Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – das Grundgesetz – feierte 1999 bereits ihr 50-jähriges Bestehen und ist damit längst zu einem ‚dauerhaften Provisorium’ geworden. Einst als vorläufige Verfassung ins Leben gerufen, hat das Grundgesetz selbst die Zeitenwende 1989/91 überdauert, obwohl für den Fall der deutschen Wiedervereinigung ursprünglich die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vorgesehen war.
Aus der Retrospektive hat sich das Grundgesetz somit bewährt wie keine andere Verfassung der deutschen Geschichte. Dabei wird jedoch oftmals übersehen, unter welch schwieriger Konstellation das Grundgesetz entstanden ist: Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 übernahmen die alliierten Siegermächte die oberste Regierungsgewalt. An eine souveräne deutsche Staatlichkeit war erst mit Ausbruch des Kalten Krieges wieder zu denken. Angesichts wachsender Differenzen mit der Sowjetunion kamen die Westalliierten darin überein, einen eigenständigen westdeutschen Staat zu schaffen. Zur Ausgestaltung des Staatswesens machten diese der deutschen Seite allerdings etliche Vorgaben, so dass in der Folge mehrfach von einer aufoktroyierten Verfassung gesprochen wurde.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit sich dieser Vorwurf begründen lässt. Mangelt es dem Grundgesetz an demokratischer Legitimität, da ein Referendum über die Verfassung nie stattgefunden hat? Ist die föderative Ordnung der Bundesrepublik ein Produkt der Siegermächte, welches einen starken deutschen Zentralstaat verhindern sollte? War der Einfluss der Westalliierten auf die Entstehung des Grundgesetzes derart umfassend, dass dieses letztlich als eine diktierte Verfassung angesehen werden muss?
Ausgehend von dem alliierten Auftrag zur Weststaatsgründung wird in einem ersten Schritt die Entwicklung bis zum tatsächlichen Beginn der Beratungen über das Grundgesetz nachgezeichnet. Dabei werden die Rahmenbedingungen aufgezeigt, welche von den Siegermächten für eine deutsche Verfassung gesteckt wurden. Im zweiten Schritt wird die Einflussnahme der Westalliierten auf die laufenden Beratungen dargelegt und die Reaktion der deutschen Seite untersucht.
Ziel ist es, die Einwirkung der westlichen Siegermächte auf die verschiedenen Bereiche der Verfassung herauszustellen. Abschließend soll die Frage diskutiert werden, ob es sich beim Grundgesetz um eine oktroyierte Verfassung handelt, oder ob dieses vielmehr eine eindeutig deutsche Handschrift trägt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Von den Frankfurter Dokumenten zum Parlamentarischen Rat
- 2.1 Frankfurter Dokumente - Der Anstoß zur Weststaatsgründung
- 2.2 Koblenzer Beschlüsse – Die Reaktion der Ministerpräsidenten
- 2.3 Konferenz in Rüdesheim - Auf Kompromisssuche
- 2.4 Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee – Weichenstellung für den Weststaat
- 3. Die Arbeit des Parlamentarischen Rats und das Eingreifen der Alliierten
- 3.1 Die erste Einflussnahme – Das alliierte Schreiben vom 19. Oktober 1948
- 3.2 Memorandum der Alliierten vom 22. November 1948
- 3.3 Die Frankfurter Affäre und das alliierte Memorandum vom 17. Dezember 1948
- 3.4 Memorandum der Alliierten vom 2. März 1949
- 3.5 Das Einlenken der Alliierten und die Genehmigung des Grundgesetzes
- 4. Wie deutsch ist das Grundgesetz? (Schlussbetrachtung)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss der Westalliierten auf die Entstehung des Grundgesetzes. Sie beleuchtet, inwieweit die Westalliierten die Verfassungsgestaltung beeinflusst haben und ob der Vorwurf einer oktroyierten Verfassung gerechtfertigt ist. Die Arbeit analysiert die Entwicklung von den Frankfurter Dokumenten bis zur Genehmigung des Grundgesetzes.
- Die Rahmenbedingungen der Westalliierten für die deutsche Verfassungsgestaltung.
- Die Einflussnahme der Westalliierten auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates.
- Die Reaktion der deutschen Seite auf die alliierten Eingriffe.
- Die Frage nach der demokratischen Legitimität des Grundgesetzes.
- Die Rolle des Föderalismus im Kontext der alliierten Bedenken.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Entstehung des Grundgesetzes unter Besatzungsherrschaft ein. Sie stellt die Frage nach der demokratischen Legitimität des Grundgesetzes in den Mittelpunkt und thematisiert die Vorwürfe einer von den Westalliierten oktroyierten Verfassung. Es wird der Forschungsansatz skizziert und die zentralen Fragen der Arbeit formuliert, die sich mit dem Grad der alliierten Einflussnahme und der deutschen Eigenständigkeit bei der Verfassungsausarbeitung auseinandersetzen. Die Bedeutung der historischen Kontexte und die verwendeten Quellen werden ebenfalls erwähnt.
2. Von den Frankfurter Dokumenten zum Parlamentarischen Rat: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der politischen Situation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die zum Beschluss einer Weststaatsgründung führte. Es analysiert die Londoner Sechs-Mächte-Konferenz als formaler Ausgangspunkt und die Frankfurter Dokumente als konkreten Auftrag der Westalliierten an die deutschen Ministerpräsidenten zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Die Dokumente definieren grundlegende Prinzipien, wie föderale Struktur, Wahrung einer Zentralinstanz, individuelle Rechte und Freiheiten, sowie die alliierte Genehmigungsgewalt, welche die Grenzen der deutschen Souveränität aufzeigen.
2.1 Frankfurter Dokumente - Der Anstoß zur Weststaatsgründung: Dieses Unterkapitel beschreibt detailliert den Inhalt der Frankfurter Dokumente, die von den westalliierten Militärgouverneuren im Juli 1948 den Ministerpräsidenten überreicht wurden. Es wird die Aufforderung zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung sowie die verfassungsrechtlichen Vorgaben und die alliierte Kontrollgewalt analysiert. Die Dokumente betonen die Notwendigkeit einer demokratischen und föderalen Verfassung, lassen jedoch den alliierten Einfluss auf die Entscheidungsfindung und die endgültige Genehmigung deutlich werden, was den Spielraum für eine vollständig eigenständige deutsche Verfassungsgebung einschränkt. Die angeregte Länderneugliederung und das in Aussicht gestellte Besatzungsstatut werden ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Grundgesetz, Westalliierte, Besatzungsherrschaft, Parlamentarischer Rat, Frankfurter Dokumente, föderale Ordnung, demokratische Legitimität, oktroyierte Verfassung, alliierte Einflussnahme, deutsche Souveränität, Kalter Krieg, Weststaatsgründung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Entstehung des Grundgesetzes
Was ist der Gegenstand dieses Dokuments?
Dieses Dokument ist eine umfassende Vorschau auf eine wissenschaftliche Arbeit, die den Einfluss der Westalliierten auf die Entstehung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland untersucht. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der Kapitel und Schlüsselwörter.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit analysiert die Entstehung des Grundgesetzes von den Frankfurter Dokumenten bis zu seiner Genehmigung durch die Alliierten. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Ausmaß der alliierten Einflussnahme und der damit verbundenen demokratischen Legitimität des Grundgesetzes. Es werden die Rahmenbedingungen der Westalliierten, deren Einfluss auf den Parlamentarischen Rat, die Reaktionen der deutschen Seite sowie die Rolle des Föderalismus untersucht.
Welche Phasen der Entstehung des Grundgesetzes werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung von den Frankfurter Dokumenten (Juli 1948), über die Koblenzer Beschlüsse, die Konferenz in Rüdesheim und den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee bis zur Arbeit des Parlamentarischen Rates und der finalen Genehmigung des Grundgesetzes durch die Alliierten. Der Einfluss verschiedener alliierter Memoranden wird detailliert untersucht.
Welche Rolle spielten die Frankfurter Dokumente?
Die Frankfurter Dokumente, von den Westalliierten im Juli 1948 herausgegeben, bildeten den konkreten Auftrag an die deutschen Ministerpräsidenten zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Sie legten grundlegende Prinzipien fest (föderale Struktur, Zentralinstanz, individuelle Rechte und Freiheiten) und betonten gleichzeitig die alliierte Genehmigungsgewalt, die die Grenzen der deutschen Souveränität markierte.
Wie groß war der Einfluss der Alliierten auf den Parlamentarischen Rat?
Die Arbeit untersucht detailliert den Einfluss der Alliierten auf den Parlamentarischen Rat durch verschiedene Memoranden und Schreiben. Es wird analysiert, inwieweit die Alliierten die Beratungen beeinflusst haben und ob die Vorwürfe einer "oktroyierten Verfassung" gerechtfertigt sind. Die Reaktionen der deutschen Seite auf die alliierten Eingriffe werden ebenfalls beleuchtet.
Welche Frage nach der Legitimität wird in der Arbeit gestellt?
Ein zentrales Thema ist die Frage nach der demokratischen Legitimität des Grundgesetzes angesichts der starken alliierten Einflussnahme. Die Arbeit untersucht, inwieweit die Verfassung trotz der externen Einflüsse als demokratisch legitim betrachtet werden kann.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Grundgesetz, Westalliierte, Besatzungsherrschaft, Parlamentarischer Rat, Frankfurter Dokumente, föderale Ordnung, demokratische Legitimität, oktroyierte Verfassung, alliierte Einflussnahme, deutsche Souveränität, Kalter Krieg, Weststaatsgründung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, ein Kapitel über den Weg von den Frankfurter Dokumenten zum Parlamentarischen Rat (einschließlich Unterkapitel zu den einzelnen Phasen), ein Kapitel über die Arbeit des Parlamentarischen Rates und die Eingriffe der Alliierten, sowie eine Schlussbetrachtung zur "Deutschtütigkeit" des Grundgesetzes.
- Quote paper
- Florian Rühmann (Author), 2006, Verfassungsschöpfung unter Besatzungsherrschaft - Einflussnahme der Westalliierten auf die Entstehung des Grundgesetzes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65490