Nach 16-jähriger Opposition schaffte es die SPD und gewann die Bundestagswahlen im Jahr 1998. Mit Gerhard Schröder stellte sie den ersten Bundeskanzler seit Helmut Schmidt. Vier Jahre später – 2002 – vereinigten sie erneut die meisten Wählerstimmen auf sich, was für die SPD in der Nachkriegszeit eine Besonderheit darstellt. Schließlich ging sie in der Geschichte der Bundesrepublik nie zwei Mal in Folge aus Bundestagswahlen als stärkste Kraft hervor. Auch 2005 gelang es der Union nur knapp etwas mehr Wählerstimmen als die SPD auf sich zu vereinigen.
Ist die Frage nun berechtigt, inwiefern die SPD Zukunftschancen hat? Betrachtet man weitere Entwicklungen während der sozialdemokratischen Regierungszeit, sollte diese Frage durchaus erlaubt sein:
In besonderem Maße verliert sie Mitglieder. Seit Anfang der 1990er schrumpfte die Partei um 300.000 Mitglieder. Auch der Rückhalt in der Bevölkerung – gemessen an Umfragewerten - ist seit März 2003, dem Monat, in dem der derzeitige SPD-Bundeskanzler Schröder die Agenda 2010 verkündete, bis August 2006 auf niedrigem Niveau: In der Sonntagsfrage von Infratest dimap schaffte es die SPD nie über die 35 Prozent-Marke.
So verwundert es kaum, dass die Macht-Basis der SPD auch in den Länder-Parlamenten abnahm: Nur noch in fünf Bundesländern stellt die SPD den Ministerpräsidenten. Kurt Beck ist seit Frühjahr 2006 schon der neunte Vorsitzende der Bundespartei seit Anfang der 1990er. Die vielen Vorsitzendenwechsel geben die Unruhe wieder, die in dieser Partei herrschen. Publikationen von Partienforschern wie Franz Walter zeichnen kein positives Bild über die SPD der vergangenen Jahre. Überschriften von Walters Essays zum Thema lauten z.B.: „Die ausgebrannte Kanzlerpartei“, „Die Leere der Linken“ oder „Ziellose Verdrossenheit“. All diese Entwicklungen lassen zusammengefasst zumindest die Frage zu: Kann die SPD als Volkspartei fortbestehen, die es weiterhin schafft, verschiedene Volksgruppierungen zu integrieren und dabei machtpolitisch Einfluss ausüben zu können? In dieser Ausarbeitung befasse ich mich mit den modernen Problemen, welche die Sozialdemokraten in diese Lage versetzten. Gleichzeitig möchte ich mögliche Lösungswege aufzeigen. Daran anknüpfend stellt dieser Text dar, wie erfolgreich sozialdemokratische Parteien in anderen Ländern den neuen Herausforderungen begegnet sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Neue Herausforderungen für die Sozialdemokratie
2.1 Ökonomische Globalisierung
2.2 Gesellschaftlicher Wandel
2.3 Medienwandel
3. Neue Ansätze für eine zukünftige SPD
3.1 Ansätze für eine neue innerparteiische Organisation und Außendarstellung
3.2 Eine neue Programmatik
3.2.1 Notwendigkeit einer Programmatik
3.2.2 Grundlagen einer neuen Programmatik
4. Vorbilder für die deutsche Sozialdemokratie ?
4.1 Bilanz drei verschiedener Typen sozialdemokratischer Regierungen
4.2 Dänemark – Vorbild für die SPD?
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nach 16-jähriger Opposition schaffte es die SPD und gewann die Bundestagswahlen im Jahr 1998. Mit Gerhard Schröder stellte sie den ersten Bundeskanzler seit Helmut Schmidt. Die Sozialdemokraten wurden auch die stärkste Fraktion im Bundestag. Vier Jahre später – 2002 – vereinigten sie erneut die meisten Wählerstimmen auf sich, was für die SPD in der Nachkriegszeit eine Besonderheit darstellt. Schließlich ging sie in der Geschichte der Bundesrepublik nie zwei Mal in Folge aus Bundestagswahlen als stärkste Kraft hervor. Auch 2005 gelang es der Union nur knapp etwas mehr Wählerstimmen als die SPD auf sich zu vereinigen (Wilko 2005).
Ist die Frage nun berechtigt, inwiefern die SPD Zukunftschancen hat? Betrachtet man weitere Entwicklungen während der sozialdemokratischen Regierungszeit, sollte diese Frage durchaus erlaubt sein:
In besonderem Maße verliert sie Mitglieder. So zählt die SPD über 125.000 Mitglieder weniger als zu Beginn der Regierungszeit, 40.000 Sozialdemokraten gaben allein 2003 ihr Parteibuch ab. Allerdings vollzieht sich der rapide Mitgliederschwund schon länger: Seit Anfang der 1990er schrumpfte die Partei um 300.000 Mitglieder (vgl. Walter 2005, 9f.).
Auch der Rückhalt in der Bevölkerung – gemessen an Umfragewerten - ist seit März 2003, dem Monat, in dem der derzeitige SPD-Bundeskanzler Schröder die Agenda 2010 verkündete, bis August 2006 auf niedrigem Niveau: In der Sonntagsfrage von Infratest dimap schaffte es die SPD nie über die 35 Prozent-Marke. Nur vier Mal kam sie auf 34 Prozent, nach restlichen Sonntagsumfragen erreichte die SPD stets um die 30 Prozent Zustimmung (vgl. Infratest Dimap 2006).
So verwundert es kaum, dass die Macht-Basis der SPD auch in den Länder-Parlamenten abnahm: Nur noch in fünf Bundesländern stellt die SPD den Ministerpräsidenten. Mit Kurt Beck präsentiert sich nur noch Rheinland-Pfalz als einziges westdeutsches Flächenland mit einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten (vgl. Bundesrat 2006). Beck selbst ist seit Frühjahr 2006 schon der neunte Vorsitzende der Bundespartei seit Anfang der 1990er. Die vielen Vorsitzendenwechsel geben die Unruhe wieder, die in dieser Partei herrschen.
Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa, sieht die SPD in einer existenziellen Krise, die sie allerdings nicht zur Kenntnis nehmen wolle (vgl. Focus-Online 2006). Auch Publikationen von Partienforschern wie Franz Walter, dessen Spezialgebiet die SPD ist, zeichnen kein positives Bild über die SPD der vergangenen Jahre. Überschriften von Walters Essays zum Thema lauten z.B.: „Die ausgebrannte Kanzlerpartei“, „Die Leere der Linken“ oder „Ziellose Verdrossenheit“ (vgl. Walter 2005).
All diese Entwicklungen lassen zusammengefasst zumindest die Frage zu: Kann die SPD als Volkspartei fortbestehen, die es weiterhin schafft, verschiedene Volksgruppierungen zu integrieren und dabei machtpolitisch Einfluss ausüben zu können?
In dieser Ausarbeitung befasse ich mich mit den modernen Problemen, welche die Sozialdemokraten in diese Lage versetzten. Gleichzeitig möchte ich mögliche Lösungswege aufzeigen. Daran anknüpfend stellt dieser Text dar, wie erfolgreich sozialdemokratische Parteien in anderen Ländern den neuen Herausforderungen begegnet sind.
2. Neue Herausforderungen für die Sozialdemokratie
Folgend gebe ich einen Überblick der modernen Herausforderungen bzw. der Problemfelder, denen sich die Sozialdemokratie stellen muss. Dabei orientiere ich mich vor allem an der Diskussion rund um dieses Thema. Die Herausforderungen sind der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit halber zwar einzeln aufgelistet, sollten aber als Gesamtkomplex betrachtet werden, in dem sich die einzelnen Aspekte gegenseitig bedingen.
2.1 Ökonomische Globalisierung
Seit den 1970ern änderte sich die Wirtschaft weltweit erheblich: Für immer mehr Unternehmen ist es heutzutage normal, international zu agieren statt sich auf einzelne Staaten zu beschränken. Der Abbau von Zollbarrieren sowie Handelshemmnissen und die damit verbundene Liberalisierung des Welthandels spielten dieser Entwicklung in die Hände (vgl. Meyer 2002a, 33). Daneben sind die Transportkosten für Waren gesunken und der Austausch von Daten, die Kommunikation insgesamt, über den gesamten Globus schneller, einfacher und effektiver geworden (vgl. Meyer 2002a, 40 und Giddens 1999, 43). Diese Entwicklungen haben und hatten zur Folge, dass Firmen nicht mehr zwingend an einen Standort gebunden sind. Sie – teilweise ganze Wirtschaftszweige – wanderten und wandern so in Länder ab, in denen die gleichen Produkte zu niedrigeren Preisen hergestellt werden können, weil die Mitarbeiter zu niedrigeren Löhnen arbeiten und die Abgabenlast geringer ausfällt. Die niedrigeren Zölle ermöglichen es zudem die Waren weltweit in andere Länder zu exportieren (vgl. Meyer 2002a, 40f.). Und selbst, wenn internationale Unternehmen einen Teil ihres Firmensitzes in einem für sie teureren Staat weiterhin betreiben, können sie ihre Gewinne oft durch interne Verrechnungsverfahren in den für sie steuerlich günstigeren Staat abführen[1] (vgl. Meyer 2002a, 45f. und Merkel etc. 2006, 43f.).
Diese Entwicklung, die man als ökonomische Globalisierung bezeichnet, stellt besonders die Sozialdemokratie vor weitreichende Probleme: War doch für die Sozialdemokratie seit Neugründung der BRD eine nachfrageorientierte Wirtschafts-und Finanzpolitik das geeignete Instrument, um Wirtschaftswachstum zu erzeugen und so die für Sozialdemokraten wichtigen hohen Sozialstandards zu garantieren (vgl. Frenzel 2002, 112). Allerdings lässt sich eine solche antizyklische Wirtschafts- und Finanzpolitik, die an den Theorien des Ökonomen John Maynard Keynes orientiert ist, in Zeiten von offenen Märkten und abgebauten Handelshemmnissen immer weniger effektiv realisieren (vgl. Frenzel 2002, 112). Schließlich ist es fraglich, ob das vom Staat investierte Kapital auch tatsächlich zurückfließt und eine eigene Dynamik erzeugen kann. Wenn ein Nationalstaat verstärkt Finanzmittel ausgibt, heißt dies nämlich nicht automatisch, dass die Unternehmen im gleichen Staat ihre Gewinne investieren und dadurch z.B. neue Arbeitsplätze schaffen (Merkel etc. 2006, 43ff.).
Typisch für die Sozialdemokratie ist auch, einen starken Sozialstaat zu erhalten. Dazu muss der Staat genug finanzielle Mittel einnehmen, um sie dann auch später umverteilen zu können. Dies wiederum bedingt, dass die Steuern und Abgaben entsprechend hoch sein müssen. Hohe Steuern und Abgaben können Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft allerdings dazu verleiten, in ein für sie „billigeres“ Land[2] „abzuwandern“ (Merkel etc. 2006, 49).
Ein weiteres Hemmnis für sozialdemokratische Politik stellt im Zusammenhang der Globalisierung der weltweite Zins- und Kreditmarkt dar: Durch ihn fällt es Regierungen immer schwerer eine schuldenfinanzierte, expansive Finanzpolitik zu verwirklichen (ebenda).
2.2 Gesellschaftlicher Wandel
In den Achtzigern versuchte Beck den gesellschaftlichen Wandel zu analysieren und zu beschreiben: Laut ihm ist die moderne Gesellschaft einem Individualisierungs- und Pluralisierungsprozess unterworfen. Das heißt, dass die Menschen vermehrt selbst entscheiden, in welcher Form sie leben, wofür sie sich interessieren, an welchen Werten sie sich orientieren und wie sie kommunizieren
(vgl. Meyer 1998, 91ff.). Dadurch lässt sich auch schlechter vorhersagen, welchen Lebensweg sie einschlagen und sich verhalten werden. Dieser Individualisierungsprozess bedeutet weiter, dass die Zwänge von Herkunft, Tradition, kollektiven Verbänden und großen sozio- ökonomischen Milieus für den Einzelnen schwinden. Meyer zieht daraus folgende Konsequenz:
„[...] der Einzelne kann und muss nun selber verstärkt wählen, wie er leben will, welche politischen Ziele er zu welchem Zeitpunkt unterstützen möchte, wann er sich für welchen Zeitraum in welchen politischen oder sozialen Projekten engagieren möchte “(Meyer 2002a, 38).
Somit können Parteien kaum noch davon ausgehen, dass ein Einzelner sie unterstützt, weil er sich an Traditionen oder einer gemeinsamen Identität gebunden fühlt (vgl. Meyer 2002a, 38) – kurz: der Einzelne fühlt sich großen Kollektiven immer weniger zugehörig ( vgl. Meyer 1998, 93). „Appelle an die Interessenlagen und Mentalitäten großer gesellschaftlicher Kollektive reichen daher für die Mobilisierung politischer Unterstützung nicht mehr aus“(Meyer 1998, 93).
Und auch, wenn die Basis der Sozialdemokratie „nie homogen im strikten Sinne“ (Meyer 1998, 91) war, verlor sie nach dem Parteienforscher Franz Walter in den 1970er Jahren zumindest ihre Stammklientel: Die Arbeiter. Viele verließen zu dieser Zeit die typisch sozialdemokratischen Wohnquartiere, indem sie begünstigt durch die (von der SPD angestoßenen) Bildungsexpansion aufstiegen (vgl. Walter 2005, 139). „Die Zurückgebliebenen waren nunmehr organisatorisch unbehaust, normativ und weltanschaulich verwaist. [...] Arbeiterklasse und Sozialdemokratie, das gehört nicht mehr zusammen“ (Walter 2005, 139). Ebenfalls ist es für die Parteien in einer individualisierten Gesellschaft schwieriger, neue Mitglieder zu gewinnen und vor allem zu halten, da die Bereitschaft verstärkt abnimmt, sich längerfristig zu binden (Merkel etc. 2006, 87).
[...]
[1] Ein anschauliches Beispiel zu dieser Feststellung ereignete sich zwischen den Jahren 1981 bis 1983: Frankreich betrieb zu dieser Zeit eine stark links-keynesianische Finanzpolitik. Allerdings floss ein hoher Teil der französischen Mittel in die wettbewerbsstärkere BRD, anstatt die französische Wirtschaft entsprechend anzukurbeln ( Merkel etc. 2006, 43f.).
[2] Also in dem neuen Standort weniger investieren zu müssen bei gleicher Produktivität.
- Quote paper
- Daniel-David Pirker (Author), 2006, Die SPD - Eine Partei mit Zukunftschancen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69368
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