Einleitung: Demokratie oder Aristokratie?
In der Debatte um den Charakter der Verfassung der römischen Republik lassen sich zwei Positionen ausmachen, die sich gegenüberstehen. Auf der einen Seite wird mit Verweis auf die Entscheidungen in den Volksversammlungen der demokratische Charakter hervorgehoben. Auf der anderen Seite wird die römische Republik als eine Aristokratie dargestellt und auf die Abhängigkeit der Volksversammlungen von der herrschenden Schicht hingewiesen. Wägt man zwischen diesen beiden Haltungen ab, so stellt sich die Frage, wie demokratisch die Republik in Rom tatsächlich war. In der vorliegenden Arbeit soll dieses Problem erörtert werden. In dieser Hinsicht wird vor allem der Zeitraum der klassischen Republik bis 133 v. Chr. betrachtet, wobei allerdings weniger auf die historische Entwicklung als vielmehr auf grundlegenden Strukturen der politischen Ordnung eingegangen wird.
Zu diesem Zweck wird im ersten Teil die herrschende Schicht Roms dargestellt. Die Punkte, die behandelt werden, sind zu erst die Grundlagen der sozialen Ordnung in Rom, die Clientelbindungen. Als nächstes wird die Legitimität der Herrschaft durch die Nobilität behandelt sowie die Rekrutierung ihrer Mitglieder. Schließlich wird noch die Willensbildung innerhalb dieser gesellschaftlichen Gruppe näher betrachtet. Im zweiten Teil werden dann die Herrschaftsinstrumente, nämlich die Magistrate und der Senat, und ihre Beziehung zueinander diskutiert. In einem dritten Teil wird dann auf die Willensbildung innerhalb des Volkes eingegangen, beginnend mit der Rolle der Volksversammlungen und der sogenannten contiones. Weitere Punkte sind noch das Phänomen der Wahlbestechung ebenso wie die Bedeutung der Formel „Brot und Spiele“.
Der Umfang der für diese Thematik zu Verfügung stehende Literatur ist durchaus befriedigend, wobei allerdings anzumerken ist, dass die meisten Darstellungen sich auf die geschichtliche Entwicklung Roms konzentrieren.
Eine Ausnahme bildet hier die in überarbeiteter Auflage erschienene „Verfassung der römischen Republik“ von Jochen Bleicken, in der die strukturellen Aspekte des politischen Systems in Rom hervorragend dargestellt sind. Auch die von Martin Jehne herausgegebene Aufsatzsammlung mit dem Titel „Demokratie in Rom?“ bietet eine Reihe wichtiger Informationen zu einzelnen Punkten der hier bearbeiteten Thematik.
Inhalt
1. Einleitung: Demokratie oder Aristokratie?
2. Die Herrschaftsausübung durch die Nobilität
2.1. Grundlage der sozialen Ordnung: die Clientel-Verhältnisse
2.2. Die Legitimität des Herrschaftsanspruches der Nobilität
2.3. Die Rekrutierung ihrer Mitglieder
2.4. Die Willensbildung innerhalb der Nobilität
3. Die Herrschaftsinstrumente der Nobilität
3.1. Die Magistratur als „Exekutive“ der römischen Republik
3.2. Die Abhängigkeit der Magistratur vom Senat
4. Die politische Willensbildung des Volkes
4.1. „Contio“ und „Comitia“
4.2. „Ambitus“ - Willensbildung durch Bestechung?
4.3. Die Rolle von „Brot und Spielen“
5. Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Demokratie oder Aristokratie?
In der Debatte um den Charakter der Verfassung der römischen Republik lassen sich zwei Positionen ausmachen, die sich gegenüberstehen. Auf der einen Seite wird mit Verweis auf die Entscheidungen in den Volksversammlungen der demokratische Charakter hervorgehoben. Auf der anderen Seite wird die römische Republik als eine Aristokratie dargestellt und auf die Abhängigkeit der Volksversammlungen von der herrschenden Schicht hingewiesen. Wägt man zwischen diesen beiden Haltungen ab, so stellt sich die Frage, wie demokratisch die Republik in Rom tatsächlich war. In der vorliegenden Arbeit soll dieses Problem erörtert werden. In dieser Hinsicht wird vor allem der Zeitraum der klassischen Republik bis 133 v. Chr. betrachtet, wobei allerdings weniger auf die historische Entwicklung als vielmehr auf grundlegenden Strukturen der politischen Ordnung eingegangen wird.
Zu diesem Zweck wird im ersten Teil die herrschende Schicht Roms dargestellt. Die Punkte, die behandelt werden, sind zu erst die Grundlagen der sozialen Ordnung in Rom, die Clientelbindungen. Als nächstes wird die Legitimität der Herrschaft durch die Nobilität behandelt sowie die Rekrutierung ihrer Mitglieder. Schließlich wird noch die Willensbildung innerhalb dieser gesellschaftlichen Gruppe näher betrachtet. Im zweiten Teil werden dann die Herrschaftsinstrumente, nämlich die Magistrate und der Senat, und ihre Beziehung zueinander diskutiert. In einem dritten Teil wird dann auf die Willensbildung innerhalb des Volkes eingegangen, beginnend mit der Rolle der Volksversammlungen und der sogenannten contiones. Weitere Punkte sind noch das Phänomen der Wahlbestechung ebenso wie die Bedeutung der Formel „Brot und Spiele“.
Der Umfang der für diese Thematik zu Verfügung stehende Literatur ist durchaus befriedigend, wobei allerdings anzumerken ist, dass die meisten Darstellungen sich auf die geschichtliche Entwicklung Roms konzentrieren. Eine Ausnahme bildet hier die in überarbeiteter Auflage erschienene „Verfassung der römischen Republik“ von Jochen Bleicken, in der die strukturellen Aspekte des politischen Systems in Rom hervorragend dargestellt sind. Auch die von Martin Jehne herausgegebene Aufsatzsammlung mit dem Titel „Demokratie in Rom?“ bietet eine Reihe wichtiger Informationen zu einzelnen Punkten der hier bearbeiteten Thematik.
2. Die Herrschaftsausübung durch die Nobilität
2.1. Grundlage der sozialen Ordnung: die Clientel-Verhältnisse
Will man die politische Ordnung der römischen Republik analysieren und auf ihre demokratischen oder nicht demokratischen Elemente hin untersuchen, so ist es unabdingbar, sich mit den Clientel-Verhältnissen auseinander zu setzen, denn sie bildeten die Voraussetzung und die Grundlage der staatlichen Ordnung der römischen Republik. Diese gesellschaftliche Struktur der Clientel-Bindungen bildete eine soziale Institution und wurde niemals in Frage gestellt. Als sich diese Bindungen schließlich im ersten vorchristliche Jahrhundert langsam aufzulösen begannen, war das Ende der römischen Republik besiegelt.
Die genauen Ursprünge der Clientel sind weitgehend unbekannt. Wahrscheinlich sind sie hervorgegangen aus den gentizilischen Clan-Strukturen aus den Anfängen Roms. Schon damals existierte eine herausgehobene Schicht von Adeligen, die Patrizier. Diese waren in erster Linie patres, d.h. sie waren das Oberhaupt einer bestimmten Familie. Als solche genossen sie eine im Prinzip unumschränkte Gewalt über alle, die unter ihrer Obhut, der patri potestas, standen. Dazu gehörten neben den Familienangehörigen im engeren Sinne natürlich die Sklaven sowie die Hörigen, die c lientes.[1] Zu den Clienten gehörten die freigelassenen Sklaven und später vor allem die Nachkommen derjenigen besiegten Völker Italiens, die bis zum vierten Jahrhundert in den römischen Bürgerverband eingegliedert und auf einzelne herrschende Geschlechter aufgeteilt wurden.[2]
Client zu sein bedeutete abhängig zu sein. Dies galt insbesondere für die ältere Zeit, in der einzig die Patrizier in der Lage waren, vollgültige Rechtsgeschäfte abzuschließen. Demzufolge waren die Clienten, wollten sie selber Rechtsgeschäfte tätigen, angewiesen auf den Patron, der diesen erst ihre Gültigkeit verlieh. Ebenso war es einem Clienten verwehrt, eine Ehe mit einer Patrizierin einzugehen. Neben diese rechtliche Minderstellung tritt noch eine tatsächliche soziale Abhängigkeit, die beispielsweise aus der wirtschaftlichen Situation des Clienten herrührt oder aber Folge der Entlassung aus dem Sklavenstand ist. Hieraus ergibt sich, dass die Grundlage der Beziehung von Patron und Client das personale Band zwischen beiden war.[3]
Die genauen gegenseitigen Verpflichtungen eines Clientel-Verhältnisses lassen sich heute nur noch schwer rekonstruieren, da sie nirgendwo niedergeschrieben waren. Es bestand zwischen Client und Patron auch kein Rechtsverhältnis im strengen Sinne. Vielmehr ruhte die gegenseitige Bindung auf einer moralischen Verpflichtung, was im Begriff der fides zum Ausdruck kommt. Das bedeutet, dass die Clienten trotz ihrer starken Abhängigkeit geschützt waren durch die allgemeinen Vorstellungen von sittlichem Verhalten. Zu diesen moralischen Verpflichtungen gehörte es, dass die Clienten dem Patron gratia erwiesen, indem sie beispielsweise den Patron aus Kriegsgefangenschaft auslösten oder Beiträge leisteten zur Zahlung hoher Geldstrafen, zu denen der Patron verurteilt worden war. Vor allem aber stützte die Clientel die soziale Stellung des Patrons, indem sie ihn politisch unterstützte, d.h. die Clientel stimmte bei den Wahlen und Volksabstimmungen im Sinne ihres Patrons. Der Patron wiederum ließ seinerseits den Clienten beneficia zukommen, trug Sorge für ihre materielle Existenz und ihr Auskommen und vertrat sie auch vor Gericht.[4]
Es läßt sich festhalten, dass die frühe römische Republik geprägt war von einer starken Hierarchiesierung und dass das gesamte öffentliche Leben sich durch eine gewisse Ungleichheit auszeichnete. Der einfache Bürger war nur als Client voll geschützt und voll in die Geselschaft einbezogen. Somit bestand ein starkes Bedürfnis nach einer besseren Vertretung vor Gericht, in den Magistraten und auch im Senat, welches sich schließlich in den Ständekämpfen seine Bahn brach.[5]
Im Verlauf dieser Kämpfe, die mit dem Beginn des 5. Jahrhunderts v.Chr. einsetzten, schufen sich die Plebejer, also die noch nicht clientelisierten Bauern sowie die Masse der Clienten, die eine Verbesserung ihrer sozialen wie politischen Lage gegenüber den Patriziern anstrebten, eine eigene Organisation. Mit diesen Organisationen wie der Versammlung der Plebejer, dem concilium plebis, und deren Vorsteher den Volkstribunen gelang es ihnen, in einem langen Kampf den Patriziern die privatrechtliche Gleichstellung abzutrotzen, ebenso einige wichtige Entscheidungsbefugnisse des öffentlichen Bereichs, wie zum Beispiel die Wahl der Magistrate, Gerichtsentscheidungen über politische Straftaten sowie die Entscheidung über Krieg und über Gesetze. Schließlich gelang es ihnen sogar, das passive Wahlrecht zu erstreiten, sodass nun auch Nicht-Adelige in die höchsten Ämter gewählt werden konnten.[6]
Obwohl dieser Kampf zeitweilig die Clientel-Verhältnisse in Frage gestellt zu haben scheint, war nach seiner Beendigung eher das Gegenteil der Fall. Es kam dabei niemals zu einer Auflösung dieser Strukturen sondern lediglich zu einer Verschiebung. „Die Regel blieb die Clientelbindung, und das um so mehr, als das die mächtigen Familien der plebs das Volkstribunat gewiss als Mittel benutzten, die eigenen Clientelen zu mehren. [...] Diese Familien gewannen also mit der Zeit ähnlich große Clientelen wie das Patriciat.“[7] Das Ergebnis dieses Prozesses bestand darin, dass nach dem Ende der Ständekämpfe eine neue Führungselite entstanden war, die sich aus den Familien des alten Adels und einigen neuen plebejischen zusammensetzte. Diese Führungsschicht, die sogenannte Nobilität, leitete von nun an bis zum Ende der Republik die Geschicke Roms.
Die Stabilität des Clienteldenkens macht deutlich, dass alle politischen Entscheidungen in Rom vor diesem Hintergrund zu sehen sind. Der politische Wille der Clienten war durch diesen sozialen Mechanismus gebunden: „Das Clienteldenken absorbierte die Politik.“[8] Das heißt jedoch nicht, dass das Volk selber keinen politischen Willen hatte. Dieser Wille existierte allerdings nur vermittelt durch die Nobilität, welche diesen dann über die Volksversammlungen zur Wirkung brachte.[9]
2.2. Die Legitimität des Herrschaftsanspruches der Nobilität
Wie eben dargelegt bildete die Nobilität die Führungselite in der römischen Republik. Der Herrschaftsanspruch der führenden Schicht galt dabei als vollkommen selbstverständlich. Es stellt sich hier nun die Frage, woher dieser seine Legitimität bezog.
„Unter Legitimi tät soll [...] ein durch Verfassungs- und Wertekonsensus bestimmter Zustand des politischen Systems verstanden werden. [...] Legitimität bezeichnet somit den stabilen Zustand eines politischen Systems, Legitimierung demgegenüber die Verfahren, die diesen Zustand begründen.“[10] Nach Max Weber kann einer bestehenden Ordnung Legitimität zugeschrieben werden, entweder durch Tradition, durch affektuellen Glauben, wertrationalen Glauben oder kraft einer positiven Satzung, an deren Legalität geglaubt wird.[11] Die Legitimitätsgrundlagen von politischen Systemen beruhen dabei im wesentlichen auf gemeinsamen politisch-kulturellen Wertvorstellungen.[12]
Dies gilt im besonderen für die römische Republik. Da es hier keine Verfassung im engeren Sinne gab, legitimierte sich die republikanische Ordnung vor allem über das althergebrachte Sittengesetz, den mos majorum. Dieses Sittengesetz war dabei keineswegs streng kodifiziert. Vielmehr umfasste es allgemein Vorstellungen über moralisch wertvolles Verhalten und der richtigen - da aus alter Zeit überkommenen - Ordnung, die in einem gewissen Rahmen auch wandelbar waren. Als ein selbstverständlicher Teil dieser Vorstellung über die richtige Ordnung galt dabei die soziale Hierarchisierung der Gesellschaft, deren Grundlage das Clientelwesen war und die den Patronen eine herausgehobene Stellung zubilligte.
Der entscheidende Faktor für die Position eines Nobilis in der römischen Gesellschaft war dabei sein soziales Prestige. Dieses Prestige, bezeichnet als dignitas ergab sich zum Einen aus dem ererbten Ansehen, dass der jeweilige Nobilis aufgrund seiner Abstammung genoss, wobei dieses davon abhängig war, welche Leistungen seine Vorfahren für das republikanische Gemeinwesen erbracht hatten. Zum Anderen ergab es sich aus seinen persönlichen Leistungen, sei es auf militärischem Gebiet als Heerführer oder aber als Magistrat.[13] Je mehr Ämter ein Nobilis also bekleidet hatte und je mehr seine Vorfahren innegehabt hatten, desto größer war auch sein Ansehen und damit sein Einfluss.
[...]
[1] Vgl. Bleiken, Jochen, Rom und Italien, in: Mann, Golo / Heuß, Alfred (Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte, Bd. 4 (Rom - Die römische Welt), Frankfurt a. M. 1986, S. 26-96, hier S. 54.
[2] Vgl. ders., Staatliche Ordnung und Freiheit in der römischen Republik, in: Bleiken, Jochen / Gesche, Helga (Hrsg.), Frankfurter Althistorische Studien (FAS), H. 6, o.O. 1972, S. 68.
[3] Vgl. ders., Die Verfassung der Römischen Republik, , 8., überarb. und erw. Aufl., Paderborn u.a. 1995, S. 28f.
[4] Vgl. ebd., S. 25ff., vgl. auch ders., Staatliche Ordnung und Freiheit, a.a.O., S. 67.
[5] Vgl. Meier, Christian, Res Publica Amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, Wiesbaden 21988, S. 27.
[6] Vgl. Bleiken, Jochen, Verfassung der Römischen Republik, a.a.O., S. 29f.
[7] Meier, Christian, a.a.O., S. 28.
[8] Bleiken, Jochen, Verfassung der Römischen Republik, a.a.O., S. 180.
[9] Vgl. ebd., S. 129ff.
[10] Kevenhörster, Paul, Politikwissenschaft. Band 1: Entscheidungen und Strukturen in der Politik, Opladen 1997, S. 100f.
[11] Vgl. ebd., S. 101.
[12] Vgl. ebd., S. 108.
[13] Bleiken, Jochen, Verfassung der Römischen Republik, a.a.O., S. 42f.
- Quote paper
- Martin Kutschke (Author), 2002, Politische Willensbildung in Rom - Wie demokratisch war die römische Republik?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64427
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