Wir haben uns für das Thema „Juden-Randgruppen im Mittelalter“ beziehungsweise für die Quelle über das Urteil Friedrich II. zum Ritualmordvorwurf entschieden, weil der Umgang mit Randgruppen in der Geschichte auch heute noch ein wichtiges und viel diskutiertes Thema ist. Weiterhin kannten wir schon die jüdische Geschichte im 20. Jahrhundert und in der Frühen Neuzeit. Deshalb hat uns auch der Umgang mit Randgruppen im Mittelalter stark interessiert. Bei der Analyse der Urkunde war schnell klar, dass die Quelle nicht nur einen interessanten historischen Aspekt zum Umgang mit den Juden im Mittelalter bildet, sondern auch im Rahmen des Machtkonfliktes zwischen Friedrich II. und dem Papst durchaus wissenswerte und wichtige Rückschlüsse auf den Charakter des politischen Handelns Friedrich II. zulässt. Betrachtet man die Geschichte von gesellschaftlichen Minoritäten und richtet dabei den Fokus auf die Historie der Juden als eine derartige Randgruppe, muss zunächst festgehalten werden, dass sich die Unterdrückung, Ächtung und Verfolgung der Juden in nahezu allen geschichtshistorischen Epochen von den Ausgrenzungen anderer Minderheiten in Handhabung und Legalisierung von Seiten der Aggressoren, vom Umgang mit anderen Randgruppen unterscheidet, denn die Geschichte der Juden besteht zwar in einer Isolierung von der Umwelt, aber auch in einer erheblichen Verflechtung mit derselbigen. Dabei war die Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert prägend für die Geschichte des Judentums in Mitteleuropa. Während dieser Zeit bildeten sich entsprechende gesellschaftliche Strukturen heraus, die das Leben der Juden zwischen geistlicher und weltlicher Herrschaft und das Zusammenleben mit Christen auf lange Zeit bestimmten. Erschwert durch eine Stigmatisierung der nichtjüdischen Umwelt und die Diaspora, ist es umso erstaunlicher das die Juden als soziale Gruppe in einer Gesellschaft eine ungewöhnliche Stabilität aufweisen können. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historischer Kontext der Quelle
2.1 Quelle
2.2 Zusammenfassung der Quelle
2.3 Überlieferungschance
2.4 Hintergrund und Auswirkungen der Quelle
2.5 Friedrichs Urteil in rechtshistorischer Betrachtung
3 Juden im Mittelalter
3.1 Geschichte der Juden im Mittelalter bis
3.2 Friedrich II. Verhältnis zu den Juden
3.3 Thora und Talmud als Belege für die Unschuld der Juden
3.4 Auswirkungen der kaiserlichen Judenprivilegien nach dem Urteil Friedrichs
4 Die Polarität zwischen Kaiser und Kirche
4.1 Der Dissens zwischen Kaiser und Papst vor dem Ritualmordprozess
5 Friedrich II. : Realpolitiker oder Philantroph?
5.1 Der Machtkonflikt zwischen dem Papst und Friedrich II. am Beispiel des Ritualmordprozesses und dessen Auswirkungen
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Wir haben uns für das Thema „Juden-Randgruppen im Mittelalter“ beziehungsweise für die Quelle über das Urteil Friedrich II. zum Ritualmordvorwurf entschieden, weil der Umgang mit Randgruppen in der Geschichte auch heute noch ein wichtiges und viel diskutiertes Thema ist. Weiterhin kannten wir schon die jüdische Geschichte im 20. Jahrhundert und in der Frühen Neuzeit. Deshalb hat uns auch der Umgang mit Randgruppen im Mittelalter stark interessiert. Bei der Analyse der Urkunde war schnell klar, dass die Quelle nicht nur einen interessanten historischen Aspekt zum Umgang mit den Juden im Mittelalter bildet, sondern auch im Rahmen des Machtkonfliktes zwischen Friedrich II. und dem Papst durchaus wissenswerte und wichtige Rückschlüsse auf den Charakter des politischen Handelns Friedrich II. zulässt.
Betrachtet man die Geschichte von gesellschaftlichen Minoritäten und richtet dabei den Fokus auf die Historie der Juden als eine derartige Randgruppe, muss zunächst festgehalten werden, dass sich die Unterdrückung, Ächtung und Verfolgung der Juden in nahezu allen geschichtshistorischen Epochen von den Ausgrenzungen anderer Minderheiten in Handhabung und Legalisierung von Seiten der Aggressoren, vom Umgang mit anderen Randgruppen unterscheidet, denn die Geschichte der Juden besteht zwar in einer Isolierung von der Umwelt, aber auch in einer erheblichen Verflechtung mit derselbigen. Dabei war die Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert prägend für die Geschichte des Judentums in Mitteleuropa. Während dieser Zeit bildeten sich entsprechende gesellschaftliche Strukturen heraus, die das Leben der Juden zwischen geistlicher und weltlicher Herrschaft und das Zusammenleben mit Christen auf lange Zeit bestimmten. Erschwert durch eine Stigmatisierung der nichtjüdischen Umwelt und die Diaspora, ist es umso erstaunlicher das die Juden als soziale Gruppe in einer Gesellschaft eine ungewöhnliche Stabilität aufweisen können.[1]
Auf die Zeit Friedrich II. bezogen erscheint hierbei die kirchliche, beziehungsweise theologische Komponente maßgebend gewesen zu sein, wohingegen in Bezugnahme auf die weltlichen Herrscher dieses Zeitraums, neben finanziellen, insbesondere machtpolitische Faktoren im Vordergrund gestanden zu haben scheinen.
Eine der Quellen des Hochmittelalters, die zu einem Diskurs über den Umgang mit den Juden dieser Epoche und die Beweggründe zur Ausgrenzung oder zum Schutz der Juden durch weltliche oder klerikale Instanzen einladen, ist der mittels einer Urkunde aus dem Jahre 1236 überlieferte Schiedsspruch Friedrich II. bezüglich der Ritualmordbeschuldigungen gegen die Fuldaer Juden. Friedrich II. sprach in dieser Urkunde nicht nur die Fuldaer Juden von den Vorwürfen der Blutschande frei, sondern löste im Gegensatz zu seinen Vorgängern seine Schutzmaßnahmen aus den regionalen Begrenzungen und dehnte sein Urteil auf die gesamten Juden seines Reiches aus und unterstellte diese, als seine Kammerknechte dem kaiserlichen Schutz.[2][3]
Die besagte Ausdehnung des Judenprivilegs auf die Gesamtheit der Juden in Friedrichs Reichs war ein Novum in der Geschichte kaiserlicher Schutzbemühungen und zog sowohl zu Lebzeiten Friedrich II., als auch nach dessen Tod weitreichende Konsequenzen für die jüdische Bevölkerung Europas nach sich.[4]
Im Folgendem sollen Friedrich II. Motive für den Erlass der Urkunde unter Berücksichtigung des historischen Kontextes auf persönlicher, politischer und rechtshistorischer Ebene, kritisch untersucht werden und das Hauptaugenmerk auf die Beziehung zwischen Friedrich II. und dem damaligen Papst Gregor IX. gerichtet werden.
Abschließend soll die Frage nach dem Leitmotiv für Friedrich II. Urteilsspruchs anhand einer adäquaten Erörterung seiner politischen und ethischen Attitüden beantwortet werden.
2 Historischer Kontext der Quelle
2.1 Quelle
Textstelle aus dem Urteil Friedrichs zur Ritualmordbeschuldigung in Fulda1236[5]
Quorum super hoc assercionibus publicatis, quiacompertum non est in testamento veteri vel in novo, Iudeos avidos esse humani sanguinis hauriendi, immo – quod est predicto prorsus contrarium – quod ab omnis omnino sanguinis fedacione caveant, in biblia que dicitur ebrayce Berechet, preceptis Moysi datis, decretis Iudaicis que dicuntur ebrayce Talmilloht expressius habeamus, presumentes eciam presumpcione non modica, hiis, quibus sanguis prohibitus est et animalium permissorum, sitim non posse humani sanguinis superesse, rei horribilitate, nature prohibicione ac speciei comunitate qua Christianos eciam amplectuntur, et quod, pro eo quod expositum de animalibus de virorum municionibus habere possentpro nichilo, non exponerent periculo substancias et personas --- Iudeos loci predicti ab objecto crimine ac alios Iudeos Alemannie a tam gravi infamia dictante sentencia principum pronunciavimus penitus absolutos.
2.2 Zusammenfassung der Quelle
Die Textstelle beschreibt das Urteil der Kommission und Friedrichs II. zum Vorwurf der Ritualmordbeschuldigung in Fulda 1236. Die Kommission meinte, dass man gegen die Juden nicht anders vorgehen könne, als gegen jüdische Konvertiten. Obwohl man die Juden aus Gründen der Vernunft für unschuldig erklärte, hatte man des Rechtes wegen Sonderboten an alle Könige entsandt, die möglichst viele jüdische Konvertiten zur Anhörung bestellten. Das endgültige Urteil der Kommission sprach die Juden von den Verbrechen derer sie bezichtigt worden waren und von zukünftigen Verdächtigungen, frei. Als Grund für den Freispruch nannte man die Vorschriften der Tora. Diese besagen, das man sich als Jude vor der Befleckung mit jeglichem Blut(tierisch oder menschlich) hüten solle. Da den Juden die nach diesen Vorschriften lebten, sogar das Blut erlaubter Tiere verboten war, konnten sie keinen Durst nach Menschenblut haben.
2.3 Überlieferungschance
Die Quelle ist eine Urkunde und stammt aus der Zeitschrift „Monumenta Germaniae Historica Const.2 n.204“. Verfasst wurde sie im Jahr 1236 von Friedrich II. ,der eine Kommission einsetzte, die über den Ritualmordvorwurf gegenüber den Juden beriet. Die Quelle spiegelt das Urteil der Kommission und Friedrichs II. wieder und bildet für alle Juden eine rechtliche Grundlage gegen die Ritualmordvorwürfe.
Da es sich bei dieser Quelle um eine kaiserliche Urkunde handelt, bei welcher die Beschlüsse der Kommission und des Kaisers zeitlich nahe am Geschehen schriftlich fixiert worden sind, fallen Verformungsfaktoren, wie sie oftmals bei mündlicher Überlieferung bis zu deren Verschriftung gegeben sind, weg.[6]Auch hatte die Quelle, da am kaiserlichen Hof und zusätzlich als Gerichtsakte verfasst und aufbewahrt, eine hohe Überlieferungschance, so dass sie schließlich von der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsschreibung verwertet werden konnte.[7]
2.4 Hintergrund und Auswirkungen der Quelle
Den historischen Hintergrund zu der Quelle bilden die, sich im Deutschland des 13.Jahrhunderts häufenden Ritualmord- und Hostienschändungsvorwürfe gegenüber Juden. 1221 spielte sich bereits ein Ritualmordprozess in Erfurt ab. Die Quelle bezieht sich auf die Begebenheiten am Weihnachtsabend 1235 in Fulda. Dort brannte das Haus eines Müllers ab. Bei diesem Brand kamen fünf Kinder um, die Eltern überlebten jedoch, da sie zum Zeitpunkt des Brands nicht anwesend waren. Ohne Untersuchung des Unglücks wurden sofort die Juden beschuldigt, die Kinder umgebracht, deren Blut abgezapft und dann das Haus angezündet zu haben. Daraufhin wurden kurz nach dem Brand 32 Juden verhaftet und gefoltert bis sie das gewünschte Geständnis ablegten.
Danach erschlugen Kreuzfahrer die Juden. Friedrich II. erklärte die Kinder zu „Heiligen Märtyrern“ und rief eine Kommission ein, welche die Frage der Ritualmordbeschuldigung gegen die Juden klären sollte.[8]
2.5 Friedrichs Urteil in rechtshistorischer Betrachtung
Betrachtet man die Urkunde Friedrich II. aus rechtshistorischer Sicht, so fällt auf, dass die Rechtssprechung des Kaisers einige Besonderheiten aufzeigt und zu den gängigen Schiedssprüchen des Mittelalters in Argumentation und Vorgehensweise in Widerspruch steht.
[...]
[1]Vgl. Friedrich Battenberg:Das europäische Zeitalter der Juden, Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. 1 Von den Anfängen bis 1650,Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, S. 97
[2]Vgl. Battenberg:Das europäische Zeitalter der Juden, S.107
[3]Vgl. Ekkehart Rotter:Friedrich II. von Hohenstaufen, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004, S. 118-120
[4]Vgl. Battenberg:Das europäische Zeitalter der Juden
[5]Vgl. Monumenta Germaniae Historica Constitutiones 2. n.204 Zeilen 27-38
[6]Vgl. Johannes Fried:Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, Verlag C.H. Beck, München 2004
[7]Vgl. A. v. Brandt,Werkzeug des Historikers, Kohlhammer Urban-Taschenbücher Stuttgart, 16. Aufl. 2003 S. 88
[8] Vgl. http://www.judentum.org/geschichte/talmud.htm, Josef Kastein: Eine Geschichte der Juden
pp. 372, Viertes Kapitel, Martyrium und Mystik (Teil 1) Der Prozess gegen den Talmud, Datum des Zugriffs: 5.12.06
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- David Pollak (Author), Gerold Kalb (Author), 2007, Juden als Randgruppen im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68699
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