Es gibt ein Konzept namens embedded democracy, das von Aurel Croissant und Peter Thiery entwickelt wurde. «Ihm liegt die Idee zugrunde, daß ein demokratisches Herrschaftssystem eine politische Ordnung darstellt, die mehrdimensional ist und selbst aus unterscheidbaren Teilregimen besteht. Diese Teilregime beinhalten charakteristische Komplexe von Funktionsregeln, die jeweils unhintergehbare Voraussetzungen für das Funktionieren einer Demokratie sind, letzteres aber auch nur im Set gewährleisten und insofern Kohärenz aufweisen müssen.» 1 Systeme, bei denen einzelne Teilregime 2 Störungen aufweisen, die aber trotzdem im großen und ganzen auf den Prinzipien der Demokratie fußen, können „defekte Demokratien“ genannt werden. Anders ausgedrückt handelt sich bei defekten Demokratien also um Systeme, die man einerseits nicht ohne weiteres als „voll funktionierende Demokratie“ bezeichnen kann, denen man andererseits aber auch nicht gerecht wird, wenn man sie „undemokratisch“ nennt oder gar den „autoritären Regimes“ zuordnet. In defekte Demokratien gibt es also die Möglichkeit, eine Regierung mithilfe von Wahlen durch eine andere Regierung zu ersetzen, obwohl in Teilregimen Mängel von solcher Art existieren, dass den „Prinzipien der Demokratie“ nicht in ausreichendem Maß Rechnung getragen wird. [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Verfassung von 1997
Aktives Wahlrecht
Passives Wahlrecht
Freie und faire Wahlen
Gewählte Mandatsträger
Schlussbemerkung
Kuteratur
Einleitung
Es gibt ein Konzept namens embedded democracy, das von Aurel Croissant und Peter Thiery entwickelt wurde.
«Ihm liegt die Idee zugrunde, daß ein demokratisches Herrschaftssystem eine politische Ordnung darstellt, die mehrdimensional ist und selbst aus unterscheidbaren Teilregimen besteht. Diese Teilregime beinhalten charakteristische Komplexe von Funktionsregeln, die jeweils unhintergehbare Voraussetzungen für das Funktionieren einer Demokratie sind, letzteres aber auch nur im Set gewährleisten und insofern Kohärenz aufweisen müssen.»[1]
Systeme, bei denen einzelne Teilregime[2] Störungen aufweisen, die aber trotzdem im großen und ganzen auf den Prinzipien der Demokratie fußen, können „defekte Demokratien“ genannt werden.
Anders ausgedrückt handelt sich bei defekten Demokratien also um Systeme, die man einerseits nicht ohne weiteres als „voll funktionierende Demokratie“ bezeichnen kann, denen man andererseits aber auch nicht gerecht wird, wenn man sie „undemokratisch“ nennt oder gar den „autoritären Regimes“ zuordnet.
In defekte Demokratien gibt es also die Möglichkeit, eine Regierung mithilfe von Wahlen durch eine andere Regierung zu ersetzen, obwohl in Teilregimen Mängel von solcher Art existieren, dass den „Prinzipien der Demokratie“ nicht in ausreichendem Maß Rechnung getragen wird.[3]
In dieser Arbeit möchte ich nun herausfinden, ob Thailands Wahlregime defekt ist.
Falls es defekt ist, möchte ich beurteilen, wie schwerwiegend die Defekte sind.
Zuerst werfe ich einen Blick auf die Bedeutung der Verfassung von 1997 (vor allem auf ihre Bedeutung für das Wahlregime). Danach mache ich anhand der Verfassungsbestimmungen und anhand dem Ablauf der Wahlen 2000/2001 meine Untersuchung.
Dabei gilt es herauszufinden, wie es um das aktive und wie es um das passive Wahlrecht in Thailand steht. Ist es einem jeden volljährigen Bürger Thailands möglich, zu wählen oder sich wählen zu lassen oder gibt es Einschränkungen, die sich nicht oder nur schwer mit dem Verständnis von einem universellem Wahlrecht vereinbaren lassen?
Zweitens muss geprüft werden, ob die Wahlen frei und fair sind.
Drittens und letztens möchte ich herausfinden, ob das „Prinzip der Volkssouveränität“ erfüllt ist, ob also alle zentralen Herrschaftspositionen durch „gewählte Mandatsträger“ besetzt werden, die direkt oder indirekt gewählt werden.
Die Verfassung von 1997
Nachdem es 1992 zu Protesten gegen die seit 1991 kurzzeitig wiederbelebte Militärregierung kam und Forderungen nach politischen Reformen laut wurden, berief man endlich 1994 (durch den Präsidenten des Parlaments) das Comitee on Developing Democracy (CDD).
In der folgenden Zeit arbeiteten die Mitglieder dieses Gremiums an dem ehrgeizigen Projekt einer neuen demokratischen Verfassung, die Grundlage jeden Rechts und staatlichen Handelns werden sollte.
Diese Reformverfassung trat am 11. Oktober 1997 in Kraft.
Durch sie wurden neue Regeln für die Wahlen zum Repräsentantenhaus und direkte Senatswahlen eingeführt. Seit 1947 das System der zwei Kammern in Thailand existiert, ist es tatsächlich das erste Mal, dass Senatoren gewählt und nicht ernannt werden (darauf wird in dem Kapitel „Gewählte Mandatsträger“ noch zurückzukommen sein).
Die zwei Kammern (Repräsentantenhaus und Senat) bilden zusammen die Nationalversammlung.
Im Repräsentantenhaus sitzen 500 Abgeordnete, von denen 400 direkt in den Wahlkreisen und 100 durch Parteilisten (Verhältniswahl) gewählt werden. Der Senat besteht aus 200 Senatoren, die direkt in den Wahlkreisen gewählt werden.
Während die Abgeordneten des Repräsentantenhauses Mitglied einer politischen Partei sein müssen, dürfen die Senatoren dies auf keinen Fall sein.[4]
Damit gibt es innerhalb des parlamentarischen Systems Thailands eine eigentümliche Abgrenzung zwischen den Politikern im Repräsentantenhaus auf der einen Seite und dem „unparteilichen“ und „unpolititischen“ Senat auf der anderen Seite.
Die Senatswahlen, die zwischen März und Juni 2000 stattfanden und die Wahlen zum Repräsentantenhaus im Januar 2001 waren die ersten Wahlen nach den Regeln der neuen Verfassung.
Aktives Wahlrecht (inclusive suffrage)
Das aktive Wahlrecht genießt ein thailändischer Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren, sofern er die Staatsbürgerschaft seit mindestens fünfJahren innehat.[5]
Vier Personengruppen sind vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen. Dabei handelt es sich um Menschen, die nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind («being of unsound mind or of mental infirmity»), um den gesamten buddhistischen Klerus des Landes («being a Buddhist priest, novice, monk or clergy») und um Personen, die durch durch eine richterliche Verfügung vom Wählen abgehalten werden oder die durch ein Gerichtsurteil vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen sind. («being detained by a warrant of the Court or by a lawful order»; «being under suspensio of the right to vote»)[6]
Der Ausschluss dieser vier Personengruppen vom aktiven Wahlrecht kommt mir nicht ungewöhnlich vor, so dass im Grunde festgestellt werden kann, dass hier keine Defekte existieren.
[...]
[1] A. Croissant/ P.Thiery, Von defekten und anderen Demokratien, WeltTrends 8.2000, 9-32
[2] Das Basismodell der embedded democracy kennt fünf solcher Teilregime:
A Wahlregime
B Rechte politischer Organisationen
C Gewählte Machtträger mit realer Gestaltungsmacht
D Horizontale Verantwortlichkeit
E Bürgerliche Freiheitsrechte
(siehe: Croissant/Thiery Abb.2)
[3] Vgl. Croissant/Thiery S.24
[4] Eschborn, Thailands Verfassung – Aufbruch zu neuen Ufern?
[5] vgl. Constitution of Thailand, http://www.uni-wuerzburg.de/law/th00000_.html , Art.105
[6] (ebd., Art.106)
- Arbeit zitieren
- Jürgen Kraut (Autor:in), 2002, Das Wahlregime in Thailand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64224
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