Gerade in der letzten Zeit hat die Diskussion um die aktive Sterbehilfe wieder an Brisanz zugenommen. So versucht z. B. die schweizerische Sterbehilfeorganisation Dignitas in Deutschland Fuß zu fassen und wird dabei indirekt durch Äußerungen einzelner Politiker wie die des Hamburger Justizsenators Roger Kusch (CDU) unterstützt. Anfang Oktober 2005 war Herr Kusch mit seiner Vorstellung an die Öffentlichkeit getreten, dass Tötung auf Verlangen nicht mehr strafbar sein solle. Dazu müsse der Paragraph 216 des Strafgesetzbuches geändert werden. Sterbehilfe für Todkranke sei »kein Verstoß gegen humane Grundwerte, sondern ein Gebot christlicher Nächstenliebe«. Andererseits sind gerade in der Hospizbewegung durch Weiterentwicklungen in der schmerzfreien Therapierung todkranker Menschen große Erfolge zu verzeichnen, die in das Licht der Öffentlichkeit rücken. In dieser Arbeit sollen zunächst die Begriffsbestimmungen zum Thema Sterbehilfe und Menschenwürde genau definiert werden, um anschließend verschiedene Standpunkte aus weltlicher und kirchlicher Sicht darzustellen. Danach werden die Argumente pro und contra einer aktiven Sterbehilfe beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2.1 Euthanasie
2.2 Aktive Sterbehilfe
2.3 Passive Sterbehilfe
2.4 Indirekte Sterbehilfe
2.5 Sterbebegleitung
2.6 Menschenwürde
2.6.1 Die theologische Definition der Menschenwürde
2.6.2 Die „weltliche Sicht“ der Menschenwürde
3. Rechtliche Regelungen zur Sterbehilfe
3.1 Deutschland
3.2 Niederlande
4. Verschiedene Standpunkte zur Sterbehilfe
4.1 Der Standpunkt der katholischen Kirche
4.2 Der Standpunkt der Ärzteschaft
4.3 Der Standpunkt der Allgemeinheit
5. Die Diskussion um die aktive Sterbehilfe
5.1 Die Argumente pro aktive Sterbehilfe
5.2 Die Argumente contra aktive Sterbehilfe
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Gerade in der letzten Zeit hat die Diskussion um die aktive Sterbehilfe wieder an Brisanz zugenommen. So versucht z. B. die schweizerische Sterbehilfeorganisation Dignitas in Deutschland Fuß zu fassen und wird dabei indirekt durch Äußerungen einzelner Politiker wie die des Hamburger Justizsenators Roger Kusch (CDU) unterstützt. Anfang Oktober 2005 war Herr Kusch mit seiner Vorstellung an die Öffentlichkeit getreten, dass Tötung auf Verlangen nicht mehr strafbar sein solle. Dazu müsse der Paragraph 216 des Strafgesetzbuches geändert werden. Sterbehilfe für Todkranke sei » kein Verstoß gegen humane Grundwerte, sondern ein Gebot christlicher Nächstenliebe «.[1]
Andererseits sind gerade in der Hospizbewegung durch Weiterentwicklungen in der schmerzfreien Therapierung todkranker Menschen große Erfolge zu verzeichnen, die in das Licht der Öffentlichkeit rücken.[2]
Diese und weitere Artikel und Medienberichte waren der Anlass für mich, tiefer in dieses schwierige Thema einzusteigen und hierüber meine Hausarbeit im Fach Bioethik zu verfassen, um mir so auch über meinen eigenen Standpunkt klar zu werden.
2. Begriffsbestimmungen
Um der Diskussion in der aktiven Sterbehilfe folgen zu können, werde ich nachstehend die allgemein anerkannten Begriffe Euthanasie, aktive, passive, indirekte Sterbehilfe, Sterbebegleitung und Menschenwürde erläutern.
2.1 Euthanasie
Der Begriff Euthanasie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“. Aufgrund des Missbrauchs der Euthanasie durch das NS-Regime im 3. Reich ist dieser Begriff in Deutschland mit negativen Assoziationen besetzt und wurde durch die Formulierung Sterbehilfe ersetzt. In anderen Ländern ist die Benutzung des Begriffes nicht geschichtlich vorbelastet und wird dort wertfrei verwendet. Beide Formulierungen werden zur genaueren Unterscheidung durch ein weiteres Adjektiv (aktiv, passiv, indirekt) erweitert.
2.2 Aktive Sterbehilfe
Unter aktiver Sterbehilfe versteht man die gezielte Tötung eines Menschen zur gewollten Verkürzung des Sterbevorganges oder auch des Lebens. Dieses Ziel wird erreicht durch die Verabreichung von lebensverkürzenden bzw. lebensbeendenden Substanzen, um so einem Patienten physisches oder auch psychisches Leid zu ersparen. Dieser Akt der Tötung wird im Normalfall vom Arzt vorgenommen. Es wird unterschieden zwischen der freiwilligen aktiven Sterbehilfe, also auf Verlangen des Patienten, der unfreiwilligen aktiven Sterbehilfe ohne Einwilligung des Patienten, der dazu in der Lage ist, sich aber nicht dazu äußert, und der nichtfreiwilligen aktiven Sterbehilfe, bei der der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern und gegebenenfalls nur noch der mutmaßliche Wille in schriftlicher Form vorliegt.[3] Nach deutschem Recht ist eine aktive Sterbehilfe nicht zulässig und wird mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht.[4]
2.3 Passive Sterbehilfe
Die passive Sterbehilfe zielt darauf ab, eingeleitete künstlich verlängernde medizinische Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensfunktionen zu beenden, wenn erkennbar ist, dass keine Aussicht auf Heilung besteht (infauste Prognose). In diesem Fall wird also keine Lebensverlängerung um jeden Preis durchgeführt, sondern der Sinn ist es, einen Menschen sterben zu „lassen“.[5] Der durch die moderne Apparatemedizin unterbrochene bzw. verlängerte natürliche und bereits in Kraft getretene Sterbeprozess soll also in diesem Fall nicht mehr länger blockiert werden, sondern die Möglichkeit haben, sich endgültig zu vollziehen. Ethisch und rechtlich ist die passive Sterbehilfe inzwischen legitimiert. Vorraussetzung ist, dass die ihrem Sterbeprozess überlassenen Patienten die so genannte Basisversorgung (Hygiene, Bettung, menschliche Zuwendung, das Stillen von Hunger und Durst, Schmerzlinderung) erhalten. So hat auch die Bundesärztekammer in ihren Grundsätzen zur Sterbebegleitung im Jahr 1998 beschlossen, dass bei Patienten mit infauster Prognose die passive Sterbehilfe vertretbar ist, wenn die Krankheit weit fortgeschritten ist und eine lebenserhaltende Behandlung nur Leiden verlängert.[6]
2.4 Indirekte Sterbehilfe
Bei der indirekten Sterbehilfe steht die Schmerzlinderung des Sterbenden im Mittelpunkt der medizinischen Behandlung. Durch eine Verabreichung von hohen Medikamentendosen sollen in der Sterbensphase eines Menschen schwere Schmerzen beseitigt werden, um so ein möglichst würdevolles Ende zu gewährleisten. Eine eventuelle Verkürzung der Lebenszeit durch den Einfluss der verabreichten Medikamente wird dabei in Kauf genommen. Man spricht hierbei von einer indirekt-passiv herbeigeführten Lebensverkürzung, die als nicht gewollter Nebeneffekt auftritt.[7] Die Verkürzung des Lebens ist nicht die intendierte Handlung, sondern wird im Rahmen einer Güterabwägung zwingend in Kauf genommen, um das humane Ziel der Linderung von schwersten Schmerzen zu erreichen. Gerade in der jüngsten Zeit wurden auf dem Spezialgebiet der Palliativmedizin (palliativ= lat. lindernd, nicht heilend) große Fortschritte erzielt, so dass der unerwünschte Nebeneffekt der Lebensverkürzung immer mehr in den Hintergrund tritt. Aus ethischer Sicht ist eine solche passiv-indirekte Sterbehilfe akzeptiert, solange die Schmerzlinderung und nicht die Lebensverkürzung die Intention dieser Maßnahme ist.[8] In der katholischen Moraltheologie wird die passiv-indirekte Lebensverkürzung auch als Doppeleffekt bezeichnet. Das bedeutet, dass eine an sich gute Handlung auch eine schlechte Wirkung zur Folge hat. Diese Handlung ist moralisch erlaubt, wenn sich die schlechte Nebenwirkung als eine nicht beabsichtigte Folge der guten Handlung ergibt.[9] Besonders in der Palliativmedizin engagieren sich viele kirchliche Organisationen und Hospize, um dem Sterbenden eine möglichst hohe Lebensqualität und –zufriedenheit am Ende seiner weltlichen Dimension zu ermöglichen.
2.5 Sterbebegleitung
Der Begriff Sterbebegleitung lässt sich auch mit „Hilfe im Sterben“ übersetzen. Gemeint ist hiermit die physische, psychische und seelische Betreuung des Patienten als reine Sterbehilfe, also die Basisversorgung wie Körperpflege, Freihaltung der Atemwege und das Stillen von Hunger und Durst. Es geht vor allem um die Bekundung von Solidarität und Zuwendung.[10] Die reine Sterbehilfe ist für Ärzte und Pflegepersonal verpflichtend. Um das menschenwürdige Sterben eines Menschen zu ermöglichen, ist eine solche Sterbebegleitung rechtlich und ethisch geboten. Eine menschliche Sterbebegleitung auf dem letzten Stück des irdischen Lebens sollte natürlich auch möglichst durch Familienangehörige und Nahestehende mitgegangen werden. Aufgrund der mit dem heutigen Lebenswandel verbundenen äußeren und ökonomischen Zwänge, die ein Zusammenleben von mehreren Generationen immer mehr unmöglich machen, ist die ständige Begleitung eines Sterbenden durch Familienangehörige oder Nahestehende kaum noch zu bewältigen. Ein einsames Sterben im Krankenhaus in ungewohnter Umgebung ist häufig die Folge. Einen wegweisenden Schritt gegen diese Entwicklung hat die Republik Österreich am 01.07.2002 vollzogen. Mit diesem Datum trat das Gesetz der Familienhospizkarenz in Kraft, welches Angehörige in die Lage versetzt, Sterbende zu begleiten und vor allem auch schwersterkrankte Kinder zu betreuen. In diesem Gesetz ist die finanzielle Unterstützung für ein halbes Jahr sowie die Freistellung von der Arbeit oder die Herabsetzung der Arbeitszeit geregelt. Kranken- und Rentenversicherungsansprüche der Pflegenden und Schutz vor Kündigung oder Entlassung sind gewährleistet.[11]
[...]
[1] Vgl. Kopp, Martin, Sterbehilfe: Kusch düpiert CDU-Fraktion, in: Die Welt, 31.01.2006.
[2] Vgl.Reinmöller, Klaus, Ohne Schmerzen friedlich sterben, in: Osnabrücker Nachrichten am Sonntag, 12.02.2006, 1f.
[3] Vgl. Giesen, Dieter, Der Wert des Lebens – wie weit reicht die Verpflichtung, Leben zu erhalten? Juristische Aspekte, in: Hepp, Hermann, (Hg.), Hilfe zum Sterben? Hilfe beim Sterben!, Düsseldorf 1992, 18.
[4] Vgl. Kreß, Hartmut, Medizinische Ethik, Kulturelle Grundlagen und ethische Wertkonflikte heutiger Medizin, Stuttgart 2003, 164.
[5] Vgl. a.a.O., 165.
[6] Vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/Sterbebegl2004.pdf, 31.04.2006, 1.
[7] Vgl. Holderegger, Adrian, Grundlagen der Moral und der Anspruch des Lebens. Themen der Lebensethik, Freiburg in Br. 1995, 236.
[8] Vgl. a.a.O., 164.
[9] Vgl. Birnbacher, Dieter, Ethische Aspekte der aktiven und passiven Sterbehilfe, in: Hepp, Hermann, (Hg.), Hilfe zum Sterben? Hilfe beim Sterben!, Düsseldorf 1992, 52
[10] Vgl. Schockenhoff, Eberhard, Sterbehilfe und Menschenwürde. Begleitung zu einem „eigenen Tod“, Regensburg 1991, 69, 93, 104
[11] Vgl. Vgl. Kreß, Hartmut, Medizinische Ethik, 163f.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Ing. Klaus Wewer (Autor:in), 2006, Die Diskussion um die aktive Sterbehilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66767
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