Das Ende des Kalten Krieges leitete grundlegende Veränderungen im internationalen System ein und stellte die Welt vor neue Herausforderungen. Dennoch fand die USA als einzige verbliebene Supermacht lange Zeit nicht zu einer Neuformulierung ihrer außen- und sicherheitspolitischen Strategie. Erst die Katastrophe des 11. Septembers 2001 führte zu einem Strategiewechsel der USA, der seinen Niederschlag in der National Security Strategy of the United States of America (im folgenden NSS) vom September 2002 fand.
Diese veränderten weltpolitischen Anforderungen, und die innereuropäische Auseinandersetzung über den Irak-Krieg, gaben den Anstoß sich auch in Europa eingehender mit den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Das Resultat war die Konzeption einer Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS), womit die Europäische Union zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Versuch unternahm ein gemeinsames sicherheitsstrategisches Konzept zu entwickeln.
In dieser Arbeit sollen beide Sicherheitsstrategien vorgestellt und anschließend miteinander verglichen werden. Schwerpunktmäßig werde ich mich mit der Europäischen Sicherheitsstrategie befassen und untersuchen, welche Bedeutung das Dokument für die Weiterentwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik hat. Eine Skizze der wichtigsten Etappen der Entwicklung europäischer Außen- und Sicherheitspolitik erscheint mir in diesem Zusammenhang als notwendig.
Die ESS ist nur im Kontext mit der Diskussion um die amerikanische Strategie und dem Irak-Krieg zu verstehen. Zudem diente die NSS bei der Konzeption des europäischen Sicherheitskonzepts als wichtiger Bezugspunkt. Im Hinblick auf den Vergleich beider Strategien halte ich es daher für sinnvoll die Kerninhalte der NSS ebenfalls darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik
2.1 Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)
2.2 Der Vertrag von Maastricht und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
2.3 Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP): Der Durchbruch in der europäischen Sicherheitspolitik
3. Die Europäische Sicherheitsstrategie
3.1 Warum braucht die EU eine Sicherheitsstrategie?
3.2 Grundlegung und Inhalt der Strategie
3.2.1 Bedrohungsperzeption der ESS (1.Kapitel)
3.2.2 Die strategischen Ziele der ESS (2.Kapitel)
3.2.3 Auswirkungen dieser Zielsetzung auf die europäische Politik (3.Kapitel)
3.3 Reaktionen auf die Europäische Sicherheitsstrategie
4. Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bush-Administration
4.1 Einführung
4.2 Kerninhalte der Strategie
5. Vergleich der Europäischen Sicherheitsstrategie mit der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA
5.1 Aufbau
5.2 Selbstverständnis
5.3 Wertgrundlagen
5.4 Bedrohungsperzeption
5.5 Strategische Zielsetzung
5.6 Handlungsprinzipien
5.7 Transatlantische Beziehungen
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
Anhang: Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA in deutscher Übersetzung (Seitenzahlen wurden zugefügt)
1. Einleitung
Das Ende des Kalten Krieges leitete grundlegende Veränderungen im internationalen System ein und stellte die Welt vor neue Herausforderungen. Dennoch fand die USA als einzige verbliebene Supermacht lange Zeit nicht zu einer Neuformulierung ihrer außen- und sicherheitspolitischen Strategie. Erst die Katastrophe des 11. Septembers 2001 führte zu einem Strategiewechsel der USA, der seinen Niederschlag in der National Security Strategy of the United States of America (im folgenden NSS) vom September 2002 fand.[1]
Diese veränderten weltpolitischen Anforderungen, und die innereuropäische Auseinandersetzung über den Irak-Krieg, gaben den Anstoß sich auch in Europa eingehender mit den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Das Resultat war die Konzeption einer Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS), womit die Europäische Union zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Versuch unternahm ein gemeinsames sicherheitsstrategisches Konzept zu entwickeln.[2]
In dieser Arbeit sollen beide Sicherheitsstrategien vorgestellt und anschließend miteinander verglichen werden. Schwerpunktmäßig werde ich mich mit der Europäischen Sicherheitsstrategie befassen und untersuchen, welche Bedeutung das Dokument für die Weiterentwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik hat. Eine Skizze der wichtigsten Etappen der Entwicklung europäischer Außen- und Sicherheitspolitik erscheint mir in diesem Zusammenhang als notwendig. Auf der Grundlage dieser Darstellung werde ich die wesentlichen Ursachen für die Konzeption der ersten Sicherheitsstrategie der EU erläutern, bevor ich die wesentlichen Inhalte des Dokuments vorstelle und beleuchte. Hiervon ausgehend sollen Reaktionen auf die ESS genannt und inhaltliche Defizite aufgezeigt werden.
Die ESS ist nur im Kontext mit der Diskussion um die amerikanische Strategie und dem Irak-Krieg zu verstehen. Zudem diente die NSS bei der Konzeption des europäischen Sicherheitskonzepts als wichtiger Bezugspunkt. Im Hinblick auf den Vergleich beider Strategien halte ich es daher für sinnvoll die Kerninhalte der NSS ebenfalls darzustellen.
Im abschließenden Vergleich werde ich die wichtigsten Merkmale beider Strategien gegenüberstellen und versuchen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede unter folgenden Gesichtspunkten herauszuarbeiten:
- Aufbau
- Selbstverständnis von USA und EU über ihre Rolle im internationalen System
- Wertgrundlagen
- Bedrohungsperzeption
- Strategische Zielsetzung
- Handlungsprinzipien
- Transatlantische Beziehungen
Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Strategie der EU auf eigenen sicherheitspolitischen Perspektiven beruht, zumal ihr vorgeworfen wurde, dass sie zu viele Aspekte aus der NSS übernimmt, anstatt rein europäische zu formulieren.[3]
2. Die Entwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik
2.1 Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)
Die Bemühungen den europäischen Mitgliedsstaaten in der Außen- und Sicherheitspolitik eine einheitliche Stimme zu geben begannen zeitgleich mit der europäischen Integration selbst. Sehr bald wurde jedoch deutlich, dass der Weg dorthin von zahlreichen Hindernissen gesäumt ist.
Beruhend auf den Erfahrungen des 2.Weltkrieges ist die Geschichte der europäischen Integration vor allem als ein Friedensprojekt zu begreifen. Der erste Integrationsschritt bestand in der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), sowie der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM), wobei die wirtschaftliche Integration der Mitgliedsstaaten zunächst im Vordergrund stand.[4]
Der erste Schritt auf dem Weg zur Etablierung einer sicherheits- und verteidigungspolitischen Integrationskomponente wurde 1950 mit dem Pleven-Plan unternommen. Dieser sah die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vor, die in gemeinschaftlicher Führung über eine europäische Armee verfügen sollte. Obwohl der Vertrag über die EVG bereits von den meisten Regierungen Europas unterzeichnet wurde, trat dieser aufgrund des Vetos der französischen Nationalversammlung nicht in Kraft. Frankreich strebte eine Vermittlerfunktion zwischen beiden Blöcken an und stand daher einer westlich-europäischen Integration kritisch gegenüber. Zudem befürchtete die französische Regierung ein militärisches Widererstarken Deutschlands.[5] Eine zweite Chance sah man in der Einrichtung einer politischen Union (Europäische Politische Gemeinschaft) mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik, die Anfang der 60er Jahre im Rahmen der Fouchet-Pläne diskutiert wurde. Aber auch dieses Vorhaben scheiterte aufgrund von Vorbehalten einiger Nationalstaaten gegenüber einem Souveränitätsverzicht.[6]
Ein Großteil der EU-Mitgliedsstaaten teilte die Überzeugung, dass eine gemeinschaftliche europäische Politik nach dem 2.Weltkrieg notwendig für das Entstehen einer europäischen Friedensordnung sei und Europa nur auf diesem Weg in politischer, wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem konkurrenzfähigen Akteur der internationalen Beziehungen werden könnte. Dennoch sollte die Furcht der Mitgliedsstaaten vor einem weit reichenden Verlust ihres nationalstaatlichen Handlungsspielraumes zu einem symptomatischen Aspekt für die weitere Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werden. Während dieser Zeit entwickelte sich die NATO zur primären Sicherheits- und Verteidigungsinstitution in Europa, und das Ziel einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft rückte in weite Ferne.[7]
Nach diesem zweifachen Scheitern konnte die europäische Gemeinschaft 1970 einen ersten Erfolg bei der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik verzeichnen. Auf der Grundlage des Davignon-Berichts wurde die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) gegründet, womit sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten verpflichteten sich gegenseitig über ihre außenpolitischen Positionen zu informieren und diese soweit wie möglich aneinander anzugleichen, bzw. zu harmonisieren. Zunächst stellte die EPZ ein rein informelles Verfahren dar, in der sich die außenpolitische Zusammenarbeit auf Entscheidungen beschränkte, die im Konsens der Mitgliedsstaaten getroffen wurden. In den folgenden Jahren nach der Gründung der EPZ wurde diese durch die Einrichtung eigener politischer Institutionen weiterentwickelt und schließlich 1987 im Rahmen der ‚Einheitlichen Europäischen Akte’ formell im Vertragswerk der Gemeinschaft verankert. Zudem wurde die EPZ, die sich zunächst auf außenpolitische Fragen beschränkte, inhaltlich um den Aspekt der Sicherheitspolitik erweitert. Jedoch führte auch dieser Schritt nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Strukturen der europäischen Zusammenarbeit. Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik blieb weiterhin abhängig vom Konsens zwischen den Regierungen der Mitgliedsstaaten, wobei sehr unterschiedliche nationale Interessen und Bündnisse zwischen den Mitgliedsstaaten oftmals eine einheitliche Position verhinderten. Auch wenn unter der EPZ eine Intensivierung der zwischenstaatlichen Kontakte erreicht werden konnte, reichte dies nicht aus um die Gemeinschaft als ernstzunehmenden internationalen Akteur zu etablieren.[8]
2.2 Der Vertrag von Maastricht und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Die eher bescheidene politische Bilanz der EPZ und die einschneidenden außen- und sicherheitspolitischen Veränderungen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes ließen schließlich eine Neuorientierung der europäischen Außenpolitik notwendig erscheinen. Ausgelöst durch die Militäraktion der Vereinten Nationen gegen die irakischen Besatzungstruppen in Kuwait, und die durch den Krieg in Ex-Jugoslawien gewonnene Erkenntnis, dass die europäische Gemeinschaft noch nicht in der Lage war solche Krisensituationen ohne die militärische Unterstützung der USA zu bewältigen, verfolgten Deutschlands Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Präsident Francois Mitterand eine sicherheitspolitische und wirtschaftliche Stärkung der europäischen Gemeinschaften. Als Folge der deutsch-französischen Bemühungen entschloss man sich 1991 zu einem außenpolitischen Neubeginn und eröffnete die Regierungskonferenz zur Schaffung einer Europäischen Politischen Union. Am 7. Februar 1992 wurde der Vertrag über die Europäische Union, der so genannte Vertrag von Maastricht, vom Europäischen Rat unterzeichnet und trat am 1.11.1993 in Kraft, und stellt die bis dahin größte Änderung der Verträge seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft dar.[9]
Im Vertrag von Maastricht wurde auch die EPZ durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ersetzt und als zweite Säule der Europäischen Union eingeführt, wodurch ein erster Rahmen für die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten definiert wurde. Die konkreten Aufgaben der GASP waren der Einsatz für Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, die Wahrung der Interessen und Werte der Europäischen Union, sowie die Stärkung der europäischen und internationalen Sicherheit. Im Gegensatz zu dieser Neuorientierung im Bereich der Aufgaben und Ziele kam es in der GASP in Bezug auf Verfahren und Institutionen jedoch nicht zu einer wirklichen Veränderung gegenüber den Strukturen der EPZ. Nach wie vor blieb die Entscheidungsgewalt in der Hand der Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen damit sehr eingeschränkt.[10] Auch sah der Vertrag keine eigenständigen militärischen Fähigkeiten der EU vor, sondern übertrug die Umsetzung sicherheitspolitischer Aufgaben auf Einrichtungen der Westeuropäischen Union (WEU). Die WEU war ein Verteidigungsbündnis das kurz nach dem 2.Weltkrieg gegründet wurde. Während des Kalten Krieges hatte es keine militärische Rolle gespielt und fungierte lediglich als sicherheitspolitische Reserveorganisation. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die WEU im Rahmen einer sich vertiefenden europäischen außen-und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zu einem Instrument für militärische Aufgaben der EU umgestaltet.[11]
Ein wichtiger Fortschritt zu einer einheitlichen Haltung der EU in außen- und sicherheitspolitischen Fragen gelang 1992 mit der Verabschiedung der so genannten „Petersberg-Aufgaben“ durch die WEU. Dieser Aufgabenkatalog umfasst Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, humanitäre und friedenserhaltende Aufgaben, sowie Rettungseinsätze. Mit diesem Schritt begann auch die zunehmende Verzahnung von WEU und GASP.
Mit dem Amsterdamer Vertag von 1997 wurden die „Petersberg-Aufgaben“ in die GASP integriert und die WEU zu einem „integralen Bestandteil der Entwicklung der Union“[12] erhoben. Zudem wurde im Vertrag von Amsterdam die Schaffung des Amtes eines Hohen Vertreters für die GASP verankert, das erstmals durch den ehemaligen Generalsekretär der NATO, Javier Solana, am 18.Oktober 1999 besetzt wurde, und einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung und Durchführung sicherheitspolitischer Entscheidungen im Bereich der GASP liefern soll. Darüber hinaus errichtete man eine Strategieplanungs- und Frühwarneinheit, die unter der Führung des Hohen Vertreters für die Erstellung außen- und sicherheitspolitischer Analysen zuständig ist.[13]
2.3 Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP): Der Durchbruch in der europäischen Sicherheitspolitik
Trotz des Ausbaus der GASP konnten im Bereich der europäischen Sicherheitspolitik zunächst keine Fortschritte erzielt werden, da Großbritannien eine Beteiligung an Gemeinschaftsinitiativen im Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik verweigerte. Erst unter den Eindrücken der Vorgänge im Kosovo und des Balkankrieges kamen die beiden militärpolitisch stärksten EU-Staaten Frankreich und Großbritannien zu der Überzeugung, dass die Union mit Fähigkeiten ausgestattet werden müsse, die es ihr erlauben im Rahmen internationaler Krisen auch militärisch eigenständig und erfolgreich handeln zu können. Auf der Grundlage dieser Einigung beschloss der Europäische Rat in Köln 1999 den Aufbau einer eigenständigen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), womit ein Durchbruch in der europäischen Sicherheitspolitik erzielt wurde. Bereits wenige Monate später unternahm man durch die „Festlegung militärischer Zielvorgaben für die ESVP“[14] erste Anstrengungen zur Realisierung dieses Beschlusses.[15] Auf dem Europäischen Rat von Helsinki verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten im Rahmen des „EU Headline Goal“ zu dem Ausbau militärischer Kapazitäten, der die Erfüllung der „Petersberg-Aufgaben“ in eigener Regie ermöglichen sollte. Bis zum Jahr 2003 sollte die EU in der Lage sein bei internationalen Missionen Streitkräfte in einer Stärke von insgesamt 60.000 Soldaten innerhalb von 60 Tagen zu verlegen und eine entsprechende Mission für die Dauer von mindestens einem Jahr aufrechtzuerhalten. Im zivilen Bereich der ESVP nahm man sich vor im gleichen Zeitraum bis zu 5.000 Polizeikräfte, von denen 1.000 innerhalb von 30 Tagen einsatzbereit sein sollten, in einem Krisengebiet stationieren zu können.[16]
Im Vertrag von Nizza im Jahr 2000 wurden die in Helsinki vereinbarten sicherheitspolitischen Richtlinien vertraglich festgelegt und die ESVP als formeller Teil in die GASP integriert. Nachdem im Zuge der Erweiterung die EU nicht nur größer, sondern auch heterogener wurde, war das erklärte Ziel des Vertrages den Entscheidungsprozess der GASP flexibler zu gestalten. Zu diesem Zweck führte man das Verfahren der „verstärkten Zusammenarbeit“ ein. Während die im Amsterdamer Vertrag festgelegten Bestimmungen forderten, dass eine "Avantgarde-Gruppe"[17] aus der Mehrheit der EU-Mitglieder bestehen muss, um gemeinsame Aktionen im Rahmen der GASP durchzuführen, wurde diese Mindestanzahl mit dem neuen Verfahren auf acht Staaten begrenzt. Zudem legte der Vertrag fest, dass gegen die Begründung einer verstärkten Zusammenarbeit kein Veto mehr eingelegt werden könnte. Jedoch blieben militärische und verteidigungspolitische Fragen von der Anwendung ausgenommen.[18]
Zusammenfassend kann man festhalten, dass auch der Vertag von Nizza keine grundlegenden Veränderungen zu Gunsten einer besser funktionierenden GASP brachte, zumal das Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit bis heute nicht zum Einsatz gekommen ist. Dennoch gelang es der EU mit den erreichten sicherheitspolitischen Vereinbarungen der letzten Jahre und dem Aufbau der ESVP eine gewisse Eigenständigkeit zu entwickeln, was durch die ersten Einsätze und die damit einhergehende Erfüllung des EU Headline Goal deutlich wurde.[19]
Der erste Einsatz der ESVP erfolgte im nicht-militärischen Bereich mit der „European Union Police Mission“ (EUPM) im Januar 2003. Die EU löste die UNO-Polizeimission in Bosnien-Herzegowina ab und unterstützte die Polizei von Bosnien und Herzegowina beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen. Noch im selben Jahr gelang der EU die Durchführung der ersten militärischen Operation, auch wenn dieser Einsatz noch mit Unterstützung der Planungs- und Logistikkapazitäten der NATO durchgeführt wurde. Unter dem Namen „Operation Concordia“ löste die EU die NATO Mission „Allied Harmony“ ab, und übernahm damit die militärische Leitung in Mazedonien. Schließlich erfolgte im Juni 2003 mit der „Operation Artemis“ in der nordostkongolesischen Provinz Ituri die erste eigenständige Militärmission der ESVP (außerhalb Europas).[20] Der bislang größte militärische Einsatz der EU gelang im Dezember 2004 mit der Ablösung der NATO geführten SFOR (Stabilization Force) in Bosnien Herzegowina durch die Nachfolgemission „Althea.“ Mit diesen Einsätzen wurden erste Schritte unternommen um die ESVP, die sich bisher überwiegend mit institutionellen Fragen beschäftigte, in die Praxis umzusetzen. Zudem konnte die Abhängigkeit der EU von den USA bei der Krisenbewältigung reduziert werden.[21]
[...]
[1] Vgl. Jäger/ Höse/ Oppermann 2005, Vorwort, S.7
[2] Vgl. Frank /Gustenau/ Reiter: Anmerkungen zum Entwurf einer Europäischen Sicherheitsstrategie, online im Internet: <http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/stran133.pdf>, 2003 [zugegriffen am 28.09.2006], S.3
[3] Schwarz 2003, S.3
[4] Vgl. Riemer/ Hauser 2005, S.90
[5] Vgl. Jasper 2004, S.1
[6] Vgl. Flechtner, Stefanie: Neue Impulse in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: Der Verfassungsentwurf des Konvents und die Sicherheitsstrategie von Solana, S.1 f, online im Internet: <http://library.fes.de/pdf-files/id/01969.pdf>, Dezember 2003
[7] Vgl. Jasper, Ulla: Die Gemeinsame Außen und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, online im Internet: <http://weltpolitik.net/print/408.html>, 2004, S.1f
[8] Vgl. Flechtner 2003, S.3
[9] Vgl. Riemer/Hauser 2005, S.90f
[10] Vgl. Flechtner 2003, S.3f
[11] Vgl. Jasper 2004, S.3
[12] Flechtner 2003, S.4
[13] Vgl. Thränert, Oliver: Europa als Militärmacht? Perspektiven der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, online im Internet: <http://library.fes.de/fulltext/id/00992.htm>, Berlin/Bonn 2000 [zugegriffen am 10.10.2006]
[14] Flechtner 2003, S.4
[15] Vgl. Flechtner 2003, S.4
[16] Vgl. Jasper 2004, S.3
[17] Schwarz 2004: Der Vertrag von Nizza; online im Internet: http://www.europreden.de/info/nizza.htm:vertrag
[18] Vgl. Schwarz 2004
[19] Vgl. Flechtner 2003, S.5
[20] Vgl. Riemer/Hauser 2005, S. 91
[21] Schwarz 2003, S.7
- Quote paper
- Markus Mikikis (Author), 2006, Entwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65362
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