"Alternative Risk Transfer: Überblick über die Produkte – Möglichkeiten des Einsatzes – ein Substitut zur klassischen Versicherung?"
Diese vorliegende Arbeit soll einleitend die Notwendigkeit nach Alternativen zur klassischen Versicherung aufzeigen, um anknüpfend einen Überblick über auserwählte ART-Produkte zu geben. Darauf folgend werden deren Einsatzmöglichkeiten für Unternehmen analysiert, um abschließend die Frage zu klären, ob ART ein Substitut zur klassischen Versicherung ist.
Die steuerrechtlichen Aspekte von ART würden über den Umfang dieser Studienarbeit hinausgehen und werden daher vernachlässigt. Außerdem setzt der Verfasser Grundkenntnisse über Rückversicherung voraus.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anlagenverzeichnis
1 Einleitung
2 Traditioneller Risikotransfer
2.1 Traditionelle Risikopolitik im Unternehmen
2.2 Voraussetzungen der Versicherbarkeit
2.3 Notwendigkeit für neue Lösungsansätze
3 Alternative Risk Transfer (ART)
3.1 Definition des Begriffes
3.2 Kernmerkmale des Alternative Risk Transfers
3.3 Ziele des Alternative Risk Transfers
4 Produkte des Alternative Risk Transfer
4.1 Überblick
4.2 Captives
4.2.1 Definition
4.2.2 Geschichtlicher Hintergrund
4.2.3 Arten und Formen
4.2.4 Motive einer Captivegründung
4.2.5 Voraussetzungen für die Gründung von Captives
4.3 Finite Risk-Lösungen
4.3.1 Hinführung
4.3.2 Merkmale von Finite Risk-Produkte
4.3.2 Finite Risk-Vertragsformen
4.3.3 Einsatzmöglichkeit von Finite Risk
4.4 Multi-line/Multi-year Produkte (MMP)
4.4.1 Überblick
4.4.2 Innovative Anwendung von MMP
4.5 Multi-Trigger-Programm (MTP)
4.6 Contingent Capital
4.7 Insurance-Linked Securities (ILS)
4.8 Versicherungsderivate (Insurance-Linked Derivatives)
5 Schlussbetrachtung
Anlage 1
Anlage 2
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gestaltung der betrieblichen Versicherungspolitik
Abbildung 2: Einteilung des ART-Marktes
Abbildung 3 : Funktionsweise einer Rückversicherungs-Captive
Abbildung 4: Funktionsweise einer Erstversicherungs-Captive
Abbildung 5: Übersicht über die Vertragsformen von Finite Risk
Abbildung 6: von der traditionellen Versicherung zum MMP
Abbildung 7: Ablaufschema bei Contingent Capital
Abbildung 8: Grundprinzip von ILS
Abbildung 9: Produkte des ART im Vergleich zum traditionellen Versicherungsmarkt 25
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anlagenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Unternehmen sind mit einer steigenden Zahl von Risiken konfrontiert – Erdbeben, Hurrikans, Vogelgrippe, Feuer, Betriebsunterbrechung, Produktrückruf, Investitionsrisikio, Terrorismus, Kreditrisiko, Währungsrisiko, Volatilität der Finanzmärkte, Marktrisiko, politisches Risiko, Wetterschwankungen und viele andere mehr. Dies erfordert ein ganzheitliches Risiko Management im Unternehmen, um im Falle einer Risikoverwirklichung die finanziellen Auswirkungen für das Unternehmen und auch seinem Umfeld so gering wie möglich zu halten. Angesichts der Vielfalt der Risiken, mit denen ein Unternehmen konfrontiert ist, steht dem Management ständig die Frage im Raum, ob sie transferiert oder selbst getragen werden sollen. Manche Risiken gehören zum Kerngeschäft des Unternehmens und werden selbst getragen, während andere z.B. dem äußeren Umfeld entstammen und an eine Versicherung transferiert werden. Dazu muss ein Risiko aber auch traditionell kalkulierbar sein. In der Praxis bedeutet das, dass man für ein Risiko einen Versicherer finden muss, der ausreichend Erfahrungswerte und Zeichnungskapazitäten hat, um das Risiko zu versichern. Bei neuen Risiken, die durch den technischen Fortschritt entstehen, oder Naturkatastrophenrisiken stößt die traditionelle Versicherung immer wieder an ihre Grenzen. Folglich sind Unternehmen gezwungen nach Alternativen zu suchen, um ihr Unternehmen vor negativen Auswirkungen nachhaltig abzusichern. Aus dieser Notwendigkeit heraus haben sich viele innovative Produkte bzw. Instrumente entwickelt. Als Oberbegriff dieser Alternativen zur traditionellen Versicherung hat sich der englische Begriff „Alternative Risk Transfer“ (ART) entwickelt.[1] ART eröffnet Unternehmen Möglichkeiten das Spektrum der transferierbaren Risiken zu erweitern und so verstärkt außerbilanzielle Vorsorge für unerwartete Ereignisse treffen zu können, um so die Risikokosten zu verringern. Des Weiteren ermöglicht ART große Risiken am Kapitalmarkt zu transferieren und somit unabhängiger vom schwankenden Versicherungsmarkt zu sein.
Diese vorliegende Arbeit soll einleitend die Notwendigkeit nach Alternativen zur klassischen Versicherung aufzeigen, um anknüpfend einen Überblick über auserwählte ART-Produkte zu geben. Darauf folgend werden deren Einsatzmöglichkeiten für Unternehmen analysiert, um abschließend die Frage zu klären, ob ART ein Substitut zur klassischen Versicherung ist.
Die steuerrechtlichen Aspekte von ART würden über den Umfang dieser Studienarbeit hinausgehen und werden daher vernachlässigt. Außerdem setzt der Verfasser Grundkenntnisse über Rückversicherung voraus.
2 Traditioneller Risikotransfer
2.1 Traditionelle Risikopolitik im Unternehmen
„Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“[2] Dieser Paragraph 91 II im Aktiengesetzbuch verpflichtet das Management von Aktiengesellschaften sich mit Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden könnten, auseinander zu setzten. Verschäft wird diese Pflicht durch den Paragraphen 93 II AktG, wonach das Management persönlich gesamtschuldnerisch bei Pflichtverletzung haftet.[3] Neben den genannten Aktiengesellschaften sind Unternehmen generell bestrebt die Erfolgsrechnung und die Bilanz und somit den Unternehmenswert vor negativen Risikoauswirkungen zu schützen.[4] Danach analysiert ein Unternehmen seine Risiken, um zu bewerten, ob man sie vermeidet, vermindert, begrenzt, selbst trägt oder versichert. Ob ein Unternehmen ein Risiko selbst trägt oder über eine Versicherung abwälzt, hängt neben der eigenen Risikopolitik noch von der Frequenz bzw. Eintrittswahrscheinlich-keit und dem Schadenpotenzial ab. Dabei hilft, wie in Abbildung 3 verdeutlicht, folgende Beurteilung der Risiken nach Auswirkung auf die Bilanz des Unternehmens:[5]
- Kleinrisiken: Sind im Bezug auf das Schadenpotenzial als auch auf die Frequenz begrenzt und können die Bilanz bzw. Erfolgsrechnung eines Unternehmens normalerweise kaum beeinflussen. Sie gilt es selbst zu tragen, da ein Transfer zu teuer wäre. Da aber viele Kleinschäden in einem Jahr in der Summe einen Einfluss haben könnten, kann hier auf die unternehmensinterne Steuerungsfunktion, dem Controlling, verwiesen werden. Risikobeispiele: Elekronikschaden an einem Laptop oder Drucker, Glasbruch eines Bürofensters.
- Mittlere Risiken: Weisen entweder ein begrenztes Schadenpotenzial oder eine tiefe Frequenz auf und sind in der Lage Jahresergebnisse und damit die Dividendenausschüttung nachhaltig zu beeinträchtigen. Sie gilt es entweder selbst zu tragen oder zu transferieren. Risikobeispiele: Transportschaden eines mit Monitoren beladenen Lieferwagens, Forderungsverlust durch Insolvenz eines Kunden.
- Großrisiken: Sind sowohl in Bezug auf die Eintrittsfrequenz als auch in Bezug auf das Schadenpotenzial in der Lage, nachhaltig das Eigenkapital und damit den Shareholder Value zu beeinflussen und können die Existenz des Unternehmens beeinflussen. Sie müssen transferiert werden. Risikobeispiele: Verlust des Hauptproduktionsstandortes durch Feuer oder Naturkatastrophen, lange Betriebsunterbrechung durch Schaden an einer Engpassmaschine, große Sammelklagen aus den USA aufgrund fehlerhafter Produkte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gestaltung der betrieblichen Versicherungspolitik[6]
2.2 Voraussetzungen der Versicherbarkeit
Wie im vorangegangenen Kapitel festgestellt, empfiehlt es sich, dass ein Unternehmen große Risiken transferieren muss, mittlere Risiken transferieren soll und kleine Risiken selber trägt. Damit ein Risiko überhaupt traditionell versicherbar ist, werden folgende Kriterien in der Literatur aufgeführt, die gegeben sein müssen:[7]
- Zufälligkeit: Es muss eine Ungewissheit über Entstehung und/oder Zeitpunkt und/oder Größe des Schadens sowie Unabhängigkeit des Versicherungsfalls vom Willen oder Verhalten des Versicherungsnehmers (Stichwort: Moral Hazard[8])
- Eindeutigkeit: Es muss eindeutig festgelegt sein, welche Versicherungsleistung bei welcher Art des Versicherungsfalles zu leisten ist.
- Schätzbarkeit[9]: Der erforderliche Geldbedarf muss schätzbar sein. Deshalb werden zur Kalkulation der Versicherungsprämie statistische Unterlagen benötigt, wie z.B. Schadenstatistiken, versicherungsmathematische Portfolioanalysen und individuellen Risikoanalysen.
- Unabhängigkeit: Es muss eine Unabhängigkeit der versicherten Risiken untereinander (Kumulrisiko) bestehen.
- Risikogröße[10]: In der Praxis spricht man auch von PML (Possible Maximum Loss). Zu hohe PMLs können den Risikoausgleich im Portfolio eines Versicherers stören. Dies ist im Wesentlichen abhängig von seinen Zeichnungskapazitäten.
Grundsätzlich sind Risiken an diesen Kriterien zu messen, um über ihre Versicherbarkeit bzw. Unversicherbarkeit Aussagen treffen zu können.
Die Analyse dieser Kriterien zeigt aber auch, dass Versicherbarkeit von Risiken nicht nur von verschiedenen Versicherern subjektiv unterschiedlich eingeschätzt werden kann, sondern dass Versicherbarkeit keine statische Eigenschaft von Risiken ist. Mit zunehmender Information und Erfahrung bezüglich bestimmter Risiken, aber auch mit Veränderungen der Zeichnungskapazitäten ändert sich der Grad der Versicherbarkeit von Risiken. Die Versicherbarkeit nimmt dabei tendenziell zu, wenn zusätzliche Informationen über das Risiko die Kalkulierbarkeit verbessern und möglicherweise die Schadenerwartung nach unten korrigieren. Auch eine gegenteilige Entwicklung ist möglich, wie z.B. die Versicherbarkeit von Terror seit dem 11.September 20001 oder die Folgeschäden durch Asbest.[11]
2.3 Notwendigkeit für neue Lösungsansätze
Die Definition der Versicherbarkeit anhand den in Ziffer 2.2 genannten Kriterien führt vor allem dazu, dass gewisse Risiken nicht oder nur begrenzt versicherbar sind, die für ein Unternehmen aber wesentlich sein könnten. Denn die Unternehmen sehen sich einer Risikolandschaft gegenüber, die aufgrund des Strukturwandels in der Wirtschaft, der Veränderungen des rechtlichen Umfelds und des Entstehens neuer Risikoklassen, beispielsweise durch neue Technologien (wie z.B. Gen- oder Biotechnologie), Globalisierung, steigenden Naturkatastrophen, Deregulierung und weltpolitischen Veränderungen, einem steten Wandel unterliegt. Diese Veränderungen der Risiken der Unternehmen führen zu Verschiebungen zwischen den traditionellen Geschäftssparten, zu einer ständigen Ausweitung der Grenzen der Versicherbarkeit und zur Notwendigkeit der Entwicklung neuer innovativer Produkte, die nachhaltig den Unternehmenserfolg sichern.[12] Als Weiteres fehlt den Unternehmen eine solide Kalkulationsgrundlage ihrer Risikobeiträge bei teilweise nicht unüblichen Erhöhungen bzw. Reduzierungen von bis zu 50%[13]. Eine solide Kalkulationsgrundlage ist aber durch die ständigen Schwankungen im Versicherungsmarkt, die von einzelnen Großschäden geprägt sind und plötzlich zu einer Hard-Market-Phase führen können, wie z.B. nach dem 11. September 2001 und dem Hurrikan Andrew 1992, über den traditionellen Versicherungstransfer nur beschränkt möglich.
3 Alternative Risk Transfer (ART)
3.1 Definition des Begriffes
Der Begriff „Alternative Risk Transfer“ stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt Alternativer Risikotransfer. Für den Begriff gibt es keine einheitliche deutsche Definition. In der Praxis wird ART unter anderem auch als Alternative Risikofinanzierung (ARF) oder als „Innovative Risikofinanzierung“[14] bezeichnet.[15] Nach Herold versteht man unter ART im weiteren Sinne die Bündelung verschiedener „versicherbarer“ Risikoklassen mit teilweise verschiedenen „nicht versicherbaren“ Risikoklassen mit einer mehrjährigen Laufzeit. Im engeren Sinne werden die genannten Risikoklassen in neue Produkte bzw. Lösungen mit alternativem Risikotransfer hervorgebracht. Dadurch wird eine begrenzte Risikotragung und eine finanzmathematisch fundierte Risikofinanzierung ermöglicht. Insbesondere steht die umfassende Abdeckung von Risiken im Vordergrund, die zu einem erhöhten Bilanzschutz von Unternehmen führt. Andere Produkte ermöglichen, die Kapazitäten des Kapitalmarktes zu nutzen. Bei diesen Produkten stehen finanzwirtschaftliche Motive und finanzwirtschaftliches Know-How dahinter.[16]
Darüber hinaus ermöglicht der Alternative Risk Transfer beispielsweise Unternehmen, Risiken selbst zu versichern und zu tragen (Selbstversicherung[17]). Als Weiteres schließt der ART auch Finite-Versicherungs- und Rückversicherungslösungen sowie den Risikotransfer über die Kapitalmärkte ein.[18] Beim letztgenannten geht es überwiegend darum, Kapazitätsengpässe der Versicherungswirtschaft zu überwinden.[19] Die Teilnehmer der Kapitalmärkte werden so zu potentiellen Risikoträgern des versicherungstechnischen Risikos.
Nach Ansicht des Verfassers umschreibt die englische Definition nach Banks den Begriff gegenüber der bereits genannten Definition wohl am treffendsten „ART is a product, channel or solution that transfers risk exposures between the insurance and capital markets to achieve stated risk management goals.“[20]
ART steht folglich für eine Vielzahl neuartiger Techniken und Instrumenten zur Steuerung versicherungswirtschaftlicher Risiken. Es erscheint nahe liegend und sachgerecht, den Alternativen Risikotransfer als Sammelbegriff für die Finanzinnovationen des Versicherungssektors zu verstehen.[21]
3.2 Kernmerkmale des Alternative Risk Transfers
Der Begriff ART lässt sich durch folgende Kernmerkmale, die ihn deutlich vom traditionellen Risikotransfer abgrenzen, näher beschreiben:[22]
- es handelt sich um maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Kundenprobleme
- die Deckung ist mehrjährig und spartenübergreifend
- Kombination aus individuellem Risikoausgleich und Risikoausgleich im Kollektiv
- bei einigen ART-Varianten gilt, dass die Risikoübernahme durch Nicht-(Rück-) Versicherer erfolgt (z.B. Contingent Capital Ziffer 4.6 oder Versicherungsderivate Ziffer 4.8
3.3 Ziele des Alternative Risk Transfers
Zusammenfassend können vier verschiedene Ziele für die Entwicklung Alternativer Risikofinanzierungs- Instrumente herausgestellt werden:[23]
1. Ausweitung des Spektrums versicherbare Risiken: Durch den Risikoausgleich über die Zeit und das Portfolio können neue Risiken übernommen werden und somit der Bilanzschutz erhöht werden.[24]
2. Effizienzsteigerung: Überversicherung wird reduziert und die Unternehmen beteiligen sich am eigenen Schadenverlauf.
3. Vergrößerung der Kapazitäten: Durch die Nutzung der Finanzmärkte als Kapitalgeber und der Erhöhung der Diversifikationseffekte werden die Kapazitäten vergrößert und Unternehmen somit unabhängiger vom traditionellen Versicherungsmarkt.
4. Kreditrisiko des Versicherungsnehmers wird vorgebeugt: Es besteht die Gefahr, dass der Versicherer im Schadenfall nicht zahlen kann (großer Kumulschaden der zur Insolvenz des Versicherers führt).[25]
4 Produkte des Alternative Risk Transfer
4.1 Überblick
In diesem Kapitel werden ausgewählte ART-Produkte bzw. Instrumente analysiert und gleichzeitig deren Einsatzmöglichkeiten und Grenzen für Unternehmen und Versicherer aufgezeigt. Der Schwerpunkt dabei soll aber auf den Unternehmen liegen.
Der ART-Markt lässt sich in alternative Träger und Lösungen gemäß Abbildung 2 einteilen. Der Begriff alternative Träger bezeichnet Mechanismen mit denen Unternehmen eigene Risiken versichern können wie zum Beispiel Captives. Des Weiteren zählen die Kapitalmärkte als alternative Risikoträger, auf die Risiken über alternative Lösungen transferiert werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einteilung des ART-Marktes[26]
4.2 Captives
Den größten Anteil am Alternative Risk Transfer – Markt haben mit etwa 75% die Captive Insurance Companies.[27]
4.2.1 Definition
Eine Captive oder genauer ausgedrückt eine Captive Insurance Company ist eine Versicherungsgesellschaft, die als Tochter von einem oder mehreren Industrie- bzw. Handelsunternehmen oder Konzernen gegründet wird, um vor allem Risiken dieser Unternehmen und der mit Ihnen verbundenen Gesellschaften zu versichern.[28] Captives werden deshalb auch als firmeneigene bzw. industrie- oder konzerneigene Versicherungsgesellschaften bezeichnet. Sie sind von dem Begriff „Captive-Broker“ (auch „In-House-Broker“ genannt) abzugrenzen, der ein Synonym für den im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Begriff „Firmenverbundener Versicherungsvermittler“ ist. Captive-Broker üben nur Vermittlungstätigkeit aus, übernehmen aber keine Risiken.[29] Eine Captive zeichnet vorwiegend Risiken aus den Bereichen der Sach- und Vermögensversicherung. Sie besitzt für Risiken, die ihre Zeichnungskapazität übersteigen, einen direkten Zugang zum Rückversicherungmarkt.[30]
4.2.2 Geschichtlicher Hintergrund
Die Überlegung, ob eine Industrieunternehmen Captives gründen sollen, beschäftigt die Industrie bereits seit Jahrzehnten. Die ersten Captives, wie wir sie heute kennen, wurden in den 50er Jahren vor allem von amerikanischen Unternehmen, insbesondere im Steuerparadies Bermudas, aber auch von englischen Gesellschaften gegründet.[31] Erst seit 1980 werden Captives in Deutschland von der BAV, der heutigen BAFin, als aufsichtspflichtige Versicherungsunternehmen angesehen.[32] Gegenwärtig gibt es weltweit mehr als 5.000[33] Captive Gesellschaften.
4.2.3 Arten und Formen
Es gibt verschiedenen Arten und Formen von Captives, die wichtigsten sind:[34]
- Erst- bzw. Rückversicherungs-Captive. Beispielsweise haben die deutschen Konzerne Deutsche Bank AG, Volkswagen AG und Adolf Würth GmbH & Co. KG eine Rückversicherungs-Captive.[35]
- Single parent, multi parent, Group Captive: Sie unterscheiden nach den Eigentumsverhältnissen bzw. Beteiligungsverhältnissen der Captive.
- Pure-Captive, Broad-Captive, Profit-Center-Captive: Sie unterscheiden sich nach dem Risikobestand. Eine Pure-Captive deckt überwiegend Risiken ihrer Eigentümer, während Broad-Captives schon zu einem Großteil auch konzernfremde Risiken übernehmen. Sofern die Captive überwiegend (> 75%) konzernfremde Risiken zeichnet, spricht man von Profit-Center-Captives.[36]
- On shore bzw. Off-shore Captives (on shore = Steuerwüste, off shore = Steueroase): Sie unterscheiden sich nach dem Domizil der Captive.
- Eigenständige Captive, Captive Account (Rent-a-Captive und Protected-Cell-Companies, siehe Ziffer 4.2.3.2)
4.2.3.1 Rückversicherungs- und Erstversicherungs-Captive
Captives, welche als Rückversicherungs-Gesellschaften konzipiert sind, sind von größerer Verbreitung als so genannte Erstversicherungs-Captives. Bei Rückversicherungs-Captives, wie in Abbildung 3 zu erkennen ist, werden die Risiken der Muttergesellschaft zuerst von einem lokalen Erstversicherer in Form eines Fronting[37], gegen eine Frontinggebühr für dessen Verwaltungskosten, gezeichnet und anschließend in Form eines Rückversicherungsvertrags an die Captive zediert.[38] Von dort werden die Risiken je nach Zeichnungskapazität des Captives teilweise am Rückversicherungsmarkt retrozediert. Grund dafür ist, dass Erstversicherer in der Regel in jedem Tätigkeitsland eine lokale Versicherungslizenz benötigen und lokal beaufsichtigt werden. Rückversicherer sind dagegen in der Regel grenzüberschreitend tätig und werden nur im Sitzland beaufsichtigt.[39]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 : Funktionsweise einer Rückversicherungs-Captive[40]
Bei einer Erstversicherungs-Captive werden die Risiken des Unternehmens/Konzerns, wie der Abbildung 4 zu entnehmen ist, direkt von der eigenen Captive gezeichnet. Von dort werden sie je nach Zeichnungskapazität am Rückversicherungsmarkt zediert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Funktionsweise einer Erstversicherungs-Captive[41]
4.2.3.2 Rent-a- Captive und Protected-Cell-Companies
Rent-a- Captive sind Versicherungsgesellschaften, die den Zugang zu den Funktionen einer Captive bieten, ohne dass ein Unternehmen eine eigene Captive gründen muss. Sie wird mehreren Interessenten zur Verfügung gestellt.[42] Das Unternehmen zahlt für die Nutzung der Captive-Platform eine Gebühr und muss eine Form von monetärer Sicherheit stellen, sodass die Rent-a-Captive nicht durch versicherungstechnische Verluste des Unternehmens in Gefahr gerät. In den meisten Fällen sind Rent-A-Captives Rückversicherungs-gesellschaften.[43] Rent-a-Captive Lösungen eignen sich vor allem für mittelgroße Unternehmen, die nicht zu viel Kapital auf einmal binden können bzw. wollen.[44] Einen Nachteil hat die Rent-a-Captive, denn im Außenverhältnis erscheint dieses Vehikel als eine Gesellschaft. Konsequenterweise stehen im Grundsatz alle sich in dieser Gesellschaft befindlichen Vermögenswerte zur Befriedigung von Ansprüchen Dritter zur Verfügung. Das kann zu einer Nachschusspflicht der Beteiligten für einen insolventen Beteiligten der Rent-a-Captive führen. Deshalb ist eine Risikoselektion jedes Beteiligten wichtig.[45]
Aus dieser Problematik heraus entwickelten sich die Protected-Cell-Companies (PCC). Eine PCC ist eine juristische Person, die aus einem Kern und einer beliebigen Anzahl von eigenständigen Zellen besteht. Mehrheitlich haben solche Gesellschaften eine Rückversicherungslizenz erworben. Als charakteristische Eigenheit sind die den einzelnen Zellen zugeordneten Vermögenswerte gesetzlich voneinander isoliert und damit geschützt. In keinem Fall haftet eine Zelle für Ansprüche Dritter gegenüber einer anderen Zelle.[46]
4.2.4 Motive einer Captivegründung
Captives sind ursprünglich entstanden, weil Unternehmen die Effizienz des Risikotransfers über die klassische Versicherung in Frage stellten. Zu Beginn des Captive-Booms in den 1960er und 1970er spielten steuerliche Faktoren und finanzielle Erwägungen eine wichtige Rolle. Seitdem wurden die Steuervorteile der Captives durch Gesetze und Vorschriften erheblich reduziert und sind mittlerweile von nachrangiger Bedeutung. In den meisten europäischen Ländern muss nachgewiesen werden, dass ein substantieller Risikotransfer stattfindet und die bezahlte Prämie versicherungstechnisch begründet ist. In einigen Ländern, wie Deutschland, USA oder Frankreich, wird der Captive-Gewinn zudem im Sitzland der Muttergesellschaft besteuert und somit verlieren die off-shore Captives ihre steuerlichen Vorteile.[47] Diese Tatsache wurde kürzlich durch ein Gerichtsentscheid des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg im Cadbury Schweppes plc Urteil entschärft.[48] Nach Ansicht des Verfassers wird sich das wohl positiv auf künftige Captivegründungen auswirken.
[...]
[1] vgl. Strube, M., 2001, S. 1
[2] §91 (2) AktG
[3] vgl. §91 (2) AktG
[4] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 27
[5] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 29 ff
[6] in Anlehnung an Vorlesungsskript Prof. Kühlmann, siehe Anlage
[7] vgl. Goßner, A., 2002, S. 5 ff
[8] Definition von Moral Hazard: „Bezeichnet eine besondere Art des subjektiven Risikos. In diesem Fall wird durch den Abschluss eines Versicherungsvertrages beim Versicherten eine Verhaltensänderung verursacht, die das Risiko ungünstig beeinflusst.“ nach Fürstenwerth, F.; Weiß,A., 2001, S. 443
[9] Vgl. Koch, P.; Holthausen, H., 2002, S. 14
[10] vgl. Fürstenwerth, F.; Weiß,A., 2001, S. 687
[11] vgl. Farny, D.; Blankenburg, J., 2002, S. 6 ff
[12] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 1/2003, S. 12
[13] Enz, R. (2002): „Der Versicherungszyklus als Unternehmerische Herausforderung“ www.swissre.com/INTERNET/pwsfilpr.nsf/vwFilebyIDKEYLu/MBUI5FNDZC/$FILE/insurance_cycle_de.pdf (Stand 22.11.2006)
[14] Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 13
[15] vgl. Fürstenwerth, F.; Weiß,A., 2001, S. 23
[16] vgl. Herold, B.; Paetzmann, K., 2000, S. 29-30
[17] Definition von Selbstversicherung: „Bewusster Verzicht auf Versicherungsschutz, wenn sich innerhalb des eigenen wirtschaftlichen Bereichs ein Risikoausgleich ergibt.“ Nach Fürstenwerth, F.; Weiß,A., 2001, S. 582
[18] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 2/1999, S. 4
[19] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 22
[20] Banks, E., 2004, S. 49
[21] vgl. Hasekamp, U., 2000, S. 1
[22] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 2/1999, S. 5
[23] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 2/1999, S. 6
[24] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 13
[25] vgl. Strube, M, 2001, S. 1
[26] In Anlehnung an Swiss Re, sigma Nr. 1/2003, S. 12
[27] vgl. Wegmann, P. (2006): Risikotransfer, http://www.unibas.ch/wwz/finance (18.11.2006)
[28] vgl. Meyer-Kahlen, W., 1988, S. 95
[29] vgl. Hets, S., 1995, S. 9
[30] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 44 ff
[31] vgl. Bawcutt, P., Captive Insurance Companies, 1991, S.1 ff. Zitiert nach: Hets, S., 1995, S. 9
[32] vgl. Hets, S., 1995, S. 10
[33] vgl. o.V. (2006): “Alternative Risk Transfer takes over the world”, www.businessweek.com/adsections/2006/pdf/042406_CaptiveInsurance.pdf (Stand: 09.12.2006)
[34] vgl. Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 45
[35] vgl. o.V. (o.J.): www.bafin.de/verordnungen/berversv_nw203nummern.xls (Stand 09.12.2006)
[36] vgl. Hets, S., 1995, S. 11 ff
[37] Definition von Fronting: „Vorzeichnung eines Versicherungsgeschäfts für einen Erst- oder Rückversicherer, der aus rechtlichen oder sonstigen Gründen nicht selbst zeichnen kann.“ Nach Brühwiler, B.; Stahlmann, B., 1999, S. 109
[38] vgl. Görgen, F., 2002, S. 122
[39] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 2/1999, S. 14
[40] in Anlehnung an Swiss Re, sigma Nr. 2/1999, S. 14
[41] In Anlehnung an: Banks, E., 2004, S. 90
[42] vgl. Hets, S. 1995, S. 11
[43] vgl. Ploeg, K., Captives and alternatives, S. 14, Zitiert nach Hets, S., 1995, S. 11
[44] vgl. Wöhrmann, P. (2004): „Raus aus dem Pool – Innovative Captive- und Rent-a-Captive-Konzepte als strategische Investition“, www.zurich.com/main/de-CH/corporatebusiness/SolutionsAndServices/Downloads/ (Stand 22.11.2006)
[45] vgl Wöhrmann, P.; Pürer, C. (2001): „Instrument der Alternativen Risiko Finanzierung“, www.risknet.de/uploads/tx_bxelibrary/art_ar_007_inst-alt-riskf_g.pdf (Stand 28.11.2006)
[46] o.V. (o.J.): “Guernsey offshore Informationen“ http://www.fiduciarygroup.com/german/guernsey_offshore_information.htm (Stand 28.11.2006)
[47] vgl. Swiss Re, sigma Nr. 1/2003, S. 21
[48] EGH-Urteil vom 12.09.2006, C-196/04, www.curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp06/aff/cp060072de.pdf (Stand 09.12.2006)
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