Bereits in jenen Anfangsjahren des Films, in denen vermehrt auf die Emanzipation als eigene Kunstform hingearbeitet wurde, dienten vor allem Stoffe aus der Literatur und dem Theater als Vorlage für viele Filme, wobei sich die Omnipräsenz des Werkes Shakespeares in der westlichen Kultur und damit auch in den Filmproduktionen niederschlug. Betrachtet man die Gesamtheit aller Shakespeare-Verfilmungen, so fällt auf, dass die großen Tragödien Hamlet, Othello, MacBeth, King Lear zu Beginn des 20. Jahrhunderts eindeutig dominierten und für eine Vielzahl von Leinwand-Interpretationen als Vorlage dienten.
Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise und der damit einhergehenden großen Depression wandelte sich dies schlagartig. Das Leben selbst war tragisch genug und das Publikum wollte in Theater und Kino möglichst nicht mit dem harten Alltag konfrontiert werden. Die Filmindustrie stellte sich im Großen und Ganzen darauf ein und gab dem Publikum, was es verlangte. Dies war keinesfalls gleichbedeutend mit der Verbannung Shakespeares von der Leinwand. Nun waren es vor allem die Komödien, die verfilmt wurden, wie A Midsummer Night’s Dream, As You Like It und Much Ado About Nothing.
Doch wie war es um den Einfluss jener letzten Werke Shakespeares bestellt, die von der Forschung unter dem Begriff der Shakespeareschen Romanzen erfasst wurden? Von den vier Romanzen Shakespeares, Pericles, Cymbeline, The Winter’s Tale und The Tempest wurde zwischen 1929 und 1945 lediglich letztere einmal verfilmt. Dennoch, so die Arbeitshypothese, war der Einfluss dieser vier Werke auf das Kino der 1930er und 40er eminent und zwar indirekt über die so genannte Screwball Comedy.
Die Screwball Komödien waren die Antwort Hollywoods auf die veränderten Bedürfnisse der Kinozuschauer. Sie hatten zwar durchaus den Anspruch in erster Linie komisch zu sein, tragische Elemente wurden aber nicht ausgeblendet. Klassenunterschiede, Moralanschauungen waren ebenso Teil dieser Filme wie lächerliche, farceähnliche Situationen. Versöhnt wurde der Zuschauer mit dem guten Ausgang der Geschichte, dem in dieser Zeit zum Markenzeichen Hollywoods gewordenem Happy End.
Im Rahmen dieser Abhandlung soll vor allem The Tempest paradigmenhaft für die Shakespeareschen Romanzen unter dem Gesichtspunkt des Einflusses auf die Screwball Comedy untersucht und dabei zunächst The Philadelphia Story aus dem Jahre 1940, sowie anschließend Bringing Up Baby (1938) betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Abstract
2. Einleitung
3. Hauptteil
3.1. The Philadelphia Story
3.2. Bringing Up Baby
4. Fazit
5. Literatur- und Filmverzeichnis
6. Anhang
6.1. The Philadelphia Story
6.2. Bringing Up Baby
1. Abstract
The primary intention of this essay is to show the specific influence of the Late Shakespeare on Hollywoods ‘screwball’ comedy of the 1930s and 40s. The Tempest serves as the archetype of Shakespearian Romances for the investigation of two ‘screwball’ comedies, The Philadelphia Story and Bringing Up Baby. The charater of Prospero is the analytical focus.
2. Einleitung
Mit der Erfindung des Films gegen Ende des 19. Jahrhunderts, begann auch das Bestreben der Filmemacher, ihr Medium als eigenständige Kunst zu etablieren. Größere Impulse dem Film mehr Eigenständigkeit und auch eine persönlichere Ebene zu verleihen, gingen zumeist vom Europäischen Raum aus. Die deutschen Expressionisten der 1920er Jahre, die aufgrund der Machtergreifung der Nationalsozialisten gezwungen waren ihre Heimat zu verlassen und ihre Arbeit im System Hollywood fortführten, vor allem aber die so genannte „Nouvelle Vague“ um die französischen Autorenfilmer Francois Truffaut und Jean-Luc Godard, spielte bei der Emanzipation des Films weg vom Uneigenständigen, hin zur Schnittstelle aller Künste eine große Rolle.
Auch Hollywood, seit jeher mehr auf Kommerz als auf Kunst bedacht, verfügte über künstlerisches Filmpotenzial. Doch Individualisten wie Charly Chaplin oder auch Orson Welles, der mit Citizen Kane einen der Meilensteine der Filmkunst schuf und einen beträchtlichen Teil seines Oeuvres der Bearbeitung und Interpretation Shakespearescher Stücke widmete, wurden ihrer freien Entfaltung beraubt und außer Landes gejagt. Der Künstler, der sich über die Maschinerie stellen wollte, wurde nicht geduldet. In Punkto Bildsprache mündete dies in einem vereinheitlichten Stil, von der französischen Filmkritik später Découpage Classique getauft.[1] Kamera und Montage wurden so unsichtbar wie möglich gehalten, um eine flüssige Narration zu gewährleisten, so dass sich Filme nur noch durch ihre Geschichte, ihr Genre und ihre Schauspieler definieren konnten.
Die Filmstoffe wurden dabei vor allem aus Literaturvorlagen und Bühnenstücken gezogen, wobei sich die Omnipräsenz des Werkes Shakespeares in der westlichen Kultur und damit auch in den filmischen Epizentren in den Filmproduktionen niederschlug. Betrachtet man die Gesamtheit aller Shakespeare-Verfilmungen, so fällt auf, dass die großen Tragödien Hamlet, Othello, MacBeth, King Lear zu Beginn des 20. Jahrhunderts eindeutig dominierten und für eine Vielzahl von Leinwand-Interpretationen als Vorlage dienten. So wurde allein Hamlet bis 1921 über ein Dutzend Male verfilmt.[2]
Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise und der damit einhergehenden großen Depression wandelte sich dies schlagartig. Das Leben selbst war tragisch genug und das Publikum wollte in Theater und Kino vergessen oder zumindest mit Hoffnung versehen werden. Die Filmindustrie stellte sich im Großen und Ganzen darauf ein und gab dem Publikum, was es verlangte. Dies war keinesfalls gleichbedeutend mit der Verbannung Shakespeares von der Leinwand. In den 1930er Jahren hatten fast ebenso viele Filme Stücke Shakespeares zur Grundlage, wie in den Jahrzehnten zuvor, allein mit dem Unterschied, dass es nun die Komödien waren, die verfilmt wurden, wie A Midsummer Night’s Dream, As You Like It und Much Ado About Nothing.
Doch wie war es um den Einfluss auf das Theater und damit auch auf den Film jener letzten Werke Shakespeares bestellt, die in einer ihr sehr eigenen Art Tragik und Komik verbinden, das vorangegangene Oeuvre reflektieren und von der Forschung unter dem Begriff der Shakespeareschen Romanzen erfasst wurden?[3] Von den vier Romanzen Shakespeares, Pericles, Cymbeline, The Winter’s Tale und The Tempest wurde zwischen 1929 und 1945 lediglich letztere einmal verfilmt.[4] Dennoch, so die Arbeitshypothese, war der Einfluss dieser vier Werke auf das Kino der 1930er und 40er eminent und zwar indirekt über die so genannte Screwball Comedy.
Die Screwball Komödien waren die Antwort Hollywoods auf die veränderten Bedürfnisse der Kinozuschauer. Sie hatten zwar durchaus den Anspruch in erster Linie komisch zu sein, tragische Elemente wurden aber nicht ausgeblendet. Klassenunterschiede, Moralanschauungen waren ebenso Teil dieser Filme wie lächerliche, farceähnliche Situationen. Versöhnt wurde der Zuschauer mit dem guten Ausgang der Geschichte, dem in dieser Zeit zum Markenzeichen Hollywoods gewordenem Happy End.
Die vorhandene Literatur zum Werke William Shakespeares hat mittlerweile unüberschaubare Dimensionen angenommen. Auch Shakespeare in Bezug auf das Medium Film ist in zahlreichen Abhandlungen thematisiert worden. Das Literaturangebot zu jenem speziellen Filmgenre, zumal der Genrebegriff an sich schon äußert vage und im Beispiel der Screwball Comedy besonders fraglich, ist dagegen weitaus überschaubarer.
In der Untersuchung des Shakespeareschen Einflusses auf die Hollywoodkomödie der 1930er und 40er Jahre hat vor allem Stanley Cavell mit seiner 1981 erschienenen Abhandlung Pursuits of Happiness – The Hollywood Comedy of Remarriage Pionierarbeit geleistet, wobei Cavell das gesamte Werk Shakespeares heranzieht und sich nicht etwa, wie es Ziel dieser Abhandlung ist, auf die so genannten Shakespeareschen Romanzen konzentriert. Darüber hinaus zieht Cavell nur einen gewissen Teil der Screwball Komödien in seine Betrachtung mit ein, nämlich jene die thematisch das von ihm erarbeitete Motiv des Remarriage gemein haben und die er unter dem Begriff Comedy of Remarriage zusammenfasst. Jene Auswahl von sieben Filmen enthält aber ohnehin die Hauptwerke der Screwball Comedy, die sich auch am unproblematischsten diesem Genrebegriff zuordnen lassen.
Folgend soll vor allem The Tempest paradigmenhaft für die Shakespeareschen Romanzen unter dem Gesichtspunkt des Einflusses auf die Screwball Comedy untersucht und dabei zunächst The Philadelphia Story betrachtet werden.
3. Hauptteil
3.1. The Philadelphia Story
The Philadelphia Story, 1940 unter der Regie von George Cukor nach einer Bühnenadaption von Philip Barry verfilmt und mit dem deutschen Verleihtitel Die Nacht vor der Hochzeit versehen, weißt im Groben alle Charakteristika der Screwball Comedy auf. Darüber hinaus aber verfügt der Film über ein gewisses Maß an Tragik und über facettenreiche Figuren mit Tiefe, worin mit ein Grund zu sehen ist, dass The Philadelphia Story einer der herausragenden Filme seiner Zeit geblieben ist.
It is this directorial power that George is vaguely responding to when he accuses him [Dexter] of manipulating the ending they have come to; and Dexter openly directs, or casts and costumes and writes, the ensuing wedding ceremony.[5]
Cavell führt bei der Betrachtung von The Philadelphia Story in Bezug auf Berührungspunkte mit Shakespeare, dessen Werke Othello, King Lear, The Winter’s Tale, vor allem aber A Midsummer Night’s Dream an; auf The Tempest geht er nicht explizit ein. In dem vorangestelltem Zitat liegt allerdings eine höchst interessante und wie sich auch bald zeigen wird, fruchtbare Interpretationsmöglichkeit der Figur des C.K. Dexter Haven, gespielt von Cary Grant.[6] Dexter als Regisseur, der höchst manipulativ, für seine Mitmenschen aber unsichtbar das Geschehen lenkt, auf alles vorbereitet fast mühelos sein Ziel erreicht.
Jan Kott kommt in seiner Charakterisierung der Figur des Prospero zu einer ganz ähnlichen Betrachtungsweise. „…Regisseur Prospero…“[7] heißt es dort und auch die in der Shakespeareforschung oft gestellte Vermutung, dass unter dem Mantel Prosperos Shakespeare selbst gesteckt haben soll[8] wird kurz aufgegriffen, also wiederum ein Verweis auf die Inszenierungstätigkeit Prosperos, auf dessen Weitsichtigkeit und Voraussicht in der Manipulation aller anderen handelnden Personen.
Dexter als moderner Prospero – ein zu weit hergeholter Vergleich?
Nach seiner Vertreibung, nicht aus dem Herzogtum Mailand, sondern aus dem Hause Lord und damit auch aus der Welt, in der er aufgewachsen ist, durch die Scheidung von Tracy,
zieht sich Dexter nach Südamerika zurück. Dies wird in einem kurzen ersten Prolog aufgezeigt, der einem zweiten Anfang voranstellt ist. The Philadelphia Story weißt damit gleich zu Beginn formal eine Analogie zu The Tempest aufweist, wo auch Jan Kott zwei Prologe erkannt hat.[9]
[...]
[1] vgl. Monaco 1980, 548
[2] vgl. http://german.imdb.com/name/nm0000636/
[3] vgl. O’Connell 2002, 215
[4] The Tempest 1939, Regie Dallas Bower
[5] Cavell 1981, 139
[6] siehe Anhang, Personenverzeichnis
[7] Kott, 1965, 306
[8] vgl. Kott 1965, 294
[9] vgl. Kott 1965, 297
- Arbeit zitieren
- Arne Kohlweyer (Autor:in), 2006, Der Einfluss der Shakespeareschen Romanzen auf Hollywoods Screwball Comedy der 1930er und 40er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63812
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