Im Mai 1976 berichtete der Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Erich Honecker, auf dem 9. Parteitag, dass „Kultur und Kunst sehr viel beizutragen [vermögen], sozialistische Überzeugungen zu festigen und in den Herzen der Menschen das reine Feuer kommunistischer Ideale zu entzünden.“ Fünf Jahre später hieß es, dass Kunst und Literatur vieles hervorgebracht haben, „was Teil unserer sich ständig verändernden sozialistischen Wirklichkeit ist und diese Veränderung zugleich bewirkt.“ Da der Staat der Literatur die Fähigkeit anerkannt hatte, Veränderungen zu initiieren, galt es, abweichende Positionen zu unterbinden und die Literatur zu verhindern, die ihm nicht opportun erschien. Die Wichtigkeit, die die Deutsche Demokratische Republik (DDR) der Literatur beimaß, zeigte sich vor allem durch die Ausübung der literarischen Zensur.
Die Soziologin Ulla Otto definiert Literaturzensur als „die autoritäre Kontrolle aller menschlichen Äußerungen, die innerhalb eines bestehenden gesellschaftlichen Systems mit der Bemühung um sprachliche Form geschrieben werden“. Die Regulierung der literarischen Übermittlung von Ideen wird in praktisch allen Gesellschaften betrieben: Kein Gesellschaftssystem gestattet die absolute Freiheit literarischen Ausdrucks. In der DDR war aber die Literaturzensur allgegenwärtig. Kommunistische Länder im Allgemeinen haben von der Zensur gerne und oft Gebrauch gemacht. Eine systematische Vorzensur der heimischen literarischen Werke wurde dadurch möglich, dass das gesamte Verlagswesen weitgehend zentralisiert und kontrolliert war. Ferner wurden Maßnahmen literarischer Zensur auf bereits erschienene Werke angewandt, besonders auf Werke aus dem Ausland. Bei nicht konformen Autoren wurde außerdem versucht, meist mit harten Sanktionen, politische Demonstrationseffekte zu erzielen.
Literarische Werke können aus religiösen, moralischen oder politischen Gründen zensiert werden. Wir werden uns hier auf die politische Zensur beschränken, bei der es um „die reale politische Machtverteilung und Machtorganisation im Staate, und deren Erhaltung, Verteidigung und Verstärkung im Gegeneinander der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen“ geht. Das erklärte Ziel aller Maßnahmen literarischer Zensur in demokratischen Gesellschaften ist eigentlich die Bewahrung einzelner Gesellschaftsgruppen (z.B. der Jugend) vor schädlichen Einflüssen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die Zensur als Instrument der Unterstützung der sozialistischen Ideologie
- Die gesellschaftliche Bedeutung der Literatur
- Offizielle Begründungen der Zensur
- Zensierte Themen
- Die Unterwerfung der Literatur unter die Ideologie
- Die Kontrolle und Steuerung der Literatur
- Die Einrichtungen des Zensursystems
- Der Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit im Zensursystem
- Erscheinungsformen der Zensur
- Das Druckgenehmigungsverfahren und die Begutachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die literarische Zensur in der DDR und analysiert, wie sie als Instrument des ideologischen Kampfes und des Machterhalts eingesetzt wurde. Es werden die gesellschaftliche Bedeutung von Literatur in einer Diktatur sowie die offiziellen Begründungen und die konkreten Erscheinungsformen der Zensur beleuchtet.
- Die Rolle von Literatur in einem repressiven System
- Die offizielle Ideologie und ihre Durchsetzung durch Zensur
- Die Kontrolle und Steuerung der Literaturproduktion
- Die Instrumentalisierung von Schriftstellern
- Die Auswirkungen der Zensur auf die Literatur und die Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einführung: Dieses Kapitel legt den Rahmen für die Analyse der literarischen Zensur in der DDR und beleuchtet die Bedeutung von Literatur in einem totalitären Staat. Es wird erläutert, warum die SED Literatur als Mittel zur Festigung ihrer Ideologie sah und wie die Kontrolle und Unterdrückung abweichender Positionen durch die Zensur erfolgte.
- Die Zensur als Instrument der Unterstützung der sozialistischen Ideologie: Dieses Kapitel untersucht die gesellschaftliche Bedeutung von Literatur und ihre Rolle in einem repressiven System. Es werden die offiziellen Begründungen für die Zensur und die zensierten Themen beleuchtet, sowie die Auswirkungen der Unterwerfung der Literatur unter die Ideologie.
- Die Kontrolle und Steuerung der Literatur: Dieses Kapitel behandelt die Mechanismen und Institutionen der Zensur in der DDR. Es werden die Einrichtungen des Zensursystems, der Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit, sowie die Erscheinungsformen der Zensur und das Druckgenehmigungsverfahren analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der literarischen Zensur, der sozialistischen Ideologie, der DDR, der Kontrolle von Literatur, der Staatsmacht, der Unterdrückung von Dissidenz, der Instrumentalisierung von Kunst, der ideologischen Kontrolle, dem Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit, dem Druckgenehmigungsverfahren und der Begutachtung.
- Quote paper
- Adeline Defer (Author), 2005, Literaturzensur in der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65759