Die Redewendung, dass „jemand im Rollstuhl sitzt“ ist heutzutage ein fester Bestandteil in unserem Sprachgebrauch geworden. Doch was steckt hinter diesen wenigen Worten? Nicht allein die Tatsache, dass eine Person in einem Stuhl sitzt, wird hiermit formuliert. Eine gewisse Hilflosigkeit wird den Betroffenen pauschal zugeschrieben. Wie sehr schränkt die Beeinträchtigung die behinderten Menschen in ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden tatsächlich ein?
Ein Rollstuhl ermöglicht ihnen eine passive oder auch aktive Fortbewegung im häuslichen Umfeld sowie im Außenbereich. Er stellt ein unverzichtbares Hilfsmittel bezüglich der Mobilität jedes Einzelnen dar. Jedoch sind die Einsatzmöglichkeiten eines Rollstuhles deutlich begrenzt. Wie häufig greifen beispielsweise stehfähige Menschen über sich, um Gegenstände auf höher gelegenen Regalen zu erreichen? Wie häufig stehen wir auf, weil uns die Sitzposition unbequem geworden ist?
Mediziner betonen schon seit vielen Jahren die Wichtigkeit des Stehens, insbesondere für behinderte Menschen, die viel Zeit im Sitzen und Liegen verbringen. Jedoch stellte das Therapeutische Stehen in der Vergangenheit für viele Klienten eine Tortur dar. Viele Stehständer hatten den entscheidenden Nachteil, dass sie zwar den medizinischen Grundgedanken, häufig jedoch nicht den sozialen und alltagspraktischen Belangen der Anwender gerecht wurden.
Dieser Problematik haben sich in den letzten Jahren Fachleute angenommen, um sogenannte Stehrollstühle zu entwickeln. Wie der Name verrät, sind dies Rollstühle, die durch eine spezielle Mechanik aus der Sitz- in die Standposition gebracht werden können. Da man die Stehrollstühle erst seit wenigen Jahren auf dem Markt der Hilfsmittel finden kann, sind der Einsatz und die Erfahrungswerte noch nicht sehr verbreitet. Aus diesem Grunde ist es Ziel dieser Arbeit, die Wirksamkeit und somit die Effektivität von Stehrollstühlen eingehender zu betrachten und zu analysieren.
Da der Fokus speziell auf den ergotherapeutischen Aspekten liegt, werden einerseits die medizinischen Wirkunsweisen des Stehens genau analysiert und andererseits der essentielle Bereich der Partizipation, Selbstständigkeit und der Selbstbestimmtheit der Klienten speziell betrachtet. Nur in Kombination dieser Komponenten ist eine fundierte Bewertung bezüglich der Effektivität von Stehrollstühlen hinsichtlich der ergotherapeutischen Gesichtspunkte erst möglich.
Inhaltsverzeichnis
Glossar
Abkürzungsverzeichnis
1. Problemstellung, Methodenwahl und Aufbau der Arbeit
2. Zur Bedeutung des Sitzens und Stehens bei Funktionseinschränkungen
2.1 Krankheitsbilder und deren Symptomatiken, bei denen Stehmedien eingesetzt werden
2.2 Therapeutische Stehmedien der Vergangenheit
2.3 Modellbeispiele der heutigen Stehrollstühle
3. Bewältigungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Stehrollstühlen
3.1 Die inneren Organe
3.2 Der Bewegungsapparat
3.3 Die psycho-soziale Ebene und der Partizipationsaspekt
4. Empirische Erfahrungen mit Stehrollstühlen
4.1 Methodisches Vorgehen
4.2 Entwicklung eines Fragebogens
5. Ergebnisse der Befragung
5.1 Darstellung der Stichprobe
5.2 Ergebnisse zur Beurteilung der Stehrollstühle
5.3 Sonstige Angaben der Befragten
6. Diskussion der Ergebnisse
7. Zusammenfassung und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang I
Glossar
Activities of daily life Englisch für: Aktivitäten des täglichen Lebens. Bezeichnung für primäre Erledigungen und Tätigkeiten, die im Alltag häufig und wiederkehrend sind. Benötigte Fähigkeiten wie sich Waschen, Anziehen, Essen und Trinken, Toilettengang und die gesamte Mobilität.
Dekubitus Ein sog. Druckgeschwür. Konstanter Druck über eine bestimmte Zeit führt zu einer Kompression der Kapillargefäße und damit zu einer Minderdurchblutung oder einem Durchblutungsstopp. Dies führt zu einer Minder-versorgung und häufig zum Absterben von Gewebe.
Extension Streckung eines Gelenkes
Flexion Beugung eines Gelenkes
Hemianopsie Halbseitenblindheit, im Sprachgebrauch auch Synonym für homonyme Hemianopsie, bei der das kontraläsionale Gesichtsfeld ausfällt.
kontraläsional gegenseitig des Schädigungsortes
Neuropsychologie Gegenstand der Neuropsychologie, einem Teilgebiet der Klinischen Psychologie, sind die „höheren Hirnleistungen“ wie Wahrnehmung, Kognition, Sprache, Emotion und Bewusstsein, ihre neurophysiologischen Grundlagen sowie ihre Bedeutung für das Erleben und Verhalten.
Partizipation Teilnahme oder Teilhabe einer Person an einem Lebens-bereich bzw. einer Lebenssituation vor dem Hintergrund ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung, ihrer Körperfunktionen und –strukturen, sowie ihrer Aktivitäten.
Sekundärschäden resultierende Folgeschäden
Sensomotorik Verknüpfung der sensorischen und motorischen Systeme. Die Motorik ist die Fähigkeit des Körpers, sich zu bewegen. Die Sensorik beschreibt und umfasst die Organe der Sinnes-wahrnehmung.
vaskulär die Blutgefäße betreffend
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Problemstellung, Methodenwahl und Aufbau der Arbeit
Die Redewendung, dass „jemand im Rollstuhl sitzt“ ist heutzutage ein fester Bestandteil in unserem Sprachgebrauch geworden. Doch was steckt hinter diesen wenigen Worten? Nicht allein die Tatsache, dass eine Person in einem Stuhl sitzt, wird hiermit formuliert. Die Beschreibung ist bereits vielmehr der Bezeichnung Behinderung gleichzusetzen. Eine gewisse Hilflosigkeit wird den Betroffenen pauschal zugeschrieben. Vielfach berichten Rollstuhlnutzer[1] von unsicheren, mitleidigen Blicken, die ihnen entgegengebracht werden. Die Einschränkung, dass diese Menschen nicht ausreichend steh- bzw. gehfähig sind, ist nicht zu übersehen. Doch wie sehr schränkt die Beeinträchtigung die behinderten Menschen in ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden tatsächlich ein?
Ein Rollstuhl ermöglicht ihnen eine passive oder auch aktive Fortbewegung im häuslichen Umfeld sowie im Außenbereich. Er stellt ein unverzichtbares Hilfsmittel bezüglich der Mobilität jedes Einzelnen dar. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gestaltet sich dadurch wesentlich leichter. Jedoch sind die Einsatzmöglichkeiten eines Rollstuhles deutlich begrenzt. Wie häufig greifen beispielsweise stehfähige Menschen über sich, um Gegenstände auf höher gelegenen Regalen zu erreichen? Wie häufig stehen wir auf, weil uns die Sitzposition unbequem geworden ist, vielleicht auch Schmerzen hervorruft? Diese Möglichkeit ist rollstuhlpflichtigen Menschen nicht oder nur bedingt gegeben, wodurch sie immer wieder an Grenzen stoßen. Im Rollstuhl sitzend sind sie, je nach Betroffenheitsgrad, in ihrer Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit, in unterschiedlichen Maßen eingeschränkt.
Aus gesundheitlicher Sicht betrachtet ist jedem bekannt, dass zu vieles und zu langes Sitzen ohne Ausgleich Folgeschäden mit sich bringt. Mediziner betonen schon seit vielen Jahren die Wichtigkeit des Stehens, insbesondere für behinderte Menschen, die viel Zeit im Sitzen und Liegen verbringen. Dieser Bedeutung versuchen Therapeuten in ihren Behandlungseinheiten nachzukommen. Doch neben vielen anderen wichtigen Behandlungsinhalten ist die Zeit hierfür begrenzt. Zusätzlich stellte das Stehen in der Vergangenheit für viele Klienten eine Tortur dar. Zum Einen glich ein Großteil der Stehgeräte eher `Folterinstrumenten`, welche dem Patienten schmerzhafte Stehzeiten bescherten. Zum Anderen war solch ein Stehtraining unbeliebt, da es in der Regel nicht ohne fremde Hilfe durchführbar war und den Betroffenen während des Stehens hilflos machte. Diese Stehständer hatten den entscheidenden Nachteil, dass sie zwar den medizinischen Grundgedanken, nicht aber den sozialen und alltagspraktischen Belangen der Anwender gerecht wurden.[2] Solche Stehmedien, wie z. B. ein Stehbett oder ein Stehpult, hatten und haben zum großen Teil noch heute wenige Einstellungsmöglichkeiten, um den individuellen Einschränkungen und Bedürfnissen des Einzelnen gerecht zu werden. Denn bei Hilfsmitteln dieser Art ist nur durch eine individuelle Anpassung eine adäquate, sichere und physiologische Unterstützung gewährleistet. Dieser Problematik haben sich in den letzten Jahren Fachleute angenommen und sogenannte Stehrollstühle entwickelt. Wie der Name verrät, sind dies Rollstühle, die durch eine spezielle Mechanik aus der Sitz- in die Standposition gebracht werden können.
Da man die Stehrollstühle erst seit wenigen Jahren auf dem Markt der Hilfsmittel finden kann, sind der Einsatz und die Erfahrungswerte noch nicht sehr verbreitet. Meine beruflichen Erfahrungen als Ergotherapeutin zeigen, dass die Erprobung eines Stehrollstuhles häufig nicht angegangen wird, weil die Indikationen unzureichend bekannt und die Wirkungsweisen nicht ausreichend publik sind bzw. wissenschaftlich noch nicht zufriedenstellend untersucht wurden. Aus diesem Grunde ist es Ziel meiner Arbeit, die Wirksamkeit und somit die Effektivität von Stehrollstühlen eingehender zu betrachten und zu analysieren.
Um das formulierte Ziel zu verfolgen, bedarf es vorab der Definition des Begriffes „Effektivität“. Das Wort Effektivität geht auf denselben Wortstamm wie Effizienz zurück. Lateinisch „effectus“ bedeutet Ausführung, Wirkung, Erfolg. In Managementzusammenhängen wird jedoch zwischen Effizienz und Effektivität unterschieden. Der renommierte Autor Peter F. Drucker prägte das Zitat: „Effektivität bedeutet, die richtigen Dinge zu tun, während Effizienz heißt, die Dinge richtig zu tun.“[3] In diesem Sinne ist Effektivität ein mittel- bis langfristiges Handeln, bei dem Wirkungen erzielt werden, aus denen insgesamt ein optimales Ergebnis resultiert. Dies ist im Unterschied zur Effizienz unabhängig von dem zur Zielerreichung nötigen Aufwand. Effektiv arbeiten beispielsweise bedeutet, unter Einsatz aller benötigenden Mittel ein Ziel zu erreichen. Effektivität ist ein Maß für die Zielerreichung mit dem Blick auf die Wirksamkeit, wobei Effizienz ein Maß für die Wirtschaftlichkeit, der Kosten-Nutzen-Relation darstellt.[4]
Der gewählte Fokus bei der Erarbeitung der Effektivität von Stehrollstühlen liegt in dieser Arbeit auf den ergotherapeutischen Aspekten. Das ergotherapeutische Arbeitsfeld in den Fachbereichen wie z. B. der Neurologie, Orthopädie/Traumatologie und in Teilgebieten der Pädiatrie, in denen der Einsatz eines Stehrollstuhles relevant sein kann, gliedert sich in folgende drei Schwerpunkte:
Zum Einen werden sensomotorisch-funktionelle Behandlungsverfahren eingesetzt, um ungünstige Bewegungsmuster, welche die Mobilität einschränken und Folgeschäden verursachen, zu hemmen. Zusätzlich werden andere aufgebaut, um physiologische Bewegungsmechanismen anzubahnen. Hierbei liegt das Augenmerk auf dem medizinischen Bereich, dem Zusammenspiel der einzelnen Komponenten von Körperfunktionen und Körperstrukturen.
Zum Anderen bieten die adaptiven Behandlungsverfahren der Ergotherapie die Möglichkeit, durch individuelle Hilfsmittel- oder Umfeldanpassungen vorübergehende oder bleibende Einschränkungen auszugleichen.
Der dritte Punkt setzt sich aus den adaptiven sowie auch den sensomotorisch–funktionellen Möglichkeiten zusammen und bildet den Bereich der alltäglichen Aktivitäten[5].
Das Zusammenwirken dieser drei Bereiche bildet das Ziel der ergotherapeutischen Behandlung. „Ziel der Ergotherapie ist es, durch den Einsatz von Aktivitäten, Betätigungen und Umweltanpassung dem Menschen eine größtmögliche Handlungsfähigkeit im Alltag, Lebensqualität und gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen.“[6] Dies bedeutet, dass in dieser vorliegenden Arbeit einerseits die medizinischen Aspekte des Stehens genau analysiert und andererseits der essentielle Bereich der Partizipation, Selbstständigkeit und der Selbstbestimmtheit der Klienten speziell betrachtet werden müssen. Nur in Kombination dieser beiden Komponenten ist eine fundierte Bewertung bezüglich der Effektivität von Stehrollstühlen hinsichtlich der ergotherapeutischen Aspekte erst möglich.
Um dieser Aussage gerecht zu werden, folgt die Arbeit folgendem Aufbau: Zu Beginn wird auf die Bedeutung des Sitzens und Stehens bei Funktionseinschränkungen eingegangen. Das heißt, hierfür wird ein Überblick über Krankheitsbilder und deren Symptomatiken, bei denen das Stehen eine große Bedeutung erfährt, gegeben. Ein Einblick in die Vorreiterwelt der Stehrollstühle zeigt die Möglichkeiten an Geräten auf, mit denen das Stehen für nicht steh- und gehfähige Klienten in der Vergangenheit forciert wurde und zum Teil heute noch immer wird.
Anschließend folgt die Beschreibung der verschiedenen Arten an Stehrollstühlen. Dies wird an Modellbeispielen der Firma LifeStand® vorgenommen. Es ist wichtig, die Vielzahl an Modellen mit ihren Anpassungsmöglichkeiten zu kennen, um die Stühle passend auf die Bedürfnisse der Klienten abstimmen zu können. Eine Antwort auf die Frage, welche Möglichkeiten solch ein Stehrollstuhl dem Betroffenen bietet, findet sich hier.
Darauf aufbauend wird der Einsatz von Stehrollstühlen genauer in Betracht gezogen. Die Rolle des Stehens aus medizinischer und therapeutischer Sicht in Bezug auf die Inneren Organe und den Bewegungsapparat wird im Anschluss aufgezeigt und erläutert. Um der Kombination der oben genannten Punkte nachzukommen, werden die therapeutischen Aspekte des Sitzens und Stehens mit dem Blick auf die Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit bezogen auf die Partizipation aufgeführt. Eingegangen wird zusätzlich auf die psycho-sozialen Auswirkungen der rollstuhlpflichtigen Menschen.
Im darauf folgenden Hauptkapitel werden die empirischen Erfahrungen mit Stehrollstühlen aufgezeigt. Die Erkenntnisse aus dem Klinikalltag zeigen auf, dass die Effektivität des Stehtrainings in einem Stehrollstuhl immer wieder in Frage gestellt wird. Um dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen, wurde ein Weg überlegt, um an aussagekräftige Angaben und Werte zu kommen. Eine Firma, die Stehrollstühle entwickelt, anpasst und vertreibt, wurde kontaktiert, um repräsentativ an spezifische Daten zu gelangen. Das gezielte methodische Vorgehen und die Entwicklung eines Fragebogens für Klienten, die einen Stehrollstuhl regelmäßig nutzen, werden im Anschluss erläutert.
Die Ergebnisse der Umfrage werden im darauf folgenden Kapitel aufgezeigt. Eine Darstellung der Stichprobe wird durch zusätzliche Tabellen veranschaulicht. Durch Erläuterungen und mittels Grafiken werden die Häufigkeitsverteilungen zur Beurteilung der Stehrollstühle dargestellt. Zusätzliche Angaben der Befragten finden in diesem Abschnitt ebenfalls ihren Platz.
In nächsten Kapitel werden die Ergebnisse diskutiert. Eine Interpretation der Umfrage unter Berücksichtigung der medizinischen und therapeutischen Aspekte sowie der psycho-sozialen Gesichtspunkte findet hier statt. Die beschriebenen Krankheitsbilder bzw. Symptomatiken sowie der Einsatz unterschiedlicher Modelle von Stehmedien und Stehrollstühlen, die zu Beginn der Arbeit erläutert werden, finden hierbei Beachtung.
Ein Vergleich zwischen den faktischen medizinisch-therapeutischen und den technischen Angaben sowie den individuell empfundenen Rückmeldungen der Stehrollstuhlnutzer wird dort gezogen. Somit kann das Ziel der Arbeit, das Erläutern der Effektivität von Stehrollstühlen unter ergotherapeutischen Aspekten, zielgerecht dargelegt werden. Die empirischen Daten stellen diesbezüglich die Grundlage für eine fundierte Aussage dar.
Die im Verlauf dieser Arbeit dargelegten Angaben, Ergebnisse und Interpretationen werden abschließend zusammengefasst. Ein Ausblick in die Zukunft bezüglich der Nutzung von Stehrollstühlen von Seiten betroffener Menschen rundet das Thema ab.
2. Zur Bedeutung des Sitzens und Stehens bei Funktionseinschränkungen
Nicht allein für Menschen mit Funktionseinschränkungen ist es wichtig, ihre Körperhaltung über den Tag hinweg regelmäßig zu verändern. Hält man eine bestimmte Position zu lange inne, bedeutet dies kumulativen Stress bestimmter Körperpartien. Einseitige Haltung kann Stress auf Körperteile übertragen, die bereits geschwächt sind. Schmerzen und übermäßiger Verschleiß sind häufige Folgen. Sekundärschäden, die Funktionseinschränkungen mit sich führen, entstehen. Stellt man sich vor, dass eine bereits existierende Funktionseinschränkung eine eigenständige Veränderung der Körperhaltung erschwert oder unmöglich macht, so wird bewusst, dass die Gefahren für Folgeschäden deutlich höher liegen. Ein Teufelskreis entsteht, indem die bereits vorhandenen Einschränkungen weitere nach sich ziehen und diese immer wieder neue verursachen. Bereits seit vielen Jahrzehnten fließt folgende Gewissheit in die therapeutische Behandlung mit ein: Je mehr sich der Patient bewegt oder bewegt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von auftretenden Komplikationen, welche mit längeren Phasen der Immobilität einhergehen. Auf der Messe REHAB Skandinavien 2004 berichtet Erik Bergh davon, dass Rollstuhlfahrer nicht krank seien, weil sie in einem Rollstuhl säßen. Doch dass Folgeschäden aus dem ständigen Sitzen daraus resultieren würden. Diese reduzierten die Lebensqualität wesentlich und führten in manchen Fällen sogar vorzeitig zum Tode.[7]
Zur Vermeidung dieser Sekundärschäden am Bewegungsapparat ist eine häufige und regelmäßige Veränderung der Körperposition des Patienten notwendig. Ist der Betroffene ausreichend kreislaufstabil, sollte möglichst bald eine Mobilisierung in die Vertikale erfolgen.
Nachfolgend sind Krankheitsbilder bzw. Symptome dargelegt, bei denen der Einsatz von Stehmedien hinsichtlich der therapeutischen und medizinischen Aspekte eine große Bedeutsamkeit erfährt. Der Indikation eines Stehrollstuhles wird somit eine hohe Relevanz zugeschrieben.
Mit Hilfe diverser Stehmedien wurde in der Vergangenheit versucht, das unterstützte Stehen in die Behandlung zu integrieren. In den vergangenen Jahren gab es unterschiedliche Möglichkeiten an Stehgeräten und Stehfunktionen, die als Vorreiter der Stehrollstühle angesehen werden. Diese sind im Anschluss dargelegt.
2.1 Krankheitsbilder und deren Symptomatiken, bei denen Stehmedien eingesetzt werden
In diesem Kapitel soll verdeutlicht werden, welche Funktionseinschränkungen bei welchen Krankheitsbildern auftreten und was dies für die Mobilität der Betroffenen bedeutet. Hierbei geht es primär um die motorisch-funktionellen Einschränkungen der Betroffenen, was jeweils in den ersten Punkten der aufgelisteten Symptomatiken dargestellt wird. Zusätzlich sind weitere Funktionseinschränkungen aufgezeigt, die ebenfalls häufig bei den jeweiligen Krankheitsbildern auftreten. Denn nicht allein die motorischen Einschränkungen sprechen für den Einsatz eines Stehrollstuhles. Auch viele weitere Faktoren, wie. z. B. Sensibilitätseinschränkungen, Wahrnehmungs-störungen, Einschränkungen der Organfunktionen oder vegetative Störungen sind ebenso wichtige Punkte der Indikation von Stehgeräten.
Der Schlaganfall[8]
Definition: Das dominierende Krankheitsbild in der Neurologie ist der sog. Schlaganfall. Unter dieser volkstümlichen Bezeichnung werden drei Krankheiten subsumiert, die alle durch einen abrupten Beginn der neurologischen Symptomatik charakterisiert sind: Der cerebrale ischämische Infarkt (Mangeldurchblutung), die intracerebrale Blutung (Massenblutung) und die Subarachnoidalblutung (Blutung in den Raum der Hirnflüssigkeit).[9]
Die Zahl dieser Neuerkrankungen pro Jahr beträgt in den meisten Industrienationen durchschnittlich 200-350/100 000 Einwohner.[10] Die Folgen eines Schlaganfalls sind, von der Schädigung des jeweiligen Gehirnareals abhängig. Das Territorium wird nicht mehr mit genügend Sauerstoff und Glucose versorgt, wodurch Nervenzellen dieser Region absterben. Hier kommt es entsprechend zu bezeichnenden neurologischen Ausfällen der betroffenen Gefäßareale.
Spezifische Symptomatiken, die in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Kombinationen auftreten können:
- Motorische Einschränkungen:
- Hemiparese: eine inkomplette Halbseitenlähmung der kontralateralen Seite nach einer Hirnläsion.
- Hemiplegie: eine vollständige, komplette Halbseitenlähmung der kontralateralen Seite nach einer Hirnläsion.
=> In beiden Fällen kann es entweder die obere Extremität mehr betreffen (armbetont) oder aber auch die untere (beinbetont) oder beide Extremitäten zu gleichen Maßen. In den meisten Fällen ist die Rumpfpartie mit betroffen.
- Halbseitige Gesichtsparesen.
- Sensibilitätsstörungen:
Auf der betroffenen Körperseite sind Sensibilitätsqualitäten verloren gegangen bzw. reduziert (Temperaturempfinden, Druck- und Lageempfinden, Berührungs-empfinden). Dies zeigt sich häufig in Missempfindungen oder Taubheitsgefühlen.
- Wahrnehmungsstörungen:
- Gestörte oder fehlende Körperwahrnehmung, der sog. Neglect (Vernach-lässigung oder Missachtung der betroffenen Körperhälfte sowie des Raumes auf der betroffenen Seite in Bezug auf auditive, visuelle, olfaktorische und sensible Reize).
- Gestörte räumlich-perzeptive Wahrnehmung (elementare räumliche Wahrneh-mungsleistung).
- Sehstörungen (Hemianopsie)
- Sprech- und Sprachstörungen: wenn die sprachdominante Gehirnregion betroffen ist (Aphasie, Dysarthrie).
- Schluckstörungen
- Handlungsablaufstörungen: bei der Ausführung willkürlicher, zielgerichteter und geordneter Bewegungen auf der Handlungsebene (Dyspraxie).
- Störungen allgemeiner Hirnleistungen: z. B. Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit, ...
Multiple Sklerose / Encephalomyelitis disseminata
Definition: Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische, entzündliche, demyelisierende Erkrankung des Zentralnervensystems .[11]
In Deutschland liegt die Prävalenz bei 70/100.000 Einwohner.[12] In zwei Dritteln der Fälle erfolgt die Manifestation zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und betrifft mehr Frauen als Männer. Diese entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark hat unterschiedliche Verlaufsformen, von benigne (gutartig) über schubförmig, schub-förmig progredient (fortschreitend), chronisch progredient bis zu maligne (bösartig), wobei die Grenzen fließend sind. Unklar ist die Ursache der „MS“. Jedoch nimmt man heute an, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung gegen die Myelinschicht der Nervenzellen des Zentralnervensystems handelt. Es kommt aus verschiedenen Gründen zu einer zellulären Schädigung der Nervenstruktur. Durch diese Entwicklungen kommt es im Krankheitsverlauf zu einer verminderten Leitfähigkeit der Nervenbahnen.
Die spezifischen Symptomkomplexe können in zeitlich unbestimmter Abfolge isoliert oder in Kombinationen auftreten:
- Motorische Einschränkungen:
- Paraparese: inkomplette Lähmungserscheinungen zweier symmetrischer Extremitäten.
- Paraplegie: komplette Lähmung zweier symmetrischer Extremitäten.
- Tetraparese: inkomplette Lähmungserscheinungen aller vier Extremitäten und im Rumpfbereich.
- Tetraplegie: komplette Lähmung aller vier Extremitäten und im Rumpfbereich.
- Sensibilitätsstörungen: in den Bereichen Temperaturempfinden, Druck- und Lageempfinden, Berührungsempfinden. Häufig treten Parästhesien (Miss-empfindungen) strumpf- und handschuhförmig an den Extremitäten auf.
- Koordinationsstörungen: Zeichen von Ataxie (Störungen des Zusammenspiels der anspannenden und nachlassenden Muskelpartien) im Rumpf und den Extremitäten.
- Schmerzzustände
- Störungen allgemeiner Hirnleistungen: Beispielsweise Gedächtnisleistung, Konzentration, Aufmerksamkeit, …
Querschnittslähmung
Definition: Eine Schädigung des Rückenmarks und/oder der im Wirbelkanal verlaufenden Nervenwurzeln mit Unterbrechung der auf- und absteigenden Nervenbahnen führt zu einer Querschnittslähmung mit motorischen, sensiblen und vegetativen Ausfällen unterhalb der Schädigungsstelle. Das Querschnittsbild wird von der Rückenmarkschädigung, nicht von einer Wirbelsäulenverletzung bestimmt.[13]
In der aktuellen Literatur findet man Angaben von Neuerkrankungen dieser Art von bis zu 1800 Menschen pro Jahr in Deutschland, 80% davon sind Männer.[14] Die Ursachen sind vielfältig: Eine Querschnittslähmung kann angeboren sein, plötzlich eintreten oder progredient verlaufen. Häufig entsteht sie durch schwere Unfälle, sog. spinale Traumen mit Verletzung der Wirbelsäule. Aber auch Tumoren, Infektionen, chirurgische Eingriffe oder Bestrahlungen können Ursache für die Unterbrechung der Nervenbahnen sein. Ebenso spielen vaskuläre Ursachen wie z. B. Blutungen oder Thrombosen eine Rolle. Die oben beschriebene Multiple Sklerose kann ebenso eine Querschnittssymptomatik verursachen.
Die spezifischen Symptomatiken hängen von dem Ausmaß, dem Ort und dem Stadium der Schädigung ab:
- Motorische Einschränkungen: Die Unterbrechung absteigender Nervenbahnen im Rückenmark verursachen caudal (unterhalb) davon und von hier ausgehend nach distal (vom Körperstamm weggerichtet) Lähmungen der Muskulatur. Je nach Ausprägung wird folgendermaßen unterschieden:
- Komplette Querschnittslähmung (Plegie): Die Leitungsfunktionen des Rückenmarks sind völlig unterbrochen, wovon Impulse vom Gehirn zur Peripherie (nach außen zu den Extremitäten) und umgekehrt betroffen sind.
- Inkomplette Schädigung (Parese): Die Leitungsfunktionen sind noch teilweise vorhanden, es herrscht eine unvollständige Lähmung.
- Tetraplegie/Tetraparese: Störung aller vier Extremitäten und des Rumpfes in Form von kompletten oder inkompletten Lähmungserscheinungen.
- Paraplegie/Paraparese: hier liegt eine Störung im Rumpf und den unteren Extremitäten in Form von kompletter oder inkompletter Lähmung vor.[15]
- Sensible Ausfälle: Unterhalb der Läsion können aufgenommene Reize, wie z. B. Berührung, Temperatur, Schmerz, Druck, Bewegung etc. nicht mehr über die aufsteigenden Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet werden. Diese Reize werden nicht wahrgenommen und somit nicht verarbeitet.
- Koordinationsstörung: Zeichen von Ataxie (Störungen des Zusammenspiels der anspannenden und nachlassenden Muskelpartien) im Rumpf und den Extremitäten.
- Vegetative Störungen: Z. B. Störungen der Blasen-Darmfunktion, der Regulierung der Körpertemperatur, Beeinträchtigung der Atmung…
- Schmerzen: Häufig in diffuser, nicht zu klärender Form.[16]
Neuropathien
Definition: Neuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems (außerhalb des Gehirns und Rückenmarks). Meist zeigen sie eine symmetrische, distal betonte sensorische, vegetative und motorische Komponente.
Dies stellt einen Sammelbegriff für mehrere Erkrankungen dar, welche häufig auf Grund von Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder durch neurotoxische Substanzen (z. B. Alkohol, Medikamente) entstehen. Aber auch durch autoimmunologische Erkrankungen können Neuropathien auftreten, hierzu zählt beispielsweise das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), auch Polyneuritis genannt. Bei dieser autoimmunologischen Reaktion kommt es zum Angriff des Immunsystems auf die körpereigenen Bestandteile. In diesem Fall werden die Nerven bzw. die Myelinscheiden angegriffen und zerstört. Heute wird davon ausgegangen, dass durch eine Infektion im Vorfeld das Immunsystem Abwehrstoffe zum Angriff gebildet hat, welche jedoch auch die körpereigenen Zellen angreift. Gesamt betrachtet treten jährlich geschätzte 40/100.000 Einwohner Neuerkrankungen auf. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da die regionalen Unterschiede sehr groß sind.[17] Eine Remission (Rückbildung) kann über mehrere Jahre hinweg stattfinden. In zwei Dritteln der Fälle bilden sich die Symptomatiken über Jahre bzw. Jahrzehnte wieder vollständig zurück.
Mögliche spezifische Symptomatiken, die von dem Schädigungsort abhängen:
- Motorische Einschränkungen:
- Paraparesen: Häufig entwickelt sich eine inkomplette Lähmung der unteren Extremitäten mit Atrophien (Rückgang von Muskelgewebe).
- Tetraparese: inkomplette Lähmung aller vier Extremitäten mit Atrophien und Lähmungserscheinungen im Rumpfbereich.
- Plötzlich auftretende Lähmung der Atemmuskulatur.
- Sensibilitätseinschränkungen: Treten meist symmetrisch, distal betont, strumpf- und handschuhförmig an den Extremitäten auf. Dies betrifft das Berührungs-, Temperatur-, Schmerz- und Druckempfinden. Es bestehen häufig Parästhesien (Missempfindungen).
- Vegetative Störungen: Z. B. Verminderte Schweißproduktion, Störungen der Blasen-Darmfunktion,…
Es gibt noch eine Reihe von Krankheitsbildern und Symptomatiken, die die Nutzung von Stehgeräten und somit auch von Stehrollstühlen aus therapeutischer und sozialer Sicht fordern. Doch würde es den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, genauer auf alle einzugehen. Hier in Kürze noch einige Krankheitsbilder, die ähnliche Symptome aufzeigen wie die oben beschriebenen:
Infantile Cerebralparese (ICP)
Hierunter versteht man eine frühkindliche Hirnschädigung mit Bewegungsstörungen. Die hervorgerufene Behinderung zeigt sich durch Störungen des Nerven- und Muskelsystems im Bereich der willkürlichen Bewegungskoordination. Am häufigsten sind Erhöhungen der Muskelspannungen zu beobachten.
Spinale Muskelatrophie
Eine vererbliche Erkrankung, bei der eine Degeneration (fortschreitender Rückgang) der motorischen Muskelzellen stattfindet. Die Impulse des Gehirns werden nicht mehr adäquat an die Muskeln weitergeleitet. Diverse Lähmungserscheinungen, Muskel-schwund und verminderte Muskelspannung sind Folgen davon.
Hirn- und Rückenmarkstumoren
Ausfälle sind von der Lokalisation der Tumoren abhängig. Treten sie im Gehirngewebe auf, so können Symptome wie bei einer Ischämie (siehe Schlaganfall) auftreten. Befinden sich die Tumoren oder auch Metastasen im Rückenmark, so entsteht eine Symptomatik, die mit den Ausfallerscheinungen vergleichbar der Querschnittslähmung ist.
Schädel-Hirn-Trauma
Oberbegriff für gedeckte oder auch offene Schädelverletzungen, bei denen das Gehirn beteiligt ist. Auch hier ist die Lokalisation der Schädigung für die auftretende Symptomatik ausschlaggebend. Je nach dem, wie sehr das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, kann es zu unterschiedlich ausgeprägten sensomotorischen Einschränkungen auf der kontralateralen Seite kommen.
Fazit der Krankheitsbilder und deren Symptomatiken
Zusammenfassend ist hier zu betonen, dass sich bei allen beschriebenen Krankheitsbildern Symptome im motorischen Bereich manifestieren. Die Lähmungserscheinungen reichen je nach Krankheitsbild von der Betroffenheit aller vier Extremitäten über einseitige Lähmungserscheinungen oder auch Paraparesen an den unteren oder in manchen Fällen auch den oberen Extremitäten. Der Rumpfbereich ist je nach Schädigungsort in unterschiedlichen Maßen mit betroffen. Die Formen der Lähmungserscheinungen sind ebenfalls verschieden ausgeprägt. Die Muskelspannungen reichen von schlaff (hypoton) bis hin zu krampfartig erhöht (spastisch, hyperton). Des Weiteren herrschen komplette und inkomplette Lähmungen vor. Zusätzlich ist die Störung von Koordination, das Zusammenspiel diverser Muskelgruppen, verschiedenartig ausgeprägt. Einschränkungen in den Sensibilitätsqualitäten, der Kognition sowie vegetative Störungen treten in vielen Fällen mit auf.
Der Verlauf der einzelnen Krankheitsbilder ist sehr unterschiedlich, in manchen Fällen wird eine stetige Verschlechterung der Symptomatik erfolgen, in anderen Fällen findet eine langsame, aber kontinuierliche Verbesserung statt. Bei anderen wiederum werden sich die Auswirkungen relativ gleichbleibend halten. Die Geschwindigkeit von möglichen Veränderungen ist auch bei gleichen Ursachen sehr individuell und sehr verschieden.
Je nach Krankheitsverlauf, Stadium und Symptomausprägung sind viele der Betroffenen auf einen Rollstuhl angewiesen, da sie nicht ausreichend steh- und/oder gehfähig sind. Schwerer betroffenen Patienten ist es nicht möglich, diverse Lagewechsel selbstständig auszuführen. Hierzu gehören das Drehen im Bett, das Aufsitzen an die Bettkante wie auch der Transfer, nämlich das Umsetzen in einen Stuhl, wie z. B. den Rollstuhl oder auf die Toilette. Den Menschen ist es zum Teil nicht möglich, ihre Position selbstständig zu verändern oder sich ohne Hilfsmittel in den Stand zu bringen. Die Folgeschäden der Immobilität sind einerseits bereits aus medizinischer Sicht bedeutend. Jedoch dürfen andererseits die gravierenden Einschnitte in die Selbst-ständigkeit und Selbstbestimmtheit im Alltags- und Freizeitbereich wie auch auf psycho-sozialer Ebene nicht unberücksichtigt bleiben. Aus diesen Gründen ist eine Anpassung und Nutzung eines Stehrollstuhles unbedingt in Erwägung zu ziehen. Aspekte hierfür werden in Kapitel 3 aufgeführt.
2.2 Therapeutische Stehmedien der Vergangenheit
Heute wissen wir mit Gewissheit, dass eine regelmäßige Veränderung der Sitz- und Stehposition die Folgeschäden durch ständiges Sitzen im Rollstuhl verringert und dadurch die Lebensqualität erhöht. Wenn der Rollstuhlfahrer Lebensqualität und gute Gesundheit aufrechterhalten möchte, so ist ein regelmäßiges Stehtraining erforderlich. Therapeuten hätten die Pflicht, ihre Patienten zum Stehen zu motivieren, sagt Erik Bergh.[18] Die notwendige Unterstützung richtet sich nach dem Betroffenheitsgrad der Patienten. In Hinblick auf das Stehen gab es in der Vergangenheit unterschiedliche Arten an Unterstützung, um überhaupt die Position des Stehens zu erreichen. Einen Einblick geben folgende vier Beispiele:
Knieextensionsschienen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Anlegen von Knie- extensionsschienen
(Quelle: Davies 1995)
Bei dieser Methode werden feste Schienen in Form einer Schale verwendet, die mit Bandagen oder Riemen von hinten an die Beine angebracht werden. Sie bestehen aus Gips oder einem anderen harten Material. Denselben Zweck erfüllen sog. „Keystone“[19] -Schienen, welche aus Metallstreben, die mit einem Segeltuch überzogen sind, gefertigt werden. Somit sollen die Beine in Extension gehalten werden. Diese Beinschalen müssen individuell für jeden Patienten angefertigt werden, damit ein genauer Sitz gewährleistet ist; die Fuß- und Hüftgelenke benötigen ausreichende Bewegungs-freiheit. Diese Knieextensionsschienen werden dem Betroffenen liegend angelegt, wobei hierbei Fehlstellungen, wie z. B. Außen- oder Innenrotationen der Beine so weit wie möglich korrigiert werden (siehe Abb. 1). Die Bandagen bzw. Riemen müssen für ausreichend Stabilität sorgen.
[...]
[1] Zur Vereinfachung und besseren Lesbarkeit werden in der Abhandlung alle Personen in maskuliner Form bezeichnet, woraus jedoch keine Wertung hinsichtlich des Geschlechtes und der Personen zu verstehen ist.
[2] Vgl. Krümmel, J. /Neumann, V. : Standing Ovations – Drei Elektrorollstühle mit Stehfunktion im Vergleichstest. HANDICAP 2006, 13/1, S. 110.
[3] Vgl. Berleb, P. (Hrsg.) zitiert nach Drucker, P.: Effektivität. Definition im Projektmanagement-Glossar. Projekt Magazin, München (Internetquelle Stand 2006).
[4] Vgl. Wikimedia Foundation (Hrsg.): Definition Effektivität. Wikipedia – Die freie Enzyklopädie, Wikimedia Foundation, St. Petersburg (Internetquelle, Stand 2006).
[5] Die Aktivität bezeichnet die Durchführung einer Aufgabe oder Tätigkeit (Aktion) durch eine Person. Eine Beein-trächtigung der Aktivität ist eine Schwierigkeit oder die Unmöglichkeit für eine Person, die Aktivität durchzu-führen.
[6] Deutscher Verband der Ergotherapeuten (Hrsg.): Definition Ergotherapie, Projekt Berufsprofil (Internetquelle, Stand 2005).
[7] Vgl. Bergh, E.: Warum stehen, wenn Sie sitzen können? – Die Vorteile vom Stehen. LEVO AG Switzerland (Internetquelle, Stand 2006).
[8] Wissenschaftliche Tatsachen sowie Grundannahmen des jeweiligen Krankheitsbildes werden aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit im Indikativ zitiert.
[9] Vgl. Koenig, E.: Neurologische Rehabilitation; Funktionslokalisation – Hirnplastizität – therapeutische Konzepte. O. O., o. J., S. 1.
[10] Vgl. Masuhr, K. und Neumann, M.: Neurologie, MLP Duale Reihe. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 4. Auflage 1998, S. 355.
[11] Vgl. Schimpf, O.: Physiotherapie in der Neurologie; Checkliste. Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York, 1999, S. 50.
[12] Vgl. Masuhr, K. und Neumann, M.: Neurologie, MLP Duale Reihe. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 4. Auflage 1998, S. 280.
[13] Vgl. Schimpf, O.: Physiotherapie in der Neurologie; Checkliste. Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York, 1999, S. 53.
[14] Vgl. Schimpf, O.: ebd. S. 53.
[15] Vgl. Schimpf, O.: ebd., S. 53 ff.
[16] Vgl. Schimpf, O.: ebd., S. 54.
[17] Vgl. Masuhr, K. und Neumann, M.: Neurologie, MLP Duale Reihe. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 4. Auflage 1998, S. 428.
[18] Vgl. Bergh, E.: Warum stehen, wenn Sie sitzen können? a. a. O.
[19] Vgl. Davies, P.: Wieder Aufstehen, Rehabilitation und Prävention. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1995, S. 200.
- Arbeit zitieren
- Sonja Schlegel (Autor:in), 2006, Empirische Studie zur Effektivität von Stehrollstühlen unter ergotherapeutischen Aspekten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69376
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