Ende der neunziger Jahre befand sich die Amerikanisierungsthese auf ihrem Höhepunkt. In Anlehnung an die Kampagnen der US-amerikanischen Wahlkämpfe setzt sich der Begriff Amerikanisierung aus den Teilmerkmalen Professionalisierung, Personalisierung, Themen- und Ereignismanagement, Kandidaten-, Angriffswahlkampf und Einsatz moderner Methoden des politischen Marketings zusammen. Der vorliegende Forschungsbereicht beschäftigt sich mit einer Ausprägung des Amerikanisierungskonzeptes, der Professionalisierung politischer Kommunikationspraxen. Dabei wird empirisch untersucht in wie fern unterschiedliche Gestaltungsarten von politischen Wahlwerbespots unterschiedliche Bewertungen beim Publikum generieren. Bevor jedoch in einem experimentellen Design, die zuvor erarbeitet Arbeitshypothesen geprüft werden, wird zu Begin der vorliegenden Studie eine wissenschaftliche Rahmung und Einführung in das Forschungsgebiet der Amerikanisierung der politischen Kommunikation vorgenommen. Im Zuge dieser Erläuterungen erfolgt ebenfalls eine theoretische und konzeptionelle Einordnung der Professionalisierung der Wahlkämpfe wobei auf ein wesentliches kommunikatives Instrument der politischen Kampagnen, politische Wahlwerbespots eingegangen wird.
INHALT
1. EINLEITUNG
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
3.2 2.1 EINFÜHRUNG IN DAS FORSCHUNGSGEBIET DER MODERNISIERUNG UND PROFESSIONALISIERUNG DER POLITISCHEN KOMMUNIKATION
3.3 2.2 WAHLWERBESPOTS – EIN INSTRUMENT DER POLITISCHEN WERBEKAMPAGNE
2.2.1 DIE DREI TYPEN VON WAHLKAMPAGNEN NACH RADUNSKI
3.4 2.3 EIN ENTWICKLUNGSABRISS DER GESETZLICHEN RAHMUNG VON WAHLWERBESPOTS
3.5 2.4 GESTALTUNG VON WAHLWERBESPOTS – STARKE AUSRICHTUNG AN VORBILDERN AUS DER KOMMERZIELLEN WERBEBRANCHE?
3.6 2.5 ABLEITUNG DER ARBEITSHYPOTHESEN
3. ZUR METHODIK UND DURCHFÜHRUNG DES POLITIKWISSENSCHAFTLICHEN EXPERIMENTs
3.7 3.1 VERSUCHSPLAN
3.8 UNTERSUCHUNGSOBJEKTE
3.9 MATERIAL
3.9.1 DIE WAHLWERBESPOTS
3.10 MESSINSTRUMENTE
3.11 GERÄTE
3.12 DURCHFÜHRUNG
4. DATENANALYSE – AUSWERTUNG DES EXPERIMENTES
4.1 PLAUSIBILITÄTSPRÜFUNG
4.2 HYPOTHESENPRÜFUNG DURCH MITTELWERTVERGLEICH
4.3 HYPOTHESENPRÜFUNG DURCH FAKTORENANALYSE
4.3.1 KMO- und Barlett-Test beim CDU-SPOT
4.3.2 ROTIERTE KOMPONENTENMATRIX FÜR DEN CDU-SPOT
4.3.3 KMO- UND BARLETT-TEST FÜR DEN SPD-SPOT
4.3.4 ROTIERTE KOMPONENTENMATRIX FÜR DEN SPD-SPOT
5. Diskussion
6. LITERATURverzeichnis
7. Linkverzeichnis
8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
Ende der neunziger Jahre befand sich die Amerikanisierungsthese auf ihrem Höhepunkt (siehe ausführlich dazu Pfetsch, 2001, Holtz-Bacha, 2001/2002a, Dörner, 2001). In Anlehnung an die Kampagnen der US-amerikanischen Wahlkämpfe setzt sich der Begriff Amerikanisierung aus den folgenden Teilmerkmalen zusammen: Profess72ionalisierung, Personalisierung, Themen- und Ereignismanagement, Kandidaten-, Angriffswahlkampf und Einsatz moderner Methoden des politischen Marketings (vgl. exemplarisch Schoen, 2005, S.513ff und Pfetsch, 2001 ).[1] Der Kern der Amerikanisierungsthese bezieht sich allerdings nicht direkt auf die Form und Gestaltung von Wahlkämpfen, sondern auf allgemeine Entwicklungen der politischen Kommunikation, die zu Zeiten von Wahlkämpfen wie unter einem Brennglas zu beobachten sind (vgl. Pfetsch, 2001, S.27 und Römmele, 2002,S.417). Diese Entwicklungen der politischen Kommunikation werden sowohl in Europa als auch in Amerika mit dem Konzept der Mediendemokratie verknüpft. Die zentrale Aussage dieses Konzeptes ist es, dass sich die gesamte politische Kommunikation eines Landes den Logiken der öffentlichkeitswirksamen Präsentations- und Selektionsregeln der Massenmedien unterwirft (vgl. exemplarisch Pfetsch, 2001, S.27).
Wird allerdings bei der Diskussion über die medienfixierte Amerikanisierung der politischen Kommunikation im westlichen Europa der Wähler mit berücksichtigt, reicht die Amerikanisierungsthese nicht mehr aus, um die Veränderung der Wahlkampagnen zufriedenstellend beschreiben und erklären zu können. Erst unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse und deren Rückkopplung an das politische und mediale System kann der Wandelungsprozess der politischen Wahlkämpfe ausreichend beschrieben werden (Mai, 2005, S.24-25, Brettschneider, 2005, S.19-20 und Strohmeier, 2005, S.51ff).[2]
Somit sind nicht nur die Mediatisierung der Gesellschaft und die Kopie US-amerikanischer Wahlkampftechniken Initiatoren des Wandelungsprozess der europäischen Wahlkämpfe. Sondern vor allem der Modernisierungsprozess gesamtgesellschaftlicher Strukturen, die sowohl in die Partei- und Medienorganisationen als auch in die Bereiche der unterschiedlichen Wählersegmente hineinreicht, erklärt zufriedenstellend die Veränderung der politischen Kommunikation (vgl. Schoen, 2005, S.513ff).
Im wissenschaftlichen Diskurs hat sich deshalb das Konzept der Modernisierung gegenüber dem der Amerikanisierung[3] der politischen Kommunikation durchgesetzt. Eine Ausprägung dieses Prozesses, das der Professionalisierung der politischen Kommunikation, wurde im Rahmen des Hauptseminars „Politikwissenschaftliche Experimente“ im Sommersemester 2006 von einer Gruppe Studierender unter wissenschaftlichen Gesichtspunkte untersucht. Dieses Hauptseminar, welches unter der Leitung von Thorsten Faas, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen stand, sollte den Teilnehmern sowohl theoretisches als auch methodisches Wissen über politikwissenschaftliche Experimente möglichst praxisnah vermitteln. Dazu sollten Kleingruppen von maximal fünf Personen entweder ein politikwissenschaftliches Experiment nachstellen oder selbst eines konzipieren.
Der vorliegende Forschungsbericht fasst die wissenschaftlichen Befunde einer dieser Gruppen zusammen. Dabei konzentriert sich die Arbeit des Projektteam auf die Professionalisierung der politischen Kampagnen und explizit dort auf die Gestaltung der Wahlwerbespots und deren Rezeption beim Betrachter.
Im anschließenden Abschnitt werden die theoretischen Grundlagen für das Forschungsprojekt dargestellt. So wird zunächst eine wissenschaftliche Rahmung und Einführung in das Forschungsgebiet der Modernisierung der politischen Kommunikation vorgenommen, eine theoretische und konzeptionelle Einordnung der Professionalisierung der Wahlkämpfe erörtert und auf ein wesentliches kommunikatives Instrument der politischen Kampagnen, politische Wahlwerbespots eingegangen.
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
3.2 2.1 EINFÜHRUNG IN DAS FORSCHUNGSGEBIET DER MODERNISIERUNG UND PROFESSIONALISIERUNG DER POLITISCHEN KOMMUNIKATION
In den Kommunikationswissenschaften wird der Wandlungsprozess dynamischer und moderner Gesellschaften anhand des prägenden Merkmals der Evolution der Medien charakterisiert.[4] Werden Medien als komplexe institutionalisierte Systeme, die sich aus überwiegend technisch organisierten Kommunikationskanälen mit spezifischen Leistungsvermögen zusammensetzen, definiert und wirken diese in alle Ebenen individuellen und kollektiven Seins hinein, egal ob in kultureller, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, kann medienvermittelte Kommunikation als soziales Totalphänomen bezeichnet werden (vgl. Saxer, 1998, S.52ff).
Angesichts der fortschreitenden Globalisierung, der technisch induzierten grundsätzlichen Veränderung des Mediensystems und der Dualisierung des Rundfunksystems in vielen europäischen Ländern Mitte der achtziger Jahre erachten es viele Wissenschaftler für sinnvoll, von einer Mediengesellschaft zu sprechen (vgl. Kaase, 1998, S.24-25). In diesem immer komplexer werdenden und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten folgenden sozialen System gewinnt Kommunikation, der Prozess der Zeichen- und Bedeutungsvermittlung, für den Zusammenhalt und die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft eine immer größer werdende Relevanz (vgl. Saxer, 1998, S.52-53).
Politische Öffentlichkeit in einer Mediengesellschaft ist hinsichtlich ihrer Inhalte, Strukturen und Prozesse weitgehend medial beeinflusst. In dem Maße wie sich allgemeine Kommunikations- und Informationspraxen durch die Mediatisierung verändern,[5] wandelt sich auch die politische Kommunikation. Sie ist somit den dynamischen Prozessen, zum einen dem des gesellschaftlichen Wandels und zum anderen dem der technischen Innovationen, unterlegen (vgl. Römmele, 2005, S.416-417).
Das gesellschaftliche Totalphänomen der medienvermittelten Kommunikation durchdringt, wie oben angedeutet, ebenfalls das politische System und beeinflusst dessen Entwicklung. Aus diesem Grund sind parallele phänomenologische Zugänge mit denen aus der Kommunikationswissenschaft nicht überraschend.
In der Politikwissenschaft wird der Wandel der Wahlkämpfe, „die prototypische Situation der Politikvermittlung“ (Römmele, 2005, S.417), ebenfalls anhand einer veränderten medienvermittelten Kommunikation nachgezeichnet (Holtz-Bacha, 2000,S.213).[6]
Während der ersten, vormodernen Form der Wahlkämpfe wurden diese primär durch die Parteiorganisation geplant und gesteuert, wobei die Gestaltung und Durchführung der Wahlkämpfe überwiegend in den Händen von Parteimitgliedern und –anhängern lag. Nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts und der daraus resultierenden Bildung von Massenintegrationsparteien verfügten diese über stark ausdifferenzierte Strukturen und Rückbindungen in der Gesellschaft. Diese starke Verästelung ermöglichte es den Parteien, in Wahlkreisen präsent zu sein und aktiv Wahlkampfwerbung über Flugblätter, Plakate und parteipolitische Kundgebungen zu betreiben. Als weitere Medien wurden zu Zeiten vormoderner Wahlkämpfe ebenfalls Parteizeitungen und Zeitungsanzeigen verwendet (vgl. Römmele, 2003, S.417, Schoen, 2006, S.513ff, Holtz-Bacha, 2001, S.52).
Vor allem auf den Siegeszug des Fernsehens sind nachhaltige Veränderungen in den bisherigen politischen Kommunikationsmustern zurückzuführen. Quasi parallel mit dem Einzug des Fernsehens in die politische Arena wurde ein gesamtgesellschaftlicher Wandelungsprozess in Gang gesetzt. Die Fragmentierung oder Individualisierung der Gesellschaft schlug sich explizit in einer nachlassenden parteipolitischen Bindung der Bevölkerung nieder.[7] Die daraus resultierende steigende Zahl von Wechselwählern veranlasste die Parteien in der Form gegenzusteuern, in dem sie ihre Kampagnen entideologisierten. Kirchheimer prägte für diesen Tatbestand den Begriff der Allerweltsparteien (vgl. Römmele, 2003, S.416-417, Schoen, 2006, S,514, Holtz-Bacha, 2003, S.47ff).
Diese Form politischer Kommunikation ist durch spezifische Merkmale charakterisierbar. All diese Eigenschaften „sind Ausdruck der Professionalisierung im Sinne einer Anpassung an die Bedingungen, die sich durch die hier zuvor skizzierten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse und den medialen Wandel ergeben haben“ (Holtz-Bacha, 2002b, S.47 und vgl. Holtz-Bacha, 1996, S.12). Moderne Formen der politischen Kommunikation beugen sich den Prinzipien des Marketings und versuchen, durch kommunikationspolitische Instrumente auf die jeweilige Zielgruppe – vornehmlich den Wähler und das Mediensystem – einzugehen und diese adäquat anzusprechen (vgl. Strohmeier, 2004, S.51 und Schoen, 2006, S.514).[8]
Zu den grundsätzlich verwendeten strategischen Instrumenten, die zur Erreichung parteipolitischer Ziele verwendet werden, zählen die Personalisierung, Privatisierung und Entertainisierung von Kampagnen (Jakubowski, 1998, S.114-125). Bei der Personalisierung werden einzelne Politiker in das Zentrum der Kampagnen gerückt, wobei nachhaltig darauf geachtet wird, dass diese ein positives Image besitzen bzw. ein solches in der Öffentlichkeit entsteht bzw. gestaltet wird. Stark mit dieser Strategie verbunden, ist das Instrument der Privatisierung von Politikern. Diese Form der Selbstdarstellung von politischen Spitzenakteuren dient primär dem Aufbau, der Sicherung und der Steigerung von Prominenz, die in erhöhte Medienpräsenz mündet. Um dies zu erreichen, werden Politiker vermenschlicht und durch emotionalisierte Darstellung mit dem „normalen“ Bürger auf eine Stufe gestellt. In die gleiche Richtung weist auch das Instrument der Entertainisierung der politischen Kommunikation. Um mediale Aufmerksamkeit und Präsenz zu erreichen, wird heute vermehrt auf Mittel der Unterhaltungsindustrie zurückgegriffen, wie beispielsweise durch die Inszenierung von Parteitagen. Als Randnotiz sei hier auf die sog. Kanzlerkrönung auf dem SPD-Parteitag in Leipzig aus dem Jahr 1998 hingewiesen, der als gelungener Prototyp des politischen Pseudo-Event-Managements bezeichnet werden kann (vgl. Pfetsch, 2001, S.27, Holtz-Bacha, 2002a, S.25ff, Schoen, 2005, S.514-515).
Weitere Merkmale, die diese Tendenz der Professionalisierung der politischen Kommunikation im Umgang der politischen Akteure mit den veränderten Settings[9] charakterisieren, sind in organisatorischer Hinsicht die Zentralisierung und die Verwissenschaftlichung der parteipolitischen Kampagnenführung sowie das Hinzuziehen von externen Wahlkampfberatern. Dabei soll eine gemeinsame Wahlkampfzentrale als Koordinations- und Schaltzentrale fungieren, um den Kampagnen quasi ein einheitliches Corparate Design aufzusetzen und ein stringent strategisch ausgerichtetes Handlungsmuster zu vermitteln. Nichts soll dem Zufall überlassen bleiben und mit Hilfe einer zentralen Kampagnenführung soll taktisches Fehlerverhalten von politischen Akteuren proaktiv verhindert werden. Um solch eine professionelle Kampagnenführung zu gewährleisten, werden zumeist wissenschaftlich fundierte Kenntnisse beispielsweise dazu verwendet, Wählersegmente zu bilden, politische Präferenzen in der Bevölkerung zu ermitteln und zielgruppengerechte Werbebotschaften zu formulieren. Zusätzlich werden kommunikationspolitische Spezialisten, sog. Spin Doctors, konsultiert. Diese „Hexenmeister“ sollen der Wahlkampfkommunikation den letzten und gewinnbringenden „Drall“ verpassen (vgl. Schoen, 2005, S.514-515, Meyer, 2001 und Korte, 2004, S.201ff).[10]
Schließlich ist in Zeiten der Mediatisierung ein wesentliches Anzeichen für den Wandel der Wahlkampfkommunikation in der starken Orientierung der Kampagnenplanung am Fernsehen zu sehen. Direkte, personale Kontakte zwischen Wählern und Politikern, wie beispielsweise bei der klassischen whistle-stop-campaign,[11] haben stark an Bedeutung verloren. Die Massenmedien und hier vor allem das Fernsehen haben sich sowohl bei den Wählern als auch bei den politischen Akteuren als Leitmedium durchgesetzt, wobei sich Bürger politische Informationen primär über das Fernsehen zugänglich machen. Diesen Aspekt versuchen politische Akteure zu instrumentalisieren, in dem sie sich das Fernsehen als primäres Kampagneninstrument zu Nutze machen, um ihre intendierten Ziele über dieses Medium zu transportieren. So sind beispielsweise Wahlwerbespots und Diskussionen im Hörfunk und Fernsehen aus nationalen Wahlkämpfen nicht mehr wegzudenken (vgl. Schoen, 2005, S.515, Holtz-Bacha, 2002b, S.23ff, Holtz-Bacha, 2002, S.42ff).
Häufig wird in diskursivem Kontext mit dem Wandelungsprozess der politischen Kommunikation neben der bereits angesprochenen Amerikanisierungsthese eine weitere, mit den Medien in Zusammenhang stehende These, die der Inszenierung des Politischen, aufgegriffen. Diese besagt im Kern, dass moderne Kampagnen nur noch den Imperativen des medialen Systems folgen. Jegliche Art von politischem Handeln und politischer Kommunikation, welche die Aufmerksamkeit des Bürgers bzw. des potentiellen Wählers zu gewinnen bzw. seine Meinung über den politischen Akteur, dessen Partei oder Programmatik intentional zu beeinflussen versucht, besitzt gemäß dieser These allein symbolischen Wert. In einer Mediengesellschaft fehlt dieser Darstellungspolitik jedwede politische Substanz und Entscheidungspolitik wird als irrelevant kategorisiert (vgl. Korte/Hirscher, 2000, S.11, Meyer, 2002, S.7-14 und Meyer, 2003, S.12-19). Nicht zuletzt nach der Bundestagswahl 2005 haben entsprechende Wahlanalysen ergeben, dass eine Diskrepanz zwischen Darstellungspolitik bzw. symbolischer Politik auf der einen Seite und Entscheidungspolitik auf der anderen Seite vom Wähler antizipiert und perzipiert wird. Bei Überschreitung einer bestimmten
Diskrepanzschwelle findet auf Seiten der Wähler eine Aburteilung des Politikers bzw. der Partei in Form einer Nicht- oder Protestwahl statt (vgl. Korte, 2005, S.12ff, Holtz-Bacha, 1996, S.12 und http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/52851.html ).
Trotz dieser Entkräftigung der Inszenierungsthese muss allerdings konstatiert werden, dass sich durch den Wandel hin zur bildlichen Kommunikation sowie durch die inflationäre Mitteilungsflut und der damit zu problematisierenden Aufmerksamkeitsmalaise eines Massenpublikums den Konkurrenzdruck in der Politik drastisch verschärft. Die Situation und die Möglichkeiten der politischen Kommunikation haben sich in einer Vielkanal-Gesellschaft damit nachdrücklich verändert (vgl. Meyer, 2003, S.13-14 und Müller, 1999, S.41-42).
Resümierend kann festgehalten werden, dass der Entwicklungsprozess von der vormodernen hin zur modernen oder auch professionellen Form politischer Kommunikation von technischen Innovationen und gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen initiiert und vorangetrieben wurde. Allerdings treten die beschriebenen Merkmale professioneller Wahlkämpfe nicht alle in allen Wahlkämpfen zusammen und in gleicher Intensität auf. „Zudem ist der Wandel nicht kontinuierlich verlaufen, vielmehr weist er durchaus Sprünge und Brüche auf.“ (Schoen, 2005, S.515). Von einer globalen Angleichung von Wahlkämpfen kann nur begrenzt gesprochen werden. So sind vor allem institutionelle Strukturmerkmale ein wesentliches Differenzierungsmerkmal politischer Kommunikation in unterschiedlichen politischen Systemen.[12]
Vorliegender Forschungsbericht thematisiert ein Instrument professioneller politischer Wahlkampfkommunikation, das der Wahlwerbespots. Im folgenden Abschnitt findet zunächst eine konzeptionelle Einordnung von Wahlwerbespots als kommunikationspolitisches Marketingmittel statt. Um Parteienspots als ein Medienangebot der Parteien zu Zeiten von Wahlkämpfen systematisch zu verorten und analysieren zu können, erfolgt daraufhin, in Anlehnung an Radunski, eine Einteilung in drei wesentliche Kampagnentypen. Bei der Abhandlung dieser drei Kampagnentypen wird intensiver auf die Werbekampagne eingegangen. Dies erfolgt deshalb, weil Wahlwerbespots dieser Kampagnenart zugeordnet werden können. Dabei wird nicht nur die rechtliche Rahmung von Wahlwerbespots thematisiert, sondern auch deren historischer Entwicklungsprozess unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Forschungsbeiträge nachgezeichnet.
3.3 2.2 WAHLWERBESPOTS – EIN INSTRUMENT DER POLITISCHEN WERBEKAMPAGNE
Ob nun Wahlen „im Fernsehen gewonnen oder verloren werden“ (Radunski zitiert nach in Holtz-Bacha, 2002c, S.215) können, soll an dieser Stelle weder in einer radikalen Art und Weise, wie vom ehemaligen CDU-Kampagnenmanager Radunski 1983 vorgetragen, noch unter wissenschaftlich fundierter, objektiver Perspektive diskutiert werden. Der Kommentar dient vielmehr dazu, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, welche wichtige Rolle dem Fernsehen von politischen Akteuren in Zeiten von modernen und professionalisierten Wahlkämpfen zugesprochen wird. Gleichzeitig wird anhand dieser Aussage antizipiert, welche Rolle das Fernsehen für die Wähler spielt: Das Fernsehen ist für diese Bevölkerungsgruppe Leitmedium, um sich politisch zu informieren (Pfetsch, 2001, S.27ff und Holtz-Bacha, 2002a, S.23ff).
Nicht zuletzt durch oder gerade wegen der Einführung des Internets und dessen kometenartigen Aufstieg hat das Fernsehen in seiner Funktion als primäres gesamtgesellschaftliches Medium nichts einbüßen müssen. Vielmehr erfährt es durch das Internet, es sei hier nur auf digitales Fernsehen via Glasfaserkabel oder Wireless hingewiesen, neue zusätzliche Verbreitung und Expansionsmöglichkeiten. Diese Entwicklung bleibt sicherlich auch bei den professionellen Kampagnenmanagern nicht unbemerkt und fließt in die Konzeption und Planung zukünftiger Wahlkampfkampagnen einfließen. Die unmittelbare Hinwendung zum Fernsehen als primäres und Gewinn versprechendes Kommunikationsinstrument fand in der Bundesrepublik Anfang der siebziger Jahre statt und erhielt seine Forcierung durch die Kommerzialisierung bzw. Dualisierung des deutschen Rundfunkmarktes (Holtz-Bacha, 2002c, S.211ff).
Im Laufe der Jahre sind eine Vielzahl von wissenschaftlichen und praxisorientierten Publikationen zum Thema moderne Wahlkampfführung erschienen, die häufig Empfehlungen und Kommentare enthalten, auf welche Weise Wahlkampagnen zu gestalten sind und welcher Einsatz von kommunikationspolitischen Instrumenten als sinnvoll bzw. weniger sinnvoll zu erachten ist. Um besser aufzeigen zu können, welche Rolle Wahlwerbespots für die Realisierung der Kampagnenziele spielen und auf welcher Ebene sie eingesetzt werden, verwendet das Projektteam hier die Einteilung der Wahlkampagnen nach Radunski (vgl. Holtz-Bacha, 2002a, 2002b, 2002c sowie exemplarisch Pries, 2004, S.153ff).
[...]
[1] Dörner umschreibt diese Merkmale in Anlehnung an Schulz wie folgt: „Personalisierung, das heißt eine Konzentration der Aufmerksamkeit auf die Person der Kandidaten, die zu Lasten der Sachthemen geht; die Gestaltung des Wahlkampfes als „horse race“, als Wettkampf der Kandidaten; einen Angriffswahlkampf („negative campaigning“), der auf die symbolische Destruktion des Gegners zielt; eine weitgehende Professionalisierung, welche die Gestaltung der Kampagne in die Hand von Kommunikationsleuten, Werbern und PR-Experten legt, wobei hier sog. „Spin Doctors“ als Manager der Medienkontakte zu besonderer Prominenz gelangt sind; ein Marketingansatz der politischen Werbung und schließlich ein gezieltes Ereignis- und Themenmanagement“ (Dörner, 2001, S.114).
[2] Brettschneiders „Wahlkampf-Dreieck“ setzt sich aus den drei Eckpunkten Wähler, Parteien und Politiker sowie Medien und Journalisten zusammen, die in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen. Dies impliziert somit, dass Veränderungs- oder Wandelungsprozesse in einem System Rückkopplungsprozesse in einem der anderen beiden Systeme verursachen. Wird um diese interdependent zueinander stehenden Systeme, Parteien, Wähler und Medien, ein gesamtgesellschaftlicher Rahmen gezogen, werden auch kontextuelle, und somit internationale Unterschiede in der Modernisierung der Weltgesellschaften berücksichtigt, die vor allem auf gesellschaftliche, institutionelle und politische Bedingungen zurückzuführen sind (vgl. Brettscheider, 2005, S.19-20, Schoen, 2005, S.515ff und Brettschneider, 2002, S.57ff).
[3] Es existieren wenigstens drei Konnotationen des Ausdrucks Amerikanisierung in der Literatur: In einer Deutungsweise bezieht sich der Begriff auf eine idealtypische Kampagne, die nicht notwendigerweise mit aktuellen amerikanischen Kampagnen in Zusammenhang stehen muss. Der zweite Typus spricht dann von amerikanischen Wahlkämpfen, wenn diese eine starke Kongruenz mit realen amerikanischen Kampagnen aufweisen. Die letzte Interpretation des Konzeptes wird dann verwendet, wenn die starke Ähnlichkeit von nationalen mit amerikanischen Wahlkämpfen auf den starken US-amerikanischen Einfluss zurückzuführen ist und in Adaptionen von Techniken und Instrumenten aus dem amerikanischen Wahlkampf mündet (vgl. Schoen, 2005, S.516, Holtz-Bacha, 1996, S.9ff).
[4] So betrachten beispielsweise McLuhan (1964/1995) und im Anschluss daran Meyrowitz (1987) die Entwicklung der Gesellschaft als Geschichte ihrer Medien (vgl. Meyer u.a., 2000, S.71).
[5] Das Fernsehen ist bei der Mediatisierung nicht nur als Faktor zu betrachten, sondern hat mittlerweile auch die Funktion des Leitmediums oder Meinungsführers inne. Von Relevanz ist somit, dass die Bildung der öffentlichen Meinung immer stärker an die Medien abgetreten wird und ein Wandel weg von realen hin zu virtuellen Opinion-Leader festzustellen ist (vgl. Merten, 1999, S.243).
[6] Nach Holtz-Bacha weist die Entwicklung des deutschen Mediensystems zwei Zäsuren auf: Zum einen die Einführung des Fernsehens im Dezember 1952 und seine Etablierung als Leitmedium sowie zum anderen die Entwicklung des dualen Rundfunksystems Anfang der achtziger Jahre mit dem Marktzutritt von wirtschaftlich ausgerichteten Anbietern und deren Markterfolg. Dieser evolutionäre Prozess setzte sich im politischen System fort und mündete in die moderne Form von Wahlkämpfen (vgl. Holtz-Bacha, 2000b, S.212-214 und Plake, 2004, S.283ff).
[7] Dieser Prozess des Dealignment, der für die Aufweichung der langfristigen affektiven Bindungen an eine Partei steht, ist zum einen durch immer mehr Wechselwähler und zum anderen durch eine steigende Neigung der Wähler zum Stimmensplitting gekennzeichnet (vgl. Holtz-Bach, 1996, S.11).
[8] An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass alle drei am Wahlkampf beteiligten Akteure unterschiedliche Ziele besitzen, die sie anhand unterschiedlicher Strategien unter Verwendung von entsprechenden Instrumenten zu erreichen versuchen. Bei politischen Akteuren sehen vote-, office- und policy seeking im Fokus ihrer Aktivitäten. Zur Verwirklichung dieser drei Kernziele finden zu Zeiten moderner Wahlkampfführung Instrumente des modernen Marketings Anwendung, so z. B. der Einsatz von zielgruppengerecht gestalteten Zeitungsannoncen. Bei den Medien ist die Einschaltquote das Maß aller Dinge. Diese soll maximiert werden, damit die Werbeeinnahmen und damit der operative Gewinn gesteigert werden kann. Um diese rein ökonomischen Ziele zu realisieren, wird versucht, durch entsprechende Präsentationsformen die Aufmerksamkeit des Publikums - den „Daumen auf der Fernbedienung“ - zu gewinnen. Den Wählern geht es im Gegensatz dazu darum, den wahrgenommenen Wert durch ihre Beteiligung an der Wahl zu steigern. D. h. sie beabsichtigen, die Differenz zwischen Wahlnutzen und Wahlkosten zu maximieren. Die Handlungskorridore dieser drei Akteursgruppen werden durch institutionelle und gesellschaftliche Bedingungen limitiert (vgl. Schoen, 2005, S.505ff und Brettschneider, 2002, S.57ff, Brettschneider, 2005, S.19).
[9] Unter Settings sind an dieser Stelle strukturelle Rahmenbedingungen gemeint. Diese setzen sich aus langfristigen und kurzfristigen Konventionen zusammen. Zu den langfristigen Settingkomponenten zählen zum einen normative, d. h. gesetzliche Reglementierungen und zum anderen eher langfristige Wandlungsprozesse der Wählerschaft (z. B. nachlassende Parteienbindung, Individualisierung, Ökonomisierung), des politischen Systems (z. B. sinkende Bedeutung der Parteien im politischen System) und des Mediensystem (duales Rundfunksystem, Fernsehen als Leitmedium). Unter kurzfristigen Rahmenbedingungen können Themen- und Problemstellungen im Vorfeld der Wahl und politische Konstellationen, wie z. B. Regierungs- und Oppositionsposition sowie Kandidateneigenschaften, subsumiert werden (vgl. Holtz-Bacha, 2002b, S.214).
[10] Tenscher beschreibt die „Hexenmeister“ als moderne politische Berater mit besonderen Kenntnissen über und speziellen Verbindungen zu den Medien. Ob das Spin Doctoring alleine Schuld an der teilweise unglücklichen medial vermittelten Image-Konstruktion einiger politischer Spitzenakteure, wie z. B. Westerwelles „Spaßmobil-Tour durch Deutschland anlässlich der Bundestagswahl 2002, ist sicherlich eine weitere interessante Forschungsfrage, die Tenscher in seinem Essay allerdings auch nicht eindeutig beantwortet (vgl. Tenscher, 2003, S.64-69).
[11] Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Kampagneninstrument aus den US-amerikanischen Wahlkämpfen. Dieses Konzept beschreibt die Kandidatentour durch das Land, damals mit dem Zug heute mit dem Flugzeug (vgl. Holtz-Bacha, 2002a, S.23).
[12] Ausführlicher wird in Fußnote 9 auf die Strukturmerkmale eingegangen.
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