Werteerziehung hat sich zu einem neuen pädagogisches Schlagwort entwickelt. Während sie sich in der Vergangenheit nahezu von selbst vollzog, haben heute Debatten um Werte und Moral Konjunktur. Früher war sie ein selbstverständlicher Teil dessen, was heute gemeinhin als Sozialisation bekannt ist, und diente zur Integration des Einzelnen in die freiheitlichdemokratische Gesellschaft. Heute entsteht der Eindruck, dass dem Thema vor allem immer dann besonderer Nachdruck verliehen wird, wenn die Gesellschaft eines geschwächten Wertefeldes ansichtig wird. Anonymer internationaler Bombenterror und die Ohnmacht der Staatsgewalt, Missachtung von Institutionen und Autoritäten, Kinderpornographie und Rassenhetze im Internet, Jugendkriminalität, Sinnlosigkeitserlebnisse sowie Selbstzweifel, Sozialhilfeschwindel, Steuerhinterziehung, Subventionsbetrug und Korruption sind nur einige Auswirkungen angeblich zunehmenden Werteverfalls. Es scheint nicht gut bestellt zu sein um die gesellschaftliche Moral - so das allenthalben zu vernehmende Lamento. Der ›einfache‹ Bürger steht ebenso in der Kritik wie Wirtschaftsbosse und Politiker. Schnell wird demnach der Ruf nach Wiederbelebung der Werte laut, ohne differenzierter auszuführen was damit gemeint ist. Der Wertebegriff wird heute inflationär und äußerst vage benutzt. Eine Vielzahl von Wertkopplungen, zu denen auch der Terminus Werteerziehung gehört, erhöht die Schwierigkeit begriffliche Klarheit zu generieren. Vor diesem Hintergrund der Orientierungslosigkeit über Werte und Werteerziehung im Allgemeinen, sollen die Schulen als Stätten des Wissens und der Erziehung, Konzepte zur Werteerziehung entwerfen und der Ruf nach ihr kommt von vielen verschiedenen Autoritäten. Doch stellt sich diese Aufgabe nicht ganz so einfach dar und die Auseinandersetzung mit einigen zentralen Fragen scheint unausweichlich.
1. Was ist gemeint wenn wir von Werten und Moral sprechen?
2. Ist Werterziehung Aufgabe der Schule?
3. Welche Konzepte der Werteerziehung existieren?
4. Wie können Erziehungskonzepte in der Praxis umgesetzt werden?
Es wäre vermessen im Rahmen dieser Arbeit in ›wertphilosophischen Gewässern‹ zu fischen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Der Wertbegriff und sein terminologisches Umfeld
- 2.1 Sozialwissenschaftlicher Ansatz der Wertedefinition
- 2.2 Werte, Tugenden und die Moral
- 2.3 Werte und Werteerziehung
- 3. Werteerziehung und Schule
- 3.1 Prinzip der Leistungsorientierung
- 3.2 Prinzip der Wertorientierung
- 3.3 Zusammenfassung
- 4. Ansätze der Werte- und Moralerziehung
- 4.1 Wertevermittlung
- 4.1.1 Umsetzung der Wertevermittlung in der Schule
- 4.1.2 Kritik an der Wertevermittlung
- 4.2 Wertklärung
- 4.2.1 Wert als Ergebnis eines Bewertungsvorgangs
- 4.2.2 Wertklärung in der schulischen Praxis
- 4.2.3 Kritische Anmerkungen zur Wertklärung
- 4.3 Moralkognitive Entwicklung nach Lawrence Kohlberg
- 4.3.1 Lawrence Kohlberg – Biographischer Exkurs
- 4.3.2 Empirische Grundlage
- 4.3.3 Das Stufenmodell moralischer Entwicklung
- 4.3.4 Umsetzung der moralkognitiven Entwicklungstheorie im Rahmen der Pädagogik
- 4.3.5 Die Dilemmamethode als unterrichtspraktikable Umsetzung der moralkognitiven Entwicklungstheorie
- 4.3.6 Kritische Betrachtung
- 5. Theoriegeleiteter Entwurf einer Dilemmadiskussion
- 5.1 Annahmen zu den Lernvoraussetzungen
- 5.1.1 Niveau der moralischen Urteilsfähigkeit (nach Kohlberg)
- 5.1.2 Erfahrung mit verschiedenen Sozialformen des Unterrichts
- 5.1.3 Themenrelevantes Vorwissen
- 5.2 Zielvorstellungen des Unterrichtskonzeptes
- 5.3 Lernaktivitäten und Lehrhandlungen
- 5.4 Der Unterrichtsprozess
- 5.4.1 Einführung des Dilemmas
- 5.4.2 Erarbeitungsphase
- 5.4.3 Diskurs
- 5.4.4 Ergebnispräsentation
- 5.5 Tabellarischer Überblick über die Unterrichtseinheit
- 5.6 Zusammenfassung
- 6. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema der Werteerziehung im Unterricht an berufsbildenden Schulen. Ziel ist es, verschiedene Ansätze der Werteerziehung und deren praktische Umsetzung im schulischen Alltag zu analysieren. Dabei stehen insbesondere die Prinzipien der Leistungs- und Wertorientierung sowie die moralkognitive Entwicklung nach Lawrence Kohlberg im Vordergrund.
- Wertbegriff und terminologisches Umfeld
- Werteerziehung in der Schule
- Ansätze der Wertevermittlung und Wertklärung
- Moralkognitive Entwicklung nach Kohlberg
- Theoriegeleiteter Entwurf einer Dilemmadiskussion
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema Werteerziehung und stellt den Wertbegriff sowie seine Bedeutung in verschiedenen Kontexten dar. Anschließend werden die Prinzipien der Leistungs- und Wertorientierung im schulischen Kontext beleuchtet. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Ansätzen der Werte- und Moralerziehung, wobei insbesondere die Theorie der moralkognitiven Entwicklung nach Lawrence Kohlberg im Fokus steht. Schließlich wird ein theoretisch fundierter Entwurf einer Dilemmadiskussion als praktische Umsetzung der Kohlberg-Theorie vorgestellt. Dieser Entwurf beinhaltet die Planung und Durchführung der Dilemmadiskussion, inklusive der Lernvoraussetzungen, Zielvorstellungen, Lernaktivitäten und des Unterrichtsprozesses.
Schlüsselwörter
Werteerziehung, berufsbildende Schulen, Leistungsorientierung, Wertorientierung, Moralkognitive Entwicklung, Lawrence Kohlberg, Dilemmamethode, Unterrichtsplanung, Dilemmadiskussion.
- Quote paper
- Jürgen Mehrlich (Author), 2004, Werteerziehung an beruflichen Schulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66655