Der Prozess der Nationenbildung in Frankreich hat sich dadurch ausgezeichnet, dass ein Staat bereits vorhanden war, bevor man von einer französischen Nation sprechen konnte. Es war das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, welches für das Entstehen eines Nationalbewusstseins und einer Nation in Frankreich konstitutiv war. Dazu zählten unter anderem die Einführung unterschiedlicher republikanischer Symbole (Marianne, die Nationalhymne, der Wahlspruch…), die Einführung der Wehrpflicht, sowie die Schaffung der kostenlosen, laizistischen und obligatorischen Schule für alle Kinder zwischen 6 und 13 Jahre durch Jules Ferry am Ende des 19. Jahrhunderts.
Jean-Jacques Rousseau war bereits der Ansicht, dass „es die Bildung [ist], die den Seelen eine nationale Form geben soll.“ Eine Nation verkörpert sich in Institutionen: Eine der Bedeutendsten ist die Schule, für den französischen Soziologen Dominique Schnapper stellt sie sogar „die Institution der Nation schlechthin“ dar. Da eine Definition der Nation schon eine Theorie der Nation impliziert, werden wir uns darauf beschränken, Schnappers Konzeption der Nation als „Gemeinschaft von Staatsbürgern“ („communauté de citoyens“) zu übernehmen.
Nur durch einen Sozialisationsprozess können Individuen zu Staatsbürgern einer nationalen Gemeinschaft werden. Individuelle Meinungen und Einstellungen werden nämlich innerhalb einer vorgefundenen gesellschaftlichen Umgebung herausgebildet. Individuen entwickeln allmählich ein nationales
Zugehörigkeitsgefühl, indem sie bestimmte Kenntnisse, Normen und Werte verinnerlichen, die sie mit allen anderen Mitbürgern teilen.
Dadurch werden sie sich bewusst, dass diese kulturellen Muster und Werte, die ihre persönliche Identität bestimmen, eng zu einer kollektiven Identität verbunden sind, was letztendlich zur Herausbildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls führt. Das französische Schulsystem beruht auf der Annahme, dass die Familie selbst nicht der einzige Ort ist, wo dieser politische Sozialisationsprozess erfolgen kann, sondern auch das Schulwesen zur Verinnerlichung kollektiver nationaler Werte beiträgt. Unter der dritten Republik wurde deswegen das Schulwesen als Instrument zur Gründung der Nation entworfen. Es hat das gemeinsame Leben der Individuen um regelmäßige Praktiken herum organisiert und ein System von kohärenten nationalen Werten verbreitet.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die republikanische Schule der dritten Republik als Mittel der Vermittlung einer nationalen Identität
- Das politische Ziel der dritten Republik
- Die Durchsetzung der französischen Sprache als nationale Einheitssprache
- Die Förderung des Patriotismus
- Die Rolle des Laizismus
- Das heutige Schulsystem als Mittel der Vermittlung einer staatsbürgerlichen Identität
- Die Schule als Ort der Ausbildung zukünftiger Staatsbürger
- Der Gemeinschaftskundeunterricht
- Die Schule als Mittel der Überwindung der Partikularismen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des französischen Schulsystems auf die Bildung nationaler Identität. Sie analysiert, wie die Schule – sowohl während der Dritten Republik als auch im heutigen System – zur Förderung eines Nationalgefühls und zur Sicherung nationaler Kohäsion beiträgt. Der Fokus liegt auf den Mechanismen und Strategien, die zur Vermittlung nationaler Werte und Normen eingesetzt werden.
- Die Rolle der Schule in der Nationenbildung Frankreichs
- Die Vermittlung nationaler Identität durch das Schulsystem der Dritten Republik
- Die Durchsetzung der französischen Sprache und der Laizismus als nationale Prinzipien
- Das heutige französische Schulsystem und die Herausbildung staatsbürgerlicher Identität
- Die Überwindung regionaler und ethnischer Partikularismen durch das Schulsystem
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung: Die Einführung beschreibt den Prozess der Nationenbildung in Frankreich, in dem bereits ein existierender Staat ein nationales Bewusstsein schaffen musste. Sie betont die Bedeutung der Schule als Institution zur Formierung der nationalen Identität, basierend auf der Konzeption der Nation als „Gemeinschaft von Staatsbürgern“. Der Sozialisationsprozess in der Schule soll zu einem nationalen Zugehörigkeitsgefühl führen, indem Kenntnisse, Normen und Werte verinnerlicht werden, die eine kollektive Identität schaffen. Die Arbeit untersucht den Einfluss der Schule auf die Bildung nationaler Identität in Frankreich, sowohl in der Dritten Republik als auch im heutigen System.
Die republikanische Schule der dritten Republik als Mittel der Vermittlung einer nationalen Identität: Dieses Kapitel analysiert die Schule der Dritten Republik als Instrument der Nationenbildung. Die republikanischen Gründer nutzten die Schule nicht nur zur Verankerung des parlamentarischen Regimes, sondern vor allem zur Formung der nationalen Identität. Lehrer wurden zu „Instituteuren“, die die Nation „instituieren“ sollten. Eine Strategie zur Erreichung nationaler Einheit bestand in der Beseitigung regionaler und ethnischer Unterschiede durch die Schaffung eines einheitlichen, staatlich kontrollierten Schulsystems. Das Ziel war es, die Sozialisation der Individuen nicht mehr allein durch lokale Gemeinschaften, sondern primär durch ein staatliches Schulsystem zu lenken und so eine nationale Identität zu fördern.
Das heutige Schulsystem als Mittel der Vermittlung einer staatsbürgerlichen Identität: Dieses Kapitel (dessen Inhalt im gegebenen Textfragment fehlt) würde voraussichtlich die aktuellen Strategien des französischen Schulsystems zur Förderung eines nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls beleuchten. Es würde die Rolle der Schule in der Ausbildung zukünftiger Staatsbürger und die Mechanismen zur Überwindung von Partikularismen untersuchen. Der Gemeinschaftskundeunterricht als spezifisches Instrument zur Vermittlung staatsbürgerlicher Werte würde analysiert werden.
Schlüsselwörter
Nationale Identität, Frankreich, Schule, Dritte Republik, Nationenbildung, Staatsbürgerliche Identität, Sozialisation, Laizismus, Patriotismus, nationale Kohäsion, Partikularismus, Republikanismus.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeit: Der Einfluss des französischen Schulsystems auf die Bildung nationaler Identität
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des französischen Schulsystems auf die Bildung nationaler Identität, sowohl während der Dritten Republik als auch im heutigen Frankreich. Sie analysiert die Mechanismen und Strategien, die zur Vermittlung nationaler Werte und Normen eingesetzt werden und wie die Schule zur Förderung eines Nationalgefühls und zur Sicherung nationaler Kohäsion beiträgt.
Welche Zeiträume werden untersucht?
Die Arbeit betrachtet zwei Hauptzeiträume: die Dritte Republik in Frankreich und das heutige französische Schulsystem. Der Vergleich dieser beiden Perioden erlaubt es, die Entwicklung der Strategien zur Nationenbildung durch das Schulsystem zu beleuchten.
Welche Rolle spielte die Schule während der Dritten Republik?
Während der Dritten Republik diente die Schule als zentrales Instrument der Nationenbildung. Sie wurde genutzt, um regionale und ethnische Unterschiede zu überwinden und eine einheitliche nationale Identität zu schaffen. Die Lehrer fungierten als „Instituteure“, die die nationalen Werte und Normen vermittelten. Die Durchsetzung der französischen Sprache und des Laizismus waren wichtige Elemente dieses Prozesses.
Wie trägt das heutige Schulsystem zur Bildung nationaler Identität bei?
Der Text bietet nur eine kurze Beschreibung des heutigen Systems, die im Detail im vollständigen Text erläutert werden würde. Es wird jedoch angedeutet, dass das heutige System weiterhin Strategien zur Förderung eines nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls einsetzt und die Rolle der Schule in der Ausbildung zukünftiger Staatsbürger und die Mechanismen zur Überwindung von Partikularismen untersucht. Der Gemeinschaftskundeunterricht wird als spezifisches Instrument zur Vermittlung staatsbürgerlicher Werte genannt.
Welche Schlüsselkonzepte werden in der Arbeit behandelt?
Wichtige Konzepte sind nationale Identität, Nationenbildung, staatsbürgerliche Identität, Sozialisation, Laizismus, Patriotismus, nationale Kohäsion, Partikularismus und Republikanismus. Die Arbeit analysiert, wie diese Konzepte im Kontext des französischen Schulsystems miteinander verwoben sind.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einführung, ein Kapitel über die republikanische Schule der Dritten Republik, ein Kapitel über das heutige Schulsystem und einen Schluss. Jedes Kapitel analysiert den Einfluss der Schule auf die Bildung nationaler Identität in der jeweiligen Periode.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, den Einfluss des französischen Schulsystems auf die Entwicklung der nationalen Identität zu untersuchen und die Strategien zu analysieren, die zur Vermittlung nationaler Werte und Normen eingesetzt wurden und werden.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für alle interessant, die sich für die Geschichte der Nationenbildung in Frankreich, die Rolle des Bildungssystems in diesem Prozess und die Entwicklung nationaler Identität interessieren. Sie ist besonders relevant für Wissenschaftler und Studierende im Bereich der Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie.
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- Adeline Defer (Author), 2005, Schule und nationale Identität in Frankreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65757