Interkulturelle Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unserer Welt geworden. Es ist schon lange nicht mehr nur die Tourismusbranche, die Einwohner verschiedener Länder miteinander in Kontakt bringt. Vielmehr spielt auch die zunehmende Globalisierung und die damit einhergehenden Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Länder eine Rolle. Und nicht zuletzt sorgt die Zahl der Migranten dafür, dass es im Alltag immer wieder zu interkulturellen Kommunikationssituationen kommt.
Aus diesem Grund ist es wichtig, interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, d.h. zu lernen, welche Besonderheiten sich für die interkulturelle Kommunikation ergeben, welche Schwierigkeiten auftreten können und wie man mit diesen umgehen kann.
Einen Ansatz, diese Kompetenz zu entwickeln, bildet das Trainingsmodul „Linguistic Awareness of Cultures“ (LAC) von Bernd Müller-Jacquier, das im folgenden ersten Teil dieser Arbeit vorgestellt und mit anderen Trainingsansätzen verglichen werden soll. Den zweiten Teil bildet die Anwendung des LAC-Modells auf konkrete Kommunikationssituationen sprachlicher Minderheiten in deutschen Behörden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Interkulturelle Kommunikation
2. Das Trainingsmodul „Linguistic Awareness of Cultures“ (LAC)
2.1 Kriterienraster zur Analyse von Kommunikationsabläufen
3.1 Critical Incidents
3.2 Culture Assimilator
3.3 Das LAC-Modul im Vergleich mit der Critical Incident Technique und dem Culture Assimilator
4. Das LAC-Modell in der Anwendung: Behördenkommunikationen
4.1 Hinnenkamp (1985): Interaktion in Behörden
4.2 Rost-Roth (1994): Interkulturelle Kommunikation in Beratungen
4.3 Rehbein (1994): Interkulturelle Arzt-Patient-Kommunikation
Verschiedene Ausschnitte von Gesprächen zwischen einem deutschen Arzt (A) mit einer türkischen Patientin (P), die unter schwerem Diabetes leidet
1. Einleitung: Interkulturelle Kommunikation
Interkulturelle Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unserer Welt geworden. Es ist schon lange nicht mehr nur die Tourismusbranche, die Einwohner verschiedener Länder miteinander in Kontakt bringt. Vielmehr spielt auch die zunehmende Globalisierung und die damit einhergehenden Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Länder eine Rolle. Und nicht zuletzt sorgt die Zahl der Migranten dafür, dass es im Alltag immer wieder zu interkulturellen Kommunikationssituationen kommt.
Aus diesem Grund ist es wichtig, interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, d.h. zu lernen, welche Besonderheiten sich für die interkulturelle Kommunikation ergeben, welche Schwierigkeiten auftreten können und wie man mit diesen umgehen kann.
Einen Ansatz, diese Kompetenz zu entwickeln, bildet das Trainingsmodul „Linguistic Awareness of Cultures“ (LAC) von Bernd Müller-Jacquier, das im folgenden ersten Teil dieser Arbeit vorgestellt und mit anderen Trainingsansätzen verglichen werden soll. Den zweiten Teil bildet die Anwendung des LAC-Modells auf konkrete Kommunikationssituationen sprachlicher Minderheiten in deutschen Behörden.
2. Das Trainingsmodul „Linguistic Awareness of Cultures“ (LAC)
Wie oben erwähnt, spielt der Erwerb interkultureller Kompetenz für verschiedene Kommunikationssituationen eine große Rolle. Wie wir an anderer Stelle noch sehen werden, gibt es verschiedene Ansätze für den Erwerb bzw. die Vermittlung von interkultureller Kompetenz.
Die Besonderheit des LAC-Modells von Müller-Jacquier lässt sich grob folgendermaßen charakterisieren: Analysiert man eine interkulturelle Kommunikationssituation, so sollte dies zuerst unter kommunikationswissenschaftlichen bzw. linguistischen Aspekten geschehen – und erst im zweiten Schritt eine psychologische Ausrichtung berücksichtigen. Geschieht dies nicht, „basieren psychologische Analysen interkultureller Situationen trotz empirisch korrekter Analyse auf falschen Zuschreibungen von Handlungsintentionen und laufen Gefahr, systematisch „falsches Bewußtsein“ (Picht 1987) über erlebte interkulturelle Situationen zu erheben.“ (Müller-Jacquier 2000[1] ). Beispiele für diese These finden sich im nächsten Abschnitt, der ein Kriterienraster zur Analyse von Kommunikationsabläufen vorstellt.
Zunächst soll aber kurz noch näher auf die Besonderheiten des LAC-Moduls eingegangen werden. Müller-Jacquier selbst gibt folgende „Definition“ als Anhaltspunkt:
„Linguistic awareness of cultures means the following: All cultural differences are „hidden“ in linguistic manifestations. These expressions of cultural difference are found in all languages and they can be classified in different grammatical and lexical categories or even be expressed non verbally. [...] This further means, that there is a source of mutual misunderstandings, if these linguistic indicators or manifestations are not perceived by the interactors.“ (Müller (in Vorb.) zitiert in Müller- Jacquier, S. 24).
Besagte Indikatoren („indicators“ oder auch „contextualizers“) spielen im LAC-Modell eine entscheidende Rolle, ihnen wird „systematisch nachgespürt“ (Müller-Jacquier, S. 24). Was dies genau beinhaltet, wird in dem Abschnitt „Das LAC-Modell und andere Ansätze“ ausführlich erklärt.
2.1 Kriterienraster zur Analyse von Kommunikationsabläufen
Laut Müller-Jacquier gibt es Bereiche in der interkulturellen Kommunikation, die besonders oft Verstehensprobleme hervorrufen. In seiner Darstellung des LAC-Modells stellt er diese Bereiche vor und illustriert sie mit Beispielen bzw. Episoden. Anhand von zehn Vergleichskriterien, die noch im Einzelnen erläutert werden, werden so „kommunikationsrelevante Verhaltensweisen von Personen aus verschiedenen Kulturen gegenübergestellt“ (Müller-Jacquier S. 26) und später von den Trainees analysiert, um so interkulturelle Kompetenz zu erwerben.
Um das von Müller-Jacquier erstellte Kriterienraster später selbst anwenden zu können, sollen nun zunächst die einzelnen Kriterien vorgestellt werden:
1. Soziale Bedeutungen / Lexikon
Dieser Punkt bezieht sich auf die Vorstellung, dass Sprecher mit Wörtern nicht nur etwa einen Gegenstand benennen, sondern „ soziale Repräsentationen zum Ausdruck bringen“ (Müller-Jacquier) und diese ebenso beim Anderen hervorrufen. Solche Vorstellungsmuster sind in jeder Kultur spezifisch ausgeprägt.
Als Beispiel dafür nennt Müller-Jacquier das deutsche Wort „Konzept“ und das französische Wort „Concept“. Im Deutschen stellt das Wort etwas Planmäßiges, Strukturiertes dar, während es im Französischen eher vorläufige Überlegungen bezeichnet. In der interkulturellen Kommunikation kommt es darauf an, diese kulturspezifisch unterschiedlichen Bedeutungen in die Interpretation des Gesagten bzw. des Gehörten einzubeziehen.
2. Sprechhandlungen / Sprechhandlungssequenzen
„Mit und durch Sprechen handelt man und realisiert durch dieses Sprechhandeln bestimmte Handlungsintentionen“ (Müller-Jacquier, S. 28). Schon in der Kommunikation zwischen Muttersprachlern ist es oft nicht ohne genauere Interpretation möglich, bei einer Äußerung wie etwa „Warum hast Du gestern nicht angerufen?“ zu entscheiden, ob es sich um eine Frage oder einen Vorwurf handelt. In der interkulturellen Kommunikation wird dies noch komplizierter, „da wechselseitig die illokutionsanzeigenden contextualizers als Hinweise auf die Handlungsintention verschieden eingesetzt werden“ (Müller-Jacquier, S. 28).
Ein Beispiel hier ist eine Situation, die mir eine Schweizer Postbeamtin einmal ge-schildert hat: Deutsche fallen ihrer Aussage nach durch ihren „Befehlston“ auf, indem sie am Postschalter z.B. sagen „Ich krieg' 'ne Siebziger (Briefmarke, IM)“ - eine Sprechhandlung, die im deutschen Kontext vielleicht nicht unbedingt als ungewöhnlich bewertet würde.
3. Gesprächsorganisation / Diskursablauf
Wie eine Situation kommunikativ strukturiert wird, d.h. wann und wie der Sprecherwechsel vollzogen wird, man das Gespräch beendet oder ein neues Thema beginnt, etc., ist stark kulturabhängig.
Als Beispiel (für den Sprecherwechsel) nennt Müller-Jacquier den Unterschied zwischen Deutschen und Franzosen. Erstere werten Unterbrechungen der eigenen Sprechhandlung häufig als Unhöflichkeit, während sie für Letztere eine ganz natürliche Art des Sprecherwechsels darstellen.
4. Themen
Die Themenwahl bzw. der richtige Zeitpunkt dafür, ein bestimmtes Thema anzuschneiden, folgt in verschiedenen Kulturen bestimmten Regeln. Was etwa in Indonesien als Tabu-Thema gilt, kann in Deutschland selbstverständlicher Inhalt von Gesprächen sein.
5. Direktheit / Indirektheit
Deutschen wir oft nachgesagt, sie seien direkt (siehe etwa obiges Postamt-Beispiel). Solche Aussagen müssen allerdings relational gesehen werden. Genauer muss es laut Müller-Jacquier heißen: „Im Vergleich zu vielen Deutschen geben viele Schweden ihre Redeintentionen weniger direkt zum Ausdruck.“ Man könnte auch sagen, Schweden benutzen andere „konventionalisierte Kontextzeichen“ (Müller-Jacquier 2002), um ihre Intention zum Ausdruck zu bringen. Die Kommunikation wird erschwert, wenn die Ge-sprächspartner nicht in der Lage sind, diese Kontextzeichen zu decodieren.
Ein weiterer Aspekt ist die metakommunikative Ebene. Sprecher aus Sprachgemein-schaften, die Intentionen direkter zum Ausdruck bringen, sind immer wieder versucht, Kommunikationsprobleme durch Nachfragen metakommunikativ zu lösen. Jedoch ist hier zu beachten, dass „jeder Wechsel auf die Metaebene eine stark gesichtsbedrohende Praxis darstellt und tabuisiert wird.“ (Müller-Jacquier, S. 32).
6. Register
Laut Müller-Jacquier (S. 33) stellt das Register „die wohl komplizierteste Kategorie beim Interagieren in interkulturellen Situatonen dar.“ Mit Register sind Formulierungs-alternativen gemeint, die von folgenden Faktoren abhängen:
– Situation (Formell? Informell?)
– Alter
– Status des / der Anzusprechenden
– Machtposition des / der Anzusprechenden / Anwesenden
– Geschlecht
– Sprachebene (formell oder informell)
Schwierig hierbei ist nicht nur der Anwendung der Register an sich, sondern auch die Beantwortung von Fragen wie: Wann und wie fange ich small talk an? Wie gehe ich zum Geschäftlichen über? Wann kann ich auf eine eher informelle Ebene wechseln? etc.
Ein Beispiel:
„Insbesondere in Erstbegegnungen ist die Verwendung der situationskonstituierenden Register wichtig, da einerseits bestehende Stauts- und Machtbeziehungen berücksichtigt oder aber andererseits als Anspruch indiziert werden müssen. Betritt ein Ausländer das Büro eines deutschen Managers, mit dem er verabredet ist, und äußert er dabei „Guten Tag!“, so kann es passieren, dass der Deutsche im gleichen Moment „Ich grüße Sie, Herr Leblanc!“ sagt und damit ein anderes Register mit entsprechendem Beziehungspotential nutzt.“ (S. 33)
7. Paraverbale Faktoren
Hierzu gehören Sprachrhythmus, Sprechtempo, Lautstärke, Satzmelodie, Wort- und Satzakzent sowie die Zahl und Länge der Pausen – Faktoren, in denen sich Sprachen oft sehr deutlich unterscheiden. So wird etwa den Spaniern nachgesagt, sie redeten lauter als Deutsche, was sowohl positiv (Selbstbewusstsein) als auch negativ (Dominanz) gewertet wird. Laut Müller-Jacquier (S. 35) ist der Einfluss von paraverbalen Faktoren auf den Interaktionsverlauf „vielfältig und wird bislang deutlich unterschätzt.“
8. Nonverbale Faktoren
[...]
[1] Wenn im Folgenden Müller-Jacquier erwähnt wird, geht es immer um den gleichen Text; ich erwähne daher die Jahreszahl nur beim ersten Mal und nenne stattdessen ansonsten die Seitenzahl.
- Quote paper
- Ilona Mahel (Author), 2005, Interkulturelle Kommunikation: Anwendung des Trainingsmoduls 'Linguistic Awareness of Cultures' auf Kommunikationssituationen sprachlicher Minderheiten in Institutionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65192
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