Am 12. Mai 2000 hielt der deutsche Außenminister Joschka Fischer eine Rede, in der er zur aus seiner Sicht erhofften zukünftigen politisch-oganisatorischen Ausgestaltung der Europäischen Union Stellung bezog. Fischer hielt die Rede zwar ausdrücklich als Privatmann und nicht als deutscher Außenminister, dennoch erregte die visionäre Ansprache europaweit viel Aufmerksamkeit in Medien und politikwissenschaftlichen Instituten. Titel der persönlichen Zukunftsvision: "Vom Staatenverbund zur Föderation - Gedanken über die Finalität der europäischen Integration".
Für Fischer liegt bis zu dieser Vollendung noch ein weiter, anstrengender Weg vor Europa: Die Osterweiterung sowie die gleichzeitige Schaffung einer besseren Handlungsfähigkeit der EU, die ja ursprünglich nur für 6 und nicht für 15, geschweige denn 30 Mitgliedstaaten institutionalisiert wurde. Für Fischer gibt es nur eine Alternative für die zukünftige Ausgestaltung der EU: "Den Übergang vom Staatenverbund der Union hin zur vollen Parlamentarisierung in einer Europäischen Föderation. [...] Und das heißt nichts geringeres als ein europäisches Parlament und eine ebensolche Regierung, die tatsächlich die gesetzgebende und die exekutive Gewalt innerhalb der Föderation ausüben. Diese Föderation wird sich auf einem Verfassungsvertrag zu gründen haben". Fischer macht in seiner Rede deutlich, dass dies keineswegs die Abschaffung der Nationalstaaten, deren Kulturen und Institutionen zur Folge hätte. Eine derartige Vorstellung "erweist sich als Konstrukt jenseits der gewachsenen europäischen Realitäten."
Voraussetzungen für diese Föderation sind in Fischers Augen ein Zwei-Kammern-System (zusammengesetzt zum einen aus Nationalparlamentariern, zum anderen aus direkt gewählten Senatoren), eine direkt gewählte Kommission/Regierung sowie eine klare Zuständigkeitsregelung zwischen Föderation und Nationalstaaten im verfassungsrechtlichen Rang unter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.
Die Rede Fischers sowie das ohnehin äußerst spannende Projekt der Europäischen Vereinigung sind Motoren für diese Seminararbeit, die einige persönliche Klarsicht bringen sollte und auch brachte. Zunächst gestaltete sich während der Lektüre zum Thema "Föderalismus und Europäische Union" die Definition des zentralen Begriffes "Föderalismus" unerwartet schwierig und verwirrend. Als Leser hat man den Eindruck, jeder Autor verwendet den Begriff anders und variiert teils erheblich, teils in schwer zu entdeckenden Nuancen.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Föderalismus
- Allgemeine Definitionen
- Formen und Definitionen des Föderalismus
- Charakteristika eines föderalen Systems
- Föderalismus in den USA: Vorbild oder Gegensatz?
- Föderalismus in der EU
- Gestern
- Heute
- Europäische Verfassung
- Die Verteilung der Zuständigkeiten
- (Volks-)Souveränität
- Europäisches Parlament
- Ausschuss der Regionen
- Eine politische Union?
- Schlusswort: Morgen?
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht den Föderalismus im Kontext der Europäischen Union. Ziel ist es, den Begriff „Föderalismus“ zu definieren, verschiedene Ausprägungen zu beschreiben und dessen Rolle in der Entwicklung und zukünftigen Gestaltung der EU zu analysieren. Die Arbeit stützt sich dabei auf die Rede Joschka Fischers und eine umfassende Definition von Daniel J. Elazar.
- Definition und verschiedene Ausprägungen des Föderalismus
- Der Föderalismus in den USA als Vergleichsbeispiel
- Die historische Entwicklung des Föderalismusgedankens in der EU
- Zuständigkeiten und Souveränität in der EU
- Die Vision einer europäischen Föderation
Zusammenfassung der Kapitel
Vorwort: Das Vorwort setzt den Kontext der Arbeit durch die Erwähnung von Joschka Fischers Rede über die zukünftige Gestaltung der EU als Föderation. Fischers Vision einer europäischen Föderation mit einem Zwei-Kammern-System, einer direkt gewählten Kommission und klarer Zuständigkeitsregelung wird als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Bedeutung des Föderalismus in der EU vorgestellt. Die Schwierigkeiten bei der Definition von „Föderalismus“ und die Wahl der Definition von Elazar als Grundlage der Analyse werden ebenfalls erläutert.
Föderalismus: Dieses Kapitel widmet sich der Definition und den verschiedenen Ausprägungen des Föderalismus. Es wird deutlich, dass der Begriff in der Literatur unterschiedlich verwendet und interpretiert wird. Die Arbeit stützt sich auf die umfassende Definition von Daniel J. Elazar aus dem Jahr 1970, um eine fundierte Grundlage für die Analyse zu schaffen. Die Wahl dieser älteren Definition wird damit begründet, dass sie weniger ideologisch gefärbt ist und einen unvoreingenommenen Blick auf den Begriff ermöglicht. Der Bezug auf die USA im Kontext der EU-Entwicklung wird als weiterer wichtiger Aspekt hervorgehoben.
Föderalismus in der EU: Dieses Kapitel befasst sich mit der Entwicklung des Föderalismusgedankens in der EU, sowohl historisch als auch in der gegenwärtigen Debatte. Es beleuchtet die verschiedenen Phasen, in denen der Föderalismus mal mehr, mal weniger im Fokus der europäischen Politik stand. Es werden Aspekte wie die Europäische Verfassung, die Verteilung der Zuständigkeiten, die (Volks-)Souveränität, die Rolle des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie die Vision einer politischen Union diskutiert. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und den Herausforderungen eines föderalen Systems im Kontext der EU.
Schlüsselwörter
Föderalismus, Europäische Union, Joschka Fischer, Daniel J. Elazar, Europäische Verfassung, Zuständigkeiten, Souveränität, Nationalstaaten, Parlamentarisierung, Staatenverbund, Föderation, Subsidiaritätsprinzip, USA.
Häufig gestellte Fragen zur Seminararbeit: Föderalismus in der Europäischen Union
Was ist der Gegenstand der Seminararbeit?
Die Seminararbeit untersucht den Föderalismus im Kontext der Europäischen Union. Sie analysiert den Begriff "Föderalismus", beschreibt verschiedene Ausprägungen und untersucht dessen Rolle in der Entwicklung und zukünftigen Gestaltung der EU.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Rede von Joschka Fischer zur zukünftigen Gestaltung der EU und auf eine umfassende Definition von Daniel J. Elazar. Die Wahl der Definition von Elazar wird damit begründet, dass sie weniger ideologisch gefärbt ist und einen unvoreingenommenen Blick auf den Begriff ermöglicht.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Definition und verschiedene Ausprägungen des Föderalismus, der Föderalismus in den USA als Vergleichsbeispiel, die historische Entwicklung des Föderalismusgedankens in der EU, Zuständigkeiten und Souveränität in der EU und die Vision einer europäischen Föderation.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit umfasst ein Vorwort, Kapitel zu Föderalismus (inkl. Definitionen und Formen), Föderalismus in der EU (inkl. historischer Entwicklung und aktueller Herausforderungen), ein Schlusswort und ein Literaturverzeichnis. Zusätzlich beinhaltet sie ein Inhaltsverzeichnis, eine Zusammenfassung der Kapitel und Schlüsselwörter.
Welche Rolle spielt die Rede von Joschka Fischer?
Fischers Vision einer europäischen Föderation mit einem Zwei-Kammern-System, einer direkt gewählten Kommission und klarer Zuständigkeitsregelung dient als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Bedeutung des Föderalismus in der EU.
Was ist die zentrale These oder Argumentation der Arbeit?
Die zentrale These ist die Analyse des Föderalismus in der EU, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Definitionen und im Vergleich zum föderalen System der USA. Die Arbeit untersucht die Herausforderungen und Chancen eines föderalen Systems für die zukünftige Entwicklung der EU.
Welche Schlüsselbegriffe werden in der Arbeit verwendet?
Schlüsselbegriffe sind Föderalismus, Europäische Union, Joschka Fischer, Daniel J. Elazar, Europäische Verfassung, Zuständigkeiten, Souveränität, Nationalstaaten, Parlamentarisierung, Staatenverbund, Föderation, Subsidiaritätsprinzip und USA.
Wie wird der Föderalismus in den USA in der Arbeit behandelt?
Der Föderalismus in den USA dient als Vergleichsbeispiel, um den Föderalismus in der EU besser zu verstehen und zu analysieren. Es wird untersucht, ob die USA als Vorbild oder Gegensatz für die EU dienen können.
Welche Aspekte des Föderalismus in der EU werden besonders hervorgehoben?
Besonders hervorgehoben werden die Europäische Verfassung, die Verteilung der Zuständigkeiten, die (Volks-)Souveränität, die Rolle des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie die Vision einer politischen Union.
Was ist das Fazit der Arbeit (Schlusswort)?
Das Schlusswort (Morgen?) gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen im Kontext des europäischen Föderalismus.
- Quote paper
- Christian Schädel (Author), 2002, Föderalismus in der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6932