Es wird allgemein angenommen, dass der Aufstieg der italienischen Städte, der im 12. Jahrhundert begann, die Grundlage für das Wachstum des europäischen Handels bildete. Der Erfolg dieser Städte basierte auf politischen Systemen, die ihnen die nötigen militärischen und Handels-Infrastrukturen boten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Die Frage, wie diese strukturellen und institutionellen Voraussetzungen in den Städten Genua und Florenz genau aussahen, ist das Thema dieser Arbeit. Zuerst soll in einem allgemeinerer Teil kurz die Entwicklung der „Commercial Revolution“ skizziert werden, ehe sich der Hauptteil detailierter mit den Beispielen Genua und Florenz befasst. Zum Schluss sollen vergleichend Parallelen und Unterschiede zwischen den beiden Systemen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Commercial Revolution und Aufstieg der Städte
2 Transportmittel und -kosten
Landweg
Seeweg
3 Geschichte und politisches System Genuas im Hoch- und Spätmittelalter
Politisches System
Wirtschaftliche Faktoren
4 Geschichte und politisches System von Florenz im 13. und 14.Jh
Politisches System
Wirtschaftliche Faktoren
Fazit
Literatur
Einleitung
Es wird allgemein angenommen, dass der Aufstieg der italienischen Städte, der im 12. Jahrhundert begann, die Grundlage für das Wachstum des europäischen Handels bildete.[1] Der Erfolg dieser Städte basierte auf politischen Systemen, die ihnen die nötigen militärischen und Handels-Infrastrukturen boten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen.[2] Die Frage, wie diese strukturellen und institutionellen Voraussetzungen in den Städten Genua und Florenz genau aussahen, ist das Thema dieser Arbeit. Zuerst soll in einem allgemeinerer Teil kurz die Entwicklung der „Commercial Revolution“ skizziert werden, ehe sich der Hauptteil detailierter mit den Beispielen Genua und Florenz befasst. Zum Schluss sollen vergleichend Parallelen und Unterschiede zwischen den beiden Systemen aufgezeigt werden.
1 Commercial Revolution und Aufstieg der Städte
Der ökonomisch-kommerzielle Aufstieg der Städte, vor allem der nord- und mittelitalienischen Städte, leitete das Entstehen der modernen Kultur und Zivilisation ein und begründete deren städtisch-kapitalistischen Charakter.[3]
Stadtgründungen bzw. eine enorme Expansion der existierenden Städte waren Hauptelemente der europäischen “Commercial Revolution”. Die Expansion führte oft dazu, dass neue Stadtmauern errichtet werden mussten. Vom 11.Jh. war der internationale Fernhandel der größte Wirtschaftssektor, gefolgt von der Textilproduktion und der Bauindustrie. Der internationale Handel umfasste neben Nahrungsmitteln und Gewürzen vor allem Textilien. Dies entspricht der Grundstruktur der Nachfrage, die sich v.a. auf Nahrung, Kleidung und Gebäuden basiert. Die führenden Regionen, in denen sich diese Expansion vollzog, waren Norditalien und Flandern, später auch die Hansestädte im Nord- und Ostseeraum.[4]
Die italienischen Städte profitierten dabei v.a. von der römischen Tradition der städtischen Strukturen, die im Frühmittelalter zwar in den Hintergrund getreten, aber nicht völlig vergessen worden war und von ihrer geographischen Nähe zu Westasien und Nordafrika und damit den hoch entwickelten Regionen des Byzantinischen Reiches und der arabischen Welt.
Auch für Flandern war die geographische Lage entscheidend, weil es die Brücke zwischen dem europäischen Kontinent und den Britischen Inseln bildete und weil sich viele Handelswege zwischen Nordsee und Atlantikküste dort kreuzten; es entwickelte sich dort recht früh Textilindustrie, die qualitativ hochwertige Wolle aus England verarbeitete.
In Italien stand vor allem der Handel und alle dazu notwendigen Sektoren im Fokus, so waren Schiffbau und Finanzen bedeutende Faktoren der italienischen Wirtschaft dieser Zeit.[5]
2 Transportmittel und -kostenTransportmittel und -kosten
Landweg
Im Laufe der “Commercial Revolution” wurde der Transport von Gütern auf dem Landweg wegen des schlechten Zustandes der Straßen zunehmend auf den Seeweg verlagert. Über Land wurden in dieser Zeit die Verbindungen zwischen den Städten nicht über große Hauptstraßen ausgebaut, sondern in einem Netzwerk mehrerer kleinerer Pfade, die bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten auf einem Weg, wie z.B. durch Krieg, hohe Zölle, oder schlechtem Wetter Alternativen boten.
Der (Aus-)Bau dieses Netzwerkes wurde von privaten halb-kommerziellen, halb-religiösen Organisationen zu minimalen Kosten durchgeführt. Als Folge dieser Entwicklung wurden als Transportmittel zum Großteil Maultiere eingesetzt, da die neuen, kleineren Wege für schwere Karren nicht befahrbar waren und die Tiere weniger Probleme bei der Überquerung zerklüfteter Gebirgspässe hatten. Infolgedessen gab es auf dem Gebiet der Zucht von Maultieren mehr Innovationen und Erfindungen wie das Hufeisen. Die Anzahl von Maultieren stieg, ihr Preis fiel.
Insgesamt jedoch blieb der Transport auf dem Landweg das Geschäft kleinerer Unternehmer, es entstanden keine großen Handelskompanien.[6]
Seeweg
Der Seeweg bot dagegen breitere Perspektiven. Der Transport mit Schiffen war weit weniger kostspielig. Der Schiffbau wurde zu einem eigenen Geschäftszweig. Infolgedessen standen Schiffseigentümer, Schiffskapitän und Fernhandelskaufmann zunehmend auf einer Stufe. Die spätmittelalterlichen Herrscher waren auf die Kooperation mit den Schiffseignern angewiesen und behandelte sie auf ähnliche Weise wie die Geldgeber für Militär und Handel.
Die Seeleute waren in der Regel insofern am Gewinn beteiligt, als dass sie Fracht mitnehmen konnten und ihr Lohn entsprechend dem Gewinn aufgebessert wurde. Der soziale Aufstieg der Seeleute, die in den Zeiten knapper Arbeit des Früh- und Hochmittelalters Unfreie gewesen waren, zu freien Bürgern und Geschäftsleuten ist eine zentrale Folge des Bedeutungszuwachses der Seefahrt und der Zunahme von Kapital in diesem Sektor.[7]
3 Geschichte und politisches System Genuas im Hoch- und Spätmittelalter
Politisches System
Im Jahre 1096 organisierten sich die Genueser in einer so genannten Commune und schworen einen Eid, in dem sie sich zu gegenseitigem Schutz und Hilfe verpflichteten. Das Heilige Römische Reich konnte trotz seines territorialen Anspruchs auf die Stadt de facto nie die Kontrolle über sie ausüben.[8] Im 12. und 13. Jahrhundert gelang es der Stadt, ein Handelsimperium aufzubauen, das sich über den gesamten Mittelmeerraum vom Schwarzen Meer bis Spanien und darüber hinaus erstreckte. Genua war im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit in viele Kriege verwickelt, was dazu führte, dass die Stadt einige Male ihre politische Unabhängigkeit aufgeben und sich unter die Herrschaft Fremder begeben musste. Auch innerhalb des Systems gab es bald Konflikte, die meist nach Phasen wirtschaftlichen Wachstums auftraten oder wenn keine größere äußere Gefahr drohte. Langfristig führten diese Konflikte zum Niedergang der Stadt, die jedoch noch bis 1798 als eine politische Einheit existierte.[9]
Die Stadt wurde anfangs von zwei Konsuln und nach 1194 von einer oder mehreren Exekutiven und einen Rat der Rektoren regiert.[10] Die politischen Führer wurden in der Regel von einer Oligarchie gewählt und waren an das Gesetz gebunden.[11] Es gab weder eine geschriebene Verfassung noch klar definierte Kompetenzabgrenzungen zwischen den legislativen, exekutiven und judikativen Organen. Stattdessen orientierte man sich bei Überschneidungen zwischen den Gewalten an traditionellem Gewohnheitsrecht.[12]
In der Zeit zwischen 1096 und 1194 wurde Genua von vier bis acht consuli del commune regiert, politischen, administrativen und militärischen Führern die öffentlich vom parlamentum, d.h. der Versammlung aller Genueser mit vollem Bürgerrecht, gewählt wurden. Meistens waren die Consuln Mitglieder der führenden militärisch und ökonomisch mächtigsten Clans, die die zentralen Einheiten der Sozialstruktur der Stadt waren.[13] Wenn eines ihrer Mitglieder ein solches Amt bekleidete,
bedeutete dies ökonomische Gewinne für den jeweiligen Clan: Die jeweils herrschende Gruppe hatte ein Monopol im lukrativen überseeischen Handel.[14]
Im Allgemeinen hatten die Clans eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit zum größtmöglichen Vorteil der Stadt und ihrer wirtschaftlichen Interessen getroffen, dies bedeutete jedoch nicht, dass ein Clan zur Durchsetzung seiner partikularen Interessen nicht Gewalt gegen einen anderen einsetzen konnte. Die militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen dazu hatten sie, und es kam im Laufe des 12.Jh. zweimal zu Bürgerkriegen: Zwischen 1164 und 1169 sowie 1189 und 1194. Sie wurden durch das Streben Einzelner nach politischer Kontrolle, d.h. dem Konsulamt, und somit größeren Gewinnen ausgelöst.16
Während zwischen 1122 und 1153 die Konsuln noch aus 43 verschiedenen Familien kamen (eine Familie stellte durchschnittlich 2.98 Mal einen Konsul) konzentrierte sich die Macht im Zeitraum danach: bis 1194 stieg der Durchschnitt auf 3.9.17 Die mächtigste Familie war die della Volta, die in diesem Zeitraum 10.6% aller Konsulatsposten bekleidete. Dies wurde auch durch „Heiratspolitik“ mit anderen Familien erreicht.18
Während einerseits also die Kooperation der Clans zu höheren Gewinnen für die Stadt führte, bestimmte andererseits eine ständige Konkurrenzsituation um die Konsulposten das politische Geschehen.19 Der politische und wirtschaftliche Erfolg Genuas hing also entscheidend davon ab, dass die einzelnen Clans miteinander kooperierten und ihre Ressourcen nicht in die Versuche investierten, so viel Macht wie möglich zu erreichen und andere von ihr fern zu halten.20
[...]
[1] Vgl. Greif, Avner, “Political Organizations, Social Structure, and Institutional Success: Reflections from Genoa
and Venice During the Commercial Revolution, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics (JITE), 151/4
(1995), 734-740, S. 734.
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. Davidsohn, Robert, Geschichte von Florenz, Vierter Band: Die Frühzeit der Florentiner Kultur, Zweiter Teil: Gewerbe, Zünfte, Welthandel und Bankwesen, Berlin 1925, S. 179.
[4] Vgl. Cipolla, Carlo M., Before the Industrial Revolution, European Society and Economy, 3rd ed., London 1993, S. 188.
5 Ebd., S. 189.
6 Vgl. Lopez, Robert, S., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 950-1350, Cambridge 1976, S. 79-80.
[7] Ebd., S. 80.
[8] Vgl. Greif, Avner, On the Political Foundations of the Late Medieval Commercial Revolution: Genoa During the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: The Journal of Economic History, Vol. 54, No. 2, Papers Presented at the Fifty-Third Annual Meeting of the Economic History Association (Juni 1994), S. 271-287, S. 273.
10 Vgl. ebd., S. 735.
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. ebd., S. 735-736.
14 Vgl. Greif, Avner, “Institutions and International Trade: Lessons from the Commercial Revolution”, in: The American
Economic Review, Vol. 82, No. 2, Papers and Proceedings of the Hundred and Fourth Annual Meeting of the American
Economic Association (Mai 1992), S. 128-133, S. 130.
16 Vgl. ebd., S. 736.
17 Vgl. Greif, Avner 1994, S. 274.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. Greif 1995, S. 737.
20 Vgl. ebd., S. 739.
21 Vgl. Greif, Avner, 1994, S. 271-272.
- Quote paper
- Robert Scheele (Author), 2007, Institutionelle Voraussetzungen für den Aufstieg von Genua und Florenz zu den führenden Handelsplätzen im Europa des Hoch- und Spätmittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68937
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