Bislang hat sich die Forschung selten damit beschäftigt, inwiefern Kinder im Grundschulalter Körperempfindungen und Handlungstendenzen mit bestimmten Emotionen in Verbindung bringen. Meistens wurden diese Emotionskomponenten getrennt voneinander untersucht. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zu prüfen, ob Kinder die Fähigkeit besitzen ausgewählte Körperempfindungen und Handlungstendenzen spezifischen Emotionen zuzuordnen und ob diese Fähigkeit (ein Teilbereich der so genannten emotionalen Kompetenz) sich in der Entwicklung verändert. Zu zwei verschiedenen Erhebungszeitpunkten erhielten 88 Grundschüler der Klassen 1-4, vermittelt durch eine Kategorisierungsaufgabe, die Instruktion, Beschreibungen von Körperempfindungen und Handlungstendenzen den Emotionen Freude, Ärger, Angst und Trauer zuzuordnen. Ein weiterer zu untersuchender Aspekt war, die Frage nach dem Zusammenhang dieses Körperempfindungs- Handlungstendenztests, so genannte Skala zur Erfassung des Wissens über Körperempfindungen und Handlungstendenzen (Abkürzung: SKH) mit der deutschen Fassung des Test of Emotion Comprehension (Pons, Harris & de Rosnay, 2004, in Bearbeitung von Janke), der das Wissen über neun andere Emotionskomponenten umfasst. Die Ergebnisse zeigten, dass Grundschüler durchaus über Wissen der Körperempfindungen und Handlungstendenzen verfügen, welches sich innerhalb eines Jahres verbessert. Eine positive Korrelation mit dem Test of Emotion Comprehension konnte festgestellt werden, zeigte sich aber lediglich in geringem Ausmaß. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. KURZFASSUNG
2. THEORETISCHER TEIL
2.1 Einleitung
2.2 Theoretische Hintergründe und empirische Untersuchungen zur Emotionskomponente „Körperempfindungen“
2.3 Theoretische Hinterg ründe und empirische Untersuchungen zur Emotionskomponente „Handlungstendenzen“
2.4 Die expressive Komponente von Emotionen: Empirische Untersuchungen zum mimischen Ausdruck
2.5 Empirische Untersuchung zum Wissen über neun ausgewählte Emotionskomponenten: Test of Emotion Comprehension (TEC)
3. METHODENTEIL
3.1 Ziele und Hypothesen
3.2 Versuchsteilnehmer
3.3 Versuchsdesign
3.4 Material
3.4.1 Skala zur Erfassung des Emotionswissens (SEW)
3.4.2 Emotionsbenennung anhand der Mimik
3.4.3 Skala zur Erfassung des Wissens über Körperempfindungen und Handlungstendenzen (SKH)
3.4.4 soziometrische Befragung
3.5 Vorbereitungen der Untersuchung
3.6 Versuchsdurchführung
3.6.1 Skala zur Erfassung des Emotionswissens (SEW)
3.6.2 Skala zur Erfassung des Wissens über Körperempfindungen und Handlungstendenzen (SKH)
3.6.3 Soziometrische Befragung
3.7 Probleme bei der Versuchsdurchführung
3.8 Vorbereitung der Rohdaten
3.9 Kodierung der Antworten
3.10 Stichprobenauswahl zur Hypothesenprüfung
4. AUSWERTUNG UND ERGEBNISSE
4.1 Erwartete und nicht erwartete Zuordnungen der Körperempfindungen und Handlungstendenzen zu den vier Emotionen
4.2 Erwarteten Zuordnungen der Handlungstendenzen und Körperempfin-dungen im Vergleich der Altersgruppen
4.3 Veränderung der erwarteten Zuordnungen zu den vier Emotionen vom Zeitpunkt T1 zu T
4.4 Überprüfung des „Hawthorne- Effekts“
4.5 Zusammenhang zwischen den SEW-, und SKH- Komponenten
4.6 Darstellung der Emotionsbenennung in der Mimik
5. DISKUSSION
6. LITERATURVERZEICHNIS
7. ANHANG
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Wichtige Komponenten des Emotionswissens
Tabelle 2: Frijda’s Liste der 17 emotionsspezifischen Handlungstendenzen
Tabelle 3: Roseman’s Darstellung der Emotionskomponenten mit den entsprechenden Itembeschreibungen am Beispiel Angst
Tabelle 4: Hypothetische Antworten für ausgewählte Emotionen nach Roseman
Tabelle 5: Darstellung der Item- Liste von Geis (2002) mit Berücksichtigung der Emotionskomponenten (Körperempfindungen, Handlungs-tendenzen) und der Modalität.
Tabelle 6: Anzahl der befragten Kinder in GS1 zum Zeitpunkt T1
Tabelle 7: Anzahl der befragten Kinder in GS1 und GS2 zum Zeitpunkt T2
Tabelle 8: Verteilung des Geschlechts in GS1 zum Zeitpunkt T2 mit Berücksichtigung der wiederholten Teilnahme
Tabelle 9: Versuchsplan für die Komponenten „Körperempfindungen“ und „Handlungstendenzen“ zum Zeitpunkt T2 und T1 (in Klammern)
Tabelle 10: Emotionskomponenten in der SEW mit den erwarteten Emotionen
Tabelle 11: Verwendete Items der SKH zum Zeitpunkt T2
Tabelle 12: Standardisierte Sonderkodierungen der Antworten in der SEW
Tabelle 13: Kategorisierung der Güte der Benennung
Tabelle 14: Kategorisierung der Art der Benennung
Tabelle 15: Anzahl der befragten Kinder der Vergleichsgruppe nach Alter und Geschlecht verteilt
Tabelle 16: Zuordnung der Angst Items (%) als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 17: Ergebnisse der Chi²- Analysen (mit Restekategorie) für Angst als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 18: Zuordnung der Ärger Items (%) als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 19: Ergebnisse der Chi²- Analysen (mit Restekategorie) für Ärger als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 20: Zuordnung der Freude Items (%) als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2
Tabelle 21: Ergebnisse der Chi²- Analysen (mit Restekategorie) für Freude als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 22: Zuordnung der Trauer Items (%) als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2
Tabelle 23: Ergebnisse der Chi²- Analysen (mit Restekategorie) für Trauer als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 24: Vergleich der Mittelwerte der Handlungstendenzen und Körperempfindungen für die Emotionen als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2.
Tabelle 25: Ergebnisse der Signifikanzprüfung für die Mittelwerte der Handlungstendenzen und Körperempfindungen als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T2...
Tabelle 26: Mittelwerte und Standardabweichungen der Emotionen als Funktion des Alters zum Zeitpunkt T1 und T2
Tabelle 27: Ergebnisse der Signifikanzprüfung des Mittelwertsunterschieds zwischen beiden Zeitpunkten (T1 und T2)
Tabelle 28: Häufigkeiten (in %) der erwarteten Zuordnungen der Handlungs-tendenzen zu den Zeitpunkten T1 und T2 als Funktion des Alters.
Tabelle 29: Häufigkeiten (in %) der erwarteten Zuordnungen der Körper - empfindungen zu den Zeitpunkten T1 und T2 als Funktion des Alters.
Tabelle 30: Mittelwerte und Standardabweichungen in der SEW in Abhängigkeit von der Stichprobe
Tabelle 31: Ergebnisse der Signifikanzprüfung des Korrelationskoeffizienten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Kategorisierungsaufgabe am Beispiel „Feuchte Hände“
Abbildung 2: Darstellung der SEW- Komponente I „Erkennen“
Abbildung 3: Darstellung der SEW- Komponente IV „Überzeugungen“
Abbildung 4: Versuchsmaterial für die Emotionsbenennung in der Mimik, sowie für die Kategorisierungsaufgabe der SKH zum Zeitpunkt T
Abbildung 5: Standardisierte Sitzordnung bei der Versuchsdurchführung
Abbildung 6: Anzahl der Items, die zum Zeitpunkt T2 in der SKH erwartet zugeordnet wurden
Abbildung 7: Prozentsatz der erwarteten Zuordnungen der Kinder der Längsschnittstichprobe zum Zeitpunkt T2 zu Angst als Funktion des Alters
Abbildung 8: Prozentsatz der erwarteten Zuordnungen der Kinder der Längsschnittstichprobe zum Zeitpunkt T2 zu Ärger als Funktion des Alters
Abbildung 9: Prozentsatz der erwarteten Zuordnungen der Kinder der Längsschnittstichprobe zum Zeitpunkt T2 zu Freude als Funktion des Alters
Abbildung 10: Prozentsatz der erwarteten Zuordnungen der Kinder der Längsschnittstichprobe zum Zeitpunkt T2 zu Trauer als Funktion des Alters
Abbildung 11: Darstellung der erreichten Mittelwerte der verschiedenen Altersgruppen getrennt nach Emotionen zum Zeitpunkt T
Abbildung12: Vergleich der Anzahl der Items von Zeitpunkt T1 und T2, die in der SKH erwartet zugeordnet wurden
Abbildung 13: Mittelwerte der erwarteten Zuordnung zu den einzelnen Emotionen zum Zeitpunkt T1 und T
Abbildung 14: Prozentsätze der erreichten Gesamtpunktzahl in der SEW pro Stichprobe
Abbildung 15: Zusammenhang zwischen Leistung in der SEW und der Leistung in der SKH als Funktion des Alters ...90
Abbildung 16: Häufigkeitsverteilung (%) für die Anzahl richtig (d.h. nach Valenz und Qualität) benannter Emotionen. Vergleich der Zeitpunkte T1 und T
Abbildung 17: Häufigkeitsverteilung (%) für die Güte der Benennung im Vergleich der Emotionen zum Zeitpunkt T1. N =
Abbildung 18: Häufigkeitsverteilung (%) der Benennungsart für die Emotion Ärger zum Zeitpunkt T1 und T
Abbildung 19: Häufigkeitsverteilung (%) der Benennungsart für die Emotion Freude zum Zeitpunkt T1 und T
Abbildung 20: Häufigkeitsverteilung (%) der Benennungsart für die Emotion Trauer zum Zeitpunkt T1 und T
1. KURZFASSUNG
Bislang hat sich die Forschung selten damit beschäftigt, inwiefern Kinder im Grundschulalter Körperempfindungen und Handlungstendenzen mit bestimmten Emotionen in Verbindung bringen. Meistens wurden diese Emotionskomponenten getrennt voneinander untersucht.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zu prüfen, ob Kinder die Fähigkeit besitzen ausgewählte Körperempfindungen und Handlungstendenzen spezifischen Emotionen zuzuordnen und ob diese Fähigkeit (ein Teilbereich der so genannten emotionalen Kompetenz) sich in der Entwicklung verändert. Zu zwei verschiedenen Erhebungszeitpunkten erhielten 88 Grundschüler der Klassen 1-4, vermittelt durch eine Kategorisierungsaufgabe, die Instruktion, Beschreibungen von Körperempfindungen und Handlungstendenzen den Emotionen Freude, Ärger, Angst und Trauer zuzuordnen. Ein weiterer zu untersuchender Aspekt war, die Frage nach dem Zusammenhang dieses Körperempfindungs- Handlungstendenztests, so genannte Skala zur Erfassung des Wissens über Körperempfindungen und Handlungstendenzen (Abkürzung: SKH) mit der deutschen Fassung des Test of Emotion Comprehension (Pons, Harris & de Rosnay, 2004, in Bearbeitung von Janke), der das Wissen über neun andere Emotionskomponenten umfasst.
Die Ergebnisse zeigten, dass Grundschüler durchaus über Wissen der Körperempfindungen und Handlungstendenzen verfügen, welches sich innerhalb eines Jahres verbessert. Eine positive Korrelation mit dem Test of Emotion Comprehension konnte festgestellt werden, zeigte sich aber lediglich in geringem Ausmaß.
2. THEORETISCHER TEIL
2.1 Einleitung
Jeder Mensch, Erwachsener wie Kind, macht im Alltag Erfahrungen, die als emotionale Zustände bezeichnet werden. Es werden Situationen erlebt, in denen man glücklich, traurig, ängstlich oder ärgerlich ist. Doch ist es besonders Kindern bewusst, dass es sich um grundlegende Emotionen handelt und können sie diese Zustände richtig bezeichnen? Wissen Kinder, dass sich die Emotionen in der Mimik unterscheiden? Kennen Kinder die Ursachen verschiedener Emotionen? Wissen Kinder etwas darüber, wie sie emotionale Zustände bewältigen können?
Diese und weitere Fragen wurden in den letzten 20 Jahren von der entwicklungspsychologischen Forschung in der Hinsicht beantwortet, dass den Kindern eine Vielzahl von Kompetenzen zugesprochen werden kann (Janke, 2000, S. 1).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Emotionswissen von Kindern im Grundschulalter. Dabei sollte geprüft werden, ob Kinder bestimmte Körperempfindungen bzw. Handlungstendenzen mit spezifischen Emotionen in Zusammenhang bringen. Diese bislang vernachlässigten Komponenten des Emotionswissens sollten vor allem unter dem entwicklungspsychologischen Aspekt betrachtet werden. Weiterhin lag das Interesse darin, zu prüfen, ob zwei verschiedene Emotionstests bzw. deren unterschiedliche Emotions-komponenten miteinander korrelieren.
Der Begriff „Emotionswissen“ wird als ein Aspekt der „emotionalen Kompetenz“ betrachtet. Susan Denham definiert die „emotionale Kompetenz“ über drei wesentliche Komponenten (vgl. Denham, 1998; Denham, von Salisch, Olthof, Kochanoff & Caverly, 2002). Das Erleben von Emotionen (emotional experience), das Zeigen von Emotionen (emotional expressivity), sowie das Verstehen von Emotionen (emotion understanding). Zu letzterer Komponente, die von Janke als Emotionswissen bezeichnet wird, liegen für den Altersbereich von vier bis acht Jahren die meisten entwicklungspsycho-logischen Untersuchungen vor (Janke, 2005a, S. 4).
„Wissen“ versteht sich in diesem Zusammenhang nicht als eine bewusste und reflektierte Fähigkeit, die von Geburt an vorhanden ist und im Laufe der Entwicklung ausgebildet wird. Vielmehr handelt es sich um ein intuitives oder naives Wissen, welches im Bereich der Physik, Biologie oder Psychologie (theory of mind and emotion) benutzt wird (Janke, 2002, S. 9). Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder entwickeln naive Erklärungssysteme mit denen psychische Phänomene (z.B. Emotionen) verständlich, vorhersehbar und kontrollierbar werden. Obwohl diese Vorstellungen nicht immer der Realität entsprechen, wird durch das Wissen über Emotionen versucht, eine möglichst effektive Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umgebung zu gewährleisten (Meyer, Schützwohl & Reisenzein, 1997, S. 162- 164).
Der Forschungszweig, der sich mit dem Emotionswissen auseinandersetzt, liegt an der „Schnittstelle zwischen Emotionsentwicklung und kognitiver Entwicklung“ (Janke, 1999, S. 71). Seit etwa 20 Jahren werden verschiedene Aspekte des kindlichen Emotionswissens untersucht, wobei vor allem das Erkennen von Emotionen im mimischen Ausdruck und das Verstehen situationaler Auslöser von Emotionen eingehend erforscht wurden. Einen Überblick der wesentlichen Komponenten des Emotionswissens (vgl. Tabelle 1) geben Schultz, Izard, Ackerman und Youngstrom.
Tabelle 1: Wichtige Komponenten des Emotionswissens.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: entnommen aus Janke, 2002, S. 10.
Die Auflistung ist aber nicht allumfassend. Janke (2000) weist darauf hin, dass zwei wesentliche Komponenten (Körperempfindungs- und Handlungs-komponente) bisher in der Forschung außer Acht gelassen worden sind, obwohl sie in mehreren Definitionen von Emotionen aufgeführt werden. So zeigt es auch die Arbeitsdefinition von Kleinginna und Kleinginna (1981, Übersetzung von Otto, Euler & Mandl, 2002, S. 15):
„Eine Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die (a) affektive Erfahrungen, wie Gefühl der Erregung oder Lust/ Unlust, bewirken können; (b) kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können; (c) ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können; (d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist.“
Die Gemeinsamkeiten dieser und anderer Definitionen (z.B. Oatley & Jenkins, 1996, zitiert nach Otto et al., 2002, S. 16) stehen in der Annahme, dass Emotionen als Zustände bezeichnet werden, die sich auf mehreren Ebenen abspielen. Janke (2002, S. 18) spricht von fünf wesentlichen Komponenten, die den Forschungsgegenstand umfassen: Subjektive Komponente (das Erleben eines Gefühls, z.B. „ich habe Angst“), Kognitive Komponente (das Denken an Auslöser von Emotionen), Expressive Komponente (Mimik, Gestik, Körperhaltung, etc.), physiologische Komponente (Empfindung körperlicher Veränderungen, z.B. Beschleunigung des Pulses) und Handlungskomponente (gewünschte oder ausgeführte Handlungen). Die Forschung ist hinsichtlich der letzten beiden Komponenten noch lückenhaft und bedarf daher noch weiterer Untersuchungen, vor allem mit Kindern als Versuchspersonen.
Warum ist es aber so wichtig zu klären, ob physiologische Reaktionen einen Einfluss auf Emotionen haben und vor allem, ob sie spezifisch für einzelne Reaktionen sind? Die Beantwortung der Frage ist nach Stemmler (2000, S. 479) unter verschiedensten Blickwinkeln bedeutsam. Aus theoretischer Sicht wäre es ein wichtiges Argument für die Auffassungen, dass es bestimmte körperliche Reaktionsmuster gibt, die für jeden Menschen gleich sind und, dass durch die körperlichen Symptome die gefühlten Emotionen differenziert werden können. Weiterhin wäre es der Forschungspraxis dienlich, da mit der Kenntnis von spezifischen körperlichen Symptomen eine Methode entwickelt werden könnte, die die Emotionen möglichst genau erfasst. Und zuletzt ist die Beantwortung der Frage für die Neuropsychologie bedeutsam, als Hilfe bei der Suche nach hirnorganischen Kausalmechanismen klinischer Auffälligkeiten.
Das Interesse dieser Arbeit besteht vor allem darin zu klären, ob Kinder über emotionsspezifisches Wissen bezüglich körperlicher Veränderungen bzw. Handlungstendenzen verfügen, sowie es einige Studien zum Wissen von Erwachsenen untersucht haben (z.B. Rimé & Giovannini, 1986; Nieuwenhyse, Offenberg & Frijda, 1987; Janke, n.d.).
Können Kinder körperliche Veränderungen bzw. Handlungstendenzen mit bestimmten Emotionen verbinden? Weiterhin steht die Frage nach der Entwicklung dieses Emotionswissens im Vordergrund, welche in dieser Untersuchung beantwortet werden soll.
Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Untersuchung von Pons, Harris und de Rosnay (2004). Ihre Arbeit hatte zum Ziel, einen Test zu entwickeln, der erstmals das Wissen über alle wichtigen Emotionskomponenten erfasst. Weiterhin wurde geprüft, ob bei der Entwicklung der Emotionskomponenten eine hierarchische Reihenfolge vorliegt und ob bestimmte Komponenten die Entwicklung anderer beeinflussen. Da die Replikation der Ergebnisse bereits im Rahmen einer anderen Diplomarbeit (vgl. Hege, 2006) erfolgt, soll die deutsche Fassung des Test of Emotion Comprehension (so genannte Skala zur Erfassung des Emotionswissens; kurz: SEW) lediglich als zusätzliche Variable untersucht werden. In der SEW wurden wiederum die Komponenten „Körperempfindungen“ und „Handlungstendenzen“ nicht berücksichtigt, welche bei der Skala zur Erfassung des Wissens über Körperempfindungen und Handlungstendenzen (SKH) im Vordergrund stehen. Inwiefern die Ergebnisse des Emotionswissens beider Tests miteinander korrelieren, wurde im letzten Schritt der vorliegenden Arbeit betrachtet.
2.2 Theoretische Hintergründe und empirische Untersuchungen zur Emotionskomponente „Körperempfindungen“
Fragen nach Bestehen einer Beziehung zwischen körperlichen/ physiologischen Veränderungen und Emotionen, wie nach einem möglichen Zusammenhang von bestimmten physiologischen Symptomen, die spezifische Emotionen begleiten, wurden in der Physiologischen Psychologie bereits seit dem 19. Jahrhundert diskutiert.
Darwin stellte erstmals die Hypothese der Emotionsspezifität in Bezug auf den mimischen Ausdruck auf, d.h. seiner Ansicht nach existieren bestimmte Formen von Ausdrucksverhalten (z.B. Freilegen der Zähne bei Lachen), weil sie einen bestimmten Zweck fürs Überleben haben (Ulich, 1989, S. 102).
James, als Begründer der psychophysiologischen Emotionsforschung, vertrat ebenfalls die Ansicht, dass jede Emotion ihre spezifische körperliche Veränderung hat. In seinem Werk „What is an emotion“ (1884, S. 188- 205) beschrieb er die so genannte peripheralistische Emotionstheorie, in der ursprünglich drei zentrale Annahmen im Vordergrund standen:
1) Die bloße Wahrnehmung einer erregenden Tatsache ist hinreichende Bedingung für das Auftreten körperlicher Veränderungen.
Man stelle sich vor, wir sehen eine dunkle, sich bewegende Gestalt im Wald, woraufhin wir Herzrasen bekommen. Das sofortige Auftreten einer körperlichen Reaktion erfolgt nach James zuerst ohne jeglichen Bewertungsprozess der Situation. In einer späteren, präzisierten Fassung seiner Theorie schrieb er neben der Reizwahrnehmung, der Interpretation der Gesamtsituation größere Bedeutung zu.
2) Diese körperlichen Veränderungen sind emotionsspezifisch, und wir sind auch in der Lage, sie in differenzierter Weise bewusst zu erleben.
Diese Annahme impliziert aus der Sicht James, dass die Reaktionen des autonomen Nervensystems, so genannte viszerale Reaktionen für die Emotionen unterschiedlich sind. Beispiele für die Spezifität: Furcht erfolgt aufgrund einer erhöhten Herzrate, eines flachen Atems, etc. und Wut erfolgt durch das Schwellen der Brust oder Blutandrang im Gesicht.
3) Das bewusste Erleben (die Empfindung) der körperlichen Veränderungen ist die Emotion.
Gefühle wie Freude, Ärger, Trauer und Angst basieren nicht allein auf Vorstellungskraft, sondern bedürfen der wirklichen Symptomveränderung im Körper. Als bedeutendste Konstituenten der körperlichen Reaktionen führt James die viszeralen Reaktionen auf.
Besonders zentral in der peripheralistischen Theorie und zugleich am Aufsehen erregendsten war die Umkehrung der alltäglichen Auffassungen von Emotionen. Durch die Aussage „Ich bin traurig, weil ich weine“ (James, 1884, zitiert nach Merten, 2003, S. 68) wurde untermauert, dass körperliche Veränderungen die notwendige und hinreichende Grundlage für emotionale Prozesse sind.
Der Physiologe Carl Lange entwickelte 1885 eine, im Vergleich zu James, recht ähnliche Emotionstheorie, weshalb man heute weitgehend von der James- Lange- Theorie spricht. Beide behaupteten die Emotionen sind das Ergebnis auf die Wahrnehmung des autonomen Nervensystems. Sie unterschieden sich lediglich in den Gründen für die Entstehung der Emotionen (Meyer et. al., 1997, S. 92). James betrachtete die viszeralen Reaktionen (Reaktionen der Eingeweide) als Auslöser für die Emotion, während Lange dagegen vasomotorische Reaktionen (Erweiterung bzw. Verengung der Blutgefäße) in den Vordergrund stellte (Shields & Stern, 1979, S. 86).
Die Annahme der Emotionsspezifität ausgehend von James wurde in den 50er Jahren von ein paar Pionierstudien (z.B. Ax, 1953; Funkenstein, King & Drolette, 1954; Schachter, 1957) experimentell untersucht; die empirische Gültigkeit wurde aber erst 100 Jahre später durch weitere Studien gezeigt (Schwartz, 1980; Schwartz, Weinberger & Singer, 1981; Ekman, Levenson & Friesen, 1983).
Die Schwierigkeit der Untersuchungen lag in der Überlegung, welche Messverfahren verwendet werden sollen, um ein möglichst realitätsgetreues Ergebnis zu erhalten. Schwartz (1980, S. 188) beschrieb zwei wesentliche Techniken, die in der Emotionsforschung zur Untersuchung von körperlichen Reaktionen Anwendung gefunden haben. Die eine Methode zeichnete sich durch die Messung verschiedenster körperlicher Symptome (z.B. Puls, Atemfrequenz, Muskelspannung) anhand von technischen Apparaturen aus (z.B. Elektromyographie[1] ). Zudem fehlte aber die Möglichkeit, die individuelle Wahrnehmung von körperlichen Veränderungen direkt zu messen. Deshalb versuchte man als zweite Methode, derartige Informationen über Berichte der Versuchspersonen zu erhalten.
Inwiefern ist es überhaupt notwendig zu bestätigen, dass wahrgenommene und tatsächlich bestehende körperliche Symptome übereinstimmen? Shields und Stern (1979, S. 87) machten darauf aufmerksam, dass vor allem die Bedeutung der körperlichen Veränderung für das Individuum wichtig sei und somit (ihrer Meinung nach) physiologische Messungen in den Hintergrund treten.
Bis zu diesem Zeitpunkt bestand eine Arbeit, die von geschichtlicher Bedeutung war. Die Untersuchung von Ax (1953) war eine der ersten und am meisten zitierten, welche die Fragestellung der Emotionsspezifität in der Physiologie direkt bearbeitet hatte.
Ax untersuchte die Frage, wie sich die Emotionen Furcht und Wut auf physiologischer Ebene unterscheiden. Die Versuchsdurchführung sah vor, die Versuchsteilnehmer (erwachsene Frauen und Männer) gegenüber der Fragestellung blind zu halten, indem vorgegeben wurde den Unterschied von Individuen mit und ohne Bluthochdruck zu untersuchen. Den Versuchsteilnehmern wurden die Emotionen durch zwei unterschiedliche Situationen induziert.
1) Während die Versuchspersonen entspannt Musik hörten, wurden autonome Reaktionen anhand eines Aufnahmegerätes aufgezeichnet. Des Weiteren erhielten sie einen graduell zunehmenden Stromstoß am kleinen Finger, solange bis sie dem Versuchsleiter davon berichteten. Durch den Stromstoß konnte ein gefährlicher Kurzschluss bei der Aufnahmeapparatur vorgetäuscht werden (Angstinduktion).
2) Wut sollte durch einen inkompetenten Techniker ausgelöst werden, der die Versuchspersonen eine Zeit lang belästigte.
Im Anschluss an die Induktionen erfolgten eine kurze Befragung zum Erleben, und dann ein Vergleich dieser Angaben mit den physiologischen Messungen.
Das Ergebnis zeigte signifikante Differenzen bei 7 der 14 autonomen Messungen zwischen der Wut- und Furchtbedingung. Die physiologischen Reaktionsprofile die festgestellt wurden, waren Folgende (Schwartz, 1980, S. 199):
- Wut = diastolischer Blutdruckanstieg, Verminderung der Pulsfrequenz, Anwachsen der Muskelspannung, galvanische Hautreaktionen.
- Furcht = Zunahme der Hautleitfähigkeit, Zunahme der Anzahl der Muskelanspannungen, Zunahme der Atemfrequenz.
Obwohl Funkenstein (1955, zitiert nach Janke, 2002, S. 157) in einer erweiterten Untersuchung vergleichbare Ergebnisse erzielte, konnte bisher keine echte Replikation der Befunde dargestellt werden.
Die James- Lange- Theorie bzw. die Idee der autonomen Spezifität erfuhr zwar in erster Linie große Beachtung, bestand aber nicht über allzu lange Zeit.
Cannon, als bekanntester Kritiker der James- Lange- Theorie, räumte ein, dass körperliche Veränderungen die Emotionen bedingen, verneinte jedoch die Annahme, dass körperliche Veränderungen die einzig wirkliche Ursache für Emotionen seien (Pennebaker, 1982, S. 82). Sein Hauptargument war, dass die Viszera relativ unempfindliche Organe sind und diese auch zu langsam reagieren, um überhaupt eine Rolle für das Erleben einer spezifischen Emotion zu spielen. Cannon entwickelte die so genannte zentrale Theorie, in der er davon ausging, dass bei verschiedenen Emotionen vergleichbare physiologische Muster beobachtbar seien, wenn man sich vorwiegend auf die zentralnervösen Reaktionen konzentriert. Daher kann Cannon als Wegbereiter für den Beginn der experimentellen Hirnforschung in der Emotionstheorie betrachtet werden (vgl. Stemmler, 1984).
Schachter und Singer übernahmen teilweise die Position von James, in der Hinsicht, dass körperliche Erregung eine notwendige Bedingung sei. Sie korrigierten die Theorie aber durch die Hinzunahme der Kognition. Im Prozess der Emotionsentstehung wurden demnach im ersten Schritt körperliche Veränderungen wahrgenommen, die daraufhin im zweiten Schritt situationsabhängig interpretiert und bewertet wurden. Dieser zweiteilige Prozess wurde in der Literatur als Zwei- Faktoren- Theorie benannt und stand damit genau zwischen den physiologisch- orientierten Theorien von James und Lange und den kognitivistischen Ansätzen wie z.B. von Arnold oder Lazarus (Ulich, 1989, S. 112-113).
Dieser kurze geschichtliche Überblick der kognitiv- physiologischen Emotionstheorien mit entsprechenden Untersuchungen zeigt das Bestehen eines Konsenses in der Hinsicht, dass körperliche Veränderungen irgendeine Rolle bei der Entstehung von Emotionen spielen. Auch wenn man sich nicht auf eine einheitliche Erklärung einigen konnte, wurde doch mehrfach das Phänomen der „Impliziten Psychophysiologie“ bestätigt (vgl. Scherer, Wallbott & Summerfield, 1986; Nieuwenhuyse et al., 1987; Rimé, Philippot & Cisamolo, 1990). Pennebaker und Epstein (1983, zitiert nach Janke, 2002, S. 158) verwendeten diesen Begriff für die Tatsache, dass Erwachsene von selbst erlebten Körperempfindungen bei den Emotionen berichten konnten.
Doch inwiefern dieses Phänomen auch bei Kindern beobachtet werden kann, wurde bislang kaum untersucht.
Shields und Stern (1979) untersuchten die Emotion Angst mit den für Achtjährige vermeintlichen Körperempfindungen. Ihre Arbeit war sehr bedeutend, weil gleichzeitig die wahrgenommene körperliche Veränderung und die tatsächlichen physiologischen Parameter erfasst wurden. Den Versuchsteilnehmern wurde eine Bildergeschichte präsentiert, in der ein Kind versehentlich ein Schulfenster zerbrochen hatte. Anschließend wurden sie gebeten, sich vorzustellen sie säßen anstelle des Kindes im Vorraum des Direktorats. Um die Frage „Wie sie sich dabei fühlen“ zu beantworten, wurde ihnen ein Fragebogen vorgelegt, in dem sie zehn spezifische körperliche Symptome (z.B. nervöser Magen, Herzrasen, schwitzen) nach ihrer Intensität (gar nicht- ein bisschen- sehr) einstufen sollten. Der so genannte Somatic Perception Questionnaire (SPQ) wurde von Stern und Landy, in Anlehnung an den Autonomic Perception Questionnaire (APQ) von Mandler und Kollegen (1958, zitiert nach Shields & Stern, 1979, S. 91), speziell für Kinder ab sieben Jahren entwickelt. Während der APQ nach dem allgemeinen Bewusstsein von körperlichen Veränderungen fragte („Are you aware of any bodily reaction?“), bezog sich der SPQ auf das Bewusstsein spezifischer Symptome und deren Intensität.
Die Neuheit in der Version für Kinder war zum einen, dass eine vereinfachte Beschreibung der körperlichen Symptome genannt wurde (z.B. heart beats faster anstelle von increased heart rate), zum anderen wurde die ursprünglich fünfstufige Ratingskala auf drei Stufen reduziert (Geis, 2002, S. 34).
Die Ergebnisse zeigten, dass Items wie heart beats faster von mehr als der Hälfte der Kinder als „häufig“ eingestuft wurden. Achtjährige erkannten demnach einen Zusammenhang zwischen spezifischen Körperempfindungen und der Emotion Angst. Es ist allerdings fehlerhaft von einem emotionsspezifischen Wissen über Körperempfindungen zu sprechen, da dafür mindestens zwei Emotionen im Vergleich betrachtet werden müssten (Janke, 2002, S. 162).
Im Rahmen der Diplomarbeit von Vänskä (1998) wurde der Zusammenhang von Emotionen und der Wahrnehmung von körperlichen Prozessen bei Erstklässlern und Viertklässlern untersucht. Dabei hatte sie nicht nur Angst, sondern weitere Basisemotionen (Freude, Ärger, Trauer) mit einbezogen.
Den insgesamt 92 Kindern (im Alter von 7 und 12 Jahren) wurde eine Reihe von Körperempfindungen vorgelesen, die sie innerhalb einer Kategorisierungsaufgabe zu den Emotionen zuordnen sollten (vgl. Abbildung 1). Die Verwendung eines Fragebogens (vgl. Shields & Stern, 1979) schien aufgrund des Schwierigkeitsgrades nicht angemessen für die Altersgruppe zu sein. Die Kategorisierung (so genannte Affektzuordnungsmethode) schien dagegen eine leicht verständliche und somit besser geeignete Variante für Kinder zu sein (Janke, 2005b, S. 5). Die Instruktion sah vor, dem Kind eine Geschichte zu erzählen, um ihm die Aufgabe vorzustellen:
Es ging um Rasmus Rabe, den Meisterdetektiv, der von einem kleinen Zwerg um Hilfe gebeten wurde. Dieser hatte auf seinem Dachboden eine rätselhafte Kiste mit der Aufschrift „Gefühle und andere ungewöhnliche Dinge“ gefunden. Deren Inhalt (fünf weitere kleine Schachteln und ganz viele Karten) war aber völlig durcheinander. Da Rasmus sich als Rabe nicht mit Menschengefühlen auskennt, wurde das Kind gebeten ihm mit seinem Wissen zu helfen. Anschließend wurden von der Versuchsleiterin die Items für Körperempfindungen in zufälliger Reihenfolge vorgetragen: „Auf der Karte steht Feuchte Hände. Bei welchem Gefühl hast Du feuchte Hände?“ Das Kind wurde aufgefordert, die Karte entweder in eine der Emotionskisten (Freude, Ärger, Angst, Trauer) oder in die Restekiste (keine Gefühle, Reste) zu legen. Die Restekiste ermöglichte dem Kind, ihm unbekannte Körperempfindungen hineinzulegen (Vänskä, 1998, S. 39- 41).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Kategorisierungsaufgabe am Beispiel Feuchte Hände.
Anmerkung: entnommen aus Janke, 2002, S. 165.
Die Auswahl der Körperempfindungen wurde von Vänskä nach Sichtung der bestehenden Literatur zusammengestellt. Aufgrund der großen Anzahl an emotionsbegleitenden Körperreaktionen wurden nur jene verwendet, die in vielen Untersuchungen (z.B. Rimé & Giovannini, 1986) für eine spezifische Emotion standen und übereinstimmten. Insgesamt wurden 20 emotionsspezifische Items ausgewählt, wie z.B. Rote Backen haben und Feuchte Hände haben. Jeder Emotion konnten vier Items erwartet zugeordnet werden.
Analog zu den Untersuchungen von Rimé, Philippot & Cisamolo (1990) wurden zusätzlich zwei weitere Itemtypen präsentiert: unspezifische Items, wie z.B. Zittern und Aktivitätsitems, die emotionstypische behaviorale Merkmale von Emotionen umfassen, wie z.B. Einen Luftsprung machen.
Den Ergebnissen zufolge konnte die Untersuchung erstmals nachweisen, dass Sieben- und Zehnjährige grundsätzlich von emotionsspezifischen Körperempfindungen der Emotionen Freude, Ärger, Angst und Trauer berichten können. Nahezu alle 20 emotionsspezifischen und aktivitätsbezogenen Items wurden systematisch zugeordnet. Die Siebenjährigen unterschieden sich von den Zehnjährigen vor allem durch weniger richtige Zuordnungen bei den freude-, ärger- und angstspezifischen Items. Bei den trauerbezogenen Items dagegen konnten drei Items (ein schweres Gefühl im Magen haben, Tränen in den Augen haben und eine leise Stimme haben) von den Siebenjährigen häufiger entsprechend zugeordnet werden als von den Zehnjährigen (Vänskä, 1998, S. 55).
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass emotionsspezifisches Wissen über Körperempfindungen auch bei Kindern vorliegt. Janke spricht sogar davon, dass „ab dem 10.Lebensjahr ... [die] implizite Psychophysiologie mit derjenigen Erwachsener vergleichbar [sei]“ (Janke, 2002, S. 175).
2.3 Theoretische Hintergründe und empirische Untersuchungen zur Emotionskomponente „Handlungstendenzen“
Lange Zeit beschäftigten sich die Emotionstheoretiker mit der Untersuchung des Gesichtsausdrucks oder der körperlichen Veränderung, die einen emotionalen Zustand begleiten. Eine vernachlässigte Fragestellung war dagegen, inwiefern die Handlung als Emotionskomponente eine Rolle spielt. Gibt es konkrete Handlungsmuster, die mit bestimmten Emotionen in Beziehung stehen?
Plutchik (1980), als einer der Vertreter der funktionalen Emotionstheorien, sprach davon, dass jede Basisemotion mit einem bestimmten Verhaltensmuster verbunden sei (z.B. Ärger mit Angriff oder Furcht mit Flucht). Die acht Basisemotionen bzw. Primäremotionen (Furcht, Ärger, Freude, Traurigkeit, Vertrauen, Ekel, Erwartung, Überraschung) hatte er, ähnlich wie McDougall (1923, zitiert nach Frijda, 1986, S. 85), anhand der grundlegenden biologischen Funktionen erfasst[2] (z.B. Angriff dient der Zerstörung oder Flucht dem Schutz).
Diese evolutionspsychologische Sichtweise betrachtete die Handlungsimpulse aber jeweils in Zusammenhang mit einer bedrohlichen Umwelt. In solchen Situationen reicht daher der Impuls allein nicht aus; die Handlung muss letztlich auch ausgeführt werden. Die Entscheidungsfrage, ob doch nur die Handlungstendenz bestehen bleibt, wurde hier außen vor gelassen (vgl. Scherer, 1990).
Auch Frijda erläuterte in seinem Werk „The emotions“ (1986) den spezifischen Zusammenhang zwischen Emotionen und den so genannten „action tendencies“, welche er als „…states of readiness to execute a given kind of action[3] “definiert (S. 70). Die Handlungstendenzen erhielten zwar, wie in der evolutionspsychologischen Sichtweise, die Bedeutung für die Emotion erst durch die Funktion bzw. das Ziel, aber für Frijda handelte es sich dabei vor allem um eine motivationale Komponente. Die Absicht zu einer Handlung, nicht die Handlung selbst, betrachtete er schon als Bestandteil einer Emotion. Er ging sogar soweit, dass er „action tendencies“ mit „emotion“ nahezu gleichsetzte, weil sich Emotionen in gleicher Weise auf innere Zustände beziehen, welche wiederum Verhaltensweisen vorhersagen können (z.B. „if he is angry, better be aware!“) (Frijda, 1986, S. 71). Diese Vorhersage von Verhalten wurde in der Hinsicht als wichtig erachtet, da die Möglichkeit der Kontrolle des Verhaltens gegeben war. Die Funktion hierbei wurde in der Gewährleistung einer möglichst effektiven Auseinandersetzung des Individuums mit der Umwelt betrachtet. Diese relationale Bedeutung der Handlungstendenzen, d.h. die Interaktion mit der Umwelt auf eine bestimmte Art und Weise zu verändern oder aufrecht zu erhalten, stand somit als ein weiterer wichtiger Punkt für Frijda im Vordergrund; „State of action readiness is definied as the individual’a readiness or unreadiness to engage in interaction with the environment“ (Frijda, Kuipers & ter Schure, 1989, S. 213).
Frijda (1986) entwickelte eine elementare Liste der Handlungstendenzen (vgl. Tabelle 2), die auch von anderen Autoren als Anhaltspunkt für ihre Untersuchungen verwendet wurde. Die 17 Handlungstendenzen unterschieden sich in ihrem Konzept und standen für gewisse Zielsetzungen, die mit einer Emotion einhergingen. Frijda wies daraufhin, dass das Erleben der Emotion nicht immer unbedingt mit den genannten Handlungstendenzen auftreten muss, aber doch meist mit einem artspezifischen Verhaltenssystem (bei Menschen oder anderen höher entwickelten Lebewesen) vereinbar wäre (1986, S. 88). Die Liste beinhaltete zwar viele Handlungstendenzen, aber selbst Frijda betrachtete sie nicht als allumfassend, weshalb er sie Jahre später mit seinen Kollegen Marka, Sato und Wiers noch erweiterte (1995, zitiert nach Janke, 2002, S. 95).
Tabelle 2: Frijda’s Liste der 17 emotionsspezifischen Handlungstendenzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: entnommen aus Frijda, 1986, S. 88.
Frijda untersuchte 1989 die Handlungstendenzen im Zusammenhang mit den Bewertungsdimensionen („appraisal dimensions“), welchen Einfluss diese Faktoren auf die Benennung von Emotionen hatten. Die Bewertung spielte vor allem in den neu entwickelten kognitiven Emotionstheorien eine wesentliche Rolle. Deren Ziel war es, den Weg von der auslösenden Situation über kognitive Bewertungen (z.B. pleasant- unpleasant) zu emotionalen Reaktionen zu beschreiben. Dabei sollten schwerpunktmäßig die kognitiven Bewertungen analysiert werden (Merten, 2003, S. 121-123).
Die Frage nach der Anzahl von Bewertungsdimensionen, die zur Unterscheidung der Emotionen benötigt wurden, erfuhr in der Literatur aber selten Überstimmung zwischen den Forschern (vgl. Scherer, 1988).
Obwohl Handlungstendenzen auch in den kognitiven Emotionstheorien von Bedeutung für die emotionale Erfahrung waren (Arnold definierte Emotionen im Jahr 1960 als „felt action tendencies“, zitiert nach Frijda et al., 1989, S. 213), wurde nach Frijda zu wenig Aufmerksamkeit auf sie gerichtet. Schließlich beziehen sich Handlungstendenzen nicht nur auf die emotionale Erfahrung bzw. das Erleben, sondern die Bereitschaft, Handlung, Erleben und Verhalten miteinander zu verbinden. Es kommt demnach auch auf die Bedeutung an, die man der Handlungstendenz zuspricht.
In der Untersuchung 1989 wurden daher beide Einflussfaktoren (Handlungstendenzen und Bewertungen) analysiert. Das wesentliche Interesse bestand einerseits darin, Emotionsbenennungen durch Handlungstendenzen genauso gut vorhersagen zu können, wie durch Bewertungen. Andererseits wurde die Hypothese geprüft, welche vorgegebenen Bewertungen und welche spezifischen Handlungstendenzen eine besondere Rolle für die Unterscheidung von Emotionen spielen.
Die Versuchspersonen (89 Frauen und 31 Männer; Alle Erstsemester Psychologie- Studenten) wurden aufgefordert 32 emotionale Zustände (z.B. happy, sorrow, fatigue, regret, hope …) zu beschreiben. Zum einen anhand eines Beispiels, das sie sich für die emotionale Erfahrung in Erinnerung rufen sollten, zum anderen durch das anschließende Vorlegen von Fragen zur Bewertung und zur Handlungsbereitschaft. Der Fragebogen der Bewertungsdimensionen enthielt 19 Items, die auf einer 7- Punkte- Skala eingeschätzt werden sollten (z.B. dem Ziel förderlich ↔ dem Ziel hinderlich). Bei den Handlungstendenzen wurden diejenigen von Frijda (1986) übernommen, wobei die Items mit Ja oder Nein beantwortet werden sollten (z.B. „I wanted to oppose, to assault; hurt or insult“).
Die Ergebnisse zeigten, dass bei Betrachtung der einzelnen Komponenten jeweils knapp über 30% korrekte Vorhersagen für die Emotionsbezeichnung getroffen wurden und in Kombination sogar um die 50% korrekte Vorhersagen. Allerdings schwankten die Prozentzahlen bei den emotionalen Zuständen beträchtlich, wenn die Vorhersage der Emotionsbezeichnung durch Bewertung und Handlungsbereitschaft zusammen berechnet wurde (z.B. 23% bei happy und 67% bei hope). Letztendlich war für manche Emotionen die Kombination der Komponenten, für andere aber auch die einzelnen Komponenten für die Vorhersage besser.
Die Prüfung der zweiten Hypothese durch eine Faktorenanalyse ergab: Die Valenz (pleasantness- unpleasantness) war bei den Bewertungen der wichtigste Faktor (mit 13% Varianz von 51% insgesamt) für die Differenzierung zwischen den Emotionen und der Kontrolldimension (in command- helpless) bei den Handlungsbereitschaften (mit 10% Varianz von 49% insgesamt) (Frijda et al., 1989, S. 215-217).
Zusammenfassend unterstützten die Ergebnisse die Theorie, dass emotionale Erfahrung einerseits aus der Bewertung und andererseits aus dem Bewusstsein für die Handlungstendenzen bestimmt wird.
Bisher wurden die Handlungen (aus evolutionspsychologischer Sichtweise) und die Handlungstendenzen bzw. Handlungsbereitschaften (nach Frijda) jeweils einzeln als wichtig für den emotionalen Prozess erachtet. Besser gesagt bei der Untersuchung von Frijda et al. (1989) blieb unklar, ob sich die Fragen auf Handlungen, Handlungstendenzen oder Ziele bezogen. Roseman, Wiest und Swartz verglichen nun 1994 den Einfluss dieser drei Komponenten auf die Differenzierung von Emotionen, die in den neuesten Theorien[4] erläutert wurden. So könnte z.B. für Ärger folgende Charakteristik bestehen (S. 207):
- jemanden schlagen (= action)
- den Drang haben jemanden zu schlagen (= action tendency)
- jemanden verletzten wollen (= goal)
Die Auswahl der zu untersuchenden Emotionen bezog sich ausschließlich auf die negativen Emotionen (Angst, Trauer, Distress, Frustration, Abneigung, Ärger, Bedauern, Ekel, Schuld und Scham), die für die Versuchsbedingung zu 10 verschiedenen Emotionspaaren zusammengestellt wurden (z.B. sadness/ fear, fear/ distress).
Die Versuchspersonen (69 Frauen und 31 Männer zwischen 16-71 Jahren) wurden dabei einer Gruppe zugeteilt und erhielten die Aufgabe sich an eigene Erfahrungen mit den vorgegebenen Emotionen zu erinnern. Des Weiteren sollten sie mit Hilfe von sieben offenen Fragen diese Erinnerung kurz beschreiben und dann 20 Fragen für beide Emotionen beantworten. Wie in Tabelle 3 am Beispiel Angst dargestellt handelte es sich um geschlossene Fragen, die in fünf Bereiche unterteilt waren und anhand einer 5- Punkte Skala von den Versuchspersonen bewertet werden sollten.
Tabelle 3: Roseman’s Darstellung der Emotionskomponenten mit den entsprechenden Itembeschreibungen am Beispiel Angst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: entnommen aus Roseman et al., 1994, S. 210.
Neben der Hypothese, dass sich die Emotionen untereinander hinsichtlich der Handlungstendenzen, Handlungen und Ziele unterscheiden, stand die Frage nach der Emotionsspezifität von neuem im Interesse einer Untersuchung.
Die Auswertung erfolgte durch Kontrastanalysen, deren Ergebnisse zum Verwerfen der Nullhypothese, zugunsten der ersten Hypothese, führten. Abgesehen davon zeigten die Ergebnisse weitere qualitative Unterschiede zwischen den Emotionen. Im Folgenden wird in Tabelle 4 eine Auswahl von Ergebnissen für bestimmte Emotionen dargestellt, die diejenigen Emotionen beinhaltet, die auch in der vorliegenden Arbeit untersucht wurden (Roseman et al., 1994, S. 208-209).
Tabelle 4: Hypothetische Antworten für ausgewählte Emotionen nach Roseman.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: entnommen aus Roseman et al., 1994, S. 217. Farblich markierte Zeilen entsprechen verschiedenen Emotionsbereichen: grau = Gefühle; punktiert = Gedanken; rot = Handlungstendenzen; gelb = Handlungen; grün = emotivationale Ziele.
Geis (2002) untersuchte erstmals das Emotionswissen von Grundschulkindern über Handlungstendenzen (sowie Körperempfindungen). In einem längsschnittlichen Experiment wurde geprüft, ob Kinder vorgegebene Items den vier Emotionen Freude, Ärger, Angst und Trauer systematisch zuordnen können und ob sich eine Veränderung im Antwortverhalten zu den jeweiligen Zeitpunkten (drei Erhebungen in einem zeitlichen Abstand von je sechs Monaten) ergibt.
26 Kindern, die zu Beginn der Längsschnittuntersuchung im Durchschnitt 7.52 Jahre alt waren, wurde, analog zu Vänskäs Untersuchung (1998), die Detektivgeschichte von Rasmus Rabe und dem kleinen Zwerg erzählt. Im Gegensatz zu Vänskä wurden einige Veränderungen durchgeführt:
Bislang wurde die genaue Benennung eines Emotionsausdrucks auf einem Foto oder einer Zeichnung durch Kinder selten analysiert. Daraufhin wurde diese Fähigkeit der Kinder genauer untersucht, indem sie, die auf den Schachteln dargestellten Gefühle (vgl. Abbildung 1) benennen mussten („Welches Gefühl hat der?“).
Weiterhin wurde bei der dritten Erhebung die Erfassung des soziometrischen Status der Kinder hinzugenommen, um den Zusammenhang zwischen sozialer Beliebtheit, als Indikator für soziale Kompetenz, und Emotionswissen zu überprüfen. In der Literatur wurde von einem positiven Zusammenhang zwischen sozialer Kompetenz und dem Wissen über Emotionskomponenten gesprochen. Janke zitierte einige Untersuchungen (2005, S. 6-13) in denen beliebte Kinder nicht nur bei der Mimikerkennung gut abschnitten (z.B. Feldman, Philippot & Custrini, 1991), Kenntnisse über Anlässe von Emotionen (Denham, 1998), sowie über Darbietungsregeln (Jones, Abbey & Cumberland, 1998) hatten, sondern im Kindergartenalter auch Wissen über Handlungstendenzen und Körperempfindungen zeigten. In Anlehnung an Holodynski wurde ein Fragebogen als soziometrisches Verfahren verwendet, welcher sich an einer Untersuchung von Petillon (1980, zitiert nach Geis, 2002, S. 99) orientiert. Die Kinder sollten jeweils drei Namen ihrer Klassenkameraden nennen, mit denen sie gerne bzw. nicht so gerne in den Schulpausen spielen.
Eine letzte Veränderung bestand bei der Auswahl der Items. Als Vorlage diente der Itemkatalog von Vänskä (1998), wobei unspezifische Erregungszustände wie Zittern und Zappelig nicht mehr aufgenommen wurden. Eine Erweiterung erfolgte zum einen durch die Hinzunahme von weiteren Körperempfindungsitems und Items für Handlungstendenzen und zum anderen durch die Unterscheidung aller Items zwischen beobachtbar und nicht beobachtbar (vgl. Tabelle 5).
Tabelle 5: Darstellung der Item- Liste von Geis (2002) mit Berücksichtigung der Emotionskomponenten (Körperempfindungen, Handlungstendenzen) und der Modalität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: gelb markierte Items wurden auch in der Untersuchung von Vänskä (1998) verwendet; Modalität: b. = beobachtbare Handlungstendenz bzw. Körper-empfindung; Modalität n.b. = nicht beobachtbare Handlungstendenz bzw. Körper-empfindung.
Die Untersuchung konnte zeigen, dass Kinder beobachtbare und nicht beobachtbare Körperempfindungen bzw. Handlungstendenzen den vier Emotionen Freude, Ärger, Angst und Trauer über die drei Erhebungen hinweg immer systematischer zuordnen konnten. Eine Signifikanz bestand bei 26 der 32 Items. Die Ergebnisse von Vänskä (1998) wurden hiermit bestätigt.
Im Vergleich von Handlungstendenzen und Körperempfindungen schien es offensichtlich zu sein, dass die Zuordnung von ersterem zu den Emotionen den Kindern leichter fiel, als die der Körperempfindungen. Weiterhin erwies sich allgemein die Beobachtbarkeit als bedeutender für eine erwartete Zuordnung.
Die Hypothese des Zusammenhangs zwischen dem Emotionswissen über Handlungstendenzen bzw. Körperempfindungen und der sozialen Kompetenz konnte beibehalten werden. Es bestand eine signifikant positive Korrelation zwischen dem Emotionswissen und den positiven Bewertungen. Die negative Korrelation, die sich in Zusammenhang mit den negativen Bewertungen ergab, erwies sich jedoch als nicht signifikant.
Die Analyse der Mimikbenennung wurde von Janke (2005a) vorgenommen, nachdem eine Vergrößerung der Stichprobe (von Geis) durch 22 Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren erfolgte. Dabei wurde mit den Kindergartenkindern der gleiche Versuch durchgeführt.
Während die Mehrzahl der Vierjährigen noch Schwierigkeiten mit der richtigen Bezeichnung hatten (wie andere Untersuchungen zeigten), begann die Verwendung des richtigen Emotionsausdrucks bei den Fünfjährigen und nahm kontinuierlich bis zum Alter von 10 Jahren zu.
Die vorangegangen Untersuchungen konnten zeigen, dass Emotionsspezifität bezüglich der Handlungstendenzen bzw. Handlungen vorliegt. Im Folgenden soll eine der neueren Untersuchungen von Widen und Russell (2004) dargestellt werden, die sich ebenfalls mit dieser Emotionskomponente beschäftigte. Die Autoren bezogen neben den hier bezeichneten Verhaltenskonsequenzen auch Gesichtsausdrücke und Emotionsbezeichnungen mit ein und gingen dabei der Frage nach, durch welche Komponente Emotionen am leichtesten verstanden werden. Ein solcher Vergleich wurde, nach Meinung der Autoren, zum ersten Mal untersucht. Folgendes Beispiel erläutert die verschiedenen Komponenten (S. 111).
Beispiel: Wie erkennen Kinder, dass ihre Eltern verärgert sind?
- Die Mimik der Eltern deutet auf die Emotion Ärger hin
- Die Kinder werden durch außenstehende Personen darauf hingewiesen,
dass die Eltern jetzt verärgert sind
- Die Eltern zeigen Verhaltensweisen, die auf Ärger anzeigen
Die ersten beiden Punkte erklären den Erwerb des Emotionswissens durch zwei unterschiedliche Sichtweisen (Widen & Russell, 2004, S. 112-113). Vertreter der evolutionären Theorie gingen davon aus, dass Gesichtsausdrücke angeboren sind und deshalb bereits jüngere Kinder Emotionen anhand dieser erkennen können. Widen und Russell (2004) führten Untersuchungen von Darwin (1965) oder Harris (1989) an, die diese Aussage durch ihre Ergebnisse belegen konnten. Ein frühes Verständnis von Emotionen durch Gesichter wurde von Denham (1998, S. 61) als „perceptual bedrock“ (grundlegende Wahrnehmung) für all das spätere Verstehen von Emotionen bezeichnet.
Sozialkonstruktivistische Studien (z.B. Camras & Allison, 1985) dagegen legten Ergebnisse dar, in denen Kinder emotionsauslösende Situationen vermehrt Emotionsbenennungen zuordnen konnten.
[...]
[1] Messung der elektrischen Muskelaktivität
[2] Grundsätzlich gibt es in der Literatur keine Übereinstimmung darüber, welche Emotionen die Wesentlichen sind und wie viele es davon gibt (z.B. Anzahl bei Ekman & Friesen beläuft sich auf 6 und bei Izard auf 11, vgl. Plutchik, 1980). Weitgehend werden die von Ekman und Friesen als Grundlegend betrachtet: Freude, Ärger, Trauer, Angst, Überraschung und Ekel.
[3] Handlungstendenzen sind Bereitschaftszustände, um bestimmte Handlungen auszuführen (Übersetzung von Klepke).
[4] Um welche Theorien es sich hierbei handelt wurde von Roseman et. al. nicht aufgeführt.
- Quote paper
- Daniela Klepke (Author), 2006, Entwicklung der emotionalen Kompetenz - Veränderungen im Emotionswissen von Grundschülern innerhalb eines Jahres, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66018
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