Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Normative Grundlagen
1.1 „government by discussion“
1.2 Rationalität durch Einigung, Legitimität durch Publizität
2. Gesellschaftliche Differenzierung und diffuse Konflikte
2.1 Vertikale Differenzierung
2.2 Horizontale Differenzierung
3. Das Mehrstufige Dialogische Verfahren (MDV)
3.1 Definition nach Feindt
3.2 Die drei Schritte des Verfahrens
3.2.1 Leitfadengestützte qualitative Individualinterviews
3.2.2 Moderatorenrunden
3.2.3 Planungszelle
3.3 Ziele und Regeln des MDV
3.4 Funktionen
4. Das MDV zwischen alternativer Konfliktregelung und Politikberatung
4.1 Zufällige Auswahl der Teilnehmer
4.2 Dialogisches Prinzip und Gruppenlernprozess
4.3 Laienplaner und vorgegebene Problemstellung
4.4 Konfliktregelung und Öffentlichkeit
4.5 Bürgergutachten
4.6 Partizipation
4.7 Durchführung, Voraussetzungen, Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungen
III. Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Normative Grundlagen
1.1 „government by discussion“
1.2 Rationalität durch Einigung, Legitimität durch Publizität
2. Gesellschaftliche Differenzierung und diffuse Konflikte
2.1 Vertikale Differenzierung
2.2 Horizontale Differenzierung
3. Das Mehrstufige Dialogische Verfahren (MDV)
3.1 Definition nach Feindt
3.2. Die drei Schritte des Verfahrens
3.2.1 Leitfadengestützte qualitative Individualinterviews
3.2.2 Moderatorenrunden
3.2.3 Planungszelle
3.3 Ziele und Regeln des MDV.
3.4 Funktionen
4. Das MDV zwischen alternativer Konfliktregelung und Politikberatung
4.1 Zufällige Auswahl der Teilnehmer
4.2 Dialogisches Prinzip und Gruppenlernprozess
4.3 Laienplaner und vorgegebene Problemstellung
4.4 Konfliktregelung und Öffentlichkeit
4.5 Bürgergutachten
4.6 Partizipation
4.7 Durchführung, Voraussetzungen, Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungen
Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Internetquellen:
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
In der Bundesrepublik wird der Ruf nach plebiszitären Ergänzungen der politischen Willensbildung immer lauter. Der Bürger hat das Gefühl, wenn überhaupt, nur noch durch die Wahl am politischen Prozess beteiligt zu werden. So schreibt Hans Herbert von Arnim über das Gefühl des Bürgers zur Politik: „Jeder Deutsche hat die Freiheit, Gesetzen zu gehorchen, denen er niemals zugestimmt hat; er darf die Erhabenheit des Grundgesetzes bewundern, dessen Geltung er nie legitimiert hat; er ist frei, Politikern zu huldigen, die kein Bürger je gewählt hat, und sie üppig zu versorgen – mit seinen Steuergeldern, über deren Verwendung er niemals befragt wurde. Insgesamt sind Staat und Politik in einem Zustand, von dem nur Berufsoptimisten oder Heuchler behaupten können, er sei aus dem Willen der Bürger hervorgegangen.“[1] Die Parteien- und Politikverdrossenheit nimmt zu. Wo aber liegen die Probleme und was kann dagegen getan werden?
Der Staat ist bei vielen Bürgern nicht gerade beliebt. Er redet zu viel in meine Angelegenheiten rein, er vertritt nicht meine Interessen usw. Das sind typische Aussagen, die jeder kennt und vielleicht auch schon selbst geäußert hat. In den Begriff „Demokratie“ setzen nach einer Infas-Umfrage hingegen 81 % der Befragten Vertrauen.[2] Aber Staat ist nicht gleich Demokratie! Laut Definition des Atheners Thukydides müsste das Volk, also alle Bürger am politischen Prozess teilhaben, da von ihnen die Herrschaft ausgeht. Diese Definition ist aber in der heutigen modernen Gesellschaft problematisch und die Wirklichkeit sieht dementsprechend anders aus. Es ist überhaupt nicht machbar, dass alle mitreden können. Fakt ist nämlich das genaue Gegenteil, der Staat wird von einer Minderheit regiert, durch den Souverän, das Volk, gewählt und bestätigt. Dass diese Tatsache aber nicht gerade zu einer Verbesserung des Ansehens führt, wurde bereits erwähnt.
Ein weiteres Problem ist, dass Entscheidungsfindungen ewig dauern. Dies zeigt sich besonders im Bereich der individuellen Lebensmöglichkeiten, aber auch auf der Makro-Ebene, wenn es z. B. um Standortfragen geht. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Probleme, wie die ewige Staatsverschuldung oder die Umweltverschmutzung, bei denen der Bürger mit seinen möglichen Lösungsvorschlägen nicht „erhört“ wird.
Mit Recht kann man deshalb von einem Stillstand, einer verfahrenen Situation sprechen. Dies verstärkt die Parteien- und Politikverdrossenheit nur noch mehr und der Bürger schaut mit Angst in die Zukunft. Wieso aber ist das Steuerungssystem in diesem desolaten Zustand und kann die Zukunft des Staates nicht mehr sichern?
Viele sehen eine mangelhafte demokratische Legitimität der Gesetzte und Politiker und eine Zukunftsblindheit, da Entscheidungen für die Zukunft zu spät oder gar nicht behandelt werden. Ein weiterer Punkt ist, dass das Steuerungssystem auf sich selbst fixiert und nur an sich selbst interessiert ist, an seinen Zuständigkeiten, seinen Rechten, seinem Bestand, seinem Überleben. Die Ziele der Mitarbeiter sind Beförderung, Gewinn, Selbstdarstellung, Wiederwahl, also nur Individualziele. Ein gemeinwohlorientiertes Interesse lässt sich nur schwer finden.
Dass diese Situation des Systems für das System selbst gefährlich werden kann, lässt sich leicht nachvollziehen. Der Bürger ist verärgert, da er nicht beachtet und nur ignoriert wird und „[wo] Partizipation in den etablierten Verfahren des politischen Prozesses zu kurz kommt, artikuliert sich das Verdrängte nicht selten in politischem Protest [...].“[3] Es gibt einige Versuche das Steuerungssystem zu korrigieren und somit Konflikte zu lösen. Ein Verfahren ist die Beteiligung der Wissenschaft. Das Einholen von Expertenmeinungen und –gutachten ist aber problematisch. Man macht dies, wenn man nicht mehr weiter weiß und Zeit braucht oder wenn dieses Gutachten eine Bestätigung des eigenen Vorschlags sein soll. Der Wissenschaftler wird in diesem Fall meistens von dem Auftraggeber finanziell unterstützt, ist diesem also hörig. Auf diese Weise kommt aber keine vernünftige Lösung zustande.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure, die für das jeweilige Problem- und Konfliktfeld von Bedeutung sind. Die Expertise dieser Akteure führt zwar einerseits zu einer Verbesserung des Steuerungssystems, andererseits werden dadurch organisierte Interessen stärker oder fast ausschließlich berücksichtigt. Die Interessen des Bürgers haben somit eine noch geringere Chance beachtet zu werden. Die Partizipation sinkt weiter, das Konfliktrisiko steigt weiter an.
Volksabstimmungen, Bürgerbegehren und Volksentscheide binden den Wähler stärker in den politischen Prozess ein. Dies ist genau das, was der Bürger möchte. Die Partizipationsmöglichkeiten steigen, aber hier steht man vor dem Problem, dass ein zu hohes Maß an Partizipation ineffizient ist. Viele Bürger, die über viele Themen mit viel Unkenntnis reden, kann auch nicht gut gehen.[4]
Diese herkömmlichen Verfahren politischer Entscheidungsfindung und –durchsetzung können also das Partizipations- und daraus entstehende Konfliktproblem nicht lösen und geraten immer mehr in die öffentliche Kritik. Wenn aber zu wenig Teilhabe am politischen Prozess für den Bürger nicht akzeptabel ist und zu viel das reibungslose Funktionieren des Systems gefährdet, wie kann dann dieses Problem gelöst werden?
Wer Bürgerbeteiligung an allgemeinen Themenstellungen fördern möchte, muss erst eine Reihe teilweise schon erwähnter struktureller Probleme und Schwierigkeiten überwinden. Das Verfahren muss gewährleisten, dass sich nicht nur Minderheiten beteiligen und nur organisierte Interessen gehört werden. Des weiteren muss die gesellschaftliche Differenzierung, die später näher erläutert wird, überwunden und das Problem des Zeitmangels ausgeschaltet werden. Nicht jeder hat Zeit politisch zu partizipieren, was an den alltäglichen Verpflichtungen liegt. Dafür muss ein Ausgleich geschaffen werden. Und schließlich muss den Bürgern verdeutlicht werden, dass Engagement nicht erst bei Betroffenheit auftauchen darf. In diesem Zusammenhang steht das sogenannte Partizipationsparadox, d.h., dass persönliche Betroffenheit häufig zu spät auftritt, nämlich dann, wenn Entscheidungsprozesse ein Stadium erreicht haben, in dem Einflussnahme nur noch schwer möglich ist. Alle diese Probleme muss ein Verfahren reduzieren oder besser noch überwinden können, damit gerechte Partizipation stattfindet und Konflikte gelöst werden.[5]
Peter Henning Feindt hat sich dieses Problem zur Aufgabe gemacht und Ende der 80er Jahre das Mehrstufige Dialogische Verfahren (MDV) entwickelt. Das Verfahren besteht aus drei Schritten, den leitfadengestützten qualitativen Individualinterviews, den Moderatorenrunden und schließlich einer oder mehrerer Planungszellen.
Die Planungszelle/Bürgergutachten wurde Anfang der 70er Jahre von Peter C. Dienel als eigenständiges Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelt und ist seit dem vielfach in Anwendung gewesen. Durch die Einbettung der Planungszelle in das MDV werden einerseits die vielen positiven Erfahrungen des Dienel`schen Konzepts übernommen, andererseits versucht, die wenigen, aber noch nicht ganz beseitigten Probleme der Planungszelle auszuschalten.
Das Konzept des MDV wird in dieser Arbeit vorgestellt und kritisch betrachtet. Dabei wird besonders darauf geachtet, ob das Verfahren die oben genannten Probleme tatsächlich überwinden und durch vermehrte und gerechte Partizipation Konflikte lösen bzw. wie Feindt darlegt, schon im Vorfeld ausschalten kann. Der erste Teil der Arbeit ist der deskriptive und in drei Punkte aufgeteilt. In dem ersten werden kurz die normativen Grundlagen des Verfahrens dargelegt. Der zweite Punkt behandelt die gesellschaftliche Differenzierung und erklärt, warum und wie daraus Konflikte entstehen können. Der dritte Punkt stellt das Mehrstufige Dialogische Verfahren vor, erläutert die drei Schritte, zeigt welche Regeln das Verfahren besitzt und welche Ziele es verfolgt. In einem letzten Punkt werden schließlich die Funktionen aufgezählt und kurz erklärt.
Der zweite, analytische Teil der Arbeit betrachtet die einzelnen Elemente und teilweise beabsichtigten Effekte des Verfahrens kritisch, aber auch Probleme, die auftreten, werden diskutiert. Die zufällige Auswahl der Teilnehmer, das dialogisches Prinzip und der Gruppenlernprozess, die Laienplaner und die vorgegebene Problemstellung, sowie Konfliktregelung und Öffentlichkeit, Partizipation und schließlich Durchführung, Voraussetzungen, Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungen des MDV werden diesen Betrachtungen unterzogen. Da die Planungszelle zwar Teil des MDV ist, aber als eigenständiges Konzept schon viel früher entwickelt wurde und daher mehr und vor allem eigene, nur auf sich bezogene Erfahrungen machen konnte, liegt bei der Betrachtung mancher Punkte der Schwerpunkt besonders und/oder stärker auf ihr. Es wird sich auch zeigen, dass die Probleme des MDV sich fast ausschließlich auf die Planungszelle zurückführen lassen bzw. Feindt durch das Vorwegschalten seiner beiden entwickelten Stufen diese Probleme schwächen oder ganz beseitigen möchte.
Als Basistexte für diese Arbeit dienten auf der einen Seite der Aufsatz „Rationalität durch Partizipation? Das Mehrstufige Dialogische Verfahren als Antwort auf gesellschaftliche Differenzierung“[6], in dem Feindt sein Verfahren vorstellt und auf der anderen Seite das Buch von Dienel „Die Planungszelle. Der Bürger plant seine Umwelt. Eine Alternative zur Establishment-Demokratie“[7], in dem er sein Konzept vorstellt. Im Internet lassen sich vor allem zur Planungszelle und im speziellen zum Bürgergutachten eine Fülle von Aufsätzen, Kommentaren, Berichten und Ergebnissen finden. Ein kleiner Teil dieser Quellen wurde für die Anfertigung dieser Arbeit benutzt. Zum Konzept des MDV lassen sich hingegen nur wenige brauchbare Quellen im Internet finden, vor allem auf Seiten der Universität Hamburg, an der Herr Feindt lehrt.
II. Hauptteil
1. Normative Grundlagen
1.1 „government by discussion“
Bezogen auf den Konsens und Dissens in einer Demokratie lassen sich nach Easton drei Ebenen aufstellen. Die dritte, die Programmebene oder auch Programmkonsens, wird durch Barkers Auffassung, Grundlage und Wesen aller Demokratie sei Regierung durch Diskussion, gestützt. Diese Idee, der „Demokratie als government by discussion“ ist eine normative Grundlage für das Mehrstufigen Dialogischen Verfahren. Gesellschaftliche Konflikte sollen durch den vernünftigen Gebrauch von Sprache und sprachlich umgesetzter Vernunft entschieden werden und nicht durch administrative Macht, Geld usw.[8]
1.2 Rationalität durch Einigung, Legitimität durch Publizität
„Demokratie ist im Verfassungsgefüge des Grundgesetzes Form der Rationalisierung des politischen Prozesses. Sie schafft Rationalität durch das ihr eigene Verfahren der politischen Willensbildung und durch die Publizität dieses Verfahrens.“[9] Die politische Willensbildung ist zwar frei, aber, da die Einigung durch das Mehrheitsprinzip ersetzt wird, auch einem Zwang unterlegen. So hofft man, dass „[wo] [...] im Wege der Verständigung ein Ausgleich gefunden wird, dem alle Betroffenen zugestimmt haben, [...] das Ergebnis überzeugen und Zwang unnötig machen [werden].“[10] Dieses Partizipationsprinzip kann auch durch das Prinzip der Publizität ersetzt werden und ist dann, so schreibt Hesse weiter, „substantielle Rationalität, die tätige Anteilnahme erst ermöglicht und Grundlage staatlicher Legitimität ist.“[11] Rationalität durch Einigung, Legitimität durch Publizität ist somit eine zweistufige Vorgehensweise, die zum einen aus Gremien besteht, in denen ausgewählte Repräsentanten Lösungen finden sollen und zum anderen aus der kritischen Öffentlichkeit, die die Beratungen und Ergebnisse kommentiert, mit Vorschlägen anregt und durch Drohung mit Skandalen auch eine gewisse Kontrolle ausübt.[12]
[...]
[1] Arnim, Hans Herbert von: Das System. Die Machenschaften der Macht. München 2001. Zitat aus dem Buchdeckel entnommen.
[2] Umfragedaten entnommen aus: http://www2.uni-wuppertal.de/FB1/planungszelle/wp61.pdf Aufgerufen am 17.10.2005.
[3] Birzer, Markus/Feindt, Peter Henning/Gessenharter, Wolfgang: Warum neue Verfahren der Konfliktregelung? Seite 19. In: Feindt, Peter Henning u.a. (Hrsg.): Konfliktregelung in der offenen Bürgergesellschaft. Dettelbach 1996. Seite 13-36.
[4] Vgl.: http://www2.uni-wuppertal.de/FB1/planungszelle/wp61.pdf Aufgerufen am 17.10.2005.
[5] Vgl.:http://www.wegweiser-buergergesellschaft.de/politische_teilhabe/modelle_methoden/beispiele/Reinert.pdf Aufgerufen am 10.10.2005.
[6] Feindt, Peter Henning: Rationalität durch Partizipation? Das Mehrstufige Dialogische Verfahren als Antwort auf gesellschaftliche Differenzierung. In: Feindt, Peter Henning u.a. (Hrsg.): Konfliktregelung in der offenen Bürgergesellschaft. Dettelbach 1996. Seite 169-190.
[7] Dienel, Peter C.: Die Planungszelle. Der Bürger plant seine Umwelt. Eine Alternative zur Establishment-Demokratie. Opladen 1978.
[8] Vgl.: Barker, Ernest: Reflections on Government. London u.a. 1967. Easton, David: The Political System. An Inquiry into the State of Political Science. Second Edition. Chicago 1981. Feindt, Peter Henning: Das Mehrstufige Dialogische Verfahren. Seite 171.
[9] Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 19., überarbeitete Auflage. Heidelberg 1993. Seite 58.
[10] Ebd.: Seite 59.
[11] Ebd.: Seite 58.
[12] Vgl.: Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts. Seite 58-59. Homann, Karl: Rationalität und Demokratie. Tübingen 1988. Seite 262-271. Feindt, Peter Henning: Das Mehrstufige Dialogische Verfahren. Seite 172-173.
- Arbeit zitieren
- Matthias Wies (Autor:in), 2005, Das Mehrstufige Dialogische Verfahren - ein Konzept zwischen alternativer Konfliktregelung und Politikberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64501
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