In der in allen Medien omnipräsenten Reklame muß man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass in einer Zeit, in der der Mensch sich nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sieht von wilden Tieren gefressen zu werden, kleinste Bakterien und Mikroben die größten Feinde des Menschen sind, und es deshalb gilt diese unter Zuhilfenahme der im Fernsehen angebotenen Sprays, Tücher und Putzmitteln zu vernichten. Neben den die Menschen verfolgenden Mikroben und Bakterien gelten auch menschliche Gerüche in der modernen zivilisierten Gesellschaft als nicht tragbar weshalb die ebenfalls, neben der Putz- und Reinigungsmittelindustrie, sehr große Branche der Kosmetik- und Körperpflegehersteller ihre ständig wachsende Produktpalette der Öffentlichkeit vorstellen. Neben Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten etc. geben die Menschen in den entwickelten Ländern auch noch für Wasch- und Spülmittel unheimliche Summen aus1.
Im Prozeß der Zivilisation haben sich im Rahmen der Verfeinerung der Sitten und Umgangsformen sowie der Affektreduktion in maßgeblicher Weise die Tischmanieren, Reinigungs- und Körperpflegegewohnheiten sowie das verrichten von Geschäften in eine Richtung verändert, die wir heute aus medizinischer Sicht als hygienischer bezeichnen, als dass was zuvor der Fall war. Aus verschiedenen Zeitdokumenten geht hervor, dass dabei zwischen prophylaktischen Maßnahmen, die der Verhütung von Krankheiten wie insbesondere Pest und Cholera, sowie zwischen Veränderungen dieser Gewohnheiten, die alleine der Unterstreichung der eigenen gesellschaftlichen Position dienen sollen, unterschieden werden kann. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich versuchen neben den Ursachen die zu solchen „hygienisierten“ Verhaltensweisen führten auch die Fortführung dieses zivilisatorischen Prozesses in die heutige Zeit zu verfolgen.
Inhalt
I Einleitung
II.1 Die Verfeinerung der Tischmanieren
II.2 Körperpflege
II.3 Gesundheitsprävention durch Hygiene
III Hygienisierung der Lebenswelt
IV Fazit
V Bibliographie
I Einleitung
In der in allen Medien omnipräsenten Reklame muß man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass in einer Zeit, in der der Mensch sich nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sieht von wilden Tieren gefressen zu werden, kleinste Bakterien und Mikroben die größten Feinde des Menschen sind, und es deshalb gilt diese unter Zuhilfenahme der im Fernsehen angebotenen Sprays, Tücher und Putzmitteln zu vernichten. Neben den die Menschen verfolgenden Mikroben und Bakterien gelten auch menschliche Gerüche in der modernen zivilisierten Gesellschaft als nicht tragbar weshalb die ebenfalls, neben der Putz- und Reinigungsmittelindustrie, sehr große Branche der Kosmetik- und Körperpflegehersteller ihre ständig wachsende Produktpalette der Öffentlichkeit vorstellen. Neben Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten etc. geben die Menschen in den entwickelten Ländern auch noch für Wasch- und Spülmittel unheimliche Summen aus[1].
Im Prozeß der Zivilisation haben sich im Rahmen der Verfeinerung der Sitten und Umgangsformen sowie der Affektreduktion in maßgeblicher Weise die Tischmanieren, Reinigungs- und Körperpflegegewohnheiten sowie das verrichten von Geschäften in eine Richtung verändert, die wir heute aus medizinischer Sicht als hygienischer bezeichnen, als dass was zuvor der Fall war. Aus verschiedenen Zeitdokumenten geht hervor, dass dabei zwischen prophylaktischen Maßnahmen, die der Verhütung von Krankheiten wie insbesondere Pest und Cholera, sowie zwischen Veränderungen dieser Gewohnheiten, die alleine der Unterstreichung der eigenen gesellschaftlichen Position dienen sollen, unterschieden werden kann. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich versuchen neben den Ursachen die zu solchen „hygienisierten“ Verhaltensweisen führten auch die Fortführung dieses zivilisatorischen Prozesses in die heutige Zeit zu verfolgen.
II.1 Die Verfeinerung der Tischmanieren
Der Zivilisationsprozeß manifestiert sich häufig in der Kultur; Und im Rahmen einer Betrachtung der Veränderungen im Bereich der Hygiene, Gesundheit und Sauberkeit ist es deshalb Sinnvoll sich unter anderem die Veränderung der Verhaltensmodellierungen bei Tische anzusehen.
Bei der Verfeinerung der Tischmanieren stehen rationale Begründungen, die heute zumindest zum Teil, wenn sie auch selbst nicht immer ganz rational sind[2], häufig herbeigeführt werden, zu Beginn der Veränderungen der Sitten und Gebräuche des Essens eher im Hintergrund. Zunächst sind die Gründe, die für ein gutes bzw. schlechtes Benehmen sprechen, rein gesellschaftlich definiert. So wird schlechtes Benehmen im Rahmen der damaligen Zeit zunächst als nicht „courtois“ also nicht höfisch bezeichnet[3]. Eher selten wird in Benimmregeln direkt auf die Peinlichkeitsschwelle der Anderen verwiesen[4]. Vermutlich wurden diese Prozesse in Gang gesetzt um ein gewissen Grad an Distinktion vom einfachen Volk zu erreichen[5], in Anlehnung an ähnliche Distinktionsprozesse in den weltlichen Oberschichten die unter Anderem die äußerliche Sauberkeit als Merkmal aufwiesen[6]. In folge dessen ließ sich beobachten, dass die Verhaltensweisen und das Benehmen in den adeligen Schichten Europas sehr viel homogener war als das der einzelnen Schichten innerhalb eines begrenzten Raumes[7].
Dabei liegen diesen Veränderungen keinerlei rationale Begründungen zu Grunde, sondern es werden diese eher erst im Nachhinein herangeführt um die veränderte Affektlage zu rechtfertigen, ja sogar sie voranzutreiben und zu verfestigen[8]. Folglich sind Hygienisierungsprozesse im Rahmen der Veränderung der Tischmanieren eher zufällig in Gang gekommen.
Das Messer und dessen Gebrauch ist so in der abendländischen Gesellschaft zunehmend mit Verboten versehen worden, obwohl rein rational betrachtet keine besondere Gefährlichkeit von ihm ausgeht und die Wahrscheinlichkeit sich zu verletzen als Vernachlässigbar anzusehen ist. So ist es auch hier mehr der symbolische Wert des zum Munde geführten Messers, der aufgrund seiner emotionalen Wertigkeit schließlich dazu führt, dass sich eine Wandlung beim Benehmen einstellt[9].
Schließlich stellt Elias heraus, daß die Einführung der Gabel, die der Tabuisierung des Gebrauches des Messers bei Tisch vorausgeht, sich zunächst weniger aus hygienischen Gründen oder aus der Veränderung der Affektlage, als vielmehr aus den Standards höfischen Benehmens erklären läßt. Der Siegeszug der Gabel als Eßwerkzeug wird schließlich begünstigt durch den zunehmenden Sauberkeitsanspruch und dem daraus resultierenden peinlichen Gefühl sich die Finger schmutzig zu machen[10], welches wiederum den Rückschluß auf die Veränderung von Affekt- und Peinlichkeitsstandards im Rahmen des Zivilisationsprozesses in Form von veränderten Tischmanieren erlaubt[11].
Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts tritt ein Wandel in der Begründung der Notwendigkeit gewisser Verhaltensweisen bei Tisch ein, in Folge dessen Dinge wie das Nasepopeln bei Tisch nicht länger nur als Unhöflichkeit anderen gegenüber gilt, sondern auch als Gesundheitsschädlich dargestellt wird[12].
II.2 Die Körperpflege
Sauberkeit und Reinlichkeit sind im Laufe der Zeit zu immer größerer Bedeutung gekommen. Unsaubere Menschen findet man heute nur noch in ganz tiefen sozialen Milieus (meistens in der Gestalt von Bettlern). Reinlichkeit ist dabei kein Gesprächsthema, es sei denn jemand fällt durch besondere Unsauberkeit, ja selbst nur durch Ungepflegtheit auf. Man hat sauber zu sein und damit ist Sauberkeit eine grundlegende Verhaltensanforderung unserer Gesellschaft[13]. Demnach ist der Anspruch auf Sauberkeit, den die Bürger in hochentwickelten Gesellschaften aneinander stellen, mittlerweile so tief verwurzelt, daß es sich bei dem den meisten Menschen innewohnenden Bedürfnis nach Sauberkeit um einen, aus Fremdzwang und sozialer Kontrolle entstandenen, Selbstzwang handelt[14]. Das es sich hierbei, wenn auch nicht um einen bei allen Menschen gleichermaßen ausgeprägten, Selbstzwang handelt wird deutlich, in dem Bedürfnis sich auch dann zu waschen, wenn man sozialer Kontrolle entzogen ist. Dabei ist diese Affektlage, über die die Menschen in zivilisierten westlichen Industrienationen verfügen, nur ein Punkt auf der Zivilisationskurve des Waschens und Badens, die nicht immer ganz geradlinig verlaufen ist.
[...]
[1] So ergibt das Wägungsschema des Statistischen Bundesamtes, dass zur Berechnung der Inflation herangezogen wird (Warenkorb) folgendes : Ausgaben in Prozent des Einkommens : Körperpflege: 2,756%, Aufwendungen für Waschmittel etc. : 0,413 % = 3,169 %. D.h., dass jeder Bundesbürger ca. 3 % seines Bruttoeinkommens für Waren und Dienstleistungen ausgibt, die der Reinlichkeit des Selbst und der Wohnung etc. dienen sollen. Dabei sind die Anschaffungs- und Unterhaltskosten für Waschmaschinen, Geschirrspüler, Spülwasser etc. noch nicht eingerechnet. (Quelle : http://www.destatis.de/download/d/preis/waegsch02.pfd ) Ausdruck siehe Anhang A.
[2] Goudsblom, S. 220 ff.
[3] Elias Bd.1, S. 245
[4] ibid, S. 245
[5] Zwar hat Bourdieux die Distinktion nicht historisch erläutert, jedoch kann man wohl davon ausgehen, dass die herrschende Adelsschicht neben Kleidung, Freizeitgestaltung, Sprache etc. sich auch und vor allem über ihre Umgangsformen (courtly love etc.) definierte und vorm Volk absetzte. Vgl. Bourdieux, S. 104 ff.; Elias Bd1, S. 258
[6] Vigarello, S. 97
[7] Elias Bd. 1, S. 249
[8] ibid., S. 247
[9] Elias Bd. 1, S. 257
[10] Goudsblom, S. 220
[11] Elias, Bd. 1, S. 170 ff.
[12] Goudsblom, S.221
[13] Frey, S. 11
[14] Goudsblom, S. 222
- Arbeit zitieren
- Timm Gehrmann (Autor:in), 2005, Zivilisation und Hygiene, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68984
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