Im Jahre 1989, nach dem Zusammenbruch des planwirtschaftlich organisierten Ostblocks, begann in Mittel- und Osteuropa der langwierige und sehr komplexe Prozess der Transformation zur Demokratie und Marktwirtschaft. Die Änderungen betrafen alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereiche. Als der Transformationsprozess Anfang der 90-er seinen Anfang nahm, gingen die meisten davon aus, dass eine schnelle Umstellung des Systems von Totalitarismus zur Demokratie und von Planwirtschaft auf Marktwirtschaft möglich sei. Dafür sei die Einführung der entsprechenden tragenden politischen und wirtschaftlichen Institutionen notwendig, diese Reformen wären jedoch in relativ kurzer Zeit durchführbar. Die empfohlenen Transformationsstrategien waren nach dem Vorbild der westlichen Industriestaaten und der USA und versprachen die Erzielung guter Ergebnisse in relativ kurzer Zeit.
Was jedoch außer Acht gelassen wurde, ist die Tatsache, dass die als Vorbild genommenen politischen und wirtschaftlichen Systeme im Laufe der Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte zu dem wurden, die sie heute sind. Bei den Ostblockländern handelte es sich jedoch um eine rasche und sehr komplexe Systemumstellung. Mitte der neunziger Jahre stellte man nun fest, dass die Transformationsprozesse in verschiedenen mittel- und osteuropäischen Ländern unterschiedlich schnell verliefen und bei Weitem nicht so fortgeschritten waren, wie die Transformationsstrategien es vorausgesagt hatten. Mit der Zeit wurde es offensichtlich, dass einige wichtige Einflussfaktoren, die anfangs nicht berücksichtigt worden waren, jetzt länderspezifisch wirken. Das führte in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Ergebnissen, trotz der gleichen Strategieempfehlungen.
Die Entwicklungsgeschichte Bulgariens seit Anfang der 90er Jahre stellt das passende Beispiel für einen problematischen Transformationsverlauf dar. Im Vergleich mit anderen osteuropäischen Transformationsländern weist Bulgarien erhebliche Rückstände auf, was die Stabilisierung und Konsolidierung der neuen demokratischen und marktwirtschaftlichen Strukturen angeht.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
I. Einleitung
II. Theoretische Grundlagen und Konzepte
1. Transformationsprozesse allgemein
2. Merkmale und Charakteristika der postkommunistischen Übergängen
2.1 Politisches Handeln- Akteure, Strategien, Machtressourcen
3. Strategien wirtschaftliche Transformation
3.1 „Schocktherapie vs. Gradualismus“
3.2 Das J-Kurve Modell
3.3 Das J-Kurve Modell und Osteuropa
3.4 Zusammenfassung
4. Soziokulturelle Aspekte der Transformation
4.1 Formelle und informelle Institutionen. Institutioneller Wandel
4.2 Informelle wirtschaftlichen Institutionen und Formen wirtschaftlicher Integration
4.3 Historische Entwicklung der wirtschaftliche Integrationsmechanismen in Bulgarien
4.4 Die soziokulturelle Entwicklung aus zivilgesellschaftlicher Perspektive
5. Schlussfolgerungen
III. Der bulgarische Transformationsprozess - „Ein Übergang zuwas?“
1. Der Anfang - Faktoren und Voraussetzungen
1.1 Die Ausprägung des kommunistischen Regime
1.2 Der Umbruch - der Zerfall des kommunistischen Systems
1.3 Die Verhandlungen an den „Runden Tischen“
1.4. Zusammenfassung
2. Regierungspolitik 1989 – 1997
2.1. Die Instabile politische Situation
2.2. Wirtschaftliche Reformen
2.2.1 Die Ausgangslage
2.2.2. Die ersten Reformversuche Makroökonomische Stabilisierung und erste
Liberalisierungsmaßnahmen
2.2.3. Strukturelle Reformen
a) Demonopolisierung und Umstrukturierung des Staatssektors
b) Privatisierungsstrategien
c) Reformen im Bankensektor und die Finanzkrise von 1996
d) Gründe für den Misserfolg struktureller Reformen- Zusammenfassung
3. Die Entwicklungen aus der Perspektiven Hellmanns und Chavdarova
3.1 Über die „Gewinner“ und „Verlierer“ der Transformation
3.2 Die Umverteilungsprozesse in der wirtschaftlichen Entwicklung
3.3 Die gesellschaftlichen und sozialen Folgen
IV. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
1. Die Auswahl der theoretischen Ansätze
2. Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturliste
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
Im Jahre 1989, nach dem Zusammenbruch des planwirtschaftlich organisierten Ostblocks, begann in Mittel- und Osteuropa der langwierige und sehr komplexe Prozess der Transformation zur Demokratie und Marktwirtschaft. Die Änderungen betrafen alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereiche. Als der Transformationsprozess Anfang der 90-er seinen Anfang nahm, gingen die meisten davon aus, dass eine schnelle Umstellung des Systems von Totalitarismus zur Demokratie und von Planwirtschaft auf Marktwirtschaft möglich sei. Dafür sei die Einführung der entsprechenden tragenden politischen und wirtschaftlichen Institutionen notwendig, diese Reformen wären jedoch in relativ kurzer Zeit durchführbar. Die empfohlenen Transformationsstrategien waren nach dem Vorbild der westlichen Industriestaaten und der USA und versprachen die Erzielung guter Ergebnisse in relativ kurzer Zeit. Was jedoch außer Acht gelassen wurde, ist die Tatsache, dass die als Vorbild genommenen politischen und wirtschaftlichen Systeme im Laufe der Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte zu dem wurden, die sie heute sind. Bei den Ostblockländern handelte es sich jedoch um eine rasche und sehr komplexe Systemumstellung. Mitte der neunziger Jahre stellte man nun fest, dass die Transformationsprozesse in verschiedenen mittel- und osteuropäischen Ländern unterschiedlich schnell verliefen und bei Weitem nicht so fortgeschritten waren, wie die Transformationsstrategien es vorausgesagt hatten. Mit der Zeit wurde es offensichtlich, dass einige wichtige Einflussfaktoren, die anfangs nicht berücksichtigt worden waren, jetzt länderspezifisch wirken. Das führte in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Ergebnissen, trotz der gleichen Strategieempfehlungen.
Die Entwicklungsgeschichte Bulgariens seit Anfang der 90er Jahre stellt das passende Beispiel für einen problematischen Transformationsverlauf dar. Im Vergleich mit anderen osteuropäischen Transformationsländern weist Bulgarien erhebliche Rückstände auf, was die Stabilisierung und Konsolidierung der neuen demokratischen und marktwirtschaftlichen Strukturen angeht. Die lange Verzögerung, oder das Ausbleiben, von wichtigen wirtschaftspolitischen und rechtlichen Reformschritte und die dadurch entstandene anhaltende politische und ökonomische Instabilität resultieren in hohen sozialen „Transformationskosten“ wie Arbeitslosigkeit, Verlust sozialen Status und Armut, die von der breiten Bevölkerung zu tragen sind. Die ständige Verschlechterung der Situation führt das Land Ende 1996 in eine tiefe politische und wirtschaftliche Krise und fast am Rande des Bürgerkrieges. (Rüb, S.335) Danach erfolgt zwar eine Stabilisierungsphase im politischen und makroökonomischen Bereich, die auch bis heute noch anhält, dennoch verlaufen die Reformen auch weiterhin nur langsam und es sind immer noch erhebliche Defizite zu verzeichnen: an Rechtsstaatlichkeit, an Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption, und vor allem was die Verbesserung der sozioökonomischen Lage der Bevölkerung angeht. (Bertelsmann Report, S.1) Diese Realität, mit der die Menschen täglich zu kämpfen haben, ist der Grund für den hohen Grad an Unzufriedenheit, der unter den Massen herrscht. Laut statistischen Daten aus einem Bericht vom führenden bulgarischen Politologen Ivan Krastev (Krastev, Internetquelle) werden die Erwartungen der bulgarischen Bevölkerung bezüglich der eigenen und der kollektiven Zukunft immer negativer, die Wähleraktivität sinkt und die soziale Unterstützung für die Reformen schrumpft. Die soziale Ungleichheit und der Verlust von sozialem Status (laut 54% der Befragten) sowie die herrschende Armut (laut 86% !) stellen die größte Probleme und Hindernisse, mit dehnen die bulgarische Bevölkerung im Zuge der Transformation zu kämpfen hat. Nur 22% der Bulgaren sind mit der „Qualität“ der demokratischen Ordnung zufrieden, dafür definieren sich ganze 54% als „soziale Verlierer“. Als Ursache für diesen Zustand werden die schwachen und unfähigen Institutionen und Politiker genannt: die politischen und staatlichen Institutionen sind nicht in der Lage mit der ökonomischen und daraus resultierenden sozialen Rückständigkeit fertig zu werden. Zwischen 65% und 78% der Befragten haben kein Vertrauen in dem Parlament, der Regierung, der Rechtsprechung und den politischen Parteien. Das führt zu Legitimitätsverlust der politischen Akteure und Institutionen, wodurch die Konsolidierung und Stabilisierung der demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung noch mehr erschwert wird.
Das Interesse dieser Arbeit ist es herauszufinden, welche landesspezifischen Faktoren, Merkmale und Besonderheiten des Transformationsprozesses in Bulgarien diesen problematischen Verlauf eventuell erklären könnten. Welche sind die Voraussetzungen für die Etablierung von effizienten und funktionsfähigen demokratischen Institutionen und die erfolgreiche Konsolidierung des demokratischen Systems überhaupt, und werden sie in unseren Fall ausreichend erfüllt? Gibt es spezifische Faktoren, die den Übergang der postkommunistischen Länder von Planwirtschaft zur Marktwirtschaft kennzeichnen und ihn eventuell auch unterstützen oder behindern könnten, und welche von denen sind für den Fall Bulgariens von Bedeutung? Und natürlich, nicht an letzter Stelle werden auch einige relevante Kulturbestände des Landes mit einbezogen und untersucht: Regeln, Normen, Handlungsmuster und Mentalitäten. Sie gehören zu den so genannten informellen Institutionen, die das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder und Akteursgruppen beeinflussen. Dadurch können sie sich auf die Funktionsweise der formellen Institutionen und auf die Konsolidierung der gesamten Demokratie auswirken.
Ich benutze die Ansätze politischer Transitionsforschung von W. Merkel und F. Rüb (Merkel 96; Rüb 01;), um eine theoretische Basis für die Untersuchung des politischen System Bulgariens zu erschaffen. Die Ergebnisse sollen dann anschließend als Rahmenbedingungen für die Untersuchung der Transformation im ökonomischen Bereich und die Reformpolitik der unterschiedlichen Regierungen dienen. Anhand des Erklärungsansatzes J. Hellmanns über „Halbe Reformen“ (Hellmann 98;) sollen die Ereignisse in Bulgarien interpretiert und versucht werden Gründe für die erhebliche wirtschaftliche Rückständigkeit herauszuarbeiten. Die Überlegungen der Soziologin T. Chavdarova (Chavdarova 99;) über die historische Entwicklung bestimmter Grundformen der marktwirtschaftlichen Integration in Bulgarien, bieten die Möglichkeit den kulturellen und sozialen Hintergrund der handelnden Akteuren zu analysieren. Indem Bulgariens kulturelle Gegebenheiten in den Untersuchungen mit einbezogen werden kann man genauer einschätzen, ob die landesspezifischen Voraussetzungen, notwendig für die Herausbildung einer demokratischen, bzw. auch marktwirtschaftlichen Ordnung ausreichend vorhanden sind oder nicht.
Es bilden sich Untersuchungsaspekte heraus, die unterschiedliche Bereiche der Transformation erfassen- politisches System, Reformtätigkeit im Wirtschaftsbereich, kulturelle Basis und Gesellschaftsstruktur. Im theoretischen Teil der Arbeit werden diese unterschiedlichen Aspekte noch mal genauer herausgearbeitet, indem die wichtigsten Begriffe und Konzepte der Forschungsansätze abgeleitet und systematisch dargestellt werden. Diese Kategorienbildung soll später helfen, die Auswertung der vorhandenen Literatur strukturierter zu gestalten und auch den Umfang dieser Arbeit angemessen zu begrenzen.
Im darauf folgenden ´untersuchenden´ Teil ( III.) wird dann die Transformation Bulgariens in der Periode 1989 – 1997 anhand der schon ausgearbeiteten theoretischen Muster untersucht. Ich habe bewusst diesen Zeitabschnitt ausgewählt, da er die problematischste, konfliktreichste, und somit auch die interessanteste Phase der bulgarischen postkommunistischen Entwicklung darstellt. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Phase des Umbruchs und die Herausbildung des neuen politischen Systems. Indem ich bestimmte Kriterien als Maßstab verwende versuche ich herauszufinden, ob die Entwicklungen im politischen Bereich die benötigten Voraussetzungen für eine Stabilisierung und Konsolidierung der neuen Demokratie erschaffen. Im Kapitel 2. werden die wirtschaftlichen Verhältnisse Bulgariens und den Übergang von Plan- zu Marktwirtschaft thematisiert. Die Reformtätigkeit und die Reformstrategien der unterschiedlichen Regierungen stehen hier im Mittelpunkt. Das Ziel ist es herauszufinden wie die anhaltende Instabilität der Wirtschaft zustande kommt und welche Einflussfaktoren dazu beigetragen haben. Die Untersuchungen erfolgen nach dem theoretischen Muster, vorgegeben durch die Ansätze von Hellmann und Chavdarova. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Handlungsstrategien der relevanten politischen und wirtschaftlichen Akteure im Rahmen des gegebenen gesellschaftlichen Kontextes gesetzt. Im Verlauf der Untersuchung ergibt sich auch die Frage nach der Auswirkung der Entwicklungen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auf die gesellschaftlichen und sozialen Strukturen insgesamt. Wie hoch sind die ´Kosten´ der Transformation, die von der bulgarischen Bevölkerung getragen werden müssen und auf welcher Weise wirken sie auf die gesellschaftliche Entwicklung und das soziale Verhalten der Individuen. Diese Problematik wird jedoch nur am Rande behandelt und nicht ausführlich thematisiert. Anschließend werde ich in einem Schlusskapitel versuchen die gesamten Ergebnisse, gewonnen mit Hilfe der unterschiedlichen Untersuchungsansätzen, noch mal zusammenzufassen und systematisch zu ordnen. Dabei sollen für die Forschungsfrage besonders wichtige und hilfreiche theoretische Aspekte hervorgehoben sowie auch die Vor- und Nachteile der Ansätze insgesamt diskutiert werden.
Da es sich um drei sehr unterschiedliche Theorieperspektiven handelt, ist dementsprechend auch die Herangehensweise an den Ansätzen und deren Anwendung im Rahmen der Untersuchungen unterschiedlich. Bei Merkel und Rüb liegt der Schwerpunkt auf das politische System und die politischen Institutionen, während Hellmann sich auf die Akteursebene bewegt und den Akzent auf die Handlungen der politischen und wirtschaftlichen Akteure setzt. Der Ansatz von Chavdarova beleuchtet den gesellschaftlichen und sozialen Hintergrund der Akteure, wodurch bestimmte Handlungsmuster besser zu verstehen sind. Durch die Zusammenführung der drei Perspektiven kann die vorhandene theoretische Basis ergänzt werden, indem einige Stellen, die die einzelnen Ansätze offen lassen ausreichend beleuchtet werden. Dadurch bietet sich die Möglichkeit auf die Problematik detaillierter einzugehen und die Forschungsfrage möglichst ausführlich zu beantworten. Da ich selbst keine empirischen Untersuchungen führen kann, verwende ich als Beweismaterial sekundäre Literaturquellen von mehreren bulgarischen sowie westlichen Autoren. Wie ausführlich jeder der Ansätze verfolgt wird, hängt von der vorhandenen Literaturbasis ab.
II. Theoretische Grundlagen und Konzepte
1. Transformationsprozesse allgemein
Wenn man einen Transformationsprozess untersuchen möchte, dann sollte man sich erstmal mit dessen Begriff beschäftigen und versuchen eine möglichst genauere und umfassende Definition zu formulieren. Dazu gehören auch Antworten auf die Fragen: Wie wird dieser Wandel ausgelöst? Welche Elemente umfasst die darauf folgende Transformation oder Systemwechsel ? Was für Voraussetzungen müssen die jeweiligen Transformationsstaaten erfüllen, um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten? Nachdem die allgemeinen Grundzüge von Transformationsprozessen vorgestellt werden, können wir dann anschließend anhand mehrerer Forschungsansätze die unterschiedlichen Bereiche der Transformation herausarbeiten- politischen, ökonomischen und kulturellen- und dadurch einen geeigneten theoretischen Rahmen für die weiteren Untersuchungen zu schaffen.
Man könnte Transformation oder Systemtransformation allgemein als einen Grenzfall des langfristigen Wandels von Ordnungen definieren, als „ein intentional ausgelöster oder zumindest mittelbar durch bewusste Handlungen herbeigeführter umfassender Wandel eines Gesellschaftssystems“, im Fall der osteuropäischen Länder von einem totalitären (zentralplanwirtschaftlichen) hin zu einem demokratischen (marktwirtschaftlichen) System, „innerhalb einer für den Menschen bewusst erlebbaren Frist“. (Oberender/ Fleischmann/ Reiß 03; S.2) Das Ziel oder Ergebnis einer erfolgreichen Transformation in diesem Fall sollte eine konsolidierte Demokratie mit einer funktionierenden, effizienten und beständigen Marktwirtschaft sein. (Merkel 96, S. 63)
Dies impliziert erstmal einen Wandel im politischen Bereich hin zu demokratischeren Ordnungsformen. Während bei einem autoritären oder totalitären System die politische Macht in den Händen einer Gruppe, bzw. politische Partei konzentriert ist, beinhaltet die Demokratisierung einer neuen Form des Regierungssystems sowie die Herausbildung von mehreren politischen Parteien- also politischen Wettbewerb und Partizipation. In den darauf folgenden Verhandlungsprozess zwischen den unterschiedlichen politischen (und gesellschaftlichen) Kräften werden ihre jeweiligen Interessen zum Ausdruck gebracht, und es wird versucht zu einem Kompromiss, bezüglich der neuen institutionellen Ordnung zu gelangen. Diese Entscheidungen über die institutionelle Grundstruktur eines Staates und die Machtverteilung in der politischen Sphäre könnten dann in der Form einer neuen Verfassung erfolgen. Dadurch soll erreicht werden, dass unter zukünftigen, unsicheren und sich wandelnden Bedingungen die demokratische Regierungsfähigkeit aufrechterhalten wird.
(Rüb 01, S. 66)
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg diesen Vorhabens ist, dass es in jener Gesellschaft außer der Gruppe der Regierenden auch, zumindest ansatzweise, andere (politische) Gruppierungen vorhanden sind, die aufgrund ihre unterschiedlichen Interessen und Überzeugungen als „Opposition“ gegen das alte Regime antreten könnten. Dies beinhaltet wichtige Aspekte bezüglich die Art des Systemwechsels und die Stabilität und Effektivität der neuen Demokratie. Ein weiterer Schritt in Richtung Demokratie ist die regelmäßige Durchführung von freien Wahlen, die als unabdingbare Voraussetzungen von demokratischen Systemen gelten. (Bos, E. 96, S.84) Insgesamt sollte sich einen Minimum an demokratischen Verfahren herausbilden, um das Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten zu regeln.
Die angestrebte Transformationsstrategie sollte weiterhin auf die Herausbildung einer funktionsfähigen Marktwirtschaft zielen, und dazu wird erstmal die Erfüllung einiger wichtigen Ausgangsbedingungen voraussetzt. Wesentlicher Bestandteil von Transformationen ist die Bildung von bestimmten Gesetzen und Basisinstitutionen, so genannte formelle Institutionen, die für die Entwicklung einer „dezentralen wettbewerblichen Marktkoordination“ von grundlegender Bedeutung sind. (Oberender 03, S.4) Dazu gehören: die Existenz geeigneter Rechts- und Verhaltensregeln sowie eines die Regeleinhaltung überwachenden Rechtsstaates; die Entkopplung von Staats- und Wirtschaftssphäre; die Schaffung privater Eigentumsrechte; die Implementierung wettbewerblicher Anreize; und nicht zuletzt, die Herstellung einer marktwirtschaftsadäquaten, auf der Souveränität der Individuen aufbauenden, Rechtsordnung.
Gleichzeitig, sind Transformationsprozesse auch „kulturell eingebettet“ (Schrader, S.82). Die Herausbildung und Etablierung von neuen politischen und marktwirtschaftlichen Strukturen steht unmittelbar im Zusammenhang mit dem kulturellen Hintergrund eines Landes. Um den Übergang erfolgreich zu gestallten sollte es, zumindest versucht werden, auch einen Wandel der in der Gesellschaft vorhandenen grundlegenden Regeln, Verhaltensnormen und Wertvorstellungen beizuführen. Das sind die ungeschriebenen oder informellen Institutionen, die das Wahrnehmungsvermögen und die Handlungen der, am Prozess beteiligten, Akteure strukturieren und dadurch auch deren Umgang mit den neuen institutionellen Strukturen bestimmen. Das Herausbilden von solchen geeigneten sozialen Grundlagen spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren der neuen Ordnungsformen und kann die Stabilisierung und Konsolidierung des demokratischen und marktwirtschaftlichen Systems erheblich beeinflussen.
Man kann insgesamt sagen, dass eine Transformation aus komplexen interdependenten Umgestaltungsprozessen in allen drei Bereichen- politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen- besteht. Ein wichtiger Aspekt dabei stellt die grundlegende Veränderung von formellen und informellen Institutionen. Um den Begriff kurz zu verdeutlichen, könnten wir Institutionen allgemein als gesellschaftliche oder staatliche Einrichtungen definieren, die bestimmte Zwecke erfüllen. Sie können sowohl das Ergebnis des bewussten, strategischen Handelns als auch das Ergebnis einer evolutorischen Entwicklung darstellen. Man unterscheidet zwischen formellen und informellen Institutionen. Formelle Institutionen sind alle (sozialen und rechtlichen) von Menschen bewusst geschaffenen Einrichtungen, deren Existenz exogen durch staatliche Autorität garantiert wird. Dazu zählen insbesondere Verfassungen, Regulierungen, Gesetze und Organisationen. Formelle Regeln oder Institutionen bilden die rechtliche Grundlage, den Ordnungsrahmen einer Gesellschaft und geben somit die politisch-ökonomische Struktur eines Staates vor. Unter informellen Institutionen dagegen werden individuelle und gesellschaftliche Verhaltensnormen, Sitten, Bräuche, moralische und religiöse Werte, Traditionen sowie Ansichten verstanden. Diese sind meistens das Ergebnis der historischen Entwicklung einer Gesellschaft, aber auch der sozialen Interaktion der Individuen untereinander sowie zwischen Individuen und formellen Institutionen. (Grusevaja 05, S.4)
Formelle und informelle Institutionen bedingen sich in ihrem Funktionieren wechselseitig- der Wandel des politischen und ökonomischen Systems auf der einen Seite und dessen Verarbeitung seitens der lebensweltlichen Strukturen auf der anderen Seite. Die vom Staat neu geschaffenen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, um Handlungsmöglichkeiten und Abläufe zu strukturieren, bedürfen erst die Interpretation und Akzeptanz der gesellschaftlichen Akteure um wirksam zu werden. (Stojanov, S.67-69)
Deswegen wäre es von Vorteil, beide Arten von Institutionen möglichst gleichzeitig und aufeinander abgestimmt zu verändern, um den Transformationsverlauf erfolgreich zu gestalten. Jedoch kommt es in der Praxis oft vor, dass diese Bedingung schwer zu erfüllen ist, was man an dem Beispiel mehrerer osteuropäischen Transformationsländern deutlich erkennen kann.
Der Wechsel zu einer neuen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung kann nicht anhand eines einzigen Schrittes vollzogen werden, sondern besteht aus mehreren Stufen. Es sind insgesamt drei Phasen des Wandels zu unterscheiden- Liberalisierung, Demokratisierung und Konsolidierung. (v. Beyme, S.145) Anhand der Abfolge dieser drei Phasen lässt sich ein Transformationsprozess idealtypisch charakterisieren. Tatsächlich lassen sich aber diese Phasen nicht immer getrennt voneinander betrachten. Liberalisierung und Demokratisierung finden z.B., nicht unbedingt nacheinander statt, sondern häufig synchron. Dauer und Erfolg der verschiedenen Etappen sind zudem von den konkreten Kontextbedingungen und dem Handeln der daran beteiligten Akteure abhängig und gestalten sich deshalb von Fall zu Fall unterschiedlich. (Bos, S.87)
Liberalisierung bedeutet noch keine richtigen demokratischen und marktwirtschaftlichen Strukturen, aber schon ein Versuch der herrschenden Eliten kontrollierte Öffnungen im alten System durchzuführen, ohne die realen Machtverhältnisse zu verändern.(Bos, S.85) Unter Demokratisierung wird schon die Einführung demokratischer Institutionen verstanden, die den politischen Wettbewerb und eine breitere Partizipation der Bürger garantieren sollten. Das beinhaltet auch einen Wechsel des Herrschaftssystems und der politischen Ordnung.
In der Regel, an der durch die Demokratisierung entstandenen „Übergangsdemokratie“ schließt noch eine Phase der Konsolidierung an. Welche sind die Voraussetzungen einer konsolidierten und stabilen Demokratie? Die Meinungen hier, was die Dauer und Kriterien eines Konsolidierungsprozesses angeht sind unterschiedlich: bei manchen gilt die Minimalbedingung, gleich nach den ersten friedlich akzeptierten freien Wahlen; bei anderen, nachdem die Demokratie 10-15 und sogar 20 Jahren durchgehalten hat.(v. Beyme, S. 146) Da die Unterschiede zwischen den einzelnen Transformationsfällen meistens erheblich sind haben viele der Autoren Schwierigkeiten damit, klare und operationalisierbare Kriterien zu entwickeln, mit dehnen man überprüfen kann wann aus eine Übergangsdemokratie eine stabile konsolidierte Demokratie geworden ist. Jedoch kann man grundsätzlich festlegen, dass eine Demokratie als konsolidiert erscheint, wenn alle am Prozess beteiligten, relevanten Akteure und Akteursgruppen die demokratischen Spielregeln akzeptieren und sich an denen (egal aus welchen Gründen auch immer) halten, so dass die anfallenden Konflikte mit Hilfe demokratischer Institutionen ausgetragen werden können. (Merkel 96, S.55) Dadurch werden die Legitimität und das Ansehen dieser Institutionen erhöht, sie können die, ihnen zugewiesenen Ordnungs- und Steuerungsleistungen erbringen und somit stabilisierend und integrierend wirken. Die wichtigste Rolle in diesem Prozess spielen die jeweiligen politischen (regierenden sowie oppositionellen) Eliten eines Landes, sie sind die „Hauptakteure“ im Transformationsprozess. (Bos, S.88)
Die mobilisierten Bevölkerungsmassen werden als weiterer Akteur zwar mitberücksichtigt, dennoch stellen sie ein vorübergehendes Phänomen dar, das vor allem in der Anfangsphase des Prozesses eine Rolle spielt. Dagegen entscheidet das Verhalten der politischen Eliten in einem erheblichen Maße über die Effizienz der neuen demokratischen Strukturen und deren Akzeptanz in der Bevölkerung. Ein Mindestmaß an wechselseitiger Kooperation untereinander sowie Kompromisse hinsichtlich grundlegenden demokratischen Spielregeln und Normen wären erforderlich, um günstige Voraussetzungen für die Stabilisierung der politischen Situation und eine weitere Konsolidierung des Systems zu schaffen. Andererseits, wenn es nicht zu einem solchen Elitenkonsens und Kooperation kommt, dann stockt die Entwicklung und es könnten erneut Unruhen und Demonstrationen unter den Massen ausbrechen. Mit der Zeit wird sich dann der Konflikt verschärfen und es kann zu einer starken Polarisierung von Massen und Eliten kommen. Diese instabile Situation würde die Verhandlungen und die Kompromissfindung hinsichtlich grundlegender politischer Fragen erschweren und sich auch negativ auf die Entwicklung der institutionellen sowie sozioökonomischen Strukturen auswirken. In so einem Fall dann führt die Transformation früher oder später wieder in einem autoritären (oder ähnlichen) Regime, oder bestenfalls zu einer instabilen und „defekten“ Demokratie. (Merkel 96, S.57) Wie der Name schon sagt, aufgrund von Defekten der rechtsstaatlich-demokratischen Strukturen und Funktionslogiken, unterscheiden sich solche Systeme von den konsolidierten Demokratien. In denen ist die wechselseitige Einbettung von demokratischen „Teilregimen“- wie sozioökonomische Entwicklung, Parteiensystem, politische und gesellschaftliche Eliten, Institutionen und verfassungsmäßige Ordnung, usw.- zerbrochen, was die Gesamtlogik der rechtsstaatlichen Demokratie zerstört. (Merkel 03, S.65) Sie stellen somit Herrschaftsordnungen dar, in dem eine oder mehrere dieser so genannten Teilsphären die demokratischen Spielregeln nicht ausreichend anwenden, oder wenn machtvollen Akteuren zeitweise, oder sogar dauerhaft, diese Regeln unterlaufen. Dabei sind die grundlegenden demokratischen Prinzipien in den relevanten Bereichen so umgesetzt, dass sie das politische Spiel angeblich regeln, dennoch funktionieren einigen Bereichen des Systems nach Mustern, die diesen Prinzipien entgegenlaufen. Autoritäre Praktiken und Herrschaftsmuster beschädigen die Balance des demokratischen Spiels. Als Beispiel, wenn nicht legitimierte Mächte die Kontrolle über bestimmte demokratische Teilbereiche in Anspruch nehmen und so den demokratisch gewählten Regierungen die Grenzen politischen Handelns diktieren können. Dadurch besitzt das Volk keine Selbstbestimmung mehr und die Prinzipien der Souveränität, Gleichheit und Kontrolle werden zugunsten privilegierter Gruppen verletzt. Den Ausmaß und das Gewicht dieser Defekte können in den einzelnen Transformationsfällen allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Im Abschnitt 3, dieses Kapitels werden wir defekten Mechanismen solcher Art ausführlicher behandeln, indem wir anhand der Überlegungen von J. Hellmann (World Politics 98, 203-33) die Strategien ökonomischer Reformtätigkeit von unterschiedlichen Transformationsländer beschreiben und miteinander vergleichen.
Anschließend könnte man Transformationen als Prozesse umfassenden Wandels darstellen, die auf mehreren Ebenen gleichzeitig verlaufen und in unterschiedlichen Phasen aufgeteilt werden können. Ziel eines Transformationsprozesses ist der Übergang, in unserem Fall von totalitäre Regime und Planwirtschaft, hin zur konsolidierten Demokratie und einem funktionierenden marktwirtschaftlichen Systems. Daraus entstehen Veränderungen in dem politischen, ökonomischen sowie soziokulturellen Bereich eines Gesellschaftssystems, und diese Veränderungen der unterschiedlichen Teilbereichen sollten möglichst gleichzeitig und aufeinander abgestimmt verlaufen, damit der Erfolg der Transformation gewährleistet wird. Weiterhin sollte bei der Erschaffung des neuen politischen, ökonomischen und institutionellen Rahmens eines Staates nicht nur die Veränderung der formellen institutionellen Formen- Gesetze, Organisationen, Regulierungen- sondern auch die der informellen solchen- Verhaltensnormen, Traditionen, Ansichten- angestrebt werden, da diese in ihre Funktionsweise einander bedingen. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann läuft die Gefahr, dass die neue Ordnung nicht konsolidiert werden kann und auf Dauer instabil bleibt, also, dass daraus bestenfalls eine „defekte“ Demokratie entsteht, die keine funktionierende Marktwirtschaft hervorbringen kann.
In der Praxis sieht es jedoch meistens anders aus. Am Beispiel von mehreren postkommunistischen Transformationsländern, unter dehnen auch Bulgarien, ist es deutlich zu erkennen, dass die oben aufgeführten Bedingungen oft nicht erfüllt werden. Da diese Übergänge sehr komplexe Umgestaltungsprozesse darstellen sind sie auch von den Auswirkungen mehreren Einflussfaktoren abhängig. Diese sind meistens gesellschafts-spezifisch und in den verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt. Das führt zur recht unterschiedlichen Leistungen der Länder, obwohl sie meistens gleiche Strategieempfehlungen und Muster befolgen.
In den folgenden Kapiteln der Arbeit wird versucht diese Faktoren und Voraussetzungen der unterschiedlichen Transformationsbereiche herauszuarbeiten und zu definieren. Das geschieht indem die Besonderheiten der politischen Strukturen, wirtschaftlichen Reformstrategien und soziokulturellen Gegebenheiten der postkommunistischen Gesellschaften, als Sonderfall von Transitionsprozessen, untersucht werden. Dadurch soll ersichtlich werden was für eine Rolle sie im Laufe der Transformation erfüllen und in welchem Ausmaß der Erfolg oder Misserfolg des Prozesses von ihnen abhängig ist.
2. Merkmale und Charakteristika der postkommunistischen Übergänge
An dieser Stelle möchten wir einige Besonderheiten der osteuropäischen Transformationen vor dem Hintergrund anderer Systemwechsel (vergl. Südeuropa, Lateinamerika) herausarbeiten. Aus diesen Besonderheiten ergeben sich konzeptionelle Folgen, die bei der weiteren Entwicklung unserer Untersuchungsfragen eine wichtige Rolle spielen.
Friedbert Rüb (2001, S. 33-45) formuliert insgesamt sechs solche Merkmale, die den osteuropäischen Fall von anderen Transitionen absetzen. Als erstes wäre die lange Dauer der totalitären Herrschaft zu berücksichtigen. Während bei den anderen Transformationsfällen im Laufe der Zeit häufig eine Abwechslung von autoritären und demokratischen Phasen stattgefunden hat, beginnt die osteuropäische Demokratisierung „aus dem Nichts“. Sie kann nur schwer an die Traditionen der vortotalitären Etappe anknüpfen, da sie zu weit zurück liegen und kann sich somit nicht auf ein „demokratisches Gedächtnis“ stützen. Das hat Auswirkungen auf die Bildung und Entwicklung von politischen Parteien, Organisationen, ihre Programme und Wählermärkte sowie auf Herausbildung von neuen institutionellen Strukturen. Des Weiteren spielt die Natur totalitärer Herrschaft eine wesentliche Rolle: „…das vollständige Umschmelzen des bestehenden sozialen Materials zu etwas völlig Neuem…“ (ebd., S.35), und, trotz unterschiedlicher Ausprägungen, die weitgehende Zerstörung institutionalisierter und regelgeleiteter politischer, ökonomischer und sozialer Prozesse. Die Partei durchdringt Staat, Ökonomie, soziales System und politische Macht- alles wird von ihr zu einem „zusammengezwungenen neuen Ganzen umgeschmolzen“. Das führt dazu, dass die Beziehungen zwischen den Individuen untereinander sowie auch zwischen denen und die Machtträger (Staat), nicht mehr durch die (politischen und gesellschaftlichen) Institutionen geregelt und stabilisiert werden, sondern stark personalisiert werden: Familie, kleine Netze und/oder ethnische Zugehörigkeiten sind die Ausgangsbasis für individuelle und politische Identitäten. Die Folgen davon sind gering entwickeltes Vertrauen in Institutionen und personalisierte Vorstellungen von Politik, die bis in der postkommunistischen Phase weit hinausreichen. Drittens, wäre noch das Fehlen von jeglichen rechtstaatlich- administrativen Strukturen zu erwähnen. Die herrschende kommunistische Ideologie, oder „die Partei“ duldet keine Eigenständigkeit und lässt keine Trennung zwischen Gesellschaft, Ökonomie und Staat zu. Das bedeutet die völlige Verschmelzung dieser Bereiche sowie eine horizontalen Konzentration der politischen Macht. Zugleich kommt auch die Zentralisierung und Hierarchisierung staatlicher und bürokratischer Prozesse und die Abwesenheit von Unabhängigkeit und Selbstverwaltung. Die Bedürfnisse der kommunistischen Partei dominieren alle Operationen innerhalb des Staates und die zwischen Staat und Gesellschaft. Handlungen und Entscheidungen der Bürokratie sind weder rechtlich gesichert, noch unterliegen sie der öffentlichen Kontrolle. Es gibt keine unabhängige Veraltungs- oder sonstige Gerichtsbarkeit, die Bürokratie und Staat an Recht bindet und die Individuen vor deren Übergriffen schützt.
Viertens, hat die Art der osteuropäischen Umbrüche, und zwar besonders ihren vorwiegend friedlichen, nicht-militärischen Charakter, bedeutsame Konsequenzen für die Entwicklung der Transformationen. Nach militärischen Niederlagen sind die alten Eliten und ihre Ideologie meistens völlig diskreditiert, sie verlieren ihre Legitimation und können einen nur geringen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Prozesses ausüben. Dadurch wird der Horizont möglicher Konflikte deutlich eingeschränkt. Im Gegenteil, in mehreren der postkommunistischen Länder sind es gerade die herrschenden Eliten diejenigen, die aufgrund ökonomischer und internationaler Krisensymptome die Ablösung der alten Regime herbeiführen. Das hat Auswirkungen auf die Akteurskonstellationen, ihre Machtressourcen und die weitere Konsolidierung der Demokratie. Fünftes und äußerst wichtiges Merkmal ist das so genannte Problem der Gleichzeitigkeit von politischer, ökonomischer und sozialer Transformation. (Oder Demokratisierung, Vermarktwirtschaftlichung und Herausbildung einer Zivilgesellschaft.) Das erfordert die Reorganisation der kompletten Gesellschaft und aller sie konstituierenden politischen, ökonomischen und sozialen Institutionen. Das könnte dazu führen, dass die unterschiedlichen Prozesse sich gegenseitig widersprechen und behindern. Und sechstens, spielt die Neubildung von Nationalstaaten eine gewisse Rolle im Verlauf der Demokratisierung und Transformation (z.B. Jugoslawien), diesen Faktor können wir jedoch vernachlässigen, da er im Falle Bulgariens nicht auftaucht und somit für unser Forschungsinteresse nicht von Bedeutung ist.
Alle diese sechs Merkmale der kommunistischen Ordnung wirken mehr oder weniger auf die spätere Entwicklung der neuen demokratischen Institutionen sowie die Konsolidierung des gesamten Systems. Das umfasst nicht nur den Gebrauch politischer Macht, sondern auch die effektive Implementierung administrativer und ökonomischer Reformen sowie die Verarbeitung der neuen Ordnungsstrukturen durch die Individuen und gesellschaftlichen Gruppen. Dabei sollte jedoch mitberücksichtigt werden, dass diese Merkmale, trotz ihren einheitlichen Charakter, bei den verschiedenen kommunistischen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt waren. Kommunistische Regimes waren keineswegs völlig identisch. Aus diesen Unterschieden entstehen dann unterschiedliche Voraussetzungen für den erfolgreichen Verlauf des Transformationsprozesses. Also, könnten wir erstens die Ausprägung des jeweiligen kommunistischen Regime als Faktor definieren, der für unsere weiteren Untersuchungen relevant ist.
2.1 Politisches Handeln - Akteure, Strategien, Machtressourcen
Wie und von wem der Umbruch initiiert wurde ist eine andere wichtige Frage, die hier noch zu klären wäre. Es lassen sich unterschiedliche „Transitionstypen“ herausarbeiten (Bos, S. 90-91), die sich erstens dadurch unterscheiden, ob sie von den herrschenden Eliten des autoritären (totalitären) Regimes oder von oppositionellen Massenbewegungen ausgehen, und zum zweiten, ob sie durch eine kompromiss- oder konfliktorientierte Strategie geprägt sind. Es gibt vier „ideal types of transition“ (Karl/Schmitter 91, S.275), die zwischen elitengesteuerten und massengesteuerten Strategien unterscheiden. Die elitengesteuerten Transitionen können entweder durch einen Pakt, „ a multilateral compromise“, zwischen herrschenden und oppositionellen Eliten erfolgen, oder auch als Diktat von oben, von der herrschende Elite: „ when elites use force unilaterally and effectively to bring a regime change against the resistance of incumbents“ (ebd., S. 275). Und zum anderen gibt es noch von den mobilisierten Massenbewegungen gelenkten Systemübergängen, die sich entweder friedlich, als Reform gestalten können, oder als Konflikt, „ when masses rise up in arms and defeat the previous authoritarian rulers militarily“- dann sprich man von Revolution. Zwischen diesen vier Extremen liegt natürlich eine Menge von Fällen wo sowohl die Identitäten der agierenden Akteure, als auch deren Strategieauswahl gemischt sind und Merkmale von mehreren Idealtypen enthalten.
Karl/Schmitter kommen zum Schluss (ebd., S. 282), dass die Transformationen durch Pakte am wahrscheinlichsten zu der Herausbildung von demokratischen Strukturen führen werden. Transformationen sind Momente großer politischer Unsicherheit, die genauen Machtverhältnisse sind noch unbekannt, politische Regeln und Strategien verändern sich ständig. Der Abschluss von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Pakten zwischen den alten und neuen Eliten begrenzt häufig in der frühen Transformationsphase diese Unsicherheiten und vermindert dadurch das Potential demokratisierungsschädlicher Konflikte. (Merkel 96, S.50-51) Zusätzlich ermöglichen solche Pakte, dass wechselseitiges Vertrauen sich zwischen den unterschiedlichen Elitengruppen herausbildet, und dass sich dadurch Kooperation, Kompromissfähigkeit und Toleranz in ihren Verhältnissen dauerhaft entwickeln. Ein „elite settlement“, ein Elitenkonsens, bezüglich der allgemeinen Grundwerte sowie auch ein Programmkonsens hinsichtlich der dringendsten Reformvorhaben stellen äußerst günstige Voraussetzungen für die Konsolidierung der Demokratie. (ebd., S.55)
Danach kommen die Übergänge initiiert „von oben“, „imposion“, seitens der herrschenden Regime. Das Nachgeben des Regimes und die Einwilligung zur Demokratie sind vor allem das Resultat „rationaler Kostenkalküle“. (Merkel 96, S. 50) Die alten Eliten entschließen sich dann zu Demokratisierung, wenn die von ihnen erwarteten sozialen und wirtschaftlichen Kosten, die bei der weiteren Aufrechterhaltung des autoritären Regimes anfallen würden, für höher gehalten werden als die angenommenen Kosten der Demokratisierung. In diesem Fall könnten die alten Eliten, zumindest am Anfang, wesentlich mehr Einfluss auf Verlauf und Richtung des weiteren Prozesses ausüben als beim paktierten Übergängen, da die Initiative zur Veränderung von ihrer Seite ausgeht, und da sie zu dem Zeitpunkt meistens immer noch die größeren Ressourcen besitzen.
Diese zwei Übergangstypen, durch „Pakt“ und „von oben“, stellen einen kontrollierten und lenkbaren Machtwechselprozess dar. Das Gegenteil wäre bei Übergängen zu erwarten, wo die Initiative „von unten“, von den Massen kommt- egal ob friedlich durch Reform oder durch Revolution. Dadurch wird ersichtlich, dass das politische System und die relevanten politischen Elitengruppen an Autorität verloren haben und den Machtwechsel nicht mehr kontrollieren können, so ist die Unsicherheit über die Zukunft relativ hoch und der Ausgang des Prozesses bleibt offen. Am problematischsten sind jedoch die Fälle, bei denen der Übergangsmodus „gemischt“ ist, und wo sich weder eine dominante politische Kraft und Strategie herausbilden kann, noch zum Konsens bezüglich der weiteren Entwicklung kommt. (Karl/Schmitter, S. 282)
So stellt der Transformationstypus im Laufe des Übergangs einen erheblichen Faktor dar, und zwar nicht nur bei der Frage, ob sich daraus eine demokratische Ordnung entwickeln würde, sondern auch was für eine Art von Demokratie das sein wird.
Auf welche Weise der Wandel in ein bestimmtes Land herbeigeführt wird, hängt nicht zuletzt von den dort jeweilig vorhandenen unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen sowie die Verteilung der politischen und ökonomischen Machtressourcen unter ihnen ab. An erster Stelle ist es wichtig zu klären, ob und in welchem Ausmaß es in diesem Land überhaupt oppositionelle Strömungen gibt, oder besser gesagt- gegeben hat, denn diese entstehen meistens noch vor den eigentlichen Umbruch. Sie treten ursprünglich oft als Massenbewegungen ein, aus denen sich dann später im Laufe des Übergangs die neuen Elitengruppen und ersten oppositionellen Parteien herausbilden. Die Existenz von anderen solchen Gruppierungen, außer den alten Regierungseliten, die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Interessen repräsentieren und verteidigen ist eine der ersten Voraussetzungen für die erfolgreiche weitere Demokratisierung.
Hinzu kommt noch die Verteilung der jeweilig verfügbaren politischen und ökonomischen Ressourcen unter den verschiedenen Elitengruppen. Wenn die Ressourcen ungefähr gleich verteilt sind, und keine der Eliten in der Lage ist, ihre Interessen einseitig, auf Kosten der anderen durchzusetzen, dann ist es am wahrscheinlichsten, dass Pakte geschlossen werden. (Merkel 96, S.51)
Karl und Schmitter sind der Meinung, dass die osteuropäischen Transformationen meistens im Raum zwischen „imposion“ und Reform zuzuordnen sind. (ebd. 91, S.280) Trotz der Verhandlungen zwischen alte und neue Eliten an den „Runden Tischen“, die in mehreren Ländern stattfinden, kann keine von denen 100%-ig als paktierten Übergang bezeichnet werden. (im Vergleich- Ungarn kommt am nahesten an so einem Übergang, während Rumänien am weitesten davon entfernt liegt)
Die Art und Weise, auf der die Ablösung des alten Regimes stattgefunden hat, wirkt sich später auf die „institutionelle Architektur“ dieses jeweiligen Staates aus und auf die Qualität der neuen Demokratie. Außerdem wäre es wichtig zu klären, was für eine Rolle die alten Eliten dabei gespielt haben, werden sie überhaupt am Prozess beteiligt und inwieweit können sie bei dem Übergang und die darauf folgenden Verhandlungen (mit-)bestimmen.
Nachdem der Wandel auf die eine oder andere Weise in den unterschiedlichen osteuropäischen Ländern eingeleitet wird, bilden sich in vielen von ihnen die so genannten „Runden Tische“. Dieser Begriff bezeichnet die Verhandlungen zwischen den verschiedenen politischen Akteure, alte und neue Eliten sowie gesellschaftliche Gruppierungen, die im Anschluss an der ersten Übergangsphase stattfinden. Die Runden Tischen kommen nur zustande, wenn die bis dahin betriebene Politik der Konfrontation und Massenmobilisierung zugunsten von Verhandlungen, Kooperation und Kompromissen, also einen gemäßigten Politikstil, aufgegeben wird. (Rüb 01, S. 86) Der Erfolg solcher Verhandlungen hängt auch noch von anderen länderspezifischen Besonderheiten ab. Einerseits sollte darauf geschaut werden wie hoch die Reformwilligkeit der alten Eliten ist, und zum anderen wäre auch die Struktur und Organisationsgrad der oppositionellen Kräfte, inwieweit sie ihre Interessen definieren und verteidigen können, mit zu berücksichtigen. Die Runden Tische stellen einen Mechanismus für die Neuverteilung von politischer Macht dar auf der Grundlage der Anerkennung gegenseitiger Interessen sowie für die Erschaffung der neuen Institutionellen Ordnung, außerdem sind sie auch der Ausgangspunkt für die neue Verfassungsgebung in den meisten Ländern.
In einer demokratischen Gesellschaft wird das wirtschaftliche und politische Handeln durch Institutionen beeinflusst. Sie sind dafür da, um den Interessen unterschiedlicher sozialer Gruppen zu dienen, diese zu schützen sowie neue Regeln zu entwickeln. Sie sind effizient, wenn sie diesen ursprünglichen Zweck erfüllen. Die wichtigste Rolle einer Institution ist die Reduzierung der Unsicherheit mit dem Ziel, den sozialen Interaktionen einen stabilen und verlässlichen Rahmen zu bieten. (Grusewaja 05, S.5-6)
Die Verfassungen sind einer der wichtigsten politischen Institutionen, die „Superinstitution“ einer Gesellschaft. Sie entstehen durch verhandelten Kompromiss widerstreitender gesellschaftlicher Kräfte, die ihre jeweiligen Interessen in institutionelle Formen gießen. (Rüb, S.85/86) Die Verfassungsgebung ist eine gründliche und institutionalisierte Auseinandersetzung und die daran anschließende Entscheidung über einen Katalog von Grund- und Menschenrechte sowie die institutionelle Grundstruktur der politischen Sphäre, und insbesondere das Regierungssystem. Dadurch soll erreicht werden, dass unter zukünftigen, unsicheren und sich wandelnden Bedingungen die demokratische Regierungsfähigkeit aufrechterhalten wird. Die Struktur des Regierungssystems ist die zentrale institutionelle Variable, mit der die Verfassung Politik formt, gestaltet und konstituiert um Bedingungen für die Demokratisierung zu schaffen.
Die Verfassunggebung ist ein Prozess der konkreten und strategischen Entscheidungen von Akteuren in einer gegebenen Machtkonstellation. Die politischen Akteure, die über Institutionen entscheiden, agieren anschließend selbst in ihnen. So hat die Veränderung, Stabilisierung oder Gründung von neuen Institutionen unmittelbare Konsequenzen für die über sie entscheidende Akteure. Das heißt, die politischen Akteure entscheiden über sich selbst- über den zukünftigen Zugang und die Verteilung von Macht sowie die Kontrolle und den Umfang ihrer Ausübung. (ebd., S.66) In dieser Situation kann die momentan vorhandene politische Macht unterschiedlich eingesetzt werden. Wenn sie „investiv“ eingesetzt wird, dann bewirkt sie eine effiziente und dauerhafte Institutionalisierung von Rechte und Verfahren, damit über einen längeren Zeitraum und zukünftig stabile Institutionen zur Verfügung stehen. Dagegen ist die „konsumptiv“ eingesetzte Macht eher auf die Verteilungspolitischen Folgen und auf kurzfristig angelegte Institutionalisierung ausgerichtet. Sie ist von der bestimmten Interessenkonstellation abhängig und zielt die Stabilisierung der Macht einer Person oder eine Gruppe. (ebd., S.129)
So war es an den Runden Tischen der postkommunistischen Länder oft der Fall, dass die Akteure, die die neuen Institutionen und Regeln erschufen, nicht nur „den Selbstthematisierungspotential der Gesellschaft zu entfalten“ versuchten, sondern vorwiegend nach einem Kompromiss der strategischen Interessen zwischen den unterschiedlichen Beteiligtengruppen suchten.
Es bildete sich die so genannte Logik der Machtteilung heraus, die überwiegend zu der Entstehung von einen bestimmten Regierungssystemtypus führte- und zwar waren das die semi- oder premier-presidentialle Regierungssysteme. (Rüb 01, S.84) Es fragt sich dabei welche Motive, Strategien und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure bei der Wahl dieses bestimmten institutionellen Designs mitgewirkt haben? Jede politische Kraft wird diejenige institutionelle Form wählen, die ihre Interessen am besten stützt. Die alte (noch) herrschende kommunistische Elite sieht ihre Normen und Interessen am besten in einem direkt gewählten Präsidenten mit weit reichenden exekutiven Handlungsmöglichkeiten verwirklicht. Da die Kommunisten bei den ersten freien Parlamentswahlen meistens eine Niederlage erwarten, sehen sie den Präsidentenposten als eine Möglichkeit wieder etwas an politischer Macht zu gewinnen. So könnte die Figur des Präsidenten den Gegenpol zu einer starken oppositionellen Regierung und einer von der Opposition dominierte Parlamentsmehrheit darstellen. Im Gegensatz dazu bevorzugen die neuen oppositionellen Eliten eher die parlamentarische Regierungsform, mit einer von der Parlamentsmehrheit abhängigen Regierung, da sie zum einen davon ausgehen, bei den ersten Parlamentswahlen die Gewinner zu werden. Andererseits, gegen die totalitaristische Ideologie (eine Partei-eine Macht), soll dadurch die allzu starke Konzentration von politischer Macht in den Händen einer Person vermieden werden, wie es bei einer präsidentiellen Republik der Fall sein könnte.
In tatsächlich verhandelten Übergängen von Kommunismus zur Demokratie, in denen es zu einem Kompromiss zwischen den politischen Kontrahenten kommt und die unterschiedlichen Normen und Interessen in entsprechenden institutionellen Formen zur Geltung gebracht werden, führt die Logik der Machtteilung meistens zu der Herausbildung von Regierungssysteme mit „bipolare Exekutive“. (Rüb 01, S.90) Das ist einen Regierungstypus, der zwei institutionell verkoppelte Zentren politischer Handlungsfähigkeit vorsieht: einen direkt gewählten, mit einigen legislativen und exekutiven Befugnissen ausgestatteten Staatspräsidenten, der einer vom Vertrauen der Parlament getragenen Kabinettsregierung gegenübersteht. Regierungssysteme solcher Art sehen konstitutionelle Bremsen und Hemmungen, also Machtteilung, vor. Diese ist dann gegeben, wenn „mehrere unabhängige Machtträger oder Staatsorgane an der Ausübung der politischen Macht und an der Bildung des Staatswillens beteiligt sind.“ (Rüb 01, S.113) Dadurch entsteht zwischen den unterschiedlichen Instanzen und ihren Funktionen eine wechselseitige Kontrolle durch die jeweils andere Seite. Auf diese Weise wird auch die Ausübung der politischen Macht kontrolliert. Es sind zwei Untertypen dieses Regierungssystems zu erkennen- das semipräsidentielle Regime und das premier-präsidentielle Regime. Beide Untertypen verfügen über einen direkt, für eine feste Amtsperiode gewählten Staatspräsidenten, dessen Einfluss auf die Regierungsbildung aber signifikant unterschiedlich ist. Seine Machtbefugnisse und Kompetenzen in der semipräsidentiellen Variante fallen deutlich höher aus als bei der premier-präsidentiellen Regime. (ausführlicher, siehe Rüb 01, S.105-07)
Der entstandene Typus Regierungssystem mit seinen Besonderheiten bleibt in der Regel in seiner Grundstruktur langfristig erhalten. Er bestimmt und reguliert die Konflikt- und Konsensprozesse der postkommunistischen Demokratisierungsprozesse und spielt eine bedeutende Rolle bei der Konsolidierung oder Dekonsolidierung demokratischer Institutionen.
Nun, wenn wir versuchen kurz zusammenzufassen, welche Leitfragen und Ansatzpunkte für den weiteren Verlauf der Arbeit sich aus den bisherigen Ausführungen ergeben haben, dann sollte auf jeden Fall der „Transitionstypus“ des jeweiligen Übergangs mitberücksichtigt werden. Dabei werden wir die Hypothese von Karl/Schmitter übernehmen, dass Transformationen durch Pakte meistens die erfolgreichste Variante darstellen, und hinterfragen, ob es sich in unseren Untersuchungsfall um einen paktierten Übergang handelt oder nicht. Dafür wäre es außerdem notwendig, dass man die unterschiedlichen relevanten, am Prozess beteiligten Akteuren definiert sowie auch ihre Rolle, im Laufe der Transformation und die Verteilung der vorhandenen politischen und ökonomischen Machtressourcen unter ihnen. Des Weiteren stellen die Verhandlungen der „Runden Tische“ einen wichtigen strategischen Moment dar, bezüglich der Entstehung eines grundsätzlichen Elitenkonsenses und einen eher gemäßigten Politikstil, die die bis dahin betriebene Politik der Konfrontation ersetzen sollen. Sie sind auch der Ansatzpunkt für den Prozess der Verfassungsgebung, die Herausbildung der institutionellen Architektur und die Form des Regierungssystems. Dadurch entstehen die Konturen des neuen politischen Systems und die zukünftige Rollen- und Ressourcenverteilung zwischen den Beteiligten (Staatspräsident, Parlament, politische Parteien). Die Art und Weise, wie diese relevanten Akteure ihre Strategien definieren und ihre politische Macht einsetzen wirkt sich auf die Stabilität und Effizienz der zukünftigen institutionellen Ordnung sowie das „Design“ des jeweiligen Demokratiesystems.
3. Strategien wirtschaftliche Transformation
Transformationen sind Prozesse, die mehrere Bereiche eines Gesellschaftssystems umfassen können. Die bis hier aufgeführten Veränderungen bezogen sich zum größten Teil auf den politischen Bereich, jedoch, wie weiter oben schon erwähnt, bedürfen nicht nur die politischen Institutionen einer weit reichenden Reorganisation, sondern auch die ökonomischen solchen, denn Demokratie verträgt sich nicht mit zentraler Planwirtschaft. Die Konsolidierung eines demokratischen Regimes bedarf ein hinreichendes Minimum an Marktwirtschaft, das die Infrastruktur, Ausbildung und Versorgung der Bevölkerung gewährleistet. Laut Merkel, (Merkel 96, S.82) hängt die „Breite“ und „Stärke“ der Legitimation eines Regimes nicht an letzter Stelle von seiner ökonomischen Performance ab.
Kein demokratisches Regime wird sich erfolgreich legitimeren können, wenn die soziale und ökonomische Belastung von breiten Bevölkerungsschichten auf Dauer zu hoch bleibt. (*Merkel 96, S. 128-29) Einen Beweis für diesen Zusammenhang stellen ökonomisch besser entwickelte Länder, wie Ungarn, Tschechien oder Slowenien, die auch im Hinblick auf der Konsolidierung der Demokratie einen wesentlichen Vorsprung aufweisen.
An erster Stelle ist es wichtig zu klären, ob das jeweilige Land im vornherein, noch vor dem eigentlichen Übergang, eine Liberalisierung im Wirtschaftsbereich angefangen hat. Dabei gilt es, dass Länder, die vor dem Umbruch wenigstens Teilweise marktwirtschaftliche Mechanismen eingeführt haben bei dem weiteren Verlauf der Transformation einen Vorteil besitzen. (ebd., S.82) Als zweiter Schritt sollten die Strategien wirtschaftlicher Reformtätigkeit und Reorganisation der einzelnen Länder näher betrachtet werden, wobei wir beachten müssen, dass trotz vieler Gemeinsamkeiten, die Einzelheiten bei der Intensität der Durchführung und die zeitliche Sequenzierung der institutionellen und ökonomischen Reformen meistens in den Händen der jeweiligen politischen Akteuren liegen, und von deren strategischen und taktischen Erwägungen abhängig sind. (Merkel 96, S.129)
Am Anfang glaubte man, dass der Übergang von Plan- zu Marktwirtschaft, da politisch steuerbar, relativ problemlos und kurzfristig zu erfüllen ist. Es wäre ausreichend die dafür benötigten neuen institutionellen Formen, nach dem Vorbild der modernen westlichen Industriegesellschaften, in den jeweiligen Transformationsländern zu übertragen und zu „installieren“ (Stojanov, S 67-8) Eine solche Sichtweise ließ jedoch die unterschiedliche Ausgangssituation der jeweiligen postkommunistischen Gesellschaften sowie deren Charakteristika und Gegebenheiten außer Acht. Die Implementierung der neuen institutionellen Formen und deren Funktionsfähigkeit erwiesen sich problematischer als ursprünglich gedacht wurde. Die vom Staat neu geschaffenen institutionellen Regeln und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen können nicht von alleine ihren Zweck erfüllen. Sie bedürfen erstmal der Akzeptanz und Interpretation der gesellschaftlichen und politischen Akteure um wirksam zu werden. (Stojanov, S.68) Daraus ergibt sich die, auch für unsere Fragestellung relevante Problematik einer erfolgreichen Strategie ökonomischer Reformtätigkeit. In den folgenden Kapiteln versuchen wir deswegen die relevanten politischen und ökonomischen Akteure zu definieren, die durch deren Handlungen den Reformprozess eventuell fördern oder behindern könnten. Zusätzlich sollten auch weitere Voraussetzungen und Faktoren herausgearbeitet werden, die den Verlauf und Erfolg von wirtschaftlichen Transformationsprozessen mit beeinflussen. Als erstes wollen wir zwei klassische Strategien der Wirtschaftstransformation kurz vorstellen und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede hervorheben. Anschließend wird versucht anhand des ökonomischen „J-Kurve-Modells“, und besonders dessen Interpretation durch J. Hellmann für den Fall der postkommunistischen Länder, den Erfolg dieser verschiedenen Reformstrategien zu überprüfen sowie die Kosten und Nutzen der implementierten Reformen zu erfassen.
3.1 „Schocktherapie vs. Gradualismus“
Der Zusammenbruch der sozialistischen Gesellschaftsordnungen in Osteuropa Ende der 80-er Jahre traf die Wirtschaftswissenschaftler weitgehend unvorbereitet. So mussten diese im Angesicht der Notwendigkeit, Handlungsvorschläge für die politischen Entscheidungsträger zu generieren, sich oft mit theoretisch wenig fundierten ad hoc- Hypothesen verhelfen. Vor allem die Dichotomie „Gradualismus vs. Schocktherapie“ und damit verknüpfte eher metaphorische Begründungen prägte das Denken vieler Ökonomen und der von ihnen beratenen Politiker. (Oberender 03, S.1)
Aus neoliberaler Sicht bedingt die Einführung einer dezentralen Marktwirtschaft eine grundlegende Entkoppelung wirtschaftlicher und staatlicher Strukturen. Deswegen sollten die, für die Marktkoordination erforderlichen Basisinstitutionen wie Wettbewerbsrecht, Durchsetzung privater Verträge und Eigentumstitel, „rule of law“ usw., zumindest in ihren Grundzügen schon vor der eigentlichen Transformation implementiert werden.
Die Institutionenbildung an sich, da politisch steuerbar, wird als relativ unproblematisch gesehen und deswegen gar nicht thematisiert. Die Transformationsdebatte konzentriert sich stärker auf die Geschwindigkeit und die Reihenfolge der nachfolgenden Maßnahmen - das Sichern von freier, wettbewerbsgesteuerter Märkte, deren Gleichgewicht, unterschiedlichen Maßnahmen zur Stabilisierung, Liberalisierung und Privatisierung.
Die Durchführung dieser Reformschritte bedarf eines gewissen gesellschaftlichen Konsenses hinsichtlich des Übergangs zur Marktwirtschaft. In den meisten traditionellen Analyseansätzen wird dieser meist als gegeben unterstellt und nicht sonderlich thematisiert. Es werden lediglich die soziale Anpassungs- oder Reformkosten berücksichtigt, die potentiell die Akzeptanz senken könnten, aber angesichts der aus dem kommunistischen System ererbten strukturellen Blockaden als unvermeidlich gelten. Optimale Transformations-strategien sollten in dem Sinne diese Anpassungslasten möglichst gering und zeitlich begrenzt halten. Da der Kostenanfall als Funktion der Transformationsgeschwindigkeit angesehen wird, konzentriert sich die Debatte auf die beiden grundsätzlichen Zeitalternativen Schocktherapie und Gradualismus. (ebd., S.8)
Indem man von der Annahme ausgehet, dass der Markt nur dann allokativ optimale Ergebnisse erzielen kann, wenn auf sämtlichen Märkten freie Preisbildung möglich ist, lässt die neoklassische Theorie nur den Schluss zu, die Marktwirtschaft und alle dazugehörigen Institutionen in einem einzigen großen Schritt einzuführen, einer Art „Stunde Null“ (ebd., S.10) Das ist in der Praxis natürlich nicht möglich, vielmehr hat jeder einzelner Schritt eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit. Je nach Ressourcen, Vorbereitungsaufwand und Wissen können die einzelnen Reformschritte unterschiedlich viel Zeit benötigen, das führt zu gewisse temporäre Inkonsistenzen in den formal-institutionellen Arrangements. Ziel der Schocktherapie ist es diese Inkonsistenzen möglichst gering zu halten. (ebd., S. 11) Begünstigend für dieses schnelle Vorgehen in der Anfangsphase wirkt die Bereitschaft der Bevölkerung und Politiker weitgehenden Änderungen zu unterstützen, das so genannte „window of opportunity“ infolge des Legitimitätsverlustes der alten Ordnung. Außerdem ermöglichen die schnellen Reformschritte, dass der Übergang zu Marktwirtschaft konsequenter vollzogen wird. Gleichzeitig erhöht die Radikalität der Reformen auch deren Glaubwürdigkeit und dadurch auch die Neigung in- und ausländischer rationaler Akteure langfristigen Investitionen zu tätigen.
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- Quote paper
- Boriana Chichkova (Author), 2006, Der Transformationsprozess in Bulgarien. Politische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69067
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