Die Welt der Rechnungslegung befindet sich in einem Wandel. Internationale Regelungen lösen zunehmend das der Praxis über Jahre vertraut gewordene deutsche HGB ab. Nach der EU-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 müssen ab 2005 alle kapitalmarktorientierten europäischen Unternehmen ihre Konzernabschlüsse nach International Financial Reporting Standards (IFRS) aufstellen. Für Unternehmen, die aufgrund ihrer Notierung an einer US-Börse bereits einen US-GAAP-Abschluss erstellen, gilt eine Übergangsregelung bis 2007. Die EU-Verordnung schlägt die Anwendung der IFRS auch für die Konzernabschlüsse nicht börsennotierter Unternehmen vor. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich aus der Verordnung derzeit noch nicht, jedoch ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung durch die Bundesregierung in einigen Jahren erfolgen wird. Damit wäre die internationale Rechnungslegung nach IFRS auch im deutschen Mittelstand angekommen.
Die dargestellten Anforderungen gelten bislang ausschließlich nur für den Konzernabschluss. Die Einzelabschlüsse der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen werden derzeit noch nach HGB als der führenden Buchhaltungsgrundlage erstellt. Mit Hilfe einer Überleitungsrechnung werden die Einzelabschlüsse HGB auf Einzelabschlüsse nach IFRS geleitet. Diese Abschlüsse werden dann konsolidiert, um zu einem IFRS-Konzernabschluss zu gelangen. Da diese Überleitung der Rechnungslegung eine erhebliche Belastung für die Unternehmen darstellt, kam in den letzten Jahren der Wunsch auf, auch Einzelabschlüsse nach IFRS erstellen zu dürfen. Dementgegen steht jedoch die Tatsache, dass der HGB-Einzelabschluss neben der Informationsfunktion noch weitere Aufgaben, wie z. B. Ausschüttungsbemessung gegenüber den Gesellschaftern, Besteuerungsgrundlage oder insolvenzrechtliche Sachverhalte zum Gegenstand hat. Somit bleibt zunächst der Aufwand der doppelten Bilanzierung bestehen, neben einem IFRS-Abschluss parallel eine Bilanz nach dem Handelsgesetzbuch zu erstellen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Internationaler Rechnungslegungsstandard IFRS – Grundkonzept und Erfolgspotenziale
2.1. Aufbau des IFRS-Regelwerkes und Organisation des IASC/IASB
2.2. EU-Verordnung „IAS 2005“
2.3. Elemente des Jahresabschlusses
2.4. Konzeptionelle Unterschiede zwischen HGB und IFRS
2.5. Zweigleisigkeit von HGB und IFRS-Abschluss
2.6. Chancen bei der Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS
2.6.1. Basel II: verbessertes Banken Rating
2.6.2. Vereinheitlichung des internen Konzernreportings
2.6.3. Integration der internen und externen Berichterstattung
2.6.4. Sicherung und Steigerung der Wettbewerbfähigkeit
2.6.5. Öffnung für internationale Kapitalmärkte
3. Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede wesentlicher Bilanzposten bei Software- und Beratungsunternehmen
3.1. Immaterielle Vermögensgegenstände
3.1.1. Identifizierung
3.1.2. Bewertung
3.2. Sachanlagen
3.3. Vorräte/ langfristige Fertigungsaufträge
3.3.1. Identifizierung und Bewertung der Vorräte
3.3.2. Spezialfall: Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung
3.4. Forderungen
3.5. Eigenkapital
3.6. Sonderposten mit Rücklageanteil
3.7. Rückstellungen
3.7.1. Allgemeine Ansatzvorschriften und Bewertungsgrundsätze
3.7.2. Spezielle Einzelrückstellungen
3.8. Latente Steuern
4. Einzelabschluss im Beispielbetrieb – Anpassungsmaßnahmen im Finanz- und Controllingsystem
4.1. HGB/IFRS–Abweichungsbilanz
4.2. Buchungstechnik
4.2.1. Primärer Bewertungsbereich und Überleitungstechnik
4.2.2. Verwendung einheitlicher Kontenpläne
4.3. Anpassungen in der Finanzbuchhaltung
4.3.1. Buchhaltungsprozesse
4.3.2. Bilanzerstellungsprozesse
4.4. Anpassungen im Controlling
4.4.1. Controllingbegriff und Instrument der Planung
4.4.2. Reporting
4.5. Ausgewählte weitere Jahresabschlusselemente
4.5.1. Kapitalflussrechnung
4.5.2. Eigenkapitalveränderungsrechnung
5. Konzernabschluss im Beispielbetrieb - Vorgehensweise bei der erstmaligen Erstellung nach IFRS
5.1. Konsolidierungskreis und Konsolidierungsmethode
5.2. Einzelabschlüsse und Berichterstattung der Tochterunternehmen
5.3. Währungsumrechnung beim polnischen Einzelabschluss
5.3.1. Überblick über die Umrechnungsverfahren
5.3.2. Beispiel zur modifizierten Stichtagskursmethode
5.4. Erstkonsolidierungszeitpunkt und Technik der Konzernabschlusserstellung
5.5. Konsolidierungsmaßnahmen bei Mutter-Tochter-Verhältnissen
5.5.1. Kapitalkonsolidierung
5.5.2. Schuldenkonsolidierung
5.5.3. Aufwands- und Ertragskonsolidierung
5.5.4. Zwischenergebniskonsolidierung
6. Zusammenfassung und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anlagen
Anlage 1: Mögliche Grundgliederung einer Bilanz nach IFRS
Anlage 2: Auswirkungen der Umstellung auf IFRS bei bestimmten
Bilanzpositionen
Anlage 3: Bestandteile der Herstellungskosten
Anlage 4: Gegenüberstellung der Bilanzwerte 2005 nach HGB/ IFRS
Anlage 5: Geschäftsprozesse nach IFRS
Anlage 6: Vorlagen für einheitliche Berichtsformulare
Anlage 7: Technik der Konzernabschlusserstellung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die Welt der Rechnungslegung befindet sich in einem Wandel. Internationale Regelungen lösen zunehmend das der Praxis über Jahre vertraut gewordene deutsche HGB ab. Nach der EU-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 müssen ab 2005 alle kapitalmarktorientierten europäischen Unternehmen ihre Konzernabschlüsse nach International Financial Reporting Standards (IFRS) aufstellen. Für Unternehmen, die aufgrund ihrer Notierung an einer US-Börse bereits einen US-GAAP-Abschluss erstellen, gilt eine Übergangsregelung bis 2007. Die EU-Verordnung schlägt die Anwendung der IFRS auch für die Konzernabschlüsse nicht börsennotierter Unternehmen vor. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich aus der Verordnung derzeit noch nicht, jedoch ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung durch die Bundesregierung in einigen Jahren erfolgen wird. Damit wäre die internationale Rechnungslegung nach IFRS auch im deutschen Mittelstand angekommen.[1]
Die dargestellten Anforderungen gelten bislang ausschließlich nur für den Konzernabschluss. Die Einzelabschlüsse der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen werden derzeit noch nach HGB als der führenden Buchhaltungsgrundlage erstellt. Mit Hilfe einer Überleitungsrechnung werden die Einzelabschlüsse HGB auf Einzelabschlüsse nach IFRS geleitet. Diese Abschlüsse werden dann konsolidiert, um zu einem IFRS-Konzernabschluss zu gelangen. Da diese Überleitung der Rechnungslegung eine erhebliche Belastung für die Unternehmen darstellt, kam in den letzten Jahren der Wunsch auf, auch Einzelabschlüsse nach IFRS erstellen zu dürfen. Dementgegen steht jedoch die Tatsache, dass der HGB-Einzelabschluss neben der Informationsfunktion noch weitere Aufgaben, wie z. B. Ausschüttungsbemessung gegenüber den Gesellschaftern, Besteuerungsgrundlage oder insolvenzrechtliche Sachverhalte zum Gegenstand hat. Somit bleibt zunächst der Aufwand der doppelten Bilanzierung bestehen, neben einem IFRS-Abschluss parallel eine Bilanz nach dem Handelsgesetzbuch zu erstellen.[2]
Trotz dieses dargestellten Problems bieten die IFRS jedoch auch neue Chancen. Durch die Abwendung vom deutschen Vorsichtsprinzip und die Hinwendung zu einer mehr betriebswirtschaftlicheren und damit realistischeren Darstellung der Lage des Unternehmens kann nun Banken und anderen Kapitalgebern ein zutreffenderes Bild vermittelt werden. In der Regel ist das nach IFRS ausgewiesene Eigenkapital höher als nach dem HGB. Dies erhöht die Kreditchancen, Bonität und Stabilität des Unternehmens. Auch vor dem Hintergrund der Rating-Erfordernisse durch Basel II kann ein Abschluss nach IFRS dazu beitragen den immer höheren Berichtsanforderungen der finanzierenden Banken zu genügen, denn der Umfang der offen zu legenden Informationen beim IFRS-Abschluss nimmt erheblich zu. Durch den Wegfall zahlreicher Wahlrechte des HGB werden die Informationen gleichzeitig verlässlicher und vergleichbarer. Die Legung stiller Reserven ist nach IFRS ebenfalls nicht gestattet. Des Weiteren wird die Umstellung auf IFRS als ein Signal verstanden, mit dem ein Unternehmen seine Innovationskraft auch im Finanz- und Rechnungswesen sowie seine Ausrichtung an modernen Konzepten der Berichterstattung verdeutlichen kann.[3]
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS in einem Unternehmen der Software- und Beratungsbranche. Dabei handelt es sich um einen internationalen mittelständischen Konzern mit derzeit 130 Mitarbeitern, der weltweit in den Geschäftsfeldern Beratung, Produktservices und Entwicklung tätig ist. Der Hauptsitz des Unternehmens mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft befindet sich in Wien, sechs weitere Tochterunternehmen sind in Deutschland, Österreich, Polen, Griechenland und Spanien tätig. Die Geschäftsfelder der Software-Produkte umfassen das Strategiemanagement, Geschäftsprozessmanagement, IT-Architekturmanagement sowie Supply Chain Management. Als kompetenter Beratungspartner ist das Unternehmen sowohl bei der Einführung dieser Softwareprodukte als auch bei folgenden Themen behilflich:
- Prozessmodellierung und -dokumentation
- Personalbedarfsplanung
- Prozesskostenrechnung
- Balanced Scorecards
- Qualitätsmanagement
- Einführung von serviceorientierter Architektur (SOA).
Nach § 293 Abs. 1 HGB (größenabhängige Befreiungen) ist das Unternehmen von der Pflicht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, befreit. Dennoch beabsichtigt das Unternehmen in naher Zukunft die Erstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS. Aufgrund eines eventuellen Börsenganges soll damit der Informations- und Dokumentationsfunktion sowohl interner als auch externer Adressaten Rechnung getragen werden. Außerdem wäre das Unternehmen im Falle einer Börsennotierung dazu verpflichtet, einen IFRS-Konzernabschluss zu erstellen.
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Unternehmen aufzuzeigen, welche Bilanzpositionen sich bei einer Rechnungslegung nach IFRS verändern und an welcher Stelle im Finanz- und Controllingsystem Anpassungsmaßnahmen notwendig erscheinen. Da derzeitig die Einzelabschlüsse der Töchter nach dem jeweiligen nationalen Recht erstellt werden, ist auch hier eine Umstellung auf IFRS-Rechnungslegung notwendig. Dabei müssen alle Einzelabschlüsse, die in den Konzernabschluss einbezogen werden, nach einheitlichen Regeln erstellt werden. Es wird sowohl exemplarisch der Einzelabschluss des Tochterunternehmens in Deutschland, als auch der Konzernabschluss bei einer Umstellung auf IFRS betrachtet.
In Kapitel 2 werden hierfür die theoretischen Grundlagen vermittelt. Es werden sowohl die Entwicklung, das Grundkonzept als auch die Erfolgspotenziale der internationalen Rechnungslegung IFRS aufgezeigt.
In Kapitel 3 werden dann Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede wesentlicher Bilanzposten eines Software- und Beratungsunternehmens aufgedeckt. Dabei handelt es sich insbesondere um Fragen zur künftigen Behandlung von selbst erstellter Software, also immateriellen Vermögensgegenständen, Sachanlagen, unfertigen Leistungen, Forderungen, Eigenkapital, Sonderposten mit Rücklageanteil, Rückstellungen sowie latenter Steuern. Auf die Frage der Bilanzierung von Finanzanlagen soll hierbei nicht eingegangen werden, da diese keine typische Bilanzposition für die ausgewählte Branche darstellt. Auch die Bilanzpositionen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten sind nicht Bestandteil dieses Kapitels, da die Abweichungen zum Handelsrecht nicht wesentlich sind.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Einzelabschuss des Beispielbetriebes. Ausgangspunkt im Hinblick auf einen festzustellenden Anpassungsbedarf im Finanz- und Controllingsystem bildet zunächst die Erstellung der HGB/IFRS–Abweichungsbilanz. Nachdem nun bekannt ist, in welchen Bilanzpositionen sich Änderungen ergeben, können die bestehenden Buchhaltungs- und Bilanzerstellungsprozesse analysiert und gegebenenfalls an die internationale Rechnungslegung angepasst werden. Neben den genannten Prozessen wird auch der Anpassungsbedarf bei der Planung und internen Berichterstattung (monatlicher Finanzbericht, Abweichungsanalyse) sowie beim Buchungskonzept geklärt. Ebenso werden weitere Berichtsformate, die Erstellung einer Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalveränderungsrechnung als neue Jahresabschlussbestandteile nach IFRS vorgestellt. Auf die Betrachtung des Lageberichtes und des Anhangs wird verzichtet, da diese den Rahmen der Arbeit sprengen würden. Ebenso wird auf die Segmentberichterstattung und die Angabe des Ergebnisses je Aktie nicht eingegangen, sie werden erst dann zu Pflichtbestandteilen, wenn das Unternehmen an der Börse notiert ist.
In Kapitel 5 soll eine Vorgehensweise zur Konzernabschlusserstellung nach IFRS definiert werden. Es geht um die Beantwortung folgender Fragen:
- Was soll bilanziert werden? (Konsolidierungskreis)
- Wann soll bilanziert werden? (Konzernbilanzstichtag)
- Wie soll konsolidiert werden? (Konsolidierungsmethoden und -maßnahmen)
Es wird dabei ausschließlich auf die Konzernbilanz und Konzern-GuV im Rahmen der Erstkonsolidierung eingegangen. Andere Abschlussbestandteile sowie latente Steuern werden nicht erläutert.
Abschließend wird die Thematik in Kapitel 6 zusammengefasst und sowohl Ergebnisse als auch Konsequenzen der Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS aufgezeigt.
2. Internationaler Rechnungslegungsstandard IFRS – Grundkonzept und Erfolgspotenziale
Die Globalisierung der Kapitalmärkte und die zunehmende Internationalisierung der Produktions-, Handels- und Dienstleistungstätigkeiten bilden den Ausgangspunkt für eine Veränderung in der Rechnungslegung. Ausländische Investoren, Lieferanten, Kunden sowie Banken fordern Abschlüsse, die nach internationalen Vorschriften aufgestellt werden, um eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse weltweit tätiger Unternehmen herzustellen und somit den Entscheidungsprozess zu erleichtern. Die erste Regelung zur Internationalisierung der Rechnungslegung wurde 1998 durch das damalige KapAEG geschaffen. Mit der Einführung eines § 292a in das HGB wurde es börsennotierten Mutterunternehmen eines Konzerns ermöglicht, erstmals mit befreiender Wirkung den Konzernabschluss nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufzustellen. Seitdem haben einige große deutsche Unternehmen ihre Rechnungslegung auf US-GAAP oder IFRS umgestellt. Zunächst wurden beide Systeme als gleichwertig angesehen, wobei sogar der erste Trend in Richtung der Anwendung der US-GAAP ging. Nach der EU-Verordnung von 2002 werden jedoch spätestens ab 2007 alle börsennotierten Unternehmen der Europäischen Union ihre Konzernabschlüsse nach IFRS erstellen.[4]
2.1. Aufbau des IFRS-Regelwerkes und Organisation des IASC/IASB
Die IFRS wurden bis März 2002 als IAS, International Accounting Standards, bezeichnet. Sie behalten ihre Bezeichnung IAS, da sie weiterhin gültig sind und auch laufend überarbeitet und angepasst werden. Es handelt sich bei der Umbenennung der Standards von IAS auf IFRS also um eine bloße Namensänderung, sie sind keine neuen Standards, welche die IAS ablösen. Daher wird das Normensystem heute synonym als IAS, IFRS oder IAS/IFRS bezeichnet. Im Folgenden wird der Ausdruck IFRS verwandt. Derzeit gibt es rund 40 Standards, die alle wesentlichen Problembereiche der Rechnungslegung abdecken. Der Umfang einzelner Standards hängt vom Regelungsinhalt ab. So bestehen einfache Standards aus lediglich fünf bis zehn Seiten, Standards komplizierter Bereiche können bis zu einhundert Seiten in Anspruch nehmen. Stil und Inhalt der Standards sind Ausdruck der praxisorientierten, am Einzelfall ausgerichteten Rechtssetzung im angelsächsischen Umfeld (Case-Law-System).[5]
Die IFRS werden vom International Accounting Standards Board (IASB), einer internationalen Organisation, erlassen. Vor dem Jahre 2001 wurde diese Organisation als IASC, International Accounting Standards Committee, bezeichnet. Diese wurde 1973 mit Sitz in London von den Wirtschaftsprüferverbänden aus Australien, Deutschland, Frankreich, Japan, Mexiko, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden sowie den USA gegründet. Hauptmotiv für die Gründung des IASC war das Streben nach einer Verbesserung und Harmonisierung veröffentlichter Jahresabschlüsse weltweit tätiger Unternehmen. Es ging nicht darum ein komplett „neues“ Rechnungslegungssystem aufzustellen, sondern die bereits vorhandenen Rechnungslegungssysteme sollten vereinheitlicht werden und als weltweiter Standard für die Rechnungslegung hervorgehen. Das IASB besteht aus 14 hauptberuflich tätigen, unabhängigen Experten, die für die inhaltlichen Fragen, wie den Beschluss von Entwürfen, sowohl von Standards als auch von Interpretationen, eigenverantwortlich zuständig sind. Die Mitglieder des IASB müssen Spezialisten in der Rechnungslegung sein, ihr beruflicher Hintergrund liegt vor allem in der Wirtschaftsprüfung, der Bilanzerstellung und in der Bilanznutzung.[6]
Neben den IFRS werden über ein dafür spezialisiertes Organ zahlreiche Interpretationen veröffentlicht. Diese Aufgabe übernahm bis April 2002 das SIC (Standing Interpretations Committee), für Zeiträume danach das IFRIC (International Financial Reportings Interpretation Committee). Ziel dieser Interpretationen ist das Schließen von Regelungslücken und die Klärung von Unsicherheiten bei der Anwendung einzelner Standards. Derzeit sind rund 40 Interpretationen vorhanden. Sie stehen gleichrangig neben den IFRS und sind verbindlich anzuwenden.
Die IFRS-Bilanzierungsgrundsätze ergeben sich insbesondere aus dem Rahmenkonzept, dem Framework. Es umfasst die Grundlagen der Rechnungslegung und ist mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung vergleichbar. Das Framework umfasst etwa 110 Paragrafen und regelt Sachverhalte, wie z. B. was als Aktiv- und Passivposten anzusetzen ist, welche Zielsetzung die Berichterstattung hat, wann Erträge als realisiert gelten und wie mit den Grundsätzen Stetigkeit und Vorsicht zu verfahren ist.[7]
Die folgende Grafik verdeutlicht den Aufbau des IFRS-Regelwerkes:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Dreistufiger Aufbau des IFRS-Regelwerkes[8]
Die Trustees (Treuhänder) bestehen aus 19 Personen mit verschiedenem geografischen und beruflichen Hintergrund. Dabei handelt es sich überwiegend um einflussreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Verwaltung, wie z. B. Wirtschaftsprüfer, Analysten, Professoren, und Bilanzersteller, die ehrenamtlich tätig sind. Sie haben eine Aufsichts- und Kontrollfunktion und ernennen die Mitglieder des IASB, des IFRIC und neue Trustees. Insbesondere sind sie auch bei der Aufbringung der benötigten Finanzmittel behilflich. Bei der Entwicklung und Verabschiedung von inhaltlichen Fragen zur Rechnungslegung üben sie keine Funktion aus.[9]
2.2. EU-Verordnung „IAS 2005“
Im Juni 2002 verabschiedete das Europäische Parlament zusammen mit dem Ministerrat der Europäischen Union die Verordnung über die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards. In Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 heißt es:
„Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen, stellen Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen Rechnungslegungsstandards auf, (...) wenn am jeweiligen Bilanzstichtag ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt (…) zugelassen sind.“[10]
Die Frist verlängert sich bis zum 1. Januar 2007 für Unternehmen, die an Börsen in Drittländern notiert sind und dort Jahresabschlüsse nach anderen international anerkannten Standards Zulassungsvoraussetzung sind, sowie für Unternehmen, die den organisierten Kapitalmarkt ausschließlich mit Schuldtiteln (z. B. Anleihen) in Anspruch nehmen. Die Verordnung ist unmittelbares Recht und bedarf im Hinblick auf den Konzernabschluss börsennotierter Unternehmen keiner Umsetzung mehr durch nationale Gesetze.
Den Mitgliedstaaten wird jedoch im Rahmen eines Mitgliedstaatenwahlrechtes noch die Möglichkeit gegeben, die Anwendung der IFRS auch auf nichtbörsennotierte Gesellschaften sowie Einzelabschlüsse auszudehnen. Mit dem im November 2004 verabschiedeten Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) hat die Bundesrepublik Klarheit über die deutsche Umsetzung des Mitgliedstaatenwahlrechtes geschaffen. Nicht kapitalmarktorientierte Konzerne dürfen somit nach § 315a HGB ihre Konzernabschlüsse in Deutschland wahlweise nach dem HGB oder nach den IFRS aufstellen. Hinsichtlich des Einzelabschlusses kapitalmarktorientierter und nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen sind die Wahlrechte im BilReG insofern umgesetzt worden, dass der neu eingefügte § 325 Abs. 2a HGB die Möglichkeit einräumt, ausschließlich für die Zwecke der Information einen IFRS-Einzelabschluss offen legen zu können. Wird dieses Wahlrecht in Anspruch genommen, so hat das Unternehmen darüber hinaus für gesellschafts- und steuerrechtliche Zwecke weiterhin einen HGB-Einzelabschluss aufzustellen. Die folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang von Pflichtanwendung und Mitgliedstaatenwahlrecht in Deutschland in Bezug auf die IFRS-Rechnungslegung.[11]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anwendung nach der IAS-Verordnung in Deutschland[12]
Gegenstand der IAS-Verordnung ist die Übernahme und Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft, mit dem Ziel, die von Gesellschaften vorgelegten Finanzinformationen zu vereinheitlichen, um einen hohen Grad an Transparenz und Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und damit eine effiziente Funktionsweise des Kapitalmarktes in der Gemeinschaft sowie im Binnenmarkt sicherzustellen. Weiterhin soll mit dieser Verordnung eine Stärkung des freien Kapitalmarktes erreicht werden, so dass die Unternehmen der Gemeinschaft in die Lage versetzt werden auf den gemeinschaftlichen Kapitalmärkten und auf den Weltmärkten unter gleichen Wettbewerbsbedingungen um Finanzmittel zu konkurrieren.[13]
Ende 2005 mussten in der EU ca. 7.000 kapitalmarktorientierte Unternehmen erstmals Konzernabschlüsse nach IFRS vorlegen. Das gleiche gilt für viele der übrigen Industrienationen, wie Australien, Russland, Kanada und jüngst China, die IFRS als Bilanzierungsstandard vorschreiben oder demnächst vorschreiben wollen.[14] In Deutschland waren im letzten Jahr 1.008 Unternehmen kapitalmarktorientiert, darunter befanden sich 778 Aktienemittenten, 179 Anleiheemittenten und 51 gemischte Aktien-/ Anleiheemittenten. Davon waren insgesamt 789 konsolidierungspflichtig, nur diese müssen IFRS-Abschlüsse aufstellen. Im Prime Standard der deutschen Börse bilanzierten bereits im Jahre 2003 56 % der Konzerne nach IFRS, weitere 33 % nach US-GAAP und 10 % nach HGB. Im DAX bilanzierten 63 % der Konzerne nach IFRS und 37 % nach US-GAAP.[15]
2.3. Elemente des Jahresabschlusses
Die Grundsätze der Rechnungslegung nach IFRS, allgemeine Definitionen und Zielsetzungen sind im Framework geregelt. Es stellt somit das Gegenstück zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung im HGB dar. Weitere Grundsätze der Rechnungslegung sind in IAS 1 geregelt.[16]
Ein vollständiger Jahresabschluss nach IFRS beinhaltet nach IAS 1.8 „Presentation of Financial Statements“ die folgenden Grundelemente:
- Bilanz (balance sheet)
- Gewinn- und Verlustrechnung (income statement)
- Anhang (notes)
- Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity)
- Kapitalflussrechnung (cash flow statement)
Sie gelten gleichermaßen für den Einzel- und den Konzernabschluss. Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen zusätzlich eine Segmentberichterstattung vornehmen und das Ergebnis je Aktie ausweisen. Der Lagebericht sowie Wertschöpfungsrechnungen oder Umweltberichte sind keine Bestandteile des Jahresabschlusses nach IFRS, sie dürfen zusätzlich im Jahresbericht enthalten sein, die IFRS sind darauf jedoch nicht anwendbar. Deutsche Konzernunternehmen, die die IFRS anwenden, sind jedoch zur Aufstellung eines Lageberichtes, nach § 315a Abs. 1 bzw. § 315a Abs. 3 HGB, verpflichtet.[17]
Jahresabschlüsse haben den Abschlussadressaten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln. Zu den Abschlussadressaten gehören Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten, Kunden, Regierungen, Steuer- und Aufsichtsbehörden sowie die gesamte Öffentlichkeit. Die Vermögenslage wird durch die Bilanz, die Ertragslage durch die GuV-Rechnung und die Finanzlage durch die Kapitalflussrechnung abgebildet.
Die Vermögenslage umfasst nicht nur die Aktivposten eines Unternehmens, sondern den Saldo als Aktiva und Passiva zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Bezeichnung als Reinvermögenslage wäre somit zutreffender. Ebenso verhält es sich mit der Ertragslage, die besser als Erfolgslage zu bezeichnen wäre, denn sie ermittelt den Saldo aus Erträgen und Aufwendungen innerhalb einer bestimmten Zeitperiode. Die Finanzlage gibt Auskunft über die finanziellen Mittel eines Unternehmens, die zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für eine bestimmte Zeitperiode bestehen. Im ersten Fall wird der Bestand an liquiden Mittel aufgezeigt, im zweiten Fall seine Veränderung. Die Entwicklung des Reinvermögens vom Beginn bis zum Ende des Geschäftsjahres wird in der Eigenkapitalveränderungsrechnung aufgezeigt. Die Anfangs- und Endbestände ihrer Eigenkapitalposten entsprechen dabei den Bilanzwerten. Neben Kapitaltransaktionen (Änderungen im gezeichneten Kapital und den Kapitalrücklagen) und der Entwicklung der Gewinnposten sind auch die Bewegungen in den Neubewertungsrücklagen zu zeigen. Der Anhang, als weiterer Jahresabschlussbestandteil, muss die wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zusammenfassen, Erläuterungen zu Bilanz und GuV abgeben, sowie sonstige Angaben enthalten, wie z. B. Angaben über Ereignisse nach dem Bilanzstichtag, Maßnahmen zur Risikosteuerung oder über sonstige Verpflichtungen.[18]
2.4. Konzeptionelle Unterschiede zwischen HGB und IFRS
Die wesentlichen Veränderungen, die bei einer Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS zu erwarten sind, werden am besten verstanden, wenn man zuerst die grundlegenden Prinzipien und Denkrichtungen dieser beiden Rechnungslegungssysteme kennen lernt und versteht. Das deutsche Bilanzrecht ist vom Vorsichtsprinzip geprägt. Bei ihm stehen die Kapitalerhaltung und der Gläubigerschutz im Vordergrund. Der Gläubiger soll vor Überbewertungen oder unrealistischen Ansätzen geschützt werden. Der Unternehmer soll sich eher zu arm als zu reich rechnen. Dieser Grundgedanke des Handelsrechts kann erklären, warum:
- Aktivierungswahlrechten (statt Aktivierungspflichten) kaum Passivierungswahlrechte (sondern Passivierungspflichten) gegenüberstehen,
- Anschaffungskosten zwar unter- aber nicht überschritten werden dürfen und
- Verluste bereits vor ihrer Realisierung ausgewiesen werden, Gewinne hingegen erst dann, wenn sie endgültig realisiert sind.[19]
Das IFRS-Konzept ist dagegen auf den Investor oder Shareholder ausgerichtet. Dabei steht als Bild des typischen Investors nicht der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft im Vordergrund, sondern vielmehr der anonyme Teilnehmer (z. B. als Aktionär oder Anleihegläubiger) der organisierten Kapitalmärkte. Die wesentliche Anforderung an den Jahresabschluss ist es daher, dem Investor Einblick in eine realistisch dargestellte Vermögens- und Ertragslage zu verschaffen, die nicht durch Aspekte der Vorsicht und der Risikovorsorge eingeschränkt werden soll. Die Rechnungslegung nach IFRS verfolgt den Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung, die im Gegensatz zum HGB folgende Besonderheiten aufweist:
- Gewinne (z. B. bei Wertpapieren) werden bereits vor ihrer Realisierung ausgewiesen und
- bei langfristiger Auftragsfertigung werden Umsatz und somit Gewinn nicht erst bei kompletter Fertigstellung des Auftrages, sondern kontinuierlich nach dem Fertigstellungsgrad realisiert.[20]
Aus den unterschiedlichen Zielsetzungen der Rechnungslegung nach HGB und IFRS ergeben sich eine Reihe weiterer Konsequenzen:
Bewertungsbasis:
Bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung steht die Bewertung zu historischen Kosten im Vordergrund. Sie soll aus Sicht der Gläubiger eine unerwünschte Überbewertung von Vermögen verhindern. Dabei entstehende stille Reserven werden bewusst in Kauf genommen. Im Unterschied dazu werden bei der Bilanzierung nach IFRS Vermögensgegenstände sehr oft mit aktuellen Marktwerten bewertet, was sogar zu einer Bewertung der Vermögensgegenstände über die Anschaffungskosten hinaus führen kann. Durch die Verhinderung der Bildung von stillen Reserven und durch eine gegenüber dem deutschen Handelsrecht frühere Gewinnrealisierung ist in IFRS-Abschlüssen die Tendenz eines höheren Eigenkapitalausweises zu beobachten.
Offenlegungsumfang:
Der Umfang des Anhangs beträgt bei der Rechnungslegung nach HGB auch bei großen Konzernen oftmals nicht mehr als zehn Seiten, da in einer gläubigerorientierten Finanzierungsstruktur auch andere Wege, außerhalb des Jahresabschlusses, von Bedeutung sind. So haben Banken häufig einen Vertreter im Aufsichtsrat des Unternehmens oder können aus der laufenden Geschäftsbeziehung und den aktuellen Zahlungsflüssen einen Eindruck über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens gewinnen. Nach IFRS nimmt der Umfang der offen zu legenden Informationen erheblich zu. Dies liegt vor allem an einem breiter werdenden Kapitalmarkt. Die Finanzierung von Unternehmen hat sich in den vergangen Jahren gewandelt. Statt der Finanzierung über Kredite von Banken gewinnen öffentliche Kapitalmärkte für Eigen- und Fremdkapital sowie privates Risikokapital (Private Equity) und Investmentfonds an Bedeutung. Dabei ergeben sich grundsätzlich andere Informationsbedürfnisse der Investoren, als bei der Kreditfinanzierung. Die IFRS befriedigen die gestiegenen Ansprüche durch ihre in der Regel bis zu fünfzig Seiten umfassenden Anhänge.
Stichtagsgrößen versus Stromgrößen:
Bei der Bilanzierung nach HGB ist die Stichtagsbilanz, die Rechenschaftslegung über die Vergangenheit, das wichtigste Element des Jahresabschlusses. Aus Sicht der IRFS sind vor allem das künftige Ertragspotenzial sowie der Cash Flow von besonderem Interesse. Der Investor kann aus Stromgrößenrechnungen (GuV, Kapitalflussrechnung) durch Fortschreibung der Vergangenheit Erkenntnisse über die Zukunft eines Unternehmens gewinnen. Im Mittelpunkt der IFRS-Rechnungslegung stehen somit Stromgrößen. Als Konsequenz zeigt sich, dass in einem internationalen Abschluss die GuV als erster Abschlussbestandteil noch vor der Bilanz aufgeführt wird.[21]
Die folgende Tabelle fasst die bedeutendsten Unterschiede zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Konzeptionelle Unterschiede zwischen HGB und IFRS[22]
2.5. Zweigleisigkeit von HGB und IFRS-Abschluss
Sowohl börsennotierte Konzerne, die zwangsweise nach IFRS Rechnung legen, als auch sonstige Konzerne, die ihren Konzernabschluss freiwillig nach IFRS aufstellen, müssen derzeit doppelgleisig bilanzieren. Das heißt, dass die Unternehmen zunächst Einzelabschlüsse nach dem HGB aufstellen müssen und diese dann mit Hilfe einer Überleitungsrechnung auf Einzelabschlüsse nach IFRS leiten. Diese Abschlüsse werden dann konsolidiert, um zu einem IFRS-Konzernabschluss zu gelangen. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Aufwand der doppelten Bilanzierung[23]
Vereinzelt gehen Unternehmen auch dazu über, IFRS als originäre Bilanzierungsgrundlage zu verwenden und eine Überleitung zum nationalen Recht vorzunehmen. Vorteil dieser zweiten Variante ist, dass sich die Häufigkeit der Überleitungsbuchungen minimiert. Während die nach IFRS zu liefernden Informationen in der Regel mehrmals jährlich erforderlich sind (Quartalsberichte), sind Einzelabschlüsse nach HGB nur einmal pro Jahr zu erstellen.[24]
Für die betroffenen Unternehmen stellen die Überleitungen eine große Belastung dar. Daher kam in den letzten Jahren der Wunsch auf, Einzelabschlüsse befreiend nach IFRS erstellen zu dürfen. Dementgegen steht jedoch die Tatschache, dass der HGB-Einzelabschluss neben der Informationsfunktion noch weitere Funktionen, wie z. B. Ausschüttungsbemessung gegenüber den Gesellschaftern, Besteuerungsgrundlage oder insolvenzrechtliche Sachverhalte zum Gegenstand hat. Aus Sicht des Maßgeblichkeitsprinzips des § 5 Abs. 1 EStG geht es dabei um die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz. Damit müssen handelsrechtliche Wertansätze in die Steuerbilanz übernommen werden, wenn sie im Rahmen der steuerlichen Bewertungsvorschriften liegen. Es gilt auch die umgekehrte Maßgeblichkeit, wobei ein Unternehmen, welches in der Steuerbilanz Wahlrechte nutzen möchte, diese bereits in der Handelsbilanz ausgeübt haben muss. Nach IFRS gilt jedoch die strikte Trennung von Handels- und Steuerbilanz, ein IFRS-Abschluss hat keinen Einfluss auf die Steuerbilanz.[25]
Auf europäischer Ebene wird jedoch intensiv an der Einführung der IFRS für Steuerzwecke gearbeitet. Im Juli 2004 hat die Europäische Kommission ein Arbeitspapier für eine einheitliche konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage vorgelegt. Ziel der Kommission ist es, für grenzüberschreitend tätige Konzerne, eine Körperschaftssteuer auf Basis von IFRS-Konzernabschlüssen einzuführen, die aber weiterhin von den jeweiligen Mitgliedstaaten erhoben wird. Demnach wäre nicht mehr die Einzelgesellschaft als Steuersubjekt anzusehen, sondern der Gesamtkonzern. Damit möchte die Kommission den Aufwand internationaler Konzerne vermindern, die Steuerbemessungsgrundlage nach unterschiedlichen Systemen zu berechnen. Des Weiteren soll der Gestaltungsspielraum eingegrenzt werden, bei dem nationale Unterschiede gezielt zur Steuerminderung ausgenutzt werden.[26]
Aus Sicht der Ausschüttungsbemessungsfunktion besteht bei einem IFRS-Abschluss die Gefahr, dass dem Unternehmen und seinen Gläubigern durch Ausschüttung von Gewinnen Substanz entzogen wird, deren Verwirklichung noch ungewiss ist, da Gewinne bereits vor ihrer Realisierung ausgewiesen werden können. Daher hat die Europäische Kommission die Überarbeitung der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG über die Kapitalerhaltung in Angriff genommen, um diese an die IFRS anzupassen. Die neue Fassung soll im Jahre 2008 oder 2009 in Kraft treten. Bis dahin sind deutsche Gesellschaften jedoch verpflichtet, neben einem IFRS-Abschluss parallel eine Bilanz nach dem HGB zu erstellen[27]
2.6. Chancen bei der Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS
2.6.1. Basel II: verbessertes Banken Rating
Basel II stellt die bedeutendste Umgestaltung des Bankenaufsichtsrechts seit Ende der achtziger Jahre dar. Am 26. Juni 2004 haben die Notenbankgouverneure der Zehnergruppe (G10) und die Leiter der Aufsichtsbehörden dieser Länder der vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgelegten Rahmenvereinbarung über die neue Eigenkapitalvereinbarung für Kreditinstitute (Basel II) zugestimmt. Damit ist nach über fünfjährigen Beratungen ein bedeutender Meilenstein in der internationalen Harmonisierung der bankenaufsichtlichen Vorschriften erreicht worden.
Ziel der neuen Regelungen ist es, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu erhöhen, die Kapitalanforderungen an Banken stärker als bisher vom eingegangenen Risiko abhängig zu machen sowie neuere Entwicklungen an den Finanzmärkten und im Risikomanagement der Institute zu berücksichtigen. Weitere Schwerpunkte liegen in der Vorgabe von Grundprinzipien für die qualitative Bankenaufsicht sowie einer Erweiterung der Offenlegungspflichten zur Stärkung der Marktdisziplin.[28]
Aufgrund der neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung werden massive Auswirkungen auf die Fremdfinanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen erwartet. Zukünftig steht die Eigenkapitalhinterlegung der Banken in direktem Zusammenhang mit der Bonität des Kreditnehmers, was im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Höhe der Kreditzinsen führt. Folglich wird es zu einer Spreizung der Kreditkonditionen kommen. Unternehmen mit guter Bonität bekommen günstigere Kredite als bisher und eine schlechte Bonität führt zu teuren Krediten. Um die Bonität zu beurteilen, bedienen sich die Kreditinstitute eines internen Ratings. Darunter versteht man eine Einschätzung der künftigen Fähigkeit und Bereitschaft eines Schuldners, seine Zins- und Tilgungsverpflichtungen termingerecht und vollständig nachzukommen. Es erfolgt also eine Bonitätseinstufung durch Messung des Kreditnehmers an qualitativen und quantitativen Risikomerkmalen. Die qualitativen Merkmale umfassen dabei die Betrachtung des Marktumfeldes, die Wettbewerbsposition sowie die Qualität der Unternehmensführung. Finanzwirtschaftliche Kennzahlen, wie z. B. Rentabilität, Cash Flow, Verschuldungsgrad oder Vermögensstruktur zählen zu den quantitativen Risikomerkmalen. Eine unmittelbare Folge der neuen Eigenkapitalvorschrift besteht darin, dass von Seiten der Banken ein wesentlich höherer Informationsbedarf besteht, um die Bonität eines Kreditnehmers einschätzen zu können. Ein Jahresabschluss nach IFRS kann dazu beitragen, diesen Anforderungen gerecht zu werden, denn der Umfang der offen zu legenden Informationen nimmt erheblich zu.[29]
Die Vorgaben von Basel II verlangen ferner, dass die Kreditinstitute bei der Zuordnung des Ratings eines Schuldners alle relevanten Informationen einbeziehen. Dazu gehören sowohl die Qualität und rechtzeitige Verfügbarkeit von Informationen über den Kreditnehmer, einschließlich der Verfügbarkeit testierter Jahresabschlüsse, als auch die anzuwendenden Rechnungslegungsstandards und die Einhaltung dieser Standards. Ob ein Unternehmen nach einheitlichen, internationalen Normen oder nach dem deutschen HGB bilanziert, hat also direkte Auswirkungen auf die Risikoeinstufung und damit auf die Kreditkonditionen. IFRS-Abschlüsse gelten als transparenter und vergleichbarer. Weil Banken die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens zunehmend anhand von Vergleichsfirmen aus den jeweiligen Branchen bewerten, werden standardisierte Kennzahlen benötigt. Deshalb fordern Banken auch von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS sowohl im Einzel- als auch im Konzernabschluss.[30]
Die Regeln treten offiziell Ende 2006 in der Europäischen Union in Kraft. Sie finden bereits seit längerem in der täglichen Praxis Anwendung. Die deutschen Banken haben ihre Bonitätsprüfungsverfahren beinahe vollständig an die neuen Regeln angepasst.
2.6.2. Vereinheitlichung des internen Konzernreportings
Auch mittelständische Unternehmen haben immer öfter Tochterunternehmen deren Sitz sich im Ausland befindet. Die Gründe dabei sind vielfältig. Einerseits wollen sie von dem geringen Lohnniveau in den osteuropäischen Staaten profitieren und Arbeitsplatzsubventionen in Anspruch nehmen, andererseits müssen sie in westeuropäischen Nachbarstaaten mit ihren Vertriebsgesellschaften vor Ort präsent sein. Dabei ist zu beobachten, dass Fehlentwicklungen der ausländischen Tochtergesellschaften erheblich später erkannt werden als bei deutschen Töchtern. Entsprechend verspätet fallen dann auch die notwendigen Gegenmaßnahmen aus, die auch mit höheren Kosten verbunden sind. Eine der wichtigsten Ursachen derartiger Fehlsteuerung ist der Verzicht auf ein aussagekräftiges, unterjähriges, internes Konzernreporting. Die Konzernzentrale eines mittelständischen Unternehmens erhält aus den verschiedensten Ländern unterschiedliche Formate von Quartals- und Jahresberichten in unterschiedlichen Sprachen. Sie ist jedoch oftmals personell nicht so ausgestattet, dass jeweils eine Überleitung in das Berichtsformat der Muttergesellschaft erfolgen kann. Fehlentwicklungen werden somit nicht rechtzeitig erkannt, die spätere Beseitigung kostet mehr, als die Einführung eines einheitlichen, an internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen orientierten Konzernreportings je hätte kosten können. Im Zuge der Optimierung und Vereinheitlichung des Konzernreportings bietet es sich daher an, auf internationale Standards umzustellen.[31]
2.6.3. Integration der internen und externen Berichterstattung
Ein weiteres Argument für eine Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS ergibt sich aus der daraus resultierenden Annäherung von interner und externer Berichterstattung von Unternehmen. Im deutschen Modell bestehen zwei separate Techniken der Berichterstattung, man spricht daher auch vom Zweikreissystem. Die Controllingabteilung liefert Informationen zur Unternehmenssteuerung an das Management. Eine externe Weitergabe dieser Informationen an die Öffentlichkeit soll vermieden werden. In der Finanzbuchhaltung hingegen werden Informationen nach den gesetzlichen Bestimmungen erstellt, die an Aktionäre, Banken und den Fiskus weitergegeben werden. Zwischen den Zahlenwerken in interner und externer Berichterstattung können dabei erhebliche Abweichungen bestehen.
[...]
[1] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 21f.
[2] Vgl. Ebd., S. 23f.
[3] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 15ff.
Vgl. PETERSEN, Karl: IFRS Praxishandbuch. 2. Aufl., München 2006, S. 7f.
[4] Vgl. HAUNERDINGER, Monika/ Probst, Hans-Jürgen: Der Weg in die internationale Rechnungslegung.
1. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 1
[5] Vgl. GRÜNBERGER, David: IAS/IFRS 2006. 4. Aufl., Wien 2005, S. 22
Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 29f.
[6] Vgl. WAGENHOFER, Alfred: Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS. 4. Aufl., Frank-
furt/ Wien 2003, S. 57ff.
[7] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 28ff.
[8] Vgl. BUCHHOLZ, Rainer: Internationale Rechnungslegung. 1. Aufl., Bielefeld 2001, S. 16
[9] Vgl. WAGENHOFER, Alfred: Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS. 4. Aufl., Frank-
furt/ Wien 2003, S. 61
[10] Art. 4 VERORDNUNG (EG) 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002
[11] Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S. 22
Vgl. HINZ, Michael: Rechnungslegung nach IFRS. München 2005, S. 33ff.
[12] Vgl. WÖHE, Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 22. Aufl., München 2005,
S. 961
[13] Vgl. Art. 1 VERORDNUNG (EG) 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli
2002
Vgl. VERORDNUNG (EG) 1606/2002 Tz. (4) im Begründungsteil
[14] Vgl. HEINTGES, Sebastian: Entwicklung der Rechnungslegung nach internationalen Vorschriften –
Konsequenzen für deutsche Unternehmen. In „Der Betrieb“, 59. Jg. 2006, H. 30
[15] Vgl. GRÜNBERGER, David: IAS/IFRS 2006. 4. Aufl., Wien 2005, S. 18
[16] Vgl. Ebd., S. 31
[17] Vgl. BUCHHOLZ, Rainer: Internationale Rechnungslegung. 5. Aufl., Berlin 2005, S. 31
[18] Vgl. Ebd., S. 31ff.
Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S. 305ff.
[19] Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S.46
Vgl. HAUNERDINGER, Monika/ Probst, Hans-Jürgen: Der Weg in die internationale Rechnungslegung. 1. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 29
[20] Vgl. o.V.: Was sind IFRS/IAS, Internetadresse: http://www.ifrs-portal.com/Grundlagen/Was_sind_IFRS
_IAS/Was_sind_IFRS_IAS_01.htm, (Abfragedatum: 04.10.2006)
Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S.48
[21] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 31ff.
[22] Vgl. Ebd., S. 35
[23] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 23
[24] Vgl. Ebd., S. 23
[25] Vgl. HAUNERDINGER, Monika/ Probst, Hans-Jürgen: Der Weg in die internationale Rechnungslegung.
1. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 31
[26] Vgl. GRÜNBERGER, David: IAS/IFRS 2006. 4. Aufl., Wien 2005, S. 21f.
[27] Vgl. Ebd., S. 21
Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S.33
[28] Vgl.: DEUTSCHE BUNDESBANK: Neue Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute (Basel II), Mo-
natsbericht September 2004, Internetdokument, abrufbar unter: http://www.bundesbank.de/download/
volkswirtschaft/mba/2004/200409mba_baselII.pdf, S. 75, (Abfragedatum: 14.09.2006)
[29] Vgl. MAIER, Michael: Basel II, Rating und IFRS – Reaktionen von Banken und Unternehmen. In „Cont-
rolling & Management“, 48. Jg. 2004, Heft 6
Vgl. WÖHE, Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 22. Aufl., München 2005,
S. 746
[30] Vgl. LEIBFRIED, Peter/ Weber, Ingo: Bilanzierung nach IAS/IFRS. 1. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 16f.
Vgl. o.V.: Banken-Rating, Basel II, Internetadresse: http://www.iasifrs.de/inhalt/basel2/einleitungbasel2.
htm, (Abfragedatum: 14.09.2006)
[31] Vgl. LÜDENBACH, Norbert: IFRS. 4. Aufl., Freiburg 2005, S. 24
- Arbeit zitieren
- Nadine Reichert (Autor:in), 2006, Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS. Dargestellt an einem Unternehmen der Software- und Beratungsbranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66288
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