Über ein Jahrzehnt nach Beginn der gorbatschowschen Perestrojka und Glasnost gilt Russland noch immer als Land mit eingeschränkter Pressefreiheit. Der Staat und die Medien sind in hohem Maße miteinander verflochten, wobei insbesondere der Staat überdurchschnittlich in der Medien-Öffentlichkeit repräsentiert wird. Im Vergleich zum ehemaligen Präsidenten Jelzin, der seinen Einfluss auf die zentralen Medien eher sporadisch und mittelbar über die kooperierenden Oligarchen auszuüben pflegte, verfolgt der Kreml unter Putin eine deutlich offensivere und dirigistischere Strategie. Die Medienpolitik in Russland konzentriert sich auf eine interessenbewusste Mediensteuerung durch einzelne Akteure. Die einflussnehmenden Akteure verfolgen ihre Pläne durch Massenmedien, die nach Möglichkeit ihre Ziele positiv und die politischen Ziele ihre Gegner negativ thematisieren.
„Das gegenwärtige Staatsoberhaupt“,so sagte Wladimir Putin einmal über sich in der dritten Person,„versteht ausgezeichnet, dass es ohne den Einsatz einer mächtigen Waffe nicht weiterkommen wird bei seinen Plänen: Das sind die Massenmedien, welche nicht nur die ideologische Artillerievorbereitung liefern, sondern praktisch den Erfolg jeder politischen Unternehmung unternehmen.“
Ziel der Medienpolitik Putins ist somit eine Gleichschaltung der Massenmedien und deren staatliche Kontrolle, um sie als Machtinstrument nutzen zu können.
Unter den zentralen Organen der Massenmedien erfährt das Fernsehen in Russland dabei die weiteste Verbreitung. Der Sender ORT z.B. ist von 98% der russischen Bevölkerung empfangbar. Somit kommt dem Fernsehen als Informationsträger eine überragende Bedeutung zu, insbesondere da die meisten Russinnen und Russen seit dem Ende der Sowjetunion aus Spargründen keine Printmedien mehr abonnieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die russische Fernsehlandschaft
2.1 Organisation und Finanzierung der drei landesweit sendenden Fernsehsender
2.1.1 ORT
2.1.2 RTR
2.1.3 NTW
2.2 Entwicklung und Akteure unter Präsident Jelzin
3. Medienpolitik unter Putin
3.1 Putins Ziele
3.2 Putin versus Beresowski
3.3 NTW auf dem Weg der Verstaatlichung
3.4 Einflussnahme des Staates auf den redaktionellen Inhalt der Sender ORT, RTR und NTW
4. Resümee und Ausblick
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Über ein Jahrzehnt nach Beginn der gorbatschowschen Perestrojka[1] und Glasnost[2] gilt Russland noch immer als Land mit eingeschränkter Pressefreiheit. Der Staat und die Medien sind in hohem Maße miteinander verflochten, wobei insbesondere der Staat überdurchschnittlich in der Medien-Öffentlichkeit repräsentiert wird.[3] Im Vergleich zum ehemaligen Präsidenten Jelzin, der seinen Einfluss auf die zentralen Medien eher sporadisch und mittelbar über die kooperierenden Oligarchen[4] auszuüben pflegte, verfolgt der Kreml unter Putin eine deutlich offensivere und dirigistischere Strategie. Die Medienpolitik in Russland konzentriert sich auf eine interessenbewusste Mediensteuerung durch einzelne Akteure. Die einflussnehmenden Akteure verfolgen ihre Pläne durch Massenmedien, die nach Möglichkeit ihre Ziele positiv und die politischen Ziele ihre Gegner negativ thematisieren.[5]
„Das gegenwärtige Staatsoberhaupt“, so sagte Wladimir Putin einmal über sich in der dritten Person, „versteht ausgezeichnet, dass es ohne den Einsatz einer mächtigen Waffe nicht weiterkommen wird bei seinen Plänen: Das sind die Massenmedien, welche nicht nur die ideologische Artillerievorbereitung liefern, sondern praktisch den Erfolg jeder politischen Unternehmung unternehmen.“[6]
Ziel der Medienpolitik Putins ist somit eine Gleichschaltung[7] der Massenmedien und deren staatliche Kontrolle, um sie als Machtinstrument nutzen zu können.
Unter den zentralen Organen der Massenmedien erfährt das Fernsehen in Russland dabei die weiteste Verbreitung. Der Sender ORT z.B. ist von 98% der russischen Bevölkerung empfangbar. Somit kommt dem Fernsehen als Informationsträger eine überragende Bedeutung zu, insbesondere da die meisten Russinnen und Russen seit dem Ende der Sowjetunion aus Spargründen keine Printmedien mehr abonnieren.[8]
Unabhängige Medien, die eine demokratische Meinungs- und Willensbildung ermöglichen, sind aber ein wichtiger Bestandteil einer demokratisch organisierten Zivilgesellschaft, die staatliche Entscheidungen beeinflussen und kontrollieren will. Massenmedien fungieren als öffentliches Sprachrohr einer pluralistischen Gesellschaft und dienen in der Demokratie als Kritik- und Kontrollfunktion. Sie werden in diesem Zusammenhang oft als vierte Gewalt neben der Legislative, Exekutive und Judikative gesehen.[9]
Diese Hausarbeit soll die Medienpolitik Putins im Umgang mit den landesweit sendenden Fernsehsendern näher beleuchten. In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob das russische Fernsehen als vierte Gewalt fungiert oder ob die Medienpolitik Putins die Pressefreiheit des Fernsehens massiv einschränkt. Dabei wird diese Arbeit ihren Schwerpunkt auf die Darstellung und Definition des russischen Staatsfernsehens, repräsentiert durch die landesweit sendenden Sender, legen und ein kritische Analyse der Medienpolitik Putins vornehmen.
Die Arbeit wird mit einer kurzen Darstellung der Sender ORT, RTR und NTW beginnen. Im Folgenden werden die Entwicklung der Fernsehlandschaft und die Akteure unter Jelzin betrachtet. Im Hauptteil wird dann die Medienpolitik Putins im Umgang mit den Fernsehsendern näher betrachtet und auf die staatlichen Übernahmen der Sender ORT und NTW eingegangen. Dazu werden die Verhältnisse der Sender zum Staat anhand der Finanzierung und der Personalpolitik beschrieben und die Einflussnahme des Staates auf die Programmgestaltung des Senders kritisch analysiert. Im Schlussteil erfolgt zudem eine Beurteilung der gegenwärtigen Situation mit einem kurzen Ausblick.
2. Die russische Fernsehlandschaft
2.1 Organisation und Finanzierung der drei landesweit sendenden Fernsehsender
2.1.1 ORT
Das Öffentliche Russische Fernsehen (ORT) wurde im Zuge der Reform des russischen Fernsehsystems 1994/1995 gegründet. [10] Der erste Kanal ist landesweit von rund 98% der russischen Bevölkerung empfangbar und „(…) besitzt zudem schon seit der Einführung des Fernsehens in der Sowjetunion den Nimbus des zentralen Organs und der Stimme der politischen Klasse des Landes, weshalb es auch nach wie vor die meistgesehenen Nachrichten- und Analyseprogramme beherbergt.“[11] Bis auf die Nachrichten werden alle übrigen Sendungen von den privatisierten Produktions-TV-Firmen zugekauft. Der Sender finanziert sich aus Staatsgeldern sowie aus Werbeeinnahmen. Eine Rückkehr zu den 1960 aufgehobenen Gebühren ist angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage großer Bevölkerungsteile aus sozialen und politischen Gründen nicht möglich.
Nachdem der Staat Teile des Senders während der Jelzin-Ära privatisierte, hat der Staat seit 2001 wieder die alleinige Kontrolle über den Sender übernommen.
2.1.2 RTR
Das staatliche russische Fernsehen RTR wurde im Mai 1991 auf Initiative von Boris Jelzin gegründet. Jelzin sah in einem eigenen russischen Kanal das entscheidende Instrument im Kampf gegen die sowjetische Staatsführung unter Gorbacow. [12] RTR wird zu 100% vom Staat finanziert und ist aufgrund dieser Subventionierung vom Präsidenten und der Regierung besonders abhängig. Der Sender ist Teil der 1998 gegründeten staatlichen Medien-Holding VGTRK („Gesamtrussische Gesellschaft für Staatsfernsehen und Rundfunk“), zu der neben RTR auch TV-Kultura und ca. 90 regionale TV- und Rundfunkstationen sowie die Nachrichtenagentur „Vesti“ gehören.[13] Der zweite Kanal ist der beliebteste Sender Russlands.[14]
[...]
[1] Russisch-Deutsches Lexikon: Umbau, Umgestaltung
[2] Glasnost bedeutet Offenheit und Transparenz der Politik und wurde von Michail Gorbatschow geprägt.
[3] Kreisel A. „ Zwischen Information und Macht: Die russische Medienlandschaft“ In: Höhmann H. „Russland unter neuer Führung“, 2001, S. 251
[4] Dabei handelt es sich um führende Industrieunternehmen (Logo VAZ, Gasprom) und Banken, die ein sehr großes Vermögen haben und über verschiedene Kanäle starken Einfluss auf staatliche Entscheidungen nehmen. Die Chefs dieser großen Wirtschaftskomplexe werden als Oligarchen bezeichnet. Trautmann, L. „ Die Medien im russischen Transformationsprozess – Akteur oder Instrument staatlicher Politik?“, 2002, S. 153
[5] Trautmann, L. „ Die Medien im russischen Transformationsprozess – Akteur oder Instrument staatlicher Politik?“, 2002, S. 477
[6] Frohn A./ Mettke, J. „Mächtige Waffe“ In: Der Spiegel, 17/2001, S. 126
[7] Als Gleichschaltung bezeichnet man das Bestreben totalitärer Parteien und Systeme, bestehende gesellschaftliche und staatliche Organisationen zu übernehmen und entsprechend ihrer Ideologie auszurichten und diese so den Parteigliederungen gleich zu gestalten. Historisch ist der von Reichsjustizminister Franz Gürtner geprägte Begriff der Gleichschaltung nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Erscheinung getreten. Mit der Gleichschaltung der Medien wird somit die Pressefreiheit ausgeschaltet.
http://www.lexikon-definition.de/Gleichschaltung.html
[8] Neue Zürcher Zeitung „Russlands Medienmacht ballt sich in staatlicher Hand“, 16.02.2002
[9] Trautmann, L. „ Die Medien im russischen Transformationsprozess – Akteur oder Instrument staatlicher Politik?“, 2002, S. 38
[10] Trautmann, L. „ Die Medien im russischen Transformationsprozess – Akteur oder Instrument staatlicher Politik?“, 2002, S. 234
[11] Gladkow, S. „Macht und Ohnmacht der „Vierten Gewalt“, 2001, S. 248
[12] Trautmann, L. In: Thomaß, B. „Medien und Transformation in Osteuropa“, 2001, S. 219
[13] Frohn A./ Mettke, J. „Mächtige Waffe“ In: Der Spiegel, 17/2001, S. 125
[14] http://www.ifdt.de/0102/Artikel/Reisinger.htm, Reisinger H. „Freiheit à la Putin“, 2001
- Quote paper
- Daniel Hischer (Author), 2004, Die 'vierte Gewalt' als Instrument des russischen Staates? Steuerung des Fernsehens unter Putin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65998
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