Der Markt für Finanzdienstleistungen ist in Bewegung. Seit etwa zwei Jahzehnten haben sich das Wettbewerbsumfeld und die Zusammenarbeit von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen einschneidend verändert. Kennzeichnend für die Entwicklung sind der verschärfte Wettbewerb, neue Produkte, die verstärkte Gruppenbildung und die Internationalisierung. Mit der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wurden weitere Anreize hierfür gegeben. Banken, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungen konkurrieren in immer größerem Umfang an denselben Märkten mit ähnlichen oder sogar fast identischen Produkten, um die Wünsche ihrer Kunden im Rahmen umfassender Allfinanzangebote befriedigen zu können. Zudem soll aus Sicht der Unternehmen eine Diversifizierung der angebotenen Finanzprodukte neben mehr Flexibilität im Hinblick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden, eine Verbreiterung und Verstetigung der Ertragsbasis über den bestehenden Geschäftskreis sichern. Versicherer, Banken und andere Finanzdienstleister verbinden sich vermehrt, um „Allfinanz“, „Bankassurance“ oder „Assurbanking“ zu betreiben. Die Deutsche Bundesbank versteht in diesem Zusammenhang den Begriff „Allfinanz“ als „eine Strategie, Kunden über den ursprünglichen eigenen Tätigkeitsbereich in einer Branche hinaus umfassend mit Finanzdienstleistungen zu versorgen, durch eine Optimierung der Kundenorien-tierung die Kundenbindung zu stärken und so nachhaltigere und stetigere Erträge zu erwirtschaften.“
Die dynamische Entwicklung und nachhaltige Veränderung der Finanzmarktstrukturen haben die Trennlinie zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft zunehmend verwischt. Die Möglichkeiten der Zusammenschlüsse und Kooperation sind äußerst vielfältig. Jedem geläufig sind beispielsweise die Vertriebskooperationen bzw. Verbundsysteme bei den Sparkassen (Sparkasse, Provinzial, LBS, Deka). Verstärkt zu beobachten sind jedoch insbesondere sektorübergreifende Konzernbildungen von Banken, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen, denn Allfinanzkonzerne können breitere Produktpaletten besonders effizient am Markt platzieren. Während früher meist nur lockere Beziehungen zwischen Banken und Versicherungen bestanden, haben sich auch in Deutschland mittlerweile mächtige Finanzkonglomerate herausgebildet, die weltweit tätig sind. Die rechlichen Rahmenbedingungen für Finanzkonglomerate wurden in jüngster Zeit überarbeitet und neu konzipiert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung in den Themenbereich
1.1 Entwicklungen in der Finanzbranche
1.2 Finanzkonglomerate – eine erste Definition
1.3 Problemstellung und Aufbau der Arbeit
2 Wirtschaftliche Bedeutung von Finanzkonglomeraten und Herausforderungen an deren Beaufsichtigung
2.1 Wirtschaftliche Bedeutung von Finanzkonglomeraten
2.2 Konglomeratsspezifische Risiken
2.3 Problemfelder der bisherigen Beaufsichtigung im europäischen Recht
3 Die Einstufung als Finanzkonglomerat
3.1 Wichtige Begriffe
3.2 Bestimmung eines Finanzkonglomerats
3.3 Finanzkonglomerate in Deutschland und Europa
4 Gegenstand der zusätzlichen Beaufsichtigung
4.1 Angemessene Eigenkapitalausstattung
4.2 Gruppeninterne Transaktionen und Risikokonzentration
4.3 Internes Risikomanagement und Anforderungen an die Geschäftsleitung
5 Schlußfolgerungen und kritische Bemerkungen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einstufung von Unternehmensgruppen als Finanzkonglomerate
Abbildung 2: Die Finanzkonglomerate in Deutschland
Abbildung 3: Gegenstand der zusätzlichen Beaufsichtigung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung in den Themenbereich
1.1 Entwicklungen in der Finanzbranche
Der Markt für Finanzdienstleistungen ist in Bewegung. Seit etwa zwei Jahrzehnten haben sich das Wettbewerbsumfeld und die Zusammenarbeit von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen einschneidend verändert. Kennzeichnend für die Entwicklung sind der verschärfte Wettbewerb, neue Produkte, die verstärkte Gruppenbildung und die Internationalisierung. Mit der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wurden weitere Anreize hierfür gegeben.[1] Banken, Finanzdienstleistungsinstitute[2] und Versicherungen konkurrieren in immer größerem Umfang an denselben Märkten mit ähnlichen oder sogar fast identischen Produkten, um die Wünsche ihrer Kunden im Rahmen umfassender Allfinanzangebote befriedigen zu können. Zudem soll aus Sicht der Unternehmen eine Diversifizierung der angebotenen Finanzprodukte neben mehr Flexibilität im Hinblick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden, eine Verbreiterung und Verstetigung der Ertragsbasis über den bestehenden Geschäftskreis sichern.[3] Versicherer, Banken und andere Finanzdienstleister verbinden sich vermehrt, um „Allfinanz“, „Bankassurance“ oder „Assurbanking“ zu betreiben.[4] Die Deutsche Bundesbank versteht in diesem Zusammenhang den Begriff „Allfinanz“ als
„eine Strategie, Kunden über den ursprünglichen eigenen Tätigkeitsbereich in einer Branche hinaus umfassend mit Finanzdienstleistungen zu versorgen, durch eine Optimierung der Kundenorientierung die Kundenbindung zu stärken und so nachhaltigere und stetigere Erträge zu erwirtschaften.“[5]
Die Begriffe „Bankassurance“ oder „Assurbanking“ tauchen teilweise in der Literatur auf und werden verwendet, je nach dem, ob es sich um eine bankdominierte (Bankassurance) oder versicherungsdominierte (Assurbanking) Finanzgruppe[6] handelt.[7] Diese beiden Begriffe seien hier aus Gründen der Vollständigkeit genannt, werden aber im weiteren Verlauf meiner Arbeit nicht weiter genutzt.
Die dynamische Entwicklung und nachhaltige Veränderung der Finanzmarktstrukturen haben die Trennlinie zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft zunehmend verwischt. Die Möglichkeiten der Zusammenschlüsse und Kooperation sind äußerst vielfältig. Jedem geläufig sind beispielsweise die Vertriebskooperationen bzw. Verbundsysteme bei den Sparkassen (Sparkasse, Provinzial, LBS, Deka). Verstärkt zu beobachten sind jedoch insbesondere sektorübergreifende Konzernbildungen von Banken, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen, denn Allfinanzkonzerne können breitere Produktpaletten besonders effizient am Markt platzieren. Während früher meist nur lockere Beziehungen zwischen Banken und Versicherungen bestanden, haben sich auch in Deutschland mittlerweile mächtige Finanzkonglomerate herausgebildet, die weltweit tätig sind.[8]
1.2 Finanzkonglomerate – eine erste Definition
Eine Definition von Finanzkonglomeraten erweist sich zunächst als schwierig. Vereinfacht könnte man sagen, dass es sich um Allfinanzkonzerne handelt. Die Begriffe werden auch in der Literatur teilweise synonym verwendet.[9] Allerdings ist der Konzernbegriff aus verschiedenen Gründen problematisch, beispielsweise muss ein Finanzkonglomerat nicht zwingend auch ein Konzern sein.[10] Da im weiteren Verlauf der Arbeit ausschließlich der Begriff „Finanzkonglomerat“ genutzt wird, kann auf eine genauere Definition des „Allfinanzkonzerns“ verzichtet werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) definiert Finanzkonglomerate als
„Unternehmensgruppen, deren einzelne Unternehmen Dienstleistungen und Produkte sowohl im Versicherungssektor als auch im Banken- und Wertpapierdienstleistungssektor und damit in verschiedenen Finanzbranchen anbieten.“[11]
Häusele erläutert eine sprachliche Auslegung des Begriffes, welche in die gleiche Richtung geht. Demnach deutet „Finanz“ auf das Angebot von Versicherungs- und sonstigen Finanzdienstleistungen hin und als „Konglomerat“ wird eine Unternehmensgruppe mit stark diversifizierten Geschäftsfeldern bezeichnet.[12] Damit sind Finanzkonglomerate allerdings noch lange nicht eindeutig bestimmt, diese allgemeine Umschreibung sollte aber zur Einordnung an dieser Stelle genügen. Mittlerweile sind Finanzkonglomerate als normativer Begriff im § 1 Abs. 20 KWG verankert. Die Bestimmung ist relativ komplex und erfordert die Erfüllung zahlreicher Voraussetzungen. Aufgrund der Komplexität des Begriffes und der zentralen Bedeutung für die gesamte Arbeit, wird die genaue Definition in einem eigenen Kapitel (Kapitel 3.2) ausführlich behandelt.
1.3 Problemstellung und Aufbau der Arbeit
Als Konsequenz aus der Entstehung solcher Finanzkonglomerate ergaben sich vor allem Einschränkungen im Hinblick auf die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten der Finanzbehörden. Für Finanzkonglomerate mussten neue Regelungen geschaffen werden, um eine wirksame Beaufsichtigung gewährleisten zu können. Die genaueren Gründe hierfür werden in Kapitel 2 beleuchtet. Vom europäischen Gesetzgeber wurde deshalb im Dezember 2002 eine Richtlinie über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten (Finanzkonglomeraterichtlinie)[13] verabschiedet. Damit ist man den durch die EU-Kommission in dem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen[14] formulierten Zielen der Modernisierung der gemeinschaftlichen Aufsichtsregeln und dem Fernziel der Schaffung eines integrierten Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen ein entscheidendes Stück näher gekommen. Kernanliegen der Richtlinie ist es, der gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung von Finanzkonglomeraten Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Überwindung der hieraus für das Finanzsystem entstehenden Risiken zu leisten.[15] Ein wichtiges Ziel ist beispielsweise, innerhalb einer Unternehmensgruppe insbesondere die Mehrfachbelegung von Eigenkapital zu verhindern. Eine genauere Betrachtung der Risiken erfolgt in Kapitel 2.2. In Deutschland wurde die Richtlinie zum 1. Januar 2005[16] in nationales Recht transformiert.
Damit wurde erstmals eine zusätzliche, branchenübergreifende Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten geschaffen. Bislang wurden Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen jeweils isoliert nach den für sie einschlägigen Branchenvorschriften beaufsichtigt, also nach dem Kreditwesengesetz (KWG) oder nach dem Versicherungs-aufsichtsgesetz (VAG). Die neuen Vorschriften für Finanzkonglomerate sind Bestandteile der einschlägigen Aufsichtsgesetze geworden. Meine weiteren Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf die Regelungen im KWG. Wichtig ist, dass die alten Regelungen der Aufsicht bestehen bleiben, allerdings Finanzkonglomerate im Sinne des Gesetzes einer zusätzlichen Aufsicht unterliegen. Caspari brachte diesen Zusammenhang etwas allgemeiner gehalten wie folgt auf den Punkt:
„Wenn ein Unternehmen auf mehreren Hochzeiten tanzt,
wird es zusätzlich gruppenweit beaufsichtigt.“[17]
Nach der Einleitung in Kapitel 1 gehe ich in Kapitel 2 kurz auf die wirtschaftliche Bedeutung von Finanzkonglomeraten und die damit verbundenen Risiken ein. Kern meiner Ausarbeitung ist die Darstellung der Voraussetzungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um als Finanzkonglomerat im Sinne des Gesetzes (KWG) eingestuft zu werden und welche Vorschriften in diesem Anwendungsbereich dann zu beachten sind. Dies erfolgt in Kapitel 3 und 4. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werden nicht alle einschlägigen Paragraphen und Verordnungen, sondern nur die aus meiner Sicht wichtigsten Vorschriften behandelt. Die Arbeit endet mit einigen Schlussbemerkungen in Kapitel 5.
[...]
[1] Vgl. Neumann, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1998, S. 1.
[2] Finanzdienstleistungsinstitute sind gem. § 1 Abs. 1a S. 1 KWG Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig […] erbringen und die keine Kreditinstitute sind.
[3] Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 2005, S. 40.
[4] Vgl. Häusele, Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1994, S. 566.
[5] Deutsche Bundesbank, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 2005, S. 40.
[6] Der Begriff „Finanzgruppe“ wird von der Bundesbank hier nicht weiter definiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass an den „neuen Gruppenbegriff“ i.S.d. KWG angeknüpft wird. Nähere Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel 3.
[7] Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 2005, S. 40.
[8] Vgl. BaFin, Startschuss für die Allfinanzaufsicht in Deutschland, 2006, S. 2.
[9] Vgl. Wagner, Die Bildung von Allfinanzkonzernen, 1991, S. 79; ebenso: Häusele, Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1994, S. 567.
[10] Zur Definition und Problematik des Begriffes „Allfinanzkonzern“: Vgl. Schieber, Die Auf- sicht über Finanzkonglomerate, 1998, S. 49-70.
[11] BaFin, Umsetzung der Finanzkonglomerate-Richtlinie, 2004; Zur Definition der Begriffe „Gruppe“ und „Finanzbranche“ siehe Kapitel 3.1.
[12] Vgl. Häusele, Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1994, S. 567.
[13] Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerates und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Finanzkonglomeraterichtlinie), ABl vom 11.02.2003 L 35/1.
[14] Aktionsplan für Finanzdienstleistungen, Kommissionsmitteilung Dok. KOM (1999) 232 vom 11.05.1999, abgedruckt in ZBB 1999, S. 254; vgl. zu den für die Bankenaufsicht relevanten Maßnahmen des Aktionsplans Hirte/Heinrich, Entwicklungen im Europäischen Bankrecht – Eine Bestandsaufnahme, 2001, S. 388-396.
[15] Vgl. Heinrich, Die EG-Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten, 2003, S. 230.
[16] Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 21.12.2004, BGBl. L, S. 3610.
[17] Caspari, Allfinanzaufsicht in Europa, 2003, S. 16.
- Arbeit zitieren
- Udo Kempener (Autor:in), 2006, Rechtsrahmen der Finanzkonglomerate, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67563
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