Die Sudetenkrise als geplante Eskalation


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

22 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Die Politik des Dritten Reichs gegenüber Der Tschechoslowakei 1933 – Ende 1937
2. Hitlers Eskalationspolitik von Ende 1937 – München
2.1 Allgemeine Lage um die Jahreswende 1937/1938
2.2 Anschluss Österreichs und seine Auswirkungen
2.3 Wochenendkrise
2.4 Englische Vermittlungsversuche und Septemberkrise

III. Zusammenfassung

IV. Quellenverzeichnis

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit behandelt Hitlers Eskalationspolitik während der von ihm ausgelösten Sudetenkrise. Es wird versucht darzustellen, dass seine Politik bezüglich der Tschechoslowakei von seinem Buch „Mein Kampf“ bis zur „Münchner Konferenz“ darauf hinausläuft diesen Staat zu zerstören. Die Zerstörung der Tschechoslowakei ist von Anfang an in seinem Plan vom „Lebensraum im Osten“ eingebaut. Sie sollte als Sprungbrett zu weiteren Operationen im Osten dienen. Das Minderheitenproblem der Sudetendeutschen benutze er nur um dieses Vorhaben zu verschleiern und später umzusetzen.

Der Zeitraum von seiner „Machtergreifung“ bis Ende 1937 wird nur kurz dargestellt, da er hier noch nicht viele Möglichkeiten hat, außenpolitisch gegen die Tschechei vorzugehen, sondern erst seine Macht im Innern Deutschlands festigen und ausbauen muss.

Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Zeitraum von Ende 1937 bis zur „Münchner Konferenz“. Nach einigen innen-, wie außenpolitischen Erfolgen ( Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, Einmarsch in das entmilitarisierte Ruhrgebiet usw.) gibt Hitler Mitte/Ende 1937 zum ersten Mal Weisungen, konkrete Pläne zur Zerschlagung der Tschechoslowakei auszuarbeiten.

Der erste Plan wird am 24. Juni1937 vorgelegt. Er ist ein Kriegsplan, der sowohl den Krieg im Westen („Fall Rot“), als auch einen Krieg im Osten gegen die Tschechoslowakei vorsieht („Fall Grün“). In seiner vierstündigen Rede vor Militärs am 5. November stellt er die Tschechoslowakei als strategisch wichtige Basis für weitere Operationen heraus. Mit seiner Rede vom 20. Februar 1938, dem Anschluss Österreichs und der daraus resultierenden guten militärischen Position und mehreren Überarbeitungen des „Fall Grün“, aufgrund neuer politischer Situationen, steigert sich diese Eskalation bis hin zur Krise im September. Hier weicht Hitler trotz eines drohenden Weltkrieges nicht von seiner Position ab.

Die zu dieser Arbeit verwendete Literatur, besteht hauptsächlich aus den „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“ und dem Buch von Ronald M. Smelser: Das Sudetenproblem und das Dritte Reich 1933-1938. In dieser Literatur sind viele Mitschriften von Reden, Weisungen und Plänen Hitlers, aber auch Chamberlains, der französischen und tschechischen Regierung, sowie der Diplomaten dieser vier hauptsächlich beteiligten Länder abgedruckt. Sie geben einen guten Eindruck über das Zusammenwirken der einzelnen Länder während dieser Zeit.

II. Hauptteil

1. Die Politik des Dritten Reichs gegenüber der Tschechoslowakei 1933 – Ende 1937

Die 1919 durch den Versailler Vertrag als Nationalstaat gegründete Tschechoslowakei hatte bis zur Machtergreifung Hitlers zwar kein freundliches, aber auch kein schlechtes Verhältnis zu Deutschland. Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen waren korrekt.[1] Mit der Machtergreifung Hitlers verschlechterten sich die Beziehungen der beiden Länder. Hitlers Plan vom „Lebensraum im Osten“ sah auch die Zerschlagung der Tschechoslowakei vor. Sie war das ideale Sprungbrett für die weiteren Eroberungen im Osten. Eine unzufriedene sudetendeutsche Bevölkerung erschien somit als willkommenes Werkzeug für seine aggressive Expansionspolitik. Aber noch war es nicht soweit. Hitler musste zuerst seine Machtposition im Innern sichern und gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten aufbauen, um ihnen seinen Friedenswillen vorzutäuschen. Daher „[...] waren die Volksdeutschen [zu diesem Zeitpunkt] für ihn eher ein Problem als eine willkommene Gelegenheit.“[2]

Mit dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund am 14. Oktober 1933, dem deutsch-polnischen Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag von Januar 1934 und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935, verschlechterte sich die außenpolitische Lage der Tschechoslowakei und das französische Bündnissystem wurde erheblich geschwächt.

1936 lief die antitschechoslowakische Propaganda in Deutschland an, die auf den tschechoslowakisch-sowjetischen Vertrag vom 16. Mai 1935 reagierte und die Tschechoslowakei „als Instrument der Verbreitung des >>Bolschewismus<< in Mitteleuropa [bezeichnete].“[3] Auch die Deutsche Diplomatie begann im gleichen Jahr sich mit der Sudetendeutschen Frage intensiver zu beschäftigen. Sie knüpfte engeren Kontakt zu Konrad Henlein, dem Führer der Sudetendeutschen Partei (SdP), der versuchte mit der tschechischen Regierung über die Lage der Sudetendeutschen zu verhandeln.

Hitler selbst gab erst 1937 konkrete Weisungen Pläne zur Zerschlagung der Tschechoslowakei auszuarbeiten, obwohl diese Zerschlagung, Zerschmetterung und Vernichtung eins seiner politischen Nahziele seit der Machtergreifung war.

Am 24. Juni 1937 wurden in der vom Reichskriegsminister von Blomberg vorgelegten „Weisung für die einheitliche Kriegsführung“ zwei Kriegspläne vorgestellt: „Fall Rot“ und „Fall Grün“. Fall Rot sah den Kampf im Westen vor, wohingegen Fall Grün einen Überfall in südöstlicher Richtung vorsah:

„Das Endziel besteht in einem planmäßig im Frieden vorbereiteten strategischen Überfall der Tschechoslowakei, der ... in Ausnutzung der völkischen Zersplitterung die Tschechoslowakei in kurzer Zeit zum Erliegen bringt.“[4]

Hier sieht man auch, dass es Hitler nicht um die Situation der sudetendeutschen Minderheit ging, sondern dass er dieses Problem zur Zerschlagung der Tschechoslowakei nutzte.

In seiner vierstündigen Rede vom 5.November 1937, die uns heute als sogenannte „Hoßbach“-Niederschrift vorliegt, vor dem Reichkriegs- und Reichsaußenminister und den Oberbefehlshabern der Teilstreitkräfte, legte Hitler deutlich seine Ziele gegenüber der Tschechoslowakei dar:

„Zur Verbesserung unserer militärpolitischen Lage müsse in jedem Fall bei einer kriegerischen Verwicklung unser erstes Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten.“[5]

2. Hitlers Eskalationspolitik von Ende 1937 - München

2.1 Allgemeine Lage um die Jahreswende 1937/1938

Am 19.11.1937 erhielt Hitler einen Brief von Konrad Henlein, in dem stand, dass „ eine Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen in der Tschechoslowakei praktisch unmöglich und eine Lösung der sudetendeutschen Frage nur vom Reiche her denkbar sei.“[6]

Weiterhin schrieb er:

„Die SdP-Führung wolle ihre Politik in Übereinstimmung mit der des Reiches bringen und Faktor der nationalsozialistischen Reichspolitik sein. Die SdP bekenne sich zum Nationalsozialismus [...]. Die SdP ersehne innerlich nichts mehr als die Einverleibung des sudetendeutschen Gebiets, ja des ganzen böhmisch-mährisch-schlesischen Raumes in das Reich.“[7]

Am gleichen Tag besuchte Lord Halifax, Lord President of the Council in Neville Chamberlains Regierung, Hitler in Berlin. Halifax machte Hitler klar, dass England Veränderungen in Mitteleuropa hinnehmen würde, solange keine Gewalt angewendet würde. Besonders betonte er dabei Danzig, Österreich und die Tschechoslowakei. Hitler merkte, dass er jetzt einen Spielraum für territoriale Forderungen hatte, ohne Krieg führen zu müssen. Auch nur die Androhung von Gewalt würde genügen um die Verhandlungen in die richtige Richtung zu lenken, da England wohl entschlossen war einen militärischen Konflikt zu vermeiden.

Das englische Interesse an der Sudetendeutschen Frage ist zurückzuführen auf die Internationalisierung dieser Frage. Henlein reiste schon 1935 nach London und schaffte es die englische Regierung für das Problem zu gewinnen. Der Besuch Halifax war also nicht das erste Eingreifen der Engländer, wohl aber bis dahin bedeutenste.

Hitler hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Er konnte das Problem auf friedliche Art und Weise lösen wie es Halifax und der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker verlangten, oder das Problem würde auf kriegerische Art gelöst, wie es sein radikaler Außenminister Ribbentrop forderte. Im Dezember 1937 und Anfang 1938 brachte Hitler den militärischen und außenpolitischen Apparat durch Entlassungen und „Beseitigungen“ von Konservativen und Gegnern mehr unter seine Kontrolle und stärkte die radikale Seite. Der Kurs war gesetzt.

Am 20. Februar 1938 hielt Hitler im Reichstag eine Rede, die im Ausland wie eine Bombe einschlug:

„[...]Allein zwei der an unseren Grenzen liegenden Staaten umschließen eine Masse von über zehn Millionen Deutschen. [...] Sie sind gegen ihren eigenen Willen durch die Friedensverträge an einer Vereinigung mit dem Reiche verhindert worden.“[8]

Außerdem „[hätte] Deutschland in Europa eine Mission, die 80 Millionen Deutschen zu einer Nation zu vereinen, welche Deutschland zum Herren Europas machen würde.“[9]

Der französische Ministerpräsident Chautemps war über die Offenheit dieser Rede entsetzt: „Jetzt wäre es gewiß, daß Hitler beide, die Österreicher und die Deutschen der Tschechoslowakei, dem Reich einzuverleiben gedenkt.“[10]

Der tschechische Außenminister bemerkte nach der Rede, dass es Hitler „um die Hegemonie Deutschlands über Mitteleuropa geht.“[11]

2.2 Anschluss Österreichs und seine Auswirkungen

Am 12. März 1938 war es dann soweit, Teile der deutschen Wehrmacht überschritten die Grenze nach Österreich. Dieser Einmarsch, der durch eine Volksabstimmung zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich führte, zeigte jetzt aber deutlich, dass Hitler seine Vorhaben, die er am 20. Februar in seiner Rede verkündet hatte, wahrmachte. „ Österreich fiel heim ins Reich.“[12]

Die internationalen Reaktionen auf den Anschluss waren enorm. Unter der sudetendeutschen Bevölkerung rief der Anschluss eine hysterische Reaktion hervor, da ihr Nationalismus schon entflammt war. Gerüchte, dass sie die nächsten auf der Liste seien und dass Hitler sie zu Ehren seines Geburtstages am 20. April auch „heimführen“ werde, machten die Runde.

Die tschechoslowakische Regierung war wohl am meisten beunruhigt, da sie befürchtete, dass ihr Land als nächstes an der Reihe sei. Göring erklärte aber noch in der Nacht des 12. März dem tschechischen Botschafter Mastny, dass es sich bei dem Einmarsch um eine „deutsche Familienangelegenheit“ handele und er sich keine Sorgen machen müsse, da Deutschland seine Politik zur Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen fortsetzten wolle. Eine glatte Lüge, da er kurz darauf dem ungarischen Botschafter erklärte, dass die Tschechoslowakei später an die Reihe komme.[13] Ungarn stellte nämlich genauso wie Polen Revisionsforderungen an die Tschechoslowakei.

Die tschechischen Befürchtungen waren auch nicht von der Hand zu weisen. Hitler hatte in seiner Rede erklärt, dass er alle Deutschen vereinen wolle. Außerdem waren jetzt die tschechischen Grenzbefestigungen an der tschechisch-deutschen Grenze nutzlos, da Hitler sie einfach über Österreich umgehen konnte. So musste am Nachmittag des Anschlusses Freiherr von Neurath dem besorgten tschechoslowakischen Gesandten mitteilen:

„1. Die in Gang befindliche Aktion in Österreich richte sich in keiner Weise gegen die Tschechoslowakei.
2. Die in Österreich einmarschierten deutschen Truppen seien angewiesen, sich mindestens 15-30 km von der tschechischen Grenze fernzuhalten.
3. Der Führer hoffe, daß die Beziehungen zwischen der Tschechei und Deutschland sich weiter bessern, Voraussetzung sei allerdings, daß die Tschechische Regierung mehr Verständnis für die 3 1/2 Millionen Deutsche in der Tschechoslowakei aufbringe.“[14]

Für den tschechoslowakischen Gesandten Osusky war das Minderheitenproblem aber nur ein Vorwand für die Isolierung und Zerschlagung der Tschechoslowakei.

[...]


[1] Die Tschechoslowakei schloss 1924 einen Vertrag mit Frankreich und 1925 einen Vertrag mit Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegen den ungarischen Revisionismus. Diese Verträge gliederten die Tschechoslowakei in das französische Bündnissystem ein, welches vor Deutschland schützen sollte. Außerdem wurden den ca. 3,5 Mio. Deutschen in der Tschechoslowakei die sogenannte „Verschweizerung“, die Staatspräsident Benes versprochen hatte und die Bestimmungen der Minderheitenschutzverträge vorenthalten.

[2] Smelser, Ronald M.: Das Sudetenproblem und das Dritte Reich 1933-1938. Von der Volkstumspolitik zur Nationalsozialistischen Außenpolitik. München (u.a.) 1980. Seite 15

[3] Novak, Otto: Die Politik der CSR gegenüber dem Deutschen Reich und den deutschen Demokraten ab 1933. In: München 1938. Das Ende des alten Europa. Seite 181

[4] Hoensch, Jörg K.: Die Politik des nationalsozialistischen Deutschen Reiches gegenüber der Tschechoslowakischen Republik 1933-1938. In: München 1938. das Ende des alten Europa. Seite 200

[5] Nittner, Ernst: Dokumente zur Sudetendeutschen Frage 1916-1967. München 1967. Seite 171.

[6] Funke, Manfred (Hrsg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches. Düsseldorf 1976. Seite 510.

[7] Ebd., Seite 511

[8] Nittner, Ernst: Dokumente zur Sudetendeutschen Frage 1916-1967. München 1967. Seite 180

[9] Rönnefarth, Helmut K. G.: Die Sudetenkrise in der internationalen Politik, Teil I. Entstehung, Verlauf, Auswirkung. Wiesbaden 1961. Seite 196

[10] Ebd., Seite 197

[11] Ebd., Seite 198

[12] Deist, Wilhelm (u.a.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band I: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Stuttgart 1979. Seite 636

[13] Vgl.: Funke, Manfred (Hrsg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches. Düsseldorf 1976. Seite 511-512

[14] ADAP, D, II, Nr. 78

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Die Sudetenkrise als geplante Eskalation
Université
Johannes Gutenberg University Mainz
Note
2,0
Auteur
Année
2002
Pages
22
N° de catalogue
V65483
ISBN (ebook)
9783638580403
ISBN (Livre)
9783656335337
Taille d'un fichier
497 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sudetenkrise, Eskalation
Citation du texte
Matthias Wies (Auteur), 2002, Die Sudetenkrise als geplante Eskalation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65483

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