In dem 1992 erschienenem Band „Faktizität und Geltung“ konkretisierte Jürgen Habermas erstmals seine Vorstellungen vom Ideal einer funktionierenden Demokratie und versuchte mit der Theorie der Demokratie durch Deliberation die politischen Beschlüsse wieder verstärkt an die Betroffenen zurückzubinden. Ausgangspunkt seiner Theorie ist eine Kritik an den bestehenden Demokratien. Habermas ist der Meinung, dass die Bürger über keine vollständigen, informierten und logisch konsistenten politischen Überzeugungen verfügen.3 Für ihn ist es natürlich unverantwortlich politische Entscheidungen von derartigen Ansichten abhängig zu machen. Aus diesem Grund sollte jeder Bürger möglichst aktiv am politischen Leben teilnehmen, damit er sich einerseits mit der gegebenen Demokratie und den politischen Entscheidungen identifizieren kann und andererseits damit er das Interesse der gesamten Gemeinschaft berücksichtigt, da er im politischen Prozess seine eigenen Beschränkungen und Interessen kennen lernt und somit politisch dazulernt.3 Des Weiteren soll seine Theorie zur Überwindung der seiner Meinung nach bestehenden Diskrepanz zwischen Verfassungsideal und -realität dienen. Dabei geht es ihm um die prinzipielle Verknüpfung von Theorie und Praxis.
Im Mittelpunkt der Demokratiekonzeption Habermas’ steht der Versuch, die Prinzipien seiner Diskursethik auf das Modell deliberativer Politik zu übertragen, um sie somit im politischen Bereich real nutzbar zu machen. Voraussetzung für die Legitimität von Regeln und Gesetzen ist die Teilnahme aller möglichen Betroffenen an einem rationalen Diskurs.3 In einer pluralistischen Gesellschaft ist dies jedoch schwer umsetzbar, deshalb dient hier als Legitimationsquelle nur noch der freie Austausch von Argumenten und die Hoffnung auf einen Konsens.3
Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen allgemeinen Überblick über das deliberative Demokratiemodell von Jürgen Habermas. Danach folgt der Vergleich dieses Modells mit dem Liberalismus und dem Republikanismus, da Habermas’ Konzeption deliberativer Politik häufig als die Mitte dieser beiden Richtungen bezeichnet wird. Anschließend werden die verschiedenen Argumente der Deliberationsgegner aufgezeigt und beleuchtet. Zum Schluss folgt eine Zusammenfassung der Arbeit sowie ein Ausblick in die Inhalte der weiterführenden Debatte deliberativer Politik.
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung
2. Einleitung
3. Das Modell deliberativer Demokratie
4. Vergleich
4.1. Liberalismus
4.2. Republikanismus
4.3. Vergleich Diskurstheorie – Liberalismus - Republikanismus
5. Kritik
6. Schluss
8. Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur:
Internetquellen:
1. Hinführung
Die Diskussion über Demokratie geht aus der umfassenden Tradition der politischen Philosophie hervor. Bei den diskutierten Ansätzen handelt sich daher in der Regel um demokratietheoretische Konsequenzen umfassender philosophischer Konzeptionen. Diese lassen sich in zwei dominierende Gruppen unterteilen: (a) Die erste Theoriegruppe geht davon aus, dass gesellschaftliche Analysen bei den einzelnen Akteuren beginnen müssen „und sich kollektive Zusammenhänge von der Interaktion interessenabgleichender Individuen ableiten lassen.“[1] Demokratie versucht also, im Konflikt zueinander stehende Interessen auszugleichen, ohne sie vorher zu sortieren. Derartige Theorien werden als liberal beschrieben. Carlos Santiago Nino unterscheidet fünf liberale Denkrichtungen: utilitaristisch, ökonomisch, elitedemokratisch, pluralistisch und konsenstheoretisch. Der Autor Guido Palazzo sieht noch mindestens zwei weitere Theorien in der liberalen Tradition: die empirische und die systemtheoretische. (b) Die zweite Theoriegruppe geht vom Gegenteil aus und beginnt bei der Vorstellung eines überlieferten Gemeinwesens, in das man hineingeboren wird und das Verhalten und Urteilen weitgehend bestimmt. Derartige Gesellschaften, in denen sich die individuellen Interessen zu einem allgemeinen Willen zusammenfassen lassen, sind also begrüßenswert. Theorien dieser Art werden als republikanisch beschrieben.
Aus je unterschiedlichen Gründen bleiben die liberalen und republikanischen Modelle nicht nur für Habermas unbefriedigend. Demzufolge entstand die Alternative eines deliberativen Demokratiemodells.
Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll zunächst einige Begriffe zu klären. Unter Deliberation versteht man die öffentliche Kommunikation über politische Fragen in Gremien, auf Versammlungen und in der Medienöffentlichkeit. Ziel dieses gesellschaftlichen Diskurses ist, dass die Beteiligten ihre Kompetenzen und Fähigkeiten als Bürger ausbauen und wahrnehmen. Aus diesem Engagement der Bürger kann sich eine größere Legitimität im demokratischen System ergeben. Grundbausteine der Deliberation sind Interessengruppen, Bürgerinitiativen und Verbände. Das dazugehörige Verb deliberieren heißt soviel wie überlegen oder beratschlagen.
Ziel des Deliberierens ist die grundsätzliche Verständigung über ein Problem. Hier steht nicht die rhetorische Geschicklichkeit oder Schlagfertigkeit im Vordergrund, sondern der Verständigungsprozess über ein Problem an dessen Ende eine kreative Lösung stehen sollte.[2] Der im Folgenden oft verwendete Begriff Diskursethik beschreibt ein Programm, in dessen Zentrum Kommunikation in Form eines herrschaftsfreien und rational-argumentativen Dialogs steht, der die gerechtfertigten Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigt. Voraussetzung ist, dass jeder das Recht hat, am Diskurs teilzunehmen und jede aufgestellte Behauptung zu hinterfragen.
2. Einleitung
In dem 1992 erschienenem Band „Faktizität und Geltung“ konkretisierte Jürgen Habermas erstmals seine Vorstellungen vom Ideal einer funktionierenden Demokratie und versuchte mit der Theorie der Demokratie durch Deliberation die politischen Beschlüsse wieder verstärkt an die Betroffenen zurückzubinden. Ausgangspunkt seiner Theorie ist eine Kritik an den bestehenden Demokratien. Habermas ist der Meinung, dass die Bürger über keine vollständigen, informierten und logisch konsistenten politischen Überzeugungen verfügen.[3] Für ihn ist es natürlich unverantwortlich politische Entscheidungen von derartigen Ansichten abhängig zu machen. Aus diesem Grund sollte jeder Bürger möglichst aktiv am politischen Leben teilnehmen, damit er sich einerseits mit der gegebenen Demokratie und den politischen Entscheidungen identifizieren kann und andererseits damit er das Interesse der gesamten Gemeinschaft berücksichtigt, da er im politischen Prozess seine eigenen Beschränkungen und Interessen kennen lernt und somit politisch dazulernt.[3] Des Weiteren soll seine Theorie zur Überwindung der seiner Meinung nach bestehenden Diskrepanz zwischen Verfassungsideal und -realität dienen. Dabei geht es ihm um die prinzipielle Verknüpfung von Theorie und Praxis.
Im Mittelpunkt der Demokratiekonzeption Habermas’ steht der Versuch, die Prinzipien seiner Diskursethik auf das Modell deliberativer Politik zu übertragen, um sie somit im politischen Bereich real nutzbar zu machen. Voraussetzung für die Legitimität von Regeln und Gesetzen ist die Teilnahme aller möglichen Betroffenen an einem rationalen Diskurs.[3] In einer pluralistischen Gesellschaft ist dies jedoch schwer umsetzbar, deshalb dient hier als Legitimationsquelle nur noch der freie Austausch von Argumenten und die Hoffnung auf einen Konsens.[3]
Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen allgemeinen Überblick über das deliberative Demokratiemodell von Jürgen Habermas. Danach folgt der Vergleich dieses Modells mit dem Liberalismus und dem Republikanismus, da Habermas’
Konzeption deliberativer Politik häufig als die Mitte dieser beiden Richtungen bezeichnet wird. Anschließend werden die verschiedenen Argumente der Deliberationsgegner aufgezeigt und beleuchtet. Zum Schluss folgt eine Zusammenfassung der Arbeit sowie ein Ausblick in die Inhalte der weiterführenden Debatte deliberativer Politik.
3. Das Modell deliberativer Demokratie
Das Modell der Deliberation basiert auf der Idee der Verschränkung von dialogischer und instrumenteller Politik unter der Voraussetzung der hinreichenden Institutionalisierung der entsprechenden Kommunikationsformen.[4]
Hier kommt es also auf die Kommunikationsbedingungen und Verfahren an, die der institutionalisierten Meinungs- und Willensbildung ihre legitimierende Kraft verleihen.[4]
Eine holistische Vorstellung des gesellschaftlichen Ganzen ist für Habermas angesichts der Realitäten des marktgesteuerten Wirtschaftssystems und des machtgesteuerten Verwaltungssystems nicht mehr denkbar. Indem er die gegebene Realität akzeptiert, schränkt er die Forderung von demokratischer Öffentlichkeit als politische Beteiligung aller, wie er sie in seinen früheren Schriften noch verteidigte, ein.
Die neueren Schriften Habermas’ konzentrieren sich verstärkt auf die Problematik des Spannungsverhältnisses zwischen Rechtsstaat und Demokratie. Innerhalb der Demokratietheorie gilt die Prioritätssetzung von politischer Freiheit oder Gleichheit als scheinbar widerstrebende Momente als bislang ungelöste Thematik. Habermas antwortet auf die Frage, ob der „demokratische Rechtsstaat“ eine paradoxe Verbindung widersprüchlicher Prinzipien darstelle, mit seiner diskurstheoretischen Erklärung der Gleichursprünglichkeit von Demokratie und Rechtsstaat, die er normativ im Modell deliberativer Demokratie verwirklicht sieht. Nach Habermas’ Auffassung resultiert die Gleichursprünglichkeit beider Prinzipien daraus, dass sich private und öffentliche Autonomie gegenseitig bedingen und erfordern. Die Staatsbürger und Staatsbürgerinnen könnten nur dann Gebrauch von ihrer durch politische Rechte garantierten öffentlichen Autonomie machen, wenn sie in ihrem privat-autonomen Lebensbereich unabhängig und geschützt sind, so Habermas.[5] Und andersrum kommen die Gesellschaftsbürger und Gesellschaftsbürgerinnen wiederum nur in den Genuss ihrer gleichmäßigen Privatautonomie, wenn sie von ihrer öffentlich-politischen Autonomie als Staatsbürger und Staatsbürgerinnen angemessen Gebrauch machen.[5] Somit stehen nach Habermas Demokratie und Rechtsstaat, öffentliche und private Autonomie, in reziproker Beziehung materialer Implikation, jede von beiden zehrt also an den Ressourcen, die sie füreinander darstellen.[6] Habermas versteht sich selbst in der Tradition eines Kantischen Republikanismus, der davon ausgeht, dass die Idee der Menschenrechte dem Prozess einer vernünftigen Willensbildung selbst innewohnt. Nach dieser Auffassung ist das Grundrecht die Antwort auf Anforderungen an eine politische Kommunikation unter Fremden, die die Vermutung auf rational akzeptable Ergebnisse begründet. Nach Habermas gewinnt die Verfassung dann einen prozeduralen Sinn, wenn sie es ermöglicht Kommunikationsformen einzurichten, welche je nach Regelungsbedarf und spezifischer Fragestellung für den öffentlichen Gebrauch von Vernunft und einen fairen Interessenausgleich sorgen. Das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Rechtsstaat sieht Habermas alsdann in einem prozeduralen Verständnis der Volkssouveränität und eines dynamischen Verfassungsprojektes aufgelöst.[6]
[...]
[1] Guido Palazzo : Die Mitte der Demokratie : Über die Theorie deliberativer Demokratie von Jürgen Habermas. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2002. S. 14
[2] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Deliberieren
[3] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Deliberative_Demokratie
[4] Vgl. Jürgen Habermas: Die Einbeziehung des Anderen: Studien zur politischen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996. S. 285
[5] Vgl. ebd. S. 301 f
[6] Vgl. Bettina Lösch: Deliberative Politik: Moderne Konzeption von Öffentlichkeit, Demokratie und politischer
Partizipation. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2005. S. 157
- Quote paper
- Katrin Schrimpf (Author), 2006, Das Modell deliberativer Demokratie von Habermas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69046
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