Die Sonne steht still und die Erde bewegt sich. Diese Erkenntnis war eine der faszinierendsten Fortschritte in der Geschichte der Wissenschaft, zugleich aber auch höchst irritierend, da diese Erkenntnis im Widerspruch zur Alltagserfahrung steht. Wir sehen wie die Sonne auf- und untergeht und wir spüren, dass die Erde, auf der wir stehen, fest und unbeweglich zu ruhen scheint. So stellt die heliozentrische Theorie die Ansichten, die sich aus der sinnlichen Wahrnehmung ergeben, in Frage. Als 1543 Kopernikus Werk „De revolutionibus orbium coelestium“ erschien, läutete es eine wissenschaftliche Revolution ein.In dieser Arbeit wird Kopernikus Beitrag zu unserem heutigen Weltbild näher betrachtet. Anhand biographischer Daten werden seine ersten Berührungen mit der Astronomie verdeutlicht. Anschließend werden Kopernikus Werk, das konkurrierende geozentrische Weltbild und die philosophischen sowie astronomischen Gedanken der Antike, auf denen Kopernikus aufbaut, vorgestellt. Im Verlauf dieser Arbeit wird deutlich, was Kopernikus am alten Weltbild kritisiert, was ihn zu der Formulierung seiner Theorie motiviert hat und, wie sein heliozentrisches System von Astronomen, der Öffentlichkeit und der Kirche rezipiert worden ist. Abschließend wird kurz die Weiterentwicklung und Vollendung des heliozentrischen Weltbildes durch Kepler, Galilei und Newton dargestellt, um aufzuzeigen, inwiefern Kopernikus Konzept noch theoretisch ausgebaut, empirisch und physikalisch fundiert werden musste, um allgemeine Anerkennung zu finden.
Die erkenntnismäßige Überwindung des geozentrischen Weltbildes, die gemeinhin mit Kopernikus verbunden wird, musste früher oder später zu einem fundamentalen Umdenkungsprozess hinsichtlich der Stellung des Menschen im Kosmos führen. Diesen Umdenkungsprozess hat Kopernikus selbst jedoch gar nicht gesehen und noch weniger gewollt. Dazu ist er viel zu sehr Traditionalist und an das Gedankengut der antiken Philosophen gebunden gewesen, als dass er die Unendlichkeit des Universums angenommen und damit die „sichere“ Stellung des Menschen im Kosmos in Frage gestellt hätte. Sein Anliegen lag darin, die Astronomie und das herrschende geozentrische Weltbild zu reformieren, die Bewegungen der Himmelskörper besser und einfacher zu erklären, aber nicht das aristotelisch-ptolemäische Weltgebäude mittels eines revolutionären Gewaltaktes zu zerstören.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Kopernikanische Wende
2.1 Kopernikus Weg zur Astronomie – Eine kurze Biographie
2.2 Das Weltbild der Antike – Aristoteles und Ptolemäus
2.3 Kopernikus heliozentrische Theorie und seine antiken Vordenker
2.4 „De revolutionibus“ – Kopernikus Motive zu seinem revolutionären Weltbild und dessen Traditionsbindung
2.5 Kopernikus Wirkung auf die Öffentlichkeit und die Kirche
3. Weiterentwicklung und Vollendung des heliozentrischen Weltbildes – Kepler, Galilei und Newton
4. Fazit – Kopernikus und die Folgen
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Sonne steht still und die Erde bewegt sich. Diese Erkenntnis war eine der faszinierendsten Fortschritte in der Geschichte der Wissenschaft, zugleich aber auch höchst irritierend, da diese Erkenntnis im Widerspruch zur Alltagserfahrung steht. Wir sehen wie die Sonne auf- und untergeht und wir spüren, dass die Erde, auf der wir stehen, fest und unbeweglich zu ruhen scheint. So stellt die heliozentrische Theorie die Ansichten, die sich aus der sinnlichen Wahrnehmung ergeben, in Frage. Gleichzeitig ebnete sie aber so den Weg für eine neue Deutung der Welt, bei der mathematische Begründungen ein größeres Gewicht bekamen. Als 1543 Kopernikus Werk „De revolutionibus orbium coelestium“[1] erschien, läutete es eine wissenschaftliche Revolution ein.
Ganz neu war die Vorstellung, die Erde drehe sich einmal innerhalb von vierundzwanzig Stunden um ihre eigene Achse und einmal im Jahr um die Sonne, allerdings nicht. Schon einige Denker der griechischen Antike wie Aristarch von Samos oder die Denker der pythagoreischen Schule hatten behauptet, dass sich nur so der Lauf der Sterne und Planeten am Himmel richtig deuten ließe. Kopernikus selbst stand durchaus hinter dem humanistischen Ideal, die Ideen der Antike wieder zu neuem Leben zu erwecken und nahm deshalb auch diese griechischen Denker sehr ernst. Sie schienen ihm eine Alternative zu bieten zu dem verworrenen traditionellen, ptolemäischen Ansatz und dem geozentrischen Konstrukt, das in seinen Augen sehr inkonsistent und unharmonisch war.
Im Folgenden soll nun Kopernikus Beitrag zu unserem heutigen Weltbild näher betrachtet werden. Zunächst soll anhand biographischer Daten seine ersten Berührungen mit der Astronomie nachvollziehbar werden. In einem zweiten Schritt werden dann Kopernikus Werk, das konkurrierende geozentrische Weltbild und die philosophischen sowie astronomischen Gedanken der Antike, auf denen Kopernikus aufbaut, vorgestellt werden.
Im Verlauf dieser Arbeit soll deutlich werden, was Kopernikus am alten Weltbild kritisiert, was ihn zu der Formulierung seiner Theorie motiviert hat und, wie sein heliozentrisches System von Astronomen, der Öffentlichkeit und der Kirche rezipiert worden ist. Abschließend wird kurz die Weiterentwicklung und Vollendung des heliozentrischen Weltbildes durch Kepler, Galilei und Newton dargestellt, um aufzuzeigen, inwiefern Kopernikus Konzept noch theoretisch ausgebaut, empirisch und physikalisch fundiert werden musste, um allgemeine Anerkennung zu finden.
2. Die Kopernikanische Wende
2.1 Kopernikus Weg zur Astronomie – Eine kurze Biographie
Die entscheidende Wende zum heliozentrischen Weltbild und damit die Reformation der Astronomie ist Nikolaus Kopernikus zu verdanken, der am 19. Februar 1473 in Thorn an der Weichsel geboren wurde. Als Kopernikus zehn Jahre alt war, starb sein Vater und sein Onkel Lucas Watzenrode sorgte von da an für Kopernikus Lebensunterhalt. Watzenrode war ein wohlhabender und einflussreicher Mann. Er war geweihter Priester und gehörte zudem zur Gefolgschaft des polnischen Königs und wurde 1489 Bischof des Ermlandes. Seine einflussreiche Stellung ermöglichte dem Neffen, sich 1491 an der Universität Krakau zu immatrikulieren, wo dieser zum ersten Mal mit der Astronomie in Berührung kam, die zum damaligen „Grundstudium“ gehörte. Ein Indiz dafür sind zwei einschlägige Konvolute, die Kopernikus wahrscheinlich in Krakau gekauft hatte, denn deren Einband deutet auf diesen Herkunftsort hin. Ein Band enthält eine Ausgabe der „Alfonsischen Tafeln“ und die „Tabulae directiorum“, die zusammen die aktuellsten und fast vollständigen Datensammlungen jener Zeit für astronomische Berechnungen darstellten. Der zweite Band enthält die „Elemente“ des griechischen Mathematikers Euklid und weiterhin die „In iudiciis astrorum“, eine der vollständigsten und meistgelesenen arabischen Abhandlungen der Astrologie. Somit hatte Kopernikus offenbar begonnen, die damals grundlegenden Werke zur sphärischen und planetarischen Astronomie sowie zur Geometrie und Astrologie zu studieren.
Im Jahre 1495 verschaffte Watzenrode seinem Neffen eine Position als Domherr, die ihm ein lebenslanges Einkommen aus landwirtschaftlichen Betrieben im Besitz der Diözese sichern sollte. Allerdings waren mit dieser Stellung auch Pflichten verbunden, wie z. B. die Verwaltung des Gebietes, das dem Bischof als Landesherren unterstand. Des Weiteren beschäftigte sich Kopernikus mit der Reform des Münzwesens und verteidigte als Kommandant die Festung Allenstein erfolgreich gegen den Ansturm der Ritter vom Deutschen Orden. Neben all diesen Tätigkeiten ist er auch noch ein viel um Rat gefragter Arzt gewesen.[2]
Da in der vorliegenden Arbeit jedoch Kopernikus Weg zur Astronomie im Vordergrund steht, soll im Folgenden nur sein Studienverlauf näher betrachtet werden.
Im Oktober 1496 schrieb sich Kopernikus als Student des kanonischen Rechts an der Universität Bologna ein. Während dieser Zeit in Bologna wohnte er bei dem Astronomen Dominicus Maria de Novara (1454-1504), der dem geozentrischen System von Ptolemäus skeptisch gegenüberstand und den Studenten der Rechte zu Himmelsbeobachtungen ermunterte. Kopernikus machte in Bologna keinen Abschluss, kehrte zunächst wieder ins Ermland zurück und ging dann im Sommer 1501 nach Padua, um dort Medizin zu studieren. Auch dieses Studium hat er nicht abgeschlossen, da er gezwungen war, zu seiner Domherrenstelle zurückzukehren. Kopernikus wollte aber nicht mit leeren Händen zurückkommen und besuchte deshalb im Frühjahr 1503 die Universität Ferrara, wo er am 31. Mai 1503 seinen Doktortitel in kanonischem Recht erlangte.
Während seiner Studienjahre kam Kopernikus also mit der Astronomie in Berührung. In seinem Grundstudium in Krakau lernte er die tradierten Lehren der Antike kennen. Das kosmologische Weltbild von Aristoteles sowie das mathematisch-astronomische Modell von Ptolemäus bildeten die wesentlichsten Grundlagen der gültigen Vorstellung. Seine Zeit in Bologna war wohl die prägendste Zeit für Kopernikus Interesse an der Astronomie. Angeregt durch Novara begann er die Erscheinungen am Himmel zu verfolgen und sie aufzuzeichnen. Novaras kritische Einstellung gegenüber dem geozentrischen System schärfte wahrscheinlich auch Kopernikus Bewusstsein dafür, dass es in der Astronomie noch Raum für originelle Forschung gebe. In dieser Zeit kam er dann auch mit dem Werk „Epitome in almagestum“ von Peuerbach und Regiomontanus in Berührung, welches einen leichter verständlichen lateinischen Abriss des weitschweifigen und schwierigen „Almagest“ des Ptolemäus darstellt, der das bedeutendste astronomische Werk der Antike war und bis nach Kopernikus Gültigkeit besaß. Dieser Abriss von Peuerbach und Regimontanus offenbarte gewisse Mängel des tradierten Modells bezüglich des Mondes und dessen Bewegung und spornte wohl auch Kopernikus an, weitere Ungenauigkeiten im ptolemäischen System zu suchen und alternative Theorien über die Bewegung der Himmelskörper zu entwickeln.[3]
Bevor Kopernikus Theorie über die Himmelsbewegungen und dessen Kritik am ptolemäischen System vorgestellt wird, soll nun aber zunächst das geozentrische Weltbild, das hauptsächlich durch Aristoteles und Ptolemäus geprägt worden ist, erläutert und auf die beiden Ungleichheiten zwischen deren Theorie und den Planetenbeobachtungen hingewiesen werden, die dann Kopernikus in seinem System zu lösen versuchte.
2.2 Das Weltbild der Antike – Aristoteles und Ptolemäus
Die lange Wirkung des antiken Weltbildes bis in die Neuzeit hinein zeigt, dass Weltbilder um so erfolgreicher sind, je mehr sie bestimmten Grundbedürfnissen des Menschen entgegenkommen, die psychologischer, geistiger oder ästhetischer Natur sein können. Die Überzeugungskraft der sinnlichen Wahrnehmung, insbesondere des visuellen, ist groß. Die Vorstellung einer bewegten Erde widerspricht dem Augenschein und hat zunächst wenig Plausibilität. Das auf der Geozentrik basierende Zwei-Kugel-Universum der Antike trug der unmittelbaren Sinneserfahrung in hohem Grade Rechnung.
Im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden maßgebende Weltmodelle. Eudoxos von Knidos (400-347 v. Chr.) entwarf ein mathematisch-geometrisches Modell von 27 homozentrischen, gleichförmig rotierenden Sphären. Aristoteles erweiterte das Modell um weitere Sphären auf die Anzahl 56. Sein Modell war eine große Hohlkugel, an deren Innenseite die Fixsterne befestigt sind, wobei die Erde als eine kleine, ruhende Kugel vorgestellt wurde, deren Mittelpunkt mit dem der Sternenkugel identisch ist. Nach Aristoteles ist die im Zentrum des Universums ruhende Erde zunächst umgeben von den sphärischen Hüllen der irdischen Elemente Wasser, Luft und Feuer, wobei die Feuersphäre wiederum von den kristallenen Sphären bzw. Hohlkugeln umschlossen wird, in die in wachsender Entfernung die Planeten vom Mond bis zum Saturn eingelagert sind. Jenseits der Planetensphären kommt die Fixsternsphäre bzw. die Sternenkugel, die die absolute Grenze des Weltalls markiert und sie von der Wirkregion des „unbewegten Bewegers“ trennt. Die Sphäre des Mondes teilt das Universum in zwei streng unterschiedene Regionen, die irdische (sublunare) und die himmlische (translunare).
[...]
[1] Nicolaus Copernicus: Das neue Weltbild. Drei Texte. Commentariolus. Brief gegen Werner. De revolutionibus I. Lateinisch-deutsch, übers., hrsg. u. mit e. Einl. u. Anm. vers. v. Hans Günter Zekl. Im Anhang e. Ausw. aus d. Narratio prima des G. J. Rhetikus, Hamburg 1990.
[2] Zur Biographie von Kopernikus vgl. : Krafft: Nicolaus Copernicus. S. 286-295. Gingerich: Nikolaus Kopernikus und Tycho Brahe. S. 48-50. Nobis: Der Himmel stürzt ein. S. 130-132. Shea: Nikolaus Kopernikus. S. 6-8. Wolfschmidt: Nicolaus Copernicus. S. 30-37.
[3] Vgl. Shea: Nikolaus Kopernikus. S. 8-13. Wolfschmidt: Nicolaus Copernikus. S. 30-32.
- Quote paper
- Heike Esser (Author), 2006, Nikolaus Kopernikus - Die Kopernikanische Wende und ihre Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68252
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