Im Bereich der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts steht der Interpret von Werken der bildenden Kunst aus diesem Zeitraum auch heute noch vor einem unüberwindbar erscheinenden Problem, dass in der Forschungsgeschichte begründet liegt: dem Dilemma zwischen beschreibender Kunst und erzählender Kunst, zwischen Realismus und Scheinrealismus. Was ist auf diesen Gemälden wirklich dargestellt? Zeigen sie die Realität des 17. Jahrhunderts oder sind in diesen scheinbar wirklichkeitsgetreuen Abbildungen doch versteckte Hinweise und moralische Botschaften verborgen, die sich auf den ersten Blick nicht entschlüsseln lassen? Eine zufriedenstellende Deutung von Kunstwerken der holländischen Malerei ist mit der Beschränkung auf eine dieser beiden Möglichkeiten oft nicht möglich. Beide Pole haben durchaus ihre Berechtigung und manche Gemälde lassen sich mit einer der beiden Thesen sinnvoll erschließen, viele Werke entziehen sich jedoch einer schlüssigen Interpretation, wenn man sich ausschließlich auf ein Entweder-Oder zwischen diesen beiden Deutungsmöglichkeiten beschränkt. Die amerikanische Kunsthistorikerin Svetlana Alpers versucht in ihren Forschungen, besonders in ihrem Buch „Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts“, in den 1980er Jahren einen Weg aus diesem Dilemma zu finden. Sie will zwischen den beiden gegensätzlichen Polen vermitteln und die Kunstgeschichte für die Einbeziehung neuer Wissensgebiete öffnen. In der Hausarbeit soll in einem prägnanten Vergleich nun Svetlana Alpers Interpretation von Jan Vermeers Gemälde „Die Malkunst“ (ca. 1665-66, 120x100cm, Kunsthistorisches Museum Wien) der Interpretation desselben Gemäldes des deutschen Kunsthistorikers Kurt Badt (1890-1973) gegenübergestellt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesen beiden Deutungsversuchen aufzuzeigen und besonders herauszuarbeiten, in welchen Bereichen und für welche Punkte sich Alpers an Badt anlehnt und wo sie sich evtl. sogar direkt von ihm inspirieren hat lassen. Damit soll gezeigt werden, dass Alpers’ Methode, die von vielen Forschern zur niederländischen Kunst oftmals kritisiert wurde, durchaus nicht völlig aus der Luft gegriffen erscheint, sondern in einigen Punkten auf frühere kunstgeschichtliche Methoden - konkret Kurt Badt - aufbaut und diese in eine neue Richtung weiterentwickelt.
Gliederung
1. Einleitung
2. Positionierung innerhalb der Fachgeschichte
a) Kurt Badt
b) Svetlana Alpers
3. Kurt Badts Vermeer-Interpretation (in seinem Buch Modell und Maler von Jan Vermeer. Probleme der Interpretation)
4. Svetlana Alpers’ Vermeer-Interpretation (in ihrem Buch Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts)
5. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den beiden Interpretationsansätzen
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Bereich der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts steht der Interpret von Werken der bildenden Kunst aus diesem Zeitraum auch heute noch vor einem unüberwindbar erscheinenden Problem, dass in der Forschungsgeschichte begründet liegt: dem Dilemma zwischen beschreibender Kunst und erzählender Kunst, zwischen Realismus und Scheinrealismus. Was ist auf diesen Gemälden wirklich dargestellt? Zeigen sie die Realität des 17. Jahrhunderts oder sind in diesen scheinbar wirklichkeitsgetreuen Abbildungen doch versteckte Hinweise und moralische Botschaften verborgen, die sich auf den ersten Blick nicht entschlüsseln lassen? Eine zufriedenstellende Deutung von Kunstwerken der holländischen Malerei ist mit der Beschränkung auf eine dieser beiden Möglichkeiten oft nicht möglich. Beide Pole haben durchaus ihre Berechtigung und manche Gemälde lassen sich mit einer der beiden Thesen sinnvoll erschließen, viele Werke entziehen sich jedoch einer schlüssigen Interpretation, wenn man sich ausschließlich auf ein Entweder-Oder zwischen diesen beiden Deutungsmöglichkeiten beschränkt.
Die amerikanische Kunsthistorikerin Svetlana Alpers versucht in ihren Forschungen, besonders in ihrem Buch „Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts“, in den 1980er Jahren einen Weg aus diesem Dilemma zu finden. Sie will zwischen den beiden gegensätzlichen Polen vermitteln und die Kunstgeschichte für die Einbeziehung neuer Wissensgebiete öffnen.
In der Hausarbeit soll in einem prägnanten Vergleich nun Svetlana Alpers Interpretation von Jan Vermeers Gemälde „Die Malkunst“ (ca. 1665-66, 120x100cm, Kunsthistorisches Museum Wien) der Interpretation desselben Gemäldes des deutschen Kunsthistorikers Kurt Badt (1890-1973) gegenübergestellt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesen beiden Deutungsversuchen aufzuzeigen und besonders herauszuarbeiten, in welchen Bereichen und für welche Punkte sich Alpers an Badt anlehnt und wo sie sich evtl. sogar direkt von ihm inspirieren hat lassen. Damit soll gezeigt werden, dass Alpers’ Methode, die von vielen Forschern zur niederländischen Kunst oftmals kritisiert wurde, durchaus nicht völlig aus der Luft gegriffen erscheint, sondern in einigen Punkten auf frühere kunstgeschichtliche Methoden – konkret Kurt Badt – aufbaut und diese in eine neue Richtung weiterentwickelt.
2. Positionierung innerhalb der Fachgeschichte
a) Kurt Badt
Der deutsche Kunsthistoriker Kurt Badt wird am 03.März 1890 in Berlin geboren und stirbt am 22.November 1973 in Überlingen am Bodensee. Dort lebt er, nach seiner Promotion in Freiburg im Breisgau bei Wilhelm Vöge, die meiste Zeit als Privatgelehrter (Badt schlägt keine universitäre Laufbahn ein) und widmet sich in seinen Studien neben der Kunst (Schwerpunkte liegen bei Cézanne, Poussin, Vermeer und Delacroix) auch der Philosophie, hier besonders Hegel, Heidegger und Wittgenstein (was sich auch in seinen Auffassungen zur Kunst wiederspiegelt.) Die Jahre zwischen 1939 und 1952 verbringt er, bedingt durch seine jüdische Herkunft, in London. Hier arbeitet er die meiste Zeit im Warburg-Institut.[1]
Das Hauptaugenmerk seiner Forschungen liegt darin, herauszufinden „was das eigentlich Künstlerische an Kunstwerken ausmacht, was uns Kunstwerke an Sinngehalt und geistiger Leistung zu bieten haben“.[2] Damit wendet sich Badt entschieden gegen ein Einzwängen von Kunstwerken in vorher festgelegte Kategorien, in eine Stil- oder Entwicklungsgeschichte (wie z.B. Heinrich Wölfflin in seinen „Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen“). Weiter weist er den Kunstwerken eine „geschichtliche Bedeutung“[3] zu, die „einzig auf der geistigen Leistung, die in ihnen selber, in den Stand der Evidenz erhoben, vollbracht ist [ruht ]. Diese ist in ihrer sinnlich wahrnehmbaren Seite Schönheit, der seiende Schein des Schönen, welcher durch sein Scheinen das durch ihn und in ihm verschönte wirkliche Gegenständliche in diesem neuen inneren, geistigen Zusammenhange als ein aus ihm hervorscheinendes Wahres entfaltet.“[4]
Mit diesen Positionen, die dem Künstler und seinen Kunstwerken beinahe divinatorische Fähigkeiten zuschreiben und äußere Umstände der Kunstentstehung als nebensächlich abtun, steht er in Deutschland in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die weitere kunsthistorische Forschung in Richtung von Sozialgeschichte und Rezeptionsästhetik orientiert, jedoch fast alleine da. Nachhaltig beeindruckt von seinen Ansätzen werden aber u.a. Lorenz Dittmann, Martin Gosebruch, Werner Gros, Adolf Schmoll gen. Eisenwerth und Max Imdahl.
b) Svetlana Alpers
Svetlana Alpers wird 1936 in Cambridge, Massachusetts, geboren. Sie macht 1957 ihren B.A. am Radcliffe College, schließt 1965 in Harvard ihre Promotion ab und nimmt danach eine Professur an der University of California, Berkeley, an, die sie bis zu ihrer Emeritierung 1994 innehat.[5]
In den USA wird ihr Name oft mit der progressiven Schule der „New Art History“ in Verbindung gebracht, sie selbst fühlt sich aber eher unabhängig von irgendeiner Art der Einordnung in bestimmte Kategorien: „I’m suspicious of programs and of labels like ‚the new art history’. I resist the apellation. I do my work, and I’m not conscious as I’m doing it that it’s part of the new art history. I’m studying art. This is a difficult thing to do. I’m simply trying to do it in the best way I can.“[6]
1983 veröffentlicht Svetlana Alpers ihr bekanntestes Buch „Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts“, mit dem sie eine großangelegte Debatte um die Art und Weise der Deutung von Werken der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts innerhalb des Fachs Kunstgeschichte entfacht. Aufbauend auf ihrer These, dass sich die holländische Genremalerei dieses Zeitraumes als beschreibend (d.h. die Realität abbildend), die Malerei Italiens im Gegensatz dazu als erzählendend (d.h. Geschichten und evtl. moralische Botschaften enthaltend) begreifen lässt, versucht Alpers durch die Einbeziehung von (für die Kunstgeschichte neuen) Wissensgebieten wie der Optik, der Perspektivenlehre und der Kartographie, eine Modernisierung der Methoden, weg von dem alten Streit zwischen Realismus und Scheinrealismus, der immer noch die Forschung zur niederländischen Malerei bestimmt.[7]
Für sie konstituiert sich die Bedeutung eines Gemäldes „in der Oberfläche, in der handwerklichen Gestaltung der Oberfläche, durch die schließlich alles (...) zur Erscheinung kommt, sie steckt im Sichtbaren, in der Darstellung des oberflächlich Sichtbaren.“[8] D.h. „Bedeutung ist weder abwesend, noch ist sie jenseits des Bedeutenden zu finden (...): Sie steckt in der Gestaltung einer Oberfläche, die Oberflächen sichtbar macht.“[9] Der handwerkliche Aspekt der Kunstproduktion ist ihr besonders wichtig, „ein Bild hat keine Bedeutung, sondern produziert Bedeutung, Malerei ist nicht eine Kunst vor, jenseits, hinter der Leinwand, sondern auf der Leinwand, sie ist keine Ideenkunst, sondern ein Handwerk. Die Wahrheit liegt in der Mitte, in der Vermittlung, in der Produktion, in der Darstellung.“[10]
[...]
[1] Vgl. Betthausen, Peter u.a.: Metzler Kunsthistoriker-Lexikon: zweihundert Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten, Stuttgart/Weimar 1999, S. 4ff.
[2] Badt, Kurt: „Modell und Maler“ von Jan Vermeer. Probleme der Interpretation. Eine Streitschrift gegen Hans Sedlmayr. Mit einem Nachwort von Lorenz Dittmann, Köln 1997, S. 8.
[3] Ebd., S. 9.
[4] Ebd.
[5] Vgl. http://www.lib.duke.edu/lilly/artlibry/dah/alperss.htm (vom 29.08.2005).
[6] http://prelectur.stanford.edu/lecturers/alpers/ (vom 29.08.2005).
[7] Vgl. ebd.
[8] Alpers, Svetlana: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Mit einem Vorwort von Wolfgang Kemp, Köln 1985, S. 15.
[9] Ebd.
[10] Ebd., S.17.
- Quote paper
- Isabel Findeiss (Author), 2005, Kurt Badt und Svetlana Alpers - zwei Kunsthistoriker mit ähnlichen Ansätzen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68786
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