechtsfähigkeit zu den natürlichen Personen zählen, so dass die Verbraucherinformationen evtl. auch der OHG, der BGB-Gesellschaft und der KG zu übermitteln sind.[6]
2.5. Anforderung an die Verbraucherinformation
Die Verbraucherinformation muss nach den Regelungen des § 10a Abs. 2 VAG in deutscher Sprache oder der Muttersprache des Versicherungsnehmers verfasst, übersichtlich gegliedert und die Formulierung eindeutig und verständlich sein. Verständlich ist sie dann, wenn ein durchschnittlicher VN diese verstehen kann. Die Verbraucherinformation ist an die Schriftform gebunden. Gemeint ist nicht die strenge schriftliche Form des § 126 BGB.[7] Das Gesetz beabsichtigt mit der Schriftformerfordernis lediglich eine Abgrenzung zur mündlichen Form. Die Übermittlung der Verbraucherinformation kann daher sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form z.B. über das Internet erfolgen. Bei Versendung über das Internet ist die Schriftform erst dann erfüllt, wenn die Verbraucherinformationen auf dem Bildschirm sichtbar werden und aufbewahrt werden können.[8]
2.6. Zeitpunkt der Übergabe der Information
2.6.1. Bei Antragstellung (Antragsmodell) § 8 Abs. 4 sowie Abs. 5
Die Übergabe der Verbraucherinformation kann zum Zeitpunkt der Antragstellung erfolgen, so dass der VN sich vor Vertragsschluss über die Konditionen und Pflichten des Vertrags informieren kann. Der VN erhält die Möglichkeit die verschiedenen Angebote der VR zu vergleichen, um sich gezielt für das Produkt eines VR zu entscheiden.[9]
Die nachträglichen Lösungsmöglichkeiten des VN beim Antragsmodell werden im § 8 VVG geregelt. Bei Lebensversicherungsverträgen wird dem VN nach § 8 Abs. 5 VVG ein Rücktrittsrecht von 30 Tagen ab Vertragsschluss eingeräumt. Bei den übrigen Sparten kann der VN gemäß § 8 Abs. 4 VVG den Antrag innerhalb von 14 Tagen ab Antragstellung widerrufen.[10]
Abbildung: Prozessablauf Antragsmodell nach bisherigem Recht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle : GDV
2.6.2. Nach Antragstellung (Policenmodell) § 5a VVG
§ 5a VVG räumt dem VR die Möglichkeit ein, dem VN die Verbraucherinformationen nicht direkt bei Antragstellung, sondern erst mit Übersendung der Police auszuhändigen. Die VR haben bereits vor der Deregulierung des Versicherungsmarktes nach diesem Policenmodell verfahren. Auch in der heutigen Praxis verwenden die VR überwiegend das Policenmodell. Um dieses Verfahren zu legitimieren hat der Gesetzgeber im Jahr 1994 den § 5a in das VVG aufgenommen.[11] Die Interessen der VN wurden durch die Gewährung des Widerspruchsrechts, mit Fristbeginn ab Überlassung der Unterlagen, berücksichtigt. Der VN kann den Vertrag lösen, wenn er die Konditionen nicht akzeptieren kann. Damit wird verhindert, dass der VN an einen Vertrag gebunden ist, den er bei vollständiger Überlassung der Verbraucherinformationen zum Zeitpunkt der Antragstellung, nicht geschlossen hätte.[12]
Das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG entfällt, wenn dem VN das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 bzw. das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG zusteht.[13]
Abbildung: Prozessablauf des Policenmodells nach bisherigem Recht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: GDV
3. Vertragsabschluss nach VVG-Reform
3.1. Gesetzliche Grundlage
Die bisherige Regelungen des § 10a VAG i.V.m. Anlage D werden in das VVG-E überführt. Die Informationspflichten ergeben sich zukünftig aus § 7 VVG-E. Darin wurden alle EU-rechtlichen Vorgaben für alle Versicherungszweige berücksichtigt.[14]
3.2. Inhalt der Informationspflicht
Die Regelungen des § 7 VVG-E umfassen neben den bisherigen Regelungen des § 10a VAG i.V.m. Anlage D die Informationspflichten des VR bei Fernabsatzverträgen gem. § 48b VVG und die Informationspflichten aus den Artikeln 3 und 5 der Fernabsatzrichtlinie II.[15] Eine Rechtsverordnung legt weitere Bestandteile der Informationspflicht fest. § 7 Abs. 2 VVG-E schafft die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rechtsverordnung durch die Bundesregierung.[16]
Die Inhalte der Informationspflicht für alle Sparten entsprechen im Wesentlichen den Regelungen der bisherigen § 10a VAG. Bei Abschluss einer Lebensversicherung sind weitere Informationspflichten vom VR zu erfüllen. Dies gilt auch bei Verträgen, die einzelne Elemente der Lebensversicherung enthalten, wie z.B. die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr sowie der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die zusätzlichen Informationspflichten umfassen:
- Die Mitteilung zur Überschussbeteiligung sowie ihrer Ermittlung und Berechung nach § 153 VVG-E
- Die Mitteilung über den Rückkaufswert nach § 169 VVG-E
- Die Klarstellung über die Abschluss- und Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt
- Die Klarstellung über die sonstigen anfallenden Kosten
- Die Modellrechnung nach § 154 VVG-E, die die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämien- kalkulation mit drei verschiedenen Zinsätzen darstellt.
Für die Krankenversicherung gilt wie bei der Lebensversicherung, dass der VR den VN zusätzlich über die Abschluss- und Vertriebskosten sowie die zu erwartende Prämienhöhe zu informieren hat. Der Gesetzgeber möchte besonders bei dem Abschluss einer Lebensversicherung mit den Änderungen zur Informationspflicht eine größere Transparenz für den VN erreichen.[17]
3.3. Adressat
Die Informationspflichten des VR werden auf alle Versicherungsnehmer erweitert, unabhängig davon ob es sich beim VN um eine natürliche oder juristische Person handelt. Von der Informationspflicht sind nur Großrisiken i.S. des Art. 10 EGVVG ausgenommen. Wird ein Vertrag über ein Großrisiko von einer natürlichen Person abgeschlossen, so ist der VR verpflichtet dem VN das geltende Recht und die zuständige Aufsichtsbehörde in Textform mitzuteilen. Der Regierungsentwurf erweitert den bisher genutzten Verbraucherschutzbegriff des §13 BGB[18], der sich auf natürliche Personen beschränkt hat.[19] Der Gesetzgeber möchte die Informationspflicht bei juristischen Personen nicht mehr auf die Unterscheidung einer Rechtsform abstellen. Er hält dieses Kriterium für nicht geeignet.[20] Das Widerrufsrecht wird damit im neuen Recht auch großen Aktiengesellschaften und GmbHs zugestanden. Schimikowski stellt die Schutzbedürftigkeit eines gewerblichen VN in Frage.[21]
3.4. Form der Informationspflicht
§ 7 Abs. 1 VVG-E erfordert, dass dem VN die Verbraucherinformationen in Textform zu übergeben sind.[22] Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass die strenge Schriftformerfordernis des § 126 BGB nicht erfüllt werden muss. Im aktuellen Recht wurde die Textform bisher nicht explizit legitimiert, wobei die Rechtsprechung die Textform als ausreichend ansieht.[23] Mögliche Medien zur Übergabe der Verbraucherinformationen können daher im neuen Recht ein Ausdruck vor Ort oder in elektronischer Form eine E-Mail oder CD-Rom sein. Voraussetzung für eine solche Formnutzung ist, dass der Empfänger den Text auf seinem Bildschirm lesen kann.[24] Möchte der VR die Verbraucherinformationen elektronisch aushändigen, darf er dem Vermittler nur Zugriff auf die aktuell gültigen Unterlagen gewähren, der Zugriff auf die nicht mehr gültigen Unterlagen ist zu unterbinden. Welche Informationsunterlagen dem VN ausgehändigt werden, sollte vom Vermittler dokumentiert werden und vom VN bestätigt werden. Kann der VR den Nachweis über die Aushändigung der korrekten Unterlagen nicht beibringen, beginnt die Widerrufsfrist für den VN nicht zu laufen.[25]
3.5. Zeitpunkt der Informationspflicht
§ 7 Abs. 1 VVG-E sieht vor, dass die Verbraucherinformationen rechzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung vom VN auszuhändigen sind. Diese Regelung bedeutet, dass dem VN die Verbraucherinformationen zukünftig vor Antragstellung vorliegen müssen. Die Übersendung der Unterlagen zusammen mit der Police, reicht daher zukünftig nicht mehr aus. Der Regierungsentwurf übernimmt nicht den Vorschlag der Reform-Kommission, die vorsah dem VN die Verbraucherinformationen vor seiner Vertragserklärung zu übergeben. Das Policenmodell wird abgeschafft.[26]
Unklar ist, wann die rechtzeitige Aushändigung der Verbraucherinformationen erfüllt ist. Der Begriff rechtzeitig wird gesetzlich nicht definiert. Vorstellbar wäre einerseits, dass die Aushändigung der Verbraucherinformationen im Beratungsgespräch mit anschließender Antragstellung des VN als rechtzeitig angesehen wird. Rechtzeitig könnte anderseits auch bedeuteten, dass zwischen Übergabe der Verbraucherinformationen und der Antragstellung eine bestimmte zeitliche Frist eingehalten werden muss.[27]
Abbildung: Prozessablauf Antragsmodell nach neuem Recht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: GDV
3.6. Zeitpunkt der Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen
Für Verträge, die auf Wunsch des VN telefonisch oder per Internet geschlossen werden, kann der VR die Verbraucherinformation nicht rechtzeitig vor Antragstellung in Textform aushändigen. § 7 Abs. 1 VVG-E räumt in diesen Fällen dem VR die Möglichkeit ein, dem VN die Verbraucherinformationen unverzüglich nach Vertragsschluss zu übermitteln.[28]
3.7. Die Informationspflicht bei Abschluss über Vermittler
3.7.1. Vertragsvermittlung durch Versicherungsvertreter
Die Verbraucherinformationen müssen dem VN bei Abschluss eines Versicherungsvertrags über einen Versicherungsvertreter vor Abgabe seiner Vertragserklärung vorliegen. Dass die Aushändigung der vorgeschriebenen Informationen nach den gesetzlichen Regelungen erfolgt, liegt in der Pflicht des jeweiligen VR. Dem Vermittler wird keine eigenständige Informationspflicht zugewiesen. Die VR werden in ihren Vertreterverträgen die Informationspflicht mit dem Vermittler vereinbaren.[29]
3.7.2. Vertragsvermittlung durch Versicherungsmakler
Auch bei Vermittlung des Vertrags durch einen Versicherungsmakler müssen dem VN die Verbraucherinformationen vor Abgabe seiner Willenserklärung vorliegen. In der Praxis wird diese Pflicht über die Rahmenabkommen zwischen VR und Makler geregelt werden.[30]
3.8. Sanktionen bei Verstoß gegen Informationspflicht
Verletzt der VR seine Informationspflicht oder kann er den Nachweis über die korrekt erfolgte Information nicht erbringen, beginnt die Widerrufsfrist des VN nach den Reglungen des § 8 Abs.2 Satz 1 VVG-E nicht zu laufen. Die Widerrufsfrist endet nicht wie im bisherigen VVG nach einem bestimmten Zeitpunkt. Dem VN steht nach den neuen Regelungen ein lebenslanges Widerrufsrecht zu. Der VN kann dann den Versicherungsvertrag auch noch nach mehreren Jahren widerrufen.[31]
[...]
[1] Vgl. Prölss in Prölss/Martin, § 5a, Rdnr. 2.
[2] Vgl. Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rdnr. 38.
[3] Vgl. Weyers/Wandt, Rdnrn. 216-219.
[4] Vgl. Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rdnr. 38.
[5] Vgl. VAG, Anlage D, Abschnitt 1.
[6] Vgl. Römer in Römer/Langheid, § 5a, Rdnrn. 7 und 8.
[7] Vgl. Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rdnr. 39.
[8] Vgl. Weyers/Wandt, Rdnr. 213.
[9] Vgl. Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rdnr. 39.
[10] Vgl. Weyers/Wandt, Rdnr. 221.
[11] Vgl. Römer in Römer/Langheid, § 5a, Rdnr. 17.
[12] Vgl. Prölss in Prölss/Martin, § 5a, Rdnr. 1.
[13] Vgl. Weyers/Wandt, Rdnr. 223.
[14] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 149 (zu § 7).
[15] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 149 (zu § 7).
[16] Vgl. Schimikowski, Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers, in: Die Vorschläge der Reformkommission für ein neues Versicherungsvertragsrecht, S.16.
[17] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 152 (zu § 7 Abs. 2).
[18] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 150 (zu § 7 Abs. 1).
[19] Vgl. Palandt/Heinrichs, § 13 Rdnr. 2.
[20] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 150 (zu § 7 Abs. 1).
[21] Vgl. Schimikowski, Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers, in: Die Vorschläge der Reformkommission für ein neues Versicherungsvertragsrecht, S. 19.
[22] Vgl. Stadler, Versicherungswirtschaft 2006, S. 1340.
[23] Vgl. Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rdnr. 39.
[24] Vgl. Palandt/Heinrichs, § 126 b, Rdnr. 3.
[25] Vgl. Stadler, Versicherungswirtschaft 2006, S. 1340.
[26] Vgl. Niederleithinger, VersR 2006, S. 441.
[27] Vgl. Stadler, Versicherungswirtschaft 2006, S. 1340.
[28] Vgl. Schimikowski, Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers, in: Die Vorschläge der Reformkommission für ein neues Versicherungsvertragsrecht, S. 17.
[29] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 149 f. (zu § 7).
[30] Vgl. Begründung Regierungsentwurf, S. 150 (zu § 7).
[31] Vgl. Stadler, Versicherungswirtschaft 2006, S. 1340.
- Quote paper
- Iniga Lensing (Author), 2006, Die Aspekte des Verbraucherschutzes bei der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes. Der Abschluss eines Versicherungsvertrags nach neuem Recht. Die Regelungen der vorläufigen Deckung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69665
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