Einleitung
Bereits seit den 1990ern wird Mobbing international erforscht. Dabei wird das Phänomen Mobbing nicht nur auf die Auswirkungen am Arbeitsplatz hin untersucht, sondern ist Gegenstand der Untersuchungen auch Mobbing in speziellen Bereichen des Arbeitslebens, unter Kindern und Jugendlichen, in der Schule und im Gruppenverhalten. Gegenwärtig ist eine Zunahme von Mobbing am Arbeitsplatz zu verzeichnen; Experten schätzen, dass jährlich rund 1,5 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland Opfer von Mobbing werden, wodurch ein volkswirtschaftlicher Schaden von ca. 25 Milliarden Euro verursacht wird.
Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz erleiden häufig psychische, physische und materielle Schäden, die sie auf lange Zeit arbeitsunfähig machen und in ihrem Lebensgefühl einschränken. Während sie Mobbing erfahren, fühlen sich die Betroffenen hilflos und häufig alleingelassen. Kommt es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren, ist es für die Opfer sehr schwer, den Tatbestand von Mobbing am Arbeitsplatz nachzuweisen. Gegenwärtig können in Deutschland Rechte zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz weder mit Hilfe der Instrumente zum Schutz der Menschenrechte in Europa (ESC, EMRK und Charta der Grundrechte der Europäischen Union) noch nach dem deutschen Arbeitsrecht effektiv durchgesetzt werden. Daraus folgt, dass in Deutschland der Bürger kein soziales Grundrecht zum Schutz vor Mobbing hat.
[...]
Inhalt
Literaturverzeichnis
1 Einnleitung
2 Erscheinungsformen von Mobbing
2.1 Definition Mobbing
2.2 Kategorisierung von Mobbing-Tätern und – Opfern
2.2.1 Täter
2.2.2 Opfer
2.3 Strategien von Mobbing
2.4 Ablaufszenarien von Mobbing
2.5 Handlungsempfehlungen für Betroffene
3 Normative Grundlagen
3.1 Umsetzung der ESC in nationales Recht
3.2 Untersuchung der relevanten Rechtslage in Deutschland durch das Europäische Parlament
3.3 schwedisches Anti-Mobbing-Gesetz
4 Rechtsprechung
4.1 Behandlung von Mobbingklagen an deutschen Arbeitsgerichten
4.2 Einschätzung des Erfolgs von Mobbing-Klagen
5 Handlungsbedarf
5.1 Einschätzung von präventiven Maßnahmen
5.2 Empfehlung der gesetzgeberischen Tätigkeit
Literaturverzeichnis
1.) Beate Beermann, Frank Brenscheidt (BAUA), Wenn aus Kollegen Feinde werden ... Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing (Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2003, www.baua.de/down/mobbing.pdf, 17.12.2004)
2.) Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Mobbing (2002, http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Arbeit/Arbeitsrecht/mobbing.html, 10.12.2004)
3.) Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.), Franziska Dannehl/Bianca Biwer, Mobbing. In: Infoletter Arbeitsrecht (Berlin: 03/2001, http://www.konstanz.ihk.de/KNIHK24/KNIHK24/produktmarken/recht_und_fair_play/anlagen/Infol03.pdf: 02.12.2004)
4.) Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Facts 23 (Belgien 2002)
5.) Europäisches Parlament (Hrsg.), Jan Andersson, Bericht über Mobbing am Arbeitsplatz (Sitzungsdokument 16.07.2001: http://www.juracity.de/db_arbeitsrecht/downloads/mobbing/Mobbingbericht%20EU.pdf: 07.12.2004)
6.) Europäisches Parlament (Hrsg.), Frank Lohro/Ulrich Hilp, Mobbing am Arbeitsplatz (Luxembourg: Generaldirektion Wissenschaft 2001, http://www.europarl.eu.int/workingpapers/soci/pdf/108_de.pdf: 08.12.2004)
7.) Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen „Dublin-Stiftung“ (Hrsg.), Damien Merllié/Pascal Paoli, Dritte Europäische Erhebung zu den Arbeitsbedingungen 2000 (Luxembourg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 2001)
8.) Beck-Texte (Hrsg.), Europarecht (18. Auflage, München: dtv 2003)
9.) Maximilian Fuchs (Hrsg.), Kommentar zum Europäischen Sozialrecht (3. Auflage, Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges. [u.a.] 2002)
10.) Martin Hensche, Online Handbuch Arbeitsrecht. Was ist Mobbing? (Berlin 2004, http://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Mobbing_WasIstDas.html , 10.12.2004)
11.) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission. Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft: eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006 (KOM(2002): http://europe.osha.eu.int/systems/strategies/future/com2002_de.pdf: 11.12.2004)
12.) Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte (2. Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1991)
13.) Winston E. Langley, Encyclopedia of human rights issues since 1945 (London [u.a.]: Fitzroy Dearborn 1999)
14.) Edward Lawson, Encyclopedia of human rights (2. edition, Washington, DC [u.a.]: Taylor & Francis 1996)
15.) Deutscher Gewerkschaftsbund (Hrsg.): Ulrike Michels, Mobbing am Arbeitsplatz (01.12.2002, http://www.ratgeberrecht.de/sendung/beitrag/rs2002120104.html; 07.12.2004)
16.) Klaus Mucha, Mobbing. Eine empirische Untersuchung bei der Berliner Polizei (Berlin: Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege FB 3 2002)
17.) NZA-RR, Mobbing am Arbeitsplatz, NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (2001) 347-363 (zum Urteil des LAG Thüringen vom 10.04.2001 – 5 Sa 403/2000)
18.) NZA-RR, Mobbing als Grund zur außerordentlichen Kündigung, NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (2001) (LAG Thüringen Ur. v. 15.02.2001 – 5 Sa 102/00) 577-586
19.) NZA-RR, Höhe des Schmerzensgeldes bei Mobbing, NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (2002) (LAG Rheinland-Pfalz Ur. v. 16.08.2001 – 6 Sa 415/01) 121-123
20.) NZA-RR, Schadensersatz wegen Mobbing – Darlegungs- und Beweislast, NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (2002) (ArbG München Ur. v. 25.09.2001 – 8 Ca 1562/01) 123-125
21.) NZA-RR, Schmerzensgeld bei Mobbing, NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht (2002) (LAG Schleswig-Holstein Ur. v. 19.03.2002 – 3 Sa 1/02) 457-458
22.) Xenia Neubeck, Die Europäische Sozialcharta und deren Protokolle: Einfluß und Bedeutung der sozialrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta auf das deutsche Recht und auf das Recht der Europäischen Union (Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 2002)
23.) Manfred Novak, Introduction to the international human rights regime (Leiden [u.a.]: Nijhoff 2003)
24.) Martin Resch, DGB-Informationen zur Angestelltenpolitik 03/97- Mobbing und Konflikte am Arbeitsplatz (1997, www.dgb.de/idaten/mobbing.pdf, 18.12.2004)
25.) Hans Gottlob Rühle, Folge 119: Mobbing V – arbeitsrechtliche Formen und Fallgruppen (http://www.bewerbungsmappen.de/links/Arbeitsrecht_X/Arbeitsrecht_119/arbeitsrecht_119.html, 11.12.2004)
26.) Hans Gottlob Rühle, Folge 120: Mobbing VI – Mobbing-Strategien / Ablaufszenarien (http://www.bewerbungsmappen.de/links/Arbeitsrecht_X/Arbeitsrecht_120/arbeitsrecht_120.html, 11.12.2004)
27.) Theodor Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz: universelles und europäisches Recht (Tübingen: Mohr Siebeck 2004)
28.) Alain Kiener, Mobbing und andere psychosoziale Spannungen am Arbeitsplatz in der Schweiz (Bern: seco – Staatssekretariat für Wirtschaft
29.) Direktion für Arbeit, Bereich Arbeitsbedingungen 2002)
30.) Gerd Seidel, Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene: eine vergleichende Darstellung der Grund- und Menschenrechte des deutschen Grundgesetzes, der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966 sowie der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der zuständigen Vertragsorgane (Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges., 1996)
31.) Matthias von Saldern (Hrsg.), Mobbing (Hohengehren: Schneider-Verlag 2002)
1 Einnleitung
Bereits seit den 1990ern wird Mobbing international erforscht. Dabei wird das Phänomen Mobbing nicht nur auf die Auswirkungen am Arbeitsplatz hin untersucht, sondern ist Gegenstand der Untersuchungen auch Mobbing in speziellen Bereichen des Arbeitslebens, unter Kindern und Jugendlichen, in der Schule und im Gruppenverhalten. Gegenwärtig ist eine Zunahme von Mobbing am Arbeitsplatz zu verzeichnen; Experten schätzen, dass jährlich rund 1,5 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland Opfer von Mobbing werden, wodurch ein volkswirtschaftlicher Schaden von ca. 25 Milliarden Euro verursacht wird.[1]
Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz erleiden häufig psychische, physische und materielle Schäden, die sie auf lange Zeit arbeitsunfähig machen und in ihrem Lebensgefühl einschränken. Während sie Mobbing erfahren, fühlen sich die Betroffenen hilflos und häufig alleingelassen. Kommt es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren, ist es für die Opfer sehr schwer, den Tatbestand von Mobbing am Arbeitsplatz nachzuweisen. Gegenwärtig können in Deutschland Rechte zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz weder mit Hilfe der Instrumente zum Schutz der Menschenrechte in Europa (ESC, EMRK und Charta der Grundrechte der Europäischen Union) noch nach dem deutschen Arbeitsrecht effektiv durchgesetzt werden. Daraus folgt, dass in Deutschland der Bürger kein soziales Grundrecht zum Schutz vor Mobbing hat.
Die sozialen Grundrechte aus der ESC, „sind [...] darauf gerichtet, dem Individuum die materiellen Voraussetzungen zur Nutzung der Freiheit zu sichern und die sozialen Voraussetzungen der Freiheitsausübung zu garantieren. ... Indem die sozialen Grundrechte damit auf Verschaffung bestimmter Lebensgüter abzielen, knüpfen sie nicht an etwas bereits Vorhandenes an, das rechtlich geschützt werden muss.“[2] Soziale Grundrechte setzten demnach ein staatliches Handeln voraus, im Gegensatz zu den Freiheitsrechten, wie sie in den bürgerlichen und politischen Rechten der EMRK aufgeführt sind, die zu ihrer Umsetzung einer Unterlassung staatlicher Intervention bedürfen. Ein soziales Grundrecht zum Schutz vor Mobbing teilt demnach das Merkmal von sozialen Grundrechten allgemein, indem es eine gesetzgeberische Aktivität voraussetzt, die ein einfaches Gesetz bestimmt und ausgestaltet.
Ziel vorliegender Arbeit ist es, Minimalanforderungen für ein solches Gesetz zu erarbeiten, wofür eine Untersuchung von Begrifflichkeit, Auftreten und Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz erforderlich ist. Als ein erster Schritt sollen die Erscheinungsformen von Mobbing anhand der in der ESC bzw. RESC vorhandenen Normen eingeschätzt werden aufbauend auf den folgenden Rechten:
- das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 2 ESC)
- das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen (Art. 3 ESC)
- das Recht der Arbeitnehmerinnen auf Schutz (Art. 8 ESC)
- das Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (ZSP 1988)
- das Recht auf Würde am Arbeitsplatz (Art. 26 RESC)
Auftreten von Mobbing und Schätzungen der Häufigkeit des Auftretens anhand von Statistiken sowie eine Definition werden im zweiten Kapitel beschrieben.
Im folgenden Kapitel wird versucht, mit Hilfe ausgewählter europäischer Normen eine Rechtsgrundlage für Mobbing am Arbeitsplatz herzuleiten. Die Möglichkeit der Umsetzung der ESC, der derzeitige Stand der Rechtslage und ein ausländisches Anti-Mobbing-Gesetz als Beispiel der Implementierung der ausgewählten Normen in nationales Recht werden im dritten Kapitel beschrieben.
Um das Ausmaß des Handlungsbedarfes einzugrenzen und Punkte zur Konkretisierung zu erarbeiten, werden im vierten Kapitel die Versuche von Mobbing-Opfern, Rechtsansprüche geltend zu machen, untersucht und die Wahrscheinlichkeit zur Durchsetzung von Klagen eingeschätzt.
Anknüpfend an die Ergebnisse des dritten und vierten Kapitels wird im fünften Kapitel Handlungsbedarf konstatiert, welcher in gesetzgeberische Maßnahmen in Deutschland münden soll. Die beschriebenen Handlungsempfehlungen stellen eine Minimalanforderung dar.
2 Erscheinungsformen von Mobbing
Das Phänomen Mobbing beschäftigt auf verschiedenen Ebenen die europäischen Organisationen und Organe der Europäischen Union. In einer Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz für 2002 bis 2006 stellt die Europäische Kommission fest, dass neue Krankheiten auftreten, welche Wohlbefinden und Sicherheit am Arbeitsplatz beeinträchtigen und sich dadurch negativ auf die Gesundheit auswirken. Bei der Auflistung dieser neuen Krankheiten wird Mobbing aufgeführt, welches neben anderen 18% der mit der Arbeit verbundenen Gesundheitsprobleme ausmacht[3].
Laut einer EU-weiten Umfrage aus dem Jahr 2000 sind durchschnittlich 9% der Arbeitnehmer Einschüchterungen ausgesetzt. Unter Einschüchterungen werden sowohl Mobbing als auch Tyrannisieren geführt. Gegenüber der vorangegangenen Umfrage von 1995 ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen, der im Untersuchungsbericht mit der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema begründet wird[4]. Wird die Einschätzung des Europäischen Parlaments vom Juli 2001 berücksichtigt, so ergibt sich, dass „laut einer Umfrage bei 21.500 Arbeitnehmern durch die Dublin-Stiftung 8% der Arbeitnehmer in der EU, das entspricht 12 Millionen Personen, erklären, in den letzten zwölf Monaten an ihrem Arbeitsplatz Mobbing ausgesetzt gewesen zu sein, wobei von einer wesentlich höheren Dunkelziffer auszugehen ist“[5].
2.1 Definition Mobbing
Es existiert noch keine internationale eindeutige Definition für Mobbing. Aus den unterschiedlichen Terminologien, die in Mobbing-Untersuchungen verwendet werden, lassen sich dennoch Merkmale ausmachen, die eine Verhaltensweise als Mobbing auszeichnen. Wenn demnach ein Verhalten „wiederholt, über einen längeren Zeitraum, nicht physischer Art [und] mit demütigender Wirkung auf die gemobbte Person“[6] auftritt, so handelt es sich um Mobbing.
[...]
[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2002)
[2] Xenia Neubeck (2002) 30f
[3] Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2002) 8
[4] Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Hrsg.) (2000) 41
[5] Europäisches Parlament (Hrsg.): Jan Andersson (2001) 5
[6] Europäisches Parlament (Hrsg.): Frank Lohro/Ulrich Hilp (2001) 8
- Arbeit zitieren
- Judith Ohene (Autor:in), 2004, Erscheinungsformen von Mobbing am Arbeitsplatz im Rekurs auf europäische Normen aus der ESC, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63829
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