In der heutigen Weltgesellschaft existiert kein uniformes Bild von Weltbürgern, sondern es bestehen kulturelle Unterschiede. Der "Staatsbürger in Uniform" als deutsche Erfindung ist eine Reaktion auf die Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Ein entsprechendes Pendant stellt der "citoyen" als französische Erwartung an einen modernen Staats- und Weltbürger dar. Dabei vollzieht der semantische Begriff eines "citoyen" historische Unterschiede, die in dieser Arbeit analysiert werden.
Der französisch-schweizerische Philosoph und Schriftsteller J. J. Rousseau (1712-1778) schuf mit seinem theoretischen Ansatz eines Gesellschaftsvertrages die Grundlage für die französische Revolution (1789-1799). Akteure in diesem Vertrag waren der damalige König von Frankreich, Louis XVI und die verschiedenen Schichten der Gesellschaft, vertreten durch die cityoen, bourgeois und sujet. Die heutige lexikalische Definition der Begriffe citoyen, bourgeois und sujet verweist bereits auf ihre damalige Verknüpfung und Koinzidenz. Der citoyen ist demnach Staats-/Ehren und Weltbürger, wohingegen der bourgeois nur einfacher Bürger ist und der sujet als Untertan übersetzt wird. Durch die gemäßigte Monarchie erhielten die Begriffe ihre idealtypische Prägung und Verschiebungen der Wort-bedeutungen traten schon vor der Revolution auf. Es stand eine legitime, aktive Gleichheit des Staatsbürgers auf der einen Seite, einer Gleichheit der Unterwerfung und Abhängigkeit, der Sklaverei gleichkommend, auf der anderen Seite, gegenüber. Nach der französischen Revolution änderte sich die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft radikal und es fand ein Bewusstseins-, Würde- und Autonomiewandel in den Köpfen der Menschen statt. Ergo sind die inhaltlichen Bedeutungen des citoyen, bourgeois und sujet vor, während und nach der Revolution mit einem ständigen Wandel behaftet.Akademiewörterbücher im Zeitraum 1694 bis 1750 beinhalten nahezu identische Wortbedeutungen der Begriffe. Der bourgeois wird als ein citoyen verstanden, der in einer Stadt wohnt. Eine erste Differenzierung findet sich in einem Zusatz von P. Aubert zum Dictionnaire von Richelet 1768. Der bourgeois hat das Recht, in einer Stadt beziehungsweise einem Staat zu leben. Er übernimmt freiwillig Arbeiten im Staatsdienst und ist somit gegenüber dem citoyen aufzuwerten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Der französisch-schweizerische Philosoph und Schriftsteller J. J. Rousseau
- 2. Königlicher Patriotismus oder Zensur des Autors
- 3. Umkehrung der inhaltlichen Bedeutung der Begriffe
- 4. J. J. Rousseau und die Problematik des Citoyen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Begriffe „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ in Frankreich bis zur Französischen Revolution. Sie analysiert die semantischen Verschiebungen dieser Begriffe und ihre Bedeutung im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit.
- Semantische Entwicklung von „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“
- Der Einfluss der gemäßigten Monarchie auf die Begriffsdefinitionen
- Der Wandel des Bürgerbewusstseins vor und nach der Revolution
- Die Rolle von Philosophen und Schriftstellern in der Begriffsdebatte
- Die Problematik des „citoyen“ im Kontext der Aufklärung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Der französisch-schweizerische Philosoph und Schriftsteller J. J. Rousseau: Dieses Kapitel legt den Grundstein der Analyse, indem es die Bedeutung von Rousseaus Gesellschaftsvertragstheorie für die französische Revolution herausarbeitet. Rousseau definiert die Akteure dieses Vertrages als „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“, wobei die unterschiedlichen Bedeutungen und die Spannungen zwischen diesen Begriffen bereits in der damaligen Zeit angelegt waren. Die unterschiedliche Interpretation dieser Begriffe, von Staatsbürger über einfachen Bürger bis hin zu Untertan, wird als Ausgangspunkt für die weitere Analyse der semantischen Entwicklungen vor der Revolution dargestellt. Die bestehenden idealtypischen Prägungen und Verschiebungen der Wortbedeutungen werden bereits in diesem einführenden Kapitel als zentraler Aspekt der Arbeit hervorgehoben. Der Wandel im Bewusstsein, der Würde und der Autonomie der Menschen nach der Revolution wird als Konsequenz der Veränderung der Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft dargestellt.
2. Königlicher Patriotismus oder Zensur des Autors: Dieses Kapitel analysiert die unterschiedlichen Definitionen von „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ in Wörterbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts. Es wird aufgezeigt, wie sich die Bedeutung dieser Begriffe im Laufe der Zeit verändert hat, wobei insbesondere die scheinbar übergeordnete Stellung des „bourgeois“ gegenüber dem „citoyen“ in einer Definition als potentiell zensurbehaftet interpretiert wird. Der absolute Freiheitsgedanke des „citoyen“ wird jedoch als entscheidender Unterschied zum „bourgeois“ im Sinne des Volkes hervorgehoben, im Gegensatz zu dem des Monarchen. Die Definition des „sujet“ nach Furetière (1701) wird als dominierende Interpretation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorgestellt, welche die Beziehung zwischen Untertan und Monarch als gegenseitigen Vertrag darstellt. Der Vergleich mit den Ansichten von Bossuet, Jurieu und Montesquieu verdeutlicht die unterschiedlichen Interpretationen der Vertragstheorie und des Verhältnisses zwischen Freiheit und sozialer Nützlichkeit.
3. Umkehrung der inhaltlichen Bedeutung der Begriffe: In diesem Kapitel wird die bewusste Umkehrung der Bedeutung der Begriffe in einigen Texten thematisiert, die den Wunsch des Volkes nach freiwilliger Unterwerfung widerspiegeln soll. Diese Vorstellung wird jedoch im Kontext der beginnenden Revolution und des zunehmenden Ausmaßes an Sklaverei und Despotismus kritisch hinterfragt. Die Aufwertung des „citoyen“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird hervorgehoben, wobei der moderne „citoyen“ als aufgeklärt, patriotisch und freiheitsliebend beschrieben wird, der die Interessen der Gesellschaft vertritt. Die Rolle der Bildung und des Wissens in diesem sozialen Fortschritt wird betont, wobei ein Zitat von J. Sgard die zentralen Aspekte zusammenfasst. Die Probleme des neu strukturierten Bildes des „citoyen“, insbesondere die Kritik seitens der Kirche und der Verlust an Bedeutung durch den allgemeinen Zugang zum Status des „citoyen“, werden ebenfalls diskutiert. Der Zugang zur Staatsverwaltung und der Besitz als Kriterien für einen „wahren citoyen“ werden als widersprüchlich zu einer Gleichstellung aller Bürger dargestellt.
4. J. J. Rousseau und die Problematik des Citoyen: Das Kapitel konzentriert sich auf Rousseaus detaillierte Darstellung der Problematik des „citoyen“. Rousseau wird als derjenige beschrieben, der die Revolution einleitet. Sein „citoyen“ ist freiheitsliebend, patriotisch und gesetzestreu, seine Energie speist sich aus der Bedeutung des Begriffs in der römischen Antike. Die Diskrepanz zwischen der idealisierten Vorstellung des „citoyen“ und der Realität, in der viele Bürger den beschriebenen Aspekten nicht entsprechen, wird hervorgehoben. Der unbewusste Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Volk führt dazu, dass der Bürger zum „sujet“ wird, der sich durch Unterwerfung auszeichnet. Der „citoyen“ steht im Gegensatz dazu für Freiheit und das Allgemeinwohl und sprengt den Gesellschaftsvertrag, der ihn an den Monarchen bindet, wodurch die französische Revolution eingeleitet wird.
Schlüsselwörter
Citoyen, Bourgeois, Sujet, Französische Revolution, Gesellschaftsvertrag, Aufklärung, Freiheit, Patriotismus, Semantik, Wortbedeutungswandel, Monarchie, Republik, Staatsbürgerschaft, soziale Nützlichkeit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Entwicklung der Begriffe „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ in Frankreich bis zur Französischen Revolution
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die semantische Entwicklung der Begriffe „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ in Frankreich bis zur Französischen Revolution. Sie analysiert, wie sich die Bedeutung dieser Begriffe im Laufe der Zeit verändert hat und welche Rolle sie im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit spielten.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die semantische Entwicklung von „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“, den Einfluss der gemäßigten Monarchie auf die Begriffsdefinitionen, den Wandel des Bürgerbewusstseins vor und nach der Revolution, die Rolle von Philosophen und Schriftstellern in der Begriffsdebatte und die Problematik des „citoyen“ im Kontext der Aufklärung.
Welche Rolle spielt Jean-Jacques Rousseau in der Analyse?
Rousseau und seine Gesellschaftsvertragstheorie bilden den Ausgangspunkt der Analyse. Seine Definition der Akteure dieses Vertrages als „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ und die Spannungen zwischen diesen Begriffen werden als zentral für das Verständnis der weiteren Entwicklungen betrachtet. Das letzte Kapitel konzentriert sich explizit auf Rousseaus Darstellung der Problematik des „citoyen“ und seine Bedeutung für den Ausbruch der Revolution.
Wie werden die Begriffe in Wörterbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts dargestellt?
Kapitel 2 analysiert die Definitionen von „citoyen“, „bourgeois“ und „sujet“ in Wörterbüchern dieser Zeit und zeigt auf, wie sich deren Bedeutung veränderte. Besondere Aufmerksamkeit wird der scheinbar übergeordneten Stellung des „bourgeois“ gegenüber dem „citoyen“ und der potentiellen Zensur in diesem Kontext gewidmet. Die Definition des „sujet“ nach Furetière (1701) wird als dominierende Interpretation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorgestellt.
Welche Bedeutung hat die "Umkehrung der inhaltlichen Bedeutung der Begriffe"?
Kapitel 3 befasst sich mit der bewussten Umkehrung der Bedeutung der Begriffe in einigen Texten, die den Wunsch des Volkes nach freiwilliger Unterwerfung widerspiegeln sollte. Diese Vorstellung wird kritisch im Kontext der beginnenden Revolution und des zunehmenden Ausmaßes an Sklaverei und Despotismus hinterfragt. Die Aufwertung des „citoyen“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die damit verbundenen Probleme werden diskutiert.
Wie wird der "Citoyen" im Kontext der Französischen Revolution dargestellt?
Der "citoyen" wird im Laufe der Arbeit als freiheitsliebend, patriotisch und gesetzestreu beschrieben, wobei sich seine Energie aus der Bedeutung des Begriffs in der römischen Antike speist. Die Diskrepanz zwischen der idealisierten Vorstellung des „citoyen“ und der Realität wird hervorgehoben. Der „citoyen“ steht im Gegensatz zum „sujet“ und repräsentiert Freiheit und Allgemeinwohl, wodurch er den Gesellschaftsvertrag mit dem Monarchen sprengt und die Revolution einleitet.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Citoyen, Bourgeois, Sujet, Französische Revolution, Gesellschaftsvertrag, Aufklärung, Freiheit, Patriotismus, Semantik, Wortbedeutungswandel, Monarchie, Republik, Staatsbürgerschaft, soziale Nützlichkeit.
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- Thomas Grimme (Author), 2006, Die Entwicklung des citoyen, bourgeois und sujet bis zur französischen Revolution, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66130