Ausdrücke wie „Bewußtsein", „bewußt", „unbewußt", „bewußtlos" sind in der Alltagssprache vertraut und häufig im Gebrauch. Jeder Mensch benutzt sie und sie werden in ihrer Unterschiedlichkeit auch von jedem verstanden. Es sind Bezeichnungen für Unterschiede im geistigen oder psychischen Geschehen, die ganz offensichtlich von uns Menschen so auch beobachtet oder erfahren werden können, und über die wir einander dann auch berichten. Auf jeden Fall meint man, genau zu wissen, was der Berichtende damit meint. So ergibt sich daraus automatisch der Schluss, dass Menschen mehr oder weniger bewusst oder unbewusst reagieren, oder eben hin und wieder gar nicht reagieren, weil sie bewusstlos sind. „Wir alle wissen, dass diesen sprachlichen Unterscheidungen wichtige Unterschiede in der menschlichen Erlebnis- und Verhaltenssteuerung zugrunde liegen.
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man mit der Untersuchung der menschlichen Sinneswahrnehmungen. Bald schon spielte die Vorstellung einer Schwelle, eines limen, eine wichtige Rolle. Ein Reiz oberhalb dieser Schwelle wird bewusst registriert, während ein Reiz unterhalb dieser Schwelle nicht mehr bewusst bemerkt wird. Mit »subliminaler Sinneswahrnehmung« wurden und werden also unterschwellige Wahrnehmungen bezeichnet, die bewusst nicht mehr wahrgenommen werden, aber dennoch im Organismus wirksam sind und damit auch unser Verhalten beeinflussen können.
Aber gerade diese Vorstellung war mit erheblicher Angst verbunden. Denn als 1957 die Firma Precon Process and Equipment Corporation in New Orleans, USA, begann, Reklame für die Platzierung subliminaler Botschaften in Werbespots und Filmen zu manchen – also Botschaften, die bewusst nicht wahrgenommen werden aber dennoch wirken – reagierte die amerikanische Öffentlichkeit sehr heftig und dieser „Proteststurm bewirkte, dass die Nutzung subliminaler Implantate zu Reklamezwecke in den USA und dem größten Teil der westlichen Welt eingestellt wurde.“ (Nørretranders 1998, S. 233/234) Das unmittelbare Problem war damit gelöst. Nicht gelöst war jedoch ein anderes: Was ist subliminale Wahrnehmung und wie wichtig ist sie im Alltag des Menschen?
Mit diesen Fragen befasst sich die vorliegende Hausarbeit.
Inhalt
0. Einführung
1. Kurzer Geschichtlicher Abriss über die Erforschung des Unbewussten
2. Nichtbewusste Informationsverarbeitung – Wir erleben mehr als uns bewusst ist
3. Möglichkeiten der bewussten Nutzung subliminalen Wissens
4. FOCUSING – Ein Instrument zur Bewusstmachung innerer Vorgänge
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
0. Einführung
Ausdrücke wie „Bewußtsein", „bewußt", „unbewußt", „bewußtlos" sind in der Alltagssprache vertraut und häufig im Gebrauch. Jeder Mensch benutzt sie und sie werden in ihrer Unterschiedlichkeit auch von jedem verstanden. Es sind Bezeichnungen für Unterschiede im geistigen oder psychischen Geschehen, die ganz offensichtlich von uns Menschen so auch beobachtet oder erfahren werden können, und über die wir einander dann auch berichten. Auf jeden Fall meint man, genau zu wissen, was der Berichtende damit meint. So ergibt sich daraus automatisch der Schluss, dass Menschen mehr oder weniger bewusst oder unbewusst reagieren, oder eben hin und wieder gar nicht reagieren, weil sie bewusstlos sind. „Wir alle wissen, dass diesen sprachlichen Unterscheidungen wichtige Unterschiede in der menschlichen Erlebnis- und Verhaltenssteuerung zugrunde liegen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die wissenschaftliche Psychologie bis vor kurzem relativ wenig mit dem Bewusstsein und sich davon abgrenzenden psychischen Geschehen befasst hat. In der experimentellen Psychologie hat sich somit noch wenig Wissen angesammelt, das die Eigenheiten und Funktionen von bewusster im Unterschied zu unbewusster Informationsverarbeitung aufzeigt.“ (Perrig 2001, S. 125/126)
Das bedeutet aber nicht, dass es dazu keine Forschung gab. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man mit der Untersuchung der menschlichen Sinneswahrnehmungen. Bald schon spielte die Vorstellung einer Schwelle, eines limen, eine wichtige Rolle. Ein Reiz oberhalb dieser Schwelle wird bewusst registriert, während ein Reiz unterhalb dieser Schwelle nicht mehr bewusst bemerkt wird. Mit »subliminaler Sinneswahrnehmung« wurden und werden also unterschwellige Wahrnehmungen bezeichnet, die bewusst nicht mehr wahrgenommen werden, aber dennoch im Organismus wirksam sind und damit auch unser Verhalten beeinflussen können.
Aber gerade diese Vorstellung war mit erheblicher Angst verbunden. Denn als 1957 die Firma Precon Process and Equipment Corporation in New Orleans, USA, begann, Reklame für die Platzierung subliminaler Botschaften in Werbespots und Filmen zu manchen – also Botschaften, die bewusst nicht wahrgenommen werden aber dennoch wirken – reagierte die amerikanische Öffentlichkeit sehr heftig und dieser „Proteststurm bewirkte, dass die Nutzung subliminaler Implantate zu Reklamezwecke in den USA und dem größten Teil der westlichen Welt eingestellt wurde.“ (Nørretranders 1998, S. 233/234)
Das unmittelbare Problem war damit gelöst. Nicht gelöst war jedoch ein anderes: Was ist subliminale Wahrnehmung und wie wichtig ist sie im Alltag des Menschen?
Mit diesen Fragen befasst sich die vorliegende Hausarbeit.
Beginnen möchte ich – unter Punkt 1 - mit einem kurzen historischen Abriss über die Erforschung der subliminalen Wahrnehmung. Im Punkt 2 soll deutlich werden, dass unser bewusstes Ich nur ein kleiner Teil des Gesamtgeschehens ist, da der größte Teil der Informationsverarbeitung in unserem zentralen Nervensystem nicht wahrgenommen wird. Hier werden auch Begriffe wie „Bewusstsein“, „Unterbewusstsein“, „implizites Wissen“ und „Priming“ definiert.
Da wir aber die Möglichkeit haben, den Fokus unserer Aufmerksamkeit zu dirigieren, werden unter Punkt 3 Bereiche genannt, in welchen unbewusste Wissensinhalte bewusst angelegt und dann auch angezapft werden können. Abschließend möchte ich unter Punkt 4 mit FOCUSING eine Technik vorstellen, die es dem Anwender erlaubt, sich seines unbewussten Wissens bewusst zu werden, um dieses in Entscheidungs- und/oder Krisensituationen nutzen zu können.
1. Kurzer geschichtlicher Abriss über die Erforschung des Unbewussten
Der Einfluss unbekannter Faktoren auf den menschlichen Geist ist seit langem bekannt. Im Altertum nannte man diese unbekannten Faktoren Götter und Schicksal. (Damasio 2000, S. 355) In der Antike war die Rolle des Menschen durch seine Stellung im Kosmos als von den Göttern geschaffen und durch den Geist mit diesen verwandt bestimmt. Aristoteles sah den Menschen als Teil der Natur. Körper und Seele bildeten eine organische Einheit. Es gab eine Parallelität zwischen der Natur und dem Seelenleben.
Mit der kopernikanischen Wende verschob sich das Selbstbild des Menschen. Die Physik wurde zur Methode der Erklärung der Welt (Kepler, Galilei). Es entstand eine naturalistische Auffassung des Menschen und in der Philosophie der Neuzeit seit der Renaissance setzte sich bald die Auffassung durch, das Bewusstsein bilde das Zentrum des Menschen.
Der Franzose René Descartes gelangte 1619 zu der Erkenntnis, dass er eines mit Sicherheit weiß, nämlich das er zweifelt. Sein Satz - vielleicht der berühmteste in der Philosophiegeschichte - findet sich erstmals im vierten Abschnitt des Discours de la Methode (1637) in französischer Sprache (» Je pense donc je suis«) und dann im ersten Teil der Prinzipien der Philosophie (1644) auf lateinisch (» Cogito ergo sum«) (Damasio 1997, S. 328/329) und sollte übersetzt werden mit „Ich zweifle, daher bin ich“ und nicht mit „ich denke, daher bin ich“. da der Satz mit ‚Denken’ eigentlich weniger zu tun hat.
Es ging um die Fähigkeit zu erkennen: Ich bin ich!
„(…) – Nun, wenn er mich täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, soviel er kann, niemals wird es doch fertigbringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, daß dieser Satz: „Ich bin, ich existiere“, sooft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“
(Descartes 1976, S. 21/22)
Das Bewußtsein war also das eigentliche Pfand des Daseins, es war in Wahrheit das einzige, woran nicht zu zweifeln war. (Nørretranders 1998, S. 237)
Descartes trennte den Geist von Gehirn und Körper; in einer moderneren Variante würde man sagen, dass der Geist das Softwareprogramm ist, das in einer Computerhardware namens Gehirn abläuft, oder daß Gehirn und Körper zwar in einer Beziehung zueinanderstehen, aber nur insofern, als ersteres nicht ohne die vitalen Lebensprozesse des letzteren überleben kann. (Damasio 1997, S. 328)
„Möglicherweise ist Descartes mitverantwortlich für den Weg, den die Medizin eingeschlagen hat, fort von dem organischen Geist-im-Körper-Ansatz, der von Hippokrates bis zur Renaissance vorherrschend gewesen war. Wie ärgerlich wäre Aristoteles wohl auf Descartes gewesen, hätte er ihn gekannt.“ (ebd., S. 332)
John Locke stützte diese Ansicht Descartes 1689 in seinem Essay ‚Versuch über den menschlichen Verstand’ Er schrieb dort, dass das Bewusstsein uns erst die Fähigkeit gibt, die Welt zu erkennen.(Locke 1981) Je banaler man heute diesen Satz findet, je mehr man sich über diesen Satz wundert, der eine bahnbrechende Neuigkeit darstellte, desto mehr zeigt dies, wie vertraut man mit dem Industriezeitalter und seinen klassischen („harten“, „exakten“) Wissenschaften ist.
Dabei war diese Erkenntnis damals völlig neu in der Menschheitsgeschichte.
Diese Hypothese führte zu der weiteren großen Idee eines transparenten Menschen. Sie stellte eine Art perfekter Menschenkenntnis in Aussicht. Das heißt, man begann sich an die Idee eines eigenen Bewusstseins zu gewöhnen. Dabei half, dass dieses Paradigma mehr Kontrolle im Leben versprechen sollte.
Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Auffassung einer ernsthaften Prüfung unterzogen: Um 1850 begann der deutsche Physiker und Physiologe Hermann von Helmholtz die Sinneswahrnehmungen des Menschen zu untersuchen und kam zu dem Schluss, dass man sehr wohl unbewusst wahrnehmen kann, ohne auch nur zu ahnen, dass man wahrgenommen hat. (Helmholtz, 1987)
Es folgte eine Vielzahl von Experimenten auch anderer Forscher zur subliminalen Wahrnehmung (z.B. die Schätzung von Gewichten, Beurteilung optischer und akustischer Reizkonfigurationen – für ausführlichere Angaben vgl. Koeppler 1972; Brand 1978), die mit Hilfe einer ebenso großen Vielzahl methodischer Ansätze und theoretischen Orientierungen aufwartete. (Brand 1978, S.19)
Allen Untersuchungen ist allerdings ein Paradigma gemeinsam:
„Der subliminale Reiz als unabhängige Variable wird in Beziehung gebracht zu zwei abhängigen Variablen bzw. deren Indikatoren, die einander logisch widersprechen. Während Indikator R1 – beispielsweise die Negation der Vp, den Reiz wahrgenommen zu haben - den Stimulus als subliminal indiziert, läßt der Indikator R2 (…) demgegenüber auf das Vorliegen einer Wahrnehmung eben dieses Stimulus schließen. Durch die Gegenüberstellung dieser beiden Indikatoren und deren gegensätzlichen Implikationen kommt es, da sich beide auf ein und denselben Reiz beziehen, zu dem logisch-kontradiktorischen Begriff der »subliminalen Wahrnehmung« “ (ebd., S. 19)
Bei subliminalen Wahrnehmungen geht man also von Wahrnehmungen aus, die unterhalb einer Wahrnehmungs-Schwelle liegen und daher als „nicht perzipiert“ charakterisiert werden. Wahrnehmung dagegen ist aufzufassen als nachweislich sensorische Reaktion auf einen Stimulus, der, da er perzipiert wurde, überschwellig gewesen sein muss. „Streng genommen bezeichnet der Ausdruck „subliminale Perzeption“ also das Paradox einer „Wahrnehmung nicht wahrnehmbarer Reize“. (ebd. S. 13) Diese Definition setzt Introspektion, d.h. die Beobachtung des eigenen Erlebens, voraus.
„Sie hebt sich damit von derjenigen Definition ab, die - etwas später (Anm. d. Autorin) - von den Behavioristen, wie z.B. Tolman (1927) und Boring (1933), vertreten wird, in der unbewußt mit "nicht unterscheidend", "nicht unterschieden" gleichgesetzt wird (Miller 1942, S. 26 f.), ganz unabhängig davon, ob der Pb sich auch als unterscheidend erlebt, wodurch auf Instrospektion als Methode verzichtet werden konnte. Würde man diese Auffassung vom Unbewußten zugrunde legen, dann würde auch richtiges Raten ein Hinweis für bewußtes Verhalten sein. Dies zeigt recht überzeugend, daß der Begriff des Unbewußten sehr unterschiedliche Bedeutungen hat. Das was nach der einen Definition als bewußt gilt, wird nach der anderen Definition als unbewußt bestimmt."(Koeppler 1972, S. 17/18).
Zusätzlich zu diesen Experimenten zur subliminalen Wahrnehmung löste Sigmund Freud zeitgleich mit seinem Konzept des Unbewussten einen Sturm der Entrüstung aus. „Mit ihm wurde Lockes Vorstellung vom transparenten Menschen endgültig der Kampf angesagt.“ (Nørretranders 1998, S. 238) Denn nach Freud sind viele Handlungen des Menschen auf Triebe zurückzuführen, die weitgehend unbewusst wirksam sind und aus kulturellen Gründen, die sich vor allem in der Erziehung geltend machen, unterdrückt werden, was zur Verdrängung vieler Erfahrungen ins Unterbewusstsein führt. Trotzdem war das Ideal der Psychoanalyse immer noch der transparente Mensch, wenn auch einer, der sich seines Unbewussten bewusst wird. (ebd.)
Somit war Helmholtz’ Abrechnung mit der Alleinherrschaft des Bewusstseins radikaler als die Freuds, da Helmholtz zum einen zeigte, dass bewusste Entschlüsse von unbewussten Regungen beeinflusst oder verändert werden können; darüber hinaus aber machte er deutlich, dass das Bewusstsein notwendigerweise das Resultat unbewusster Prozesse ist. (ebd.)
Schließlich wies der Neurologe Otto Pötzl 1917 mit Hilfe von Tachistoskop-Experimenten nach, dass Menschen subliminale Stimuli, denen sie im Wachzustand ausgesetzt waren, im Traum wiedererleben können – das sogenannte Pötzlsche Phänomen bzw. Pötzl-Effekt. (Koeppler 1972, S.73ff; Perrig/Wippich/Perrig-Chiello 1993, S.182ff) Unterschwellig wahrgenommene Informationen haben demnach die Tendenz, später im Bewusstsein aufzutauchen.
„Das Pötzlsche Phänomen ist experimentell und nicht nur in Träumen immer wieder nachgewiesen worden. Auch durch Tagträume, freie Assoziationen und freie Bildgestaltung, Techniken, die in der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie angewendet werden, läßt sich die Erinnerung an subliminal wahrgenommene Bilder zugänglich machen.“ (Nørretranders 1998, S. 247)
Mit dem Behaviorismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Gegenbewegung, die den Gebrauch von Begriffen wie Bewusstsein oder von Methoden wie der Introspektion radikal ablehnte, da die Ergebnisse angeblich nicht kontrollierbar und damit objektivierbar sind.
„So war z.B. Watson an dem Nachweis interessiert, daß Lernen ohne Einsicht, d.h. ohne Bewußtwerden der gelernten Beziehung, möglich ist, was dann von Thorndike (1932) durch mehrere Experimente zu konfirmieren versucht wurde, und was zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Problem des unbewußten Lernens (learning without awareness) führte, die bis in die Gegenwart reicht.“ (Koeppler 1972, S. 12)
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zeit des Behaviorismus vorbei, und es folgte die sogenannte „kognitive Revolution“ der 50er Jahr:
„Die Kognitionswissenschaft begreift den Menschen als informationsverarbeitendes Wesen. Wesentliche Elemente der kognitiven Revolution stammen aus der Sprachwissenschaft und der Automatentheorie. Berechnung – computation - wurde zum wichtigsten Begriff zur Beschreibung des Menschen, Berechnungen allerdings von der Art, wie sie von den damaligen Computern durchgeführt wurde, das heißt, Serien von Rechenvorgängen, die von der Zentraleinheit des Rechners gesteuert werden. In der Kognitionsforschung spielt das Unbewußte also keine große Rolle.“(Nørretranders 1998, S. 242)
1957 wurde dann aber in amerikanischen Zeitschriften wie z.B. Pulishers Auxiliary (1957, 92, No. 40) über ein Experiment eines kommerziellen Unternehmens – die Vicary Studie – berichtet, das die Öffentlichkeit erheblich beunruhigte. „Während einer üblichen Filmaufführung wurde mehrere Male die Aufforderung »Eat Popcorn« und »Drink Coca-Cola« jeweils für die Dauer von 1/3000sec, in Abständen von 5 sec auf die Leinwand projiziert. Diese Projektionszeit war so kurz, daß man annahm, daß die Kinobesucher diese Botschaften nicht bemerkt haben konnten. Als Ergebnis dieser Beeinflussung soll sich, entsprechend Berichten, der Umsatz von Popcorn um 57% und der Umsatz von Coca-Cola um 18% gesteigert haben.“ (Koeppler 1972, S.7)
Die amerikanische Öffentlichkeit reagierte sehr heftig. Es gab also eine Methode, Botschaften in den Menschen hineinzuschmuggeln, ohne dass sie die Möglichkeit hatten zu erfahren, dass sie beeinflusst wurden. Der Proteststurm bewirkte, dass die Nutzung subliminaler Implantate zu Reklamezwecken in den USA und dem größten Teil der westlichen Welt eingestellt wurde. „Die Größe der Beunruhigung entsprach allerdings in keiner Weise dem Grad der empirischen Absicherung des Befunds. Die Berichte über die Vicary-Studie, die sich nur in der populärwissenschaftlichen Presse fanden, waren recht allgemein. So ist z.B. nichts über methodische Kontrollen bekannt."(ebd.)
Norman Dixon (1981, S. 183; zit. nach Nørretranders 1998, S. 234/235) schreibt. „Das Erschrecken Ende der fünfziger Jahre hatte eine erstaunliche Wirkung auf den Berufsstand. Ehemalige Verfechter der subliminalen Wahrnehmung änderten ihre Meinung. Eine tiefgreifende Umwertung früherer Forschungen und Schlußfolgerungen begann.“
Dixon fährt fort: „Da die Initiatoren dieser Umwertung Psychologen waren, und der Anlaß ihrer Schmähungen etwas weniger dramatisch war als die Explosion einer Atombombe, fiel ihnen ihre Lösung der ‚ethischen Probleme’(…) etwas leichter als den Physikern. (…) (Sie) zogen den Schwanz ein (…) Anstatt zu sagen (was sie vielleicht hätten tun sollen): ‚Ja, es ist ausreichend dokumentiert, daß Menschen von Informationen beeinflußt werden können, deren sie sich nicht bewußt sind’ und Methoden zur Verminderung kommerziellen und politischen Mißbrauchs dieses Phänomens zu propagieren, wählten sie den einfacheren Weg und führten verschiedene Argumente an, um zu beweisen, daß es subliminale Wahrnehmung überhaupt nicht gebe und somit kein Grund zur Angst bestehe.“ (ebd)
Die Wissenschaftler entschlossen sich zur Selbstzensur.
Diese Selbstzensur hielt ein viertel Jahrhundert an. Es wurde extrem wenig und in den USA eher heimlich geforscht. Dies veranlasste Vance Packard (1978, S.202; Neuauflage 1982) sich über das kleine Rinnsal aufzuregen: „Tatsächlich ist das Interesse an unterschwelliger Stimulation keineswegs tot; es ging weiter, freilich sehr viel unauffälliger. Mir liegen Berichte über vierzehn Versuchsreihen der letzten Jahre vor, und ich besitze Hinweise auf eine ganze Reihe weiterer.“
Es wurde und wird also weitergeforscht. „Nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit liegen (…) mittlerweile Erkenntnisse vor, die im Zuge mühevoller Kleinarbeit und häufig kontroverser und keineswegs abgeschlossener Forschungsbemühungen erhoben wurden und zeigen, wie menschliches Erleben und Verhalten von Mechanismen und Strukturen beeinflußt und gesteuert werden, die dem bewußten Zugriff verschlossen bleiben.“ (Perrig et al. 1993, S.8)
Es gilt inzwischen als erwiesen, dass der weitaus größte Teil der Information, die der Mensch verarbeitet, vom Bewusstsein nicht erfasst wird, auch dann nicht, wenn sie nachweisbar Einfluss auf sein Verhalten ausübt. Dass aber auch heute noch Worte wie unbewußt oder unterschwellig angstauslösend wirken, zeigt ein Artikel in der FAZ. Hier wird nach wie vor die Manipulation unbewußter Wahrnehmung als gefährlich eingestuft, da man sich ihrer Wirkung nicht entziehen könne (Lenzen, 1998).
2. Subliminale Informationsverarbeitung – Wir erleben mehr, als uns bewusst ist
Die oben bereits angesprochenen Experimente zu den Sinneswahrnehmungen Ende des 19. Jahrhunderts lassen also unzweifelhaft darauf schließen, dass wir mehr wahrnehmen, als uns tatsächlich bewusst ist. Inzwischen ist aber auch bekannt, dass die Bandbreite unseres Bewusstseins im Vergleich zur Bandbreite unseres Unterbewusstseins erstaunlich gering ist.
Hierzu ein Zitat von Zimmermann (1993, S.182):„Unsere bewußte Wahrnehmung beschränkt sich also auf einen winzigen Ausschnitt der über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationsfülle aus der Umwelt.“(zit. nach Nørretranders 1998, S. 189) und in einem anderen Lehrbuch schreibt er:
„Daraus läßt sich schließen, daß der maximale Informationsfluß einer bewußten Sinneswahrnehmung bei 40 Bit/Sek. liegt, also viele Größenordnungen unter dem, was die Rezeptoren aufnehmen. Unsere Wahrnehmung beschränkt sich also auf einen winzigen Ausschnitt der im peripheren Nervensystem aufgenommenen Informationsfülle aus der Umwelt.“ (Zimmermann 1985, S. 138; zit. nach Nørretranders 1998, S. 189)
Die Sinneswahrnehmung liefert uns Millionen von Bits (Maßeinheit für Information und Information ist definiert als Logarithmus der Anzahl von Mikrozuständen, die in einem Makrozustand zusammengefasst sind pro Sekunde (Nørretranders 1998, S. 198)) und das Bewusstsein verarbeitet nur ein paar Dutzend davon (s. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Bandbreite (Kanalkapazität) von Sinnesorganen und Bewußtsein
(aus: Physiologie des Menschen 1993, S. 182)
„Bildlich gesprochen ist unser Bewußtsein einem Bühnen-Scheinwerfer [›spot light‹] vergleichbar, der das Gesicht eines einzigen Schauspielers grell erleuchtet, während sich alle übrigen Personen, Gegenstände und Kulissen eines riesigen Bühnenraumes im tiefsten Dunkel befinden.“ (Trincker 1966,S. 11; zit. nach Nørretranders 1998, S.192)
Was aber genau ist Bewusstsein und was ist – im Gegensatz dazu – das Unterbewusstsein, wie werden beide Begriffe definiert?
Hierzu findet man im Bereich der Psychologie keine Antwort.
Im Gegenteil: „Es ist in der gegenwärtigen experimentellen Psychologie unüblich vom Psychischen, vom bewusst Psychischen oder vom unbewusst Psychischen zu reden. Die wissenschaftliche Psychologie definiert diese Bezeichnungen als Fachtermini nicht und diese haben damit im wissenschaftlichen Diskurs auch keine kommunikative oder erklärende Funktion. Dies ist erstaunlich, wenn nicht sogar gänzlich unverständlich, wenn man berücksichtigt , dass (1) eine Unterscheidung zwischen bewusst und unbewusst Psychischem aufgrund unseres subjektiven Erlebens und Verstehens fraglos zu den wesentlichen Bestimmungselementen des Menschen gehört, (2) diese Unterscheidungen immer wieder Gegenstand umfangreicher philosophischer Analysen war und ist, und (3) es sich um eine Unterscheidung handelt, die im Bereich psychoanalytischer Deutung eine Faszination ausgelöst hat, welche die Gelehrtenkultur verschiedenster Wissenschaften im Denken und Handeln seit Generationen beeinflusst.“(Perrig et al. 2005, S.53)
In den Neurowissenschaften ist man diesbezüglich ein Schritt weiter.
Dass es sich beim Bewusstsein und beim Unterbewusstsein um funktional unterschiedliche Systeme handeln muss, geht auf ausgedehnte Untersuchungen seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zurück. Squire (1987; zit. nach Roth 2003) prägte hierfür das Gegensatzpaar »deklaratives« versus »prozedurales« Gedächtnis. Schacter (2001, S. 29) unterscheidet „implizites“ und „explizites“ Gedächtnis. Andere Gegensatzpaare sind »kontrolliert« versus »automatisiert«. All dies bedeutet, dass das unbewusste System bestimmte Dinge wie Lernen und Erinnern, Wahrnehmung, Gefühle und Handlungssteuerung in anderer Weise tut als das Bewusstseinssystem. (Roth 2003, S. 237)
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- Quote paper
- Annegret Krüppel (Author), 2007, Die Intelligenz des Unbewussten bewusst nutzen - Was die Ergebnisse der Subliminal-Forschung jedem einzelnen von uns bringen können, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67171
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