Eine in der Geschichtswissenschaft oft gestellte Frage ist die nach der Kontinuität bzw. Prozesshaftigkeit der Geschichte. Viele Ereignisse scheinen zufällig zu geschehen, große Persönlichkeiten tauchen auf und scheinen nur Bedeutung in der Geschichtsschreibung zu erlangen, weil sie besondere Eigenschaften besaßen oder hervorragende Taten begingen. In diesem Geschichtsbild erscheint die Geschichte wie eine Aneinanderreihung von Zufällen.
Geht man von der Geschichte als Prozess aus, beruht jedes dieser Ereignisse und jede dieser Begebenheiten, erscheint jede große Persönlichkeit als das Produkt vorheriger Ereignisse und als Resultat einer langwierigen Entwicklung. In Bezug auf die Krise und den Untergang der römischen Republik drängt sich diese Frage auch auf. Bestand diese Krise aus persönlichen Fehlern der einzelnen herrschenden Persönlichkeiten und hätte der Untergang der römischen Republik durch geschicktes Handeln verhindert werden können? Hätte zum Beispiel die Republik weiterbestehen können, wenn man auch Augustus ermordet hätte? Oder war die Krise eine notwendige Entwicklung, deren Ursachen schon weit vorher im politischen und wirtschaftlichen System der Republik angelegt sind? Es gibt viele Tatsachen, die für die eine oder andere These sprechen. Schon lange vor Cäsar gab es Entwicklungstendenzen, die einzelne Personen mit besonderer Machtfülle hervorhoben. Exemplarisch hierfür steht die Diktatur des Lucius Cornelius Sulla. Es stellt sich konkret die Frage, ob es die in den Quellen beschriebenen hervorragenden Eigenschaften Sullas waren, die ihn an die Macht brachten, oder ob es eine historische Notwendigkeit oder ein tieferes Interesse in der römischen Gesellschaft gab, eine Diktatur zu installieren. Diese Frage stellt sich insbesondere, weil die Diktatur Sullas etwas völlig Neues in der römischen Geschichte war, in ihrer äußerlichen Form wie auch in ihrer Wirkung auf Zeitgenossen einzigartig. So kommt es, dass Sulla auch in der heutigen Zeit Diskussionen hervorruft.
Diese Arbeit untersucht, welche Eigenschaften die Quellen Sulla zuschreiben und welche Rolle diese bei seiner Machtergreifung spielten, aber auch welche Tendenzen es gab, die für die Einordnung der sullanischen Diktatur in einen historischen Prozess sprechen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Sulla als historischer Zufall
2.1. Sullas Persönlichkeit
2.2. Sullas Weg zur Macht
3. Sulla als Teil eines Prozesses
3.1. Die Krise der Republik
3.2. Sullas Gesetzgebung
4. Fazit
Literatur
Quellen
1. Einleitung
Eine in der Geschichtswissenschaft oft gestellte Frage ist die nach der Kontinuität bzw. Prozesshaftigkeit der Geschichte. Viele Ereignisse scheinen zufällig zu geschehen, große Persönlichkeiten tauchen auf und scheinen nur Bedeutung in der Geschichtsschreibung zu erlangen, weil sie besondere Eigenschaften besaßen oder hervorragende Taten begingen. In diesem Geschichtsbild erscheint die Geschichte wie eine Aneinanderreihung von Zufällen.
Geht man von der Geschichte als Prozess aus, beruht jedes dieser Ereignisse und jede dieser Begebenheiten, erscheint jede große Persönlichkeit als das Produkt vorheriger Ereignisse und als Resultat einer langwierigen Entwicklung.
In Bezug auf die Krise und den Untergang der römischen Republik drängt sich diese Frage auch auf. Bestand diese Krise aus persönlichen Fehlern der einzelnen herrschenden Persönlichkeiten und hätte der Untergang der römischen Republik durch geschicktes Handeln verhindert werden können? Hätte zum Beispiel die Republik weiterbestehen können, wenn man auch Augustus ermordet hätte?
Oder war die Krise eine notwendige Entwicklung, deren Ursachen schon weit vorher im politischen und wirtschaftlichen System der Republik angelegt sind?
Es gibt viele Tatsachen, die für die eine oder andere These sprechen. Schon lange vor Cäsar gab es Entwicklungstendenzen, die einzelne Personen mit besonderer Machtfülle hervorhoben. Exemplarisch hierfür steht die Diktatur des Lucius Cornelius Sulla. Es stellt sich konkret die Frage, ob es die in den Quellen beschriebenen hervorragenden Eigenschaften Sullas waren, die ihn an die Macht brachten, oder ob es eine historische Notwendigkeit oder ein tieferes Interesse in der römischen Gesellschaft gab, eine Diktatur zu installieren. Diese Frage stellt sich insbesondere, weil die Diktatur Sullas etwas völlig Neues in der römischen Geschichte war, in ihrer äußerlichen Form wie auch in ihrer Wirkung auf Zeitgenossen einzigartig.
So kommt es, dass Sulla auch in der heutigen Zeit Diskussionen hervorruft. Manche Historiker stellen Sullas persönliche Eigenschaften in den Vordergrund, andere wiederum führen ein Klasseninteresse der römischen Nobilität als Grund für seine Machtübername an. So nennt z.B. Mommsen ihn den „Vormund“[1] der Aristokratie.
Bei der Beantwortung dieser Frage stellen sich einige Schwierigkeiten, da die Quellen aus einer anderen Perspektive geschrieben sind. In ihnen stehen vor allem Sullas persönliche Eigenschaften im Zentrum. Viele Quellen beurteilen Sullas Diktatur negativ. Sullas Gegner haben den Horror seiner Diktatur am eigenen Leib erfahren und auch seine Unterstützer hielten es für nötig, sich im Nachhinein zu distanzieren. So taucht Sulla erstens nicht als Interessensvertreter einer Schicht in der römischen Gesellschaft auf, da dies keiner seiner ehemaligen Unterstützer zugegeben hätte.
Eine exakte Beschreibung der Persönlichkeit Sullas gestaltet sich des Weiteren schwierig, weil es schwer ist zu sagen, welche Eigenschaften man ihm im Nachhinein auf Grund seines Handelns als Diktator zugeschrieben hat und über welche er wirklich verfügte. So kommt es häufig zu einer Zweiteilung der Geschichte Sullas. Bei Sallust nimmt Sulla „nach guten Anfängen ein schlimmes Ende“[2], da er eine „Gewaltherrschaft“[3] errichtete. Ähnlich bewerten andere Quellen Sullas Diktatur. Diese Zweiteilung setzt mit dem Ende der Bürgerkriege ein, vorher werden positive Elemente durchaus anerkannt.[4]
Als etwas distanzierter zum Geschehen könnte man auf Grund seiner griechischen Herkunft und dem Charakter seines Werkes einzig den griechischen Schriftsteller Plutarch bezeichnen. Doch sowohl er als auch Appian schreiben lange nach den wirklichen Ereignissen und können sich daher auch nur auf die römische Überlieferung stützen.
Im Folgenden soll untersucht werden, welche Eigenschaften die Quellen Sulla zuschreiben und welche Rolle diese bei seiner Machtergreifung spielten. Dabei sind besonders ergiebig Sallusts „Bellum Iugurthinum“, Die „Parallelbiographien“ von Plutarch und Appians „Römische Geschichte“.
Anschließend soll erörtert werden, welche Tendenzen es gab, die für die Einordnung der sullanischen Diktatur in einen historischen Prozess sprechen. Diese Arbeit orientiert sich dabei vor allem an dem Werk von Karl Christ „Sulla. Eine römische Karriere“.
2. Sulla als historischer Zufall
2.1. Sullas Persönlichkeit
In Bezug auf Sullas Herkunft sind sich Plutarch und Sallust einig. So schreiben ihm beide eine patrizische Abstammung zu.[5] Seine Familie scheint aber vor Sulla lange Zeit keine wichtigen Ämter inne gehabt zu haben.[6] Plutarch berichtet sogar, dass seine Vorfahren aus dem Senat verstoßen worden seien,[7] weshalb Lucius Cornelius unter ärmlichen Bedingungen aufwuchs und auch später als junger Mann nicht viel besaß, da ihm sein Vater nichts hinterlassen hatte. Er scheint, folgt man Plutarch, wenig Geld für Miete gehabt zu haben.[8]
Dennoch bekam Sulla von Hause aus eine große Bildung mit und wurde erzogen wie die „Gebildetsten“[9]. Das heißt, dass er griechische und lateinische Schriften kannte. Darüber hinaus soll er von sehr großer „Geisteskraft“[10] gewesen sein. Sallust beschreibt ihn als „beredt“ und „raffiniert“[11].
Später dann kam Sulla zu großem Reichtum. Schon nach dem Feldzug in Afrika brüstete er sich als vornehmer Mann.[12] Auch aus Erbschaften soll er ein großes Vermögen erhalten haben.[13] Mit Geld soll er nicht sparsam gewesen sein, er spendete viel,[14] lebte sehr ausschweifend und liebte den Genuss.[15] Er umgab sich mit Schauspielern und Komödianten, veranstaltete Saufgelage und hatte ein ausschweifendes Sexualleben.[16] In einem Punkt widersprechen sich hier Sallust und Plutarch. Während Sallust betont, dass diese Ausschweifungen ihn nicht von seinen Aufgaben abhielten[17], zweifelt Plutarch daran. Er sagt, dass Sulla manches vernachlässigte, was „seiner vollen Aufmerksamkeit bedurfte“[18].
[...]
[1] Zitat aus: Römische Geschichte. II. Berlin 1903, 373, in: Karl Christ, Sulla. Eine römische Karriere. München 2002, S. 132
[2] Sall. Cat. 11
[3] Sall. Cat. 5
[4] Vgl. Karl Christ, Sulla. Eine römische Karriere. München 2002, S. 156
[5] Sall. IugIug 95, 3; Plut. Sull. 1
[6] Vgl. Sall. Iug 95,3
[7] Vgl. Plut. Sull. 1
[8] Vgl. Plut. Sull. 1
[9] Sall. Iug 95,3
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Vgl. Plut. Sull. 1
[13] Vgl. Plut. Sull. 2
[14] Vgl. Sall. Iug 95,4
[15] Vgl. Sall. Iug 95,3
[16] Vgl. Plut. Sull. 2
[17] Vgl. Sall. Iug 95,3
[18] Plut. Sull. 2
- Quote paper
- Niko Pankop (Author), 2006, Sulla - Zufall oder Prozess?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65743
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