Die Praxis der „Abstimmung mit den Füßen“, mit der vor allem junge Menschen auf die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der frühen fünfziger Jahre in der DDR reagierten, stellte eines der größten Probleme für den im Aufbau begriffenen sozialistischen Staat im Osten Deutschlands dar. Um das Überleben der DDR zu sichern, wurde nach Lösungen für das gravierende Abwanderungsproblem gesucht. „Um den Kampf gegen gegnerische Agenturen, Diversanten und andere aus Westdeutschland in die DDR geschickte feindliche Elemente sowie gegen den auf Untergrabung der Wirtschaftslage der DDR gerichteten Schmuggel wirksam führen zu können, wird die Errichtung eines besonderen Regimes an der Demarkationslinie zwischen der DDR und Westdeutschland und im Küstengebiet ab 22. Mai 1952 vorgesehen“ 2 , lautete eine Weisung der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) an das Zentralkomitee der SED, die den Auftakt für einen massiven Ausbau der Sperrmaßnahmen an der innerdeutschen Grenze bildete. Im Zuge dieser Maßnahmen fanden 1952 und 1961 mehrere Aktionen statt, bei denen ca. 12000 3 Personen zwangsweise aus dem Grenzgebiet ausgesiedelt wurden. 4 Aufgrund verschiedener Rechtsverordnungen und Befehle, die teilweise jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrten, wurden zahlreiche Menschen von Beamten des Ministeriums für Staatssicherheit und der Grenzpolizei in Nacht-und-Nebel-Aktionen aus ihrem vertrauten Umfeld gerissen und in das Inland der DDR umgesiedelt. Ziel meiner Arbeit ist es, zunächst Umfang und Ablauf der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze darzustellen, da dieses dunkle Kapitel der SED-Diktatur meiner Meinung nach in vielen Publikationen über das DDR-Grenzregime nur unzureichend behandelt wurde. Jedoch soll auch der Frage nachgegangen werden, welche politische „Motivation“ hinter den Umsiedlungsaktionen steckte. Standen pragmatische Sicherheitsüberlegungen oder doch ideologische Überzeugungen im Vordergrund? Was versprachen sich die Verantwortlichen von diesen „Säuberungsmaßnahmen“ innerhalb der Bevölkerung der Grenzgebiete? Die folgende Darstellung stützt sich besonders auf die Monographie „Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze“ von Inge Bennewitz und Rainer Potratz, die in ihrer Arbeit eine gründliche Analyse von Dokumenten und Zeitzeugenaussagen vornehmen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Entstehung des DDR-Grenzregimes
- Beginn der Sperrmaßnahmen
- Die Errichtung eines „besonderen Regimes“ an der innerdeutschen Grenze
- Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze
- Die Aktion „Ungeziefer“ 1952
- Vorbereitung
- Ablauf
- Folgen
- Die Aktion „,,Festigung“ 1961
- Planung und Durchführung
- Folgen
- Die Aktion „Ungeziefer“ 1952
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze in der DDR und beleuchtet die Hintergründe, den Umfang und die Folgen dieser Maßnahmen. Im Fokus stehen die Aktionen „Ungeziefer“ (1952) und „Festigung“ (1961), die zur Vertreibung von über 12.000 Menschen aus den Grenzgebieten führten.
- Die Entstehung des DDR-Grenzregimes und die Motive für den Ausbau der Sperrmaßnahmen
- Die politischen und ideologischen Hintergründe der Zwangsaussiedlungen
- Die Umsetzung der Zwangsaussiedlungen in den Aktionen „Ungeziefer“ und „Festigung“
- Die Folgen der Zwangsaussiedlungen für die betroffenen Menschen und die Grenzregionen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Problem der Flucht aus der DDR und die Notwendigkeit des Aufbaus eines strengen Grenzregimes durch die SED-Regierung beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die Entstehung des DDR-Grenzregimes detailliert dargestellt, wobei der Fokus auf den Beginn der Sperrmaßnahmen und die Errichtung eines „besonderen Regimes“ an der innerdeutschen Grenze liegt. Das dritte Kapitel widmet sich den Zwangsaussiedlungen, wobei die Aktionen „Ungeziefer“ und „Festigung“ im Detail analysiert werden.
Schlüsselwörter
Zwangsaussiedlungen, innerdeutsche Grenze, DDR-Grenzregime, Aktion „Ungeziefer“, Aktion „Festigung“, SED-Diktatur, Sicherheitsüberlegungen, ideologische Überzeugungen, „Abstimmung mit den Füßen“, Fluchtbewegung, Grenzpolizei, Ministerium für Staatssicherheit.
- Quote paper
- Andreas Geißler (Author), 2005, Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63787