Der dreißigjährige Krieg wurde in seiner ersten Phase, dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg, dominiert von den Bündnissen, die in seinem Vorfeld entstanden waren: Ahausener Union und katholische Liga. Sowohl protestantische als auch katholische Reichsstände hatten es vermocht, sich zu konfessionellen Bünden zusammen zu schließen, die ihre Interessen gegenüber der jeweils anderen Konfession im Reich wahren sollten. In dieser Arbeit nun sollen vor allem die Umstände, die Gründe und die Entwicklung zu diesen Bünden hin aufgezeigt, als auch ihre Organisation betrachtet werden. Weiterhin soll ein Ausblick auf die Rolle, die die Bünde im Vorfeld und im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges eingenommen haben, gegeben werden. Bei der Gesamtansicht des Themas stellt sich auch eine weitere Frage. Denn die Bünde hatten einen bestimmten Zweck. Dieser bestand offiziell darin, daß sie zur militärischen Defension ihrer Mitglieder gegründet worden waren. Inwieweit die Bünde allein diesen Zweck erfüllten oder mehr waren, d.h. inwieweit sie die Polarisierung im Reich bis hin zum Krieg mitverursacht haben, soll am Schluß erörtert werden. Die Literatur zum Dreißigjährigen Krieg ist heute fast unüberschaubar. Diejenige Literatur jedoch, die sich allein oder vornehmlich mit der Entstehung, Gründung und Entwicklung der Union und der Liga1 befaßt, ist überschaubar und älteren Datums. So bemerkt Alfred Kohler, daß eine ausführliche Abhandlung über das Thema "Union und Liga" eigentlich u.a. nur von K. Lorenz vorliegt. Auch F. Neuer-Landfried und M. Ritter haben sich ausgiebig mit der Materie befaßt. Gerade letzterer hat mit seinen Betrachtungen das Bild der Liga geprägt und A. Kohler wünschte sich neue Impulse, da M. Ritter somit die Forschung auch gehemmt habe. Es zeigte sich bei der Bearbeitung der Literatur auch, daß so gut wie keine Widersprüche über den Themenbereich in der Forschung existieren. Die Beurteilung über Entstehung, Gründung und Entwicklung der zwei Bünde sind einheitlich und lückenlos. Aufgrund der chronologisch aufeinanderfolgenden Gründung beider Bünde, ist es angebracht, die Betrachtungen mit der allgemeinen Situation im Reich zu beginnen, um dann die Gründung, Organisation und Entwicklung der Bünde getrennt voneinander aufzuzeigen. Mit der Krise um das Erbe Jülich-Kleves und später dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges aber kann ein gemeinsames Kapitel den Verlauf beschreiben, weil die Bünde ab diesem Zeitpunkt unmittelbar (militärisch) aufeinandertrafen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Situation im Reich im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges
3 Die protestantische Union
3.1 Auf dem Weg zu einer protestantischen Union
Exkurs: Die Donauwörth-Ereignisse
3.2 Die Organisation der protestantischen Union
4 Die katholische Liga
4.1 Auf dem Weg zur katholischen Liga
4.2 Die Organisation der katholischen Liga
5 Union und Liga in den Jahren 1610 -1619
Exkurs: Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit
6 Union und Liga im Böhmisch-Pfälzischen Krieg
7 Ausblick und Schlußbemerkungen
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der dreißigjährige Krieg wurde in seiner ersten Phase, dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg, dominiert von den Bündnissen, die in seinem Vorfeld entstanden waren: Ahausener Union und katholische Liga. Sowohl protestantische als auch katholische Reichsstände hatten es vermocht, sich zu konfessionellen Bünden zusammen zu schließen, die ihre Interessen gegenüber der jeweils anderen Konfession im Reich wahren sollten.
In dieser Arbeit nun sollen vor allem die Umstände, die Gründe und die Entwicklung zu diesen Bünden hin aufgezeigt, als auch ihre Organisation betrachtet werden. Weiterhin soll ein Ausblick auf die Rolle, die die Bünde im Vorfeld und im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges eingenommen haben, gegeben werden.
Bei der Gesamtansicht des Themas stellt sich auch eine weiterführende Frage. Denn die Bünde hatten einen bestimmten Zweck. Dieser bestand offiziell darin, daß sie zur militärischen Defension ihrer Mitglieder gegründet worden waren. Inwieweit die Bünde allein diesen Zweck erfüllten oder aber darüber hinausschossen, d.h. inwieweit sie die Polarisierung im Reich bis hin zum Krieg mitverursacht haben, soll am Schluß ebenfalls Gegenstand dieser Betrachtung sein.
Die Literatur zum Dreißigjährigen Krieg ist heute fast unüberschaubar. Diejenige Literatur jedoch, die sich allein oder vornehmlich mit der Entstehung, Gründung und Entwicklung der Union und der Liga[1] befaßt, ist überschaubar und älteren Datums.
So bemerkt Alfred Kohler, daß eine ausführliche Abhandlung über das Thema “Union und Liga” eigentlich u.a. nur von K. Lorenz vorliegt.[2] Auch F. Neuer-Landfried und M. Ritter haben sich ausgiebig mit der Materie befaßt. Gerade letzterer hat mit seinen Betrachtungen das Bild der Liga geprägt und A. Kohler wünschte sich neue Impulse, da M. Ritter somit die Forschung auch gehemmt habe.[3]
Aus dieser Tatsache heraus, daß Monographien über das hier zu behandelnde Thema eher rar sind, zeigte sich bei der Bearbeitung der Literatur auch, daß so gut wie keine Widersprüche über den Themenbereich in der Forschung existieren. Die Beurteilung über Entstehung, Gründung und Entwicklung der zwei Bünde sind einheitlich und lückenlos.
Aufgrund der chronologisch aufeinanderfolgenden Gründung, zuerst die der Union dann die der Liga, ist es angebracht, die Betrachtungen mit der allgemeinen Situation im Reich zu beginnen, um dann die Gründung , Organisation und Entwicklung der Bünde getrennt voneinander aufzuzeigen. Mit der Krise um das Erbe Jülich-Kleves und später dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges aber kann ein gemeinsames Kapitel den Verlauf beschreiben, weil die Bünde ab diesem Zeitpunkt unmittelbar (militärisch) aufeinandertrafen.
2 Die Situation im Reich im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges
Seit der Zeit der Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jhr. hatte es immer wieder Streitigkeiten zwischen den Katholischen und den Protestantischen Ständen im Reich gegeben.[4] Auch nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, der u.a. die Anerkennung des evangelischen Glaubens festsetzte,[5] brodelte es, weil die Bestimmungen des Friedens unterschiedliche Interpretationen zuließen und die beiden Konfessionen demnach unterschiedliche Standpunkte hatten.[6]
Verschärft wurde dieser Zustand noch als das Konzil von Trient 1563 erfolgreich abgeschlossen wurde und die katholische Seite nun jedes noch so kleine Nachgeben gegenüber den protestantischen Ständen als Verrat ansah, denn sie sahen sich nun in der Verbindung mit dem Augsburger Religionsfrieden vollkommen im Recht.[7]
Auf der protestantischen Seite löste dies die Reaktion aus, immer häufiger die Zuständigkeit der Reichsjustiz durch den kaiserlichen Hofrat, das Reichskammer gericht und die Deputationstage, die sich mit religiös-konfessionellen Angelegenheiten, die das Reich betrafen, auseinandersetzten, in Frage zu stellen und ihr später auch völlig abzusprechen. Der Grund: die Protestanten wollten sich Majoritätsentscheidungen der katholischen Stände in solchen Fragen nicht beugen.[8] Mit dieser Reaktion einher ging die zunehmende Schwächung aller Reichsorgane, auch die des Reichstages und des Kaisers, der wegen der Konflikte mit den Ungarn und den immer wieder als Bittsteller auftreten mußte und nicht zwischen den beiden Parteien zu vermitteln verstand.[9]
Es reifte auf beiden Seiten die Vorstellung, die Lücke , die durch die Rechtsunsicherheit entstanden war, durch Bünde zu kompensieren. Und es hatte solche Bünde bereits in der ersten Hälfte des 16. Jhr. gegeben.
Zum einen hatten sich 1531 Kursachsen, Braunschweig und Hessen sowie acht oberdeutsche Reichsstädte zum “Schmalkaldischen Bund” zusammengefunden, weil sie in Opposition zum Kaiser standen, der im Wormser Edikt das Luthertum geächtet hatte. Der Zweck des Bundes zu diesem Zeitpunkt war: mit “ gemeinsamer Hilfeleistung für jeden Stand, der um <des reinen Wortes Gottes> Willen abgegriffen würde”[10] beizustehen. Dies war das erste mal, daß das evangelische Glaubensbekenntnis unter Waffenschutz gestellt war. Der Schmalkaldische Bund pflegte, wie später die Union, Verbindungen zum Ausland, um seine Position zu stärken.[11]
Zum anderen fanden sich 1538 u.a. der Kaiser, Bayern; Braunschweig und die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg zur “Nürnberger Liga”[12] bzw. zur “Christlichen Einigung”[13] Sie wiederum wollten das Wormser Edikt anerkannt sehen und die inzwischen starke Stellung des Schmalkaldischen Bundes schmälern.
Der Schmalkaldische Krieg, der 1546/47 geführt wurde, endete mit der Niederlage der Protestanten , was die Auflösung des Bundes zur Folge hatte.[14]
Die Vorstellung also, daß die Konfessionen auch politische Bünde schließen konnten, war nicht neu. Allerdings dauerte es noch bis 1608, bis die Protestanten den Anfang machten und die Katholiken mit knapp einem Jahr Verzögerung gleichzogen. Seit Anfang des 17.Jhr hatten beinahe unermüdlich der Calvinist Christian von Anhalt und der Herzog von Bayern, Maximilian I., jeder in seinem “Lager” für ein Bündnis gefochten. Gerade diese beiden Protagonisten war es zu verdanken, daß sich nun zwei feindlichen Parteien, trotz aller Unterschiede innerhalb der eigenen Reihen, gegenüberstanden und dem Dreißigjährigen Krieg somit die Werkzeuge zugrundelegte, die es brauchte, um den Krieg ins ganze Reich zu tragen.
3 Die protestantische Union
3.1 Auf dem Weg zu einer protestantischen Union
Die Partei der protestantischen Stände des Reiches war um die Jahrhundertwende zum 17. Jhr. alles andere als einheitlich. Die Unterteilung in Lutheraner und Calvinisten[15] zeigt sich bei genauerer Betrachtung jedoch zu grob. Denn es existierten drei protestantische Gruppen mit unterschiedlichen Interessen.[16]
Einerseits ist dabei die Gruppe um Kursachsen, die keine Änderung der Reichsverfassung anstrebte und den Augsburger Religionsfrieden nicht wie ihre protestantischen Glaubensbrüder interpretierte, zu erwähnen. Mit anderen Worten, diese Gruppe hielt sich auf kaisertreuer Linie und versuchte zu vermitteln[17].
Die mittlere Gruppe bildete eine Reihe von unentschlossenen Staaten, die zwar den Augsburger Religionsfrieden nicht wie die katholische Seite interpretierte, aber selbst nicht gegen die Reichsverfassung aktiv werden wollte.
Die radikalste Gruppe war die um den Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz. Er und sein Kanzler Christian von Anhalt waren bestrebt ein Bündnis der protestantischen Stände in die Wege zu leiten, um ihre Interessen im Reich zu wahren. Doch genau diese Dreispaltung lähmte jenes Vorhaben.
M. Ritter nennt die Zeitspanne zwischen 1590 und 1606 daher “die Zeit der Unentschiedenheit”[18] Die Protestanten ließen also eine einheitliche Linie gegenüber ihren Kontrahenten missen, wodurch ihre Stellung nicht eben verbessert wurde.[19]
[...]
[1] Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Ahausener Union und die Heilige Liga mit “Union” und “ Liga” abgekürzt.
[2] Vgl.: Alfred Kohler: Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648, Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 6, hrsg. v. Lothar Gall , München 1990, S.93. Kohler bezog sich hier auf das Buch K. Lorenz: Die kirchlich-politische Parteibildung in Deutschland, München 1903. Dieses Buch konnte in dieser Arbeit nicht miteinbezogen werden, da es bis zum heutigen Tag nicht vorliegt (Fernleihbestellung)
[3] Alfred Kohler: ebd.: S. 113f.
[4] z.B. Sickingenfehde, Bauernkriege, Schmalkaldischer Krieg, Kölner Krieg, Jülich-Kleve-Berg-Erbfolgestreit, Vier-Kloster-Streit, Straßburger Streit. Vgl.: Franziska Neuer-Landfried: Die katholische Liga, Gründung, Neubegründung und Organisation eines Sonderbundes 1608-1620, Münchener Historische Studien Abteilung Bayerische Geschichte, Band IX, hrsg. v. Max Spindler, Kallmünz 1968, S. 12; & vgl: Moriz Ritter: Geschichte der Deutschen Union von den Vorbereitungen des Bundes bis zum Ende Kaiser Rudolfs II. (1598-1612), Band 2, Schaffhausen 1873, S. 22; 131ff; & vgl.: Johannes Burkhardt: Der Dreißigjährige Krieg , Moderne Deutsche Geschichte, Band 2, Frankfurt a.M. 1992, S. 10; & vgl. Bruno Gebhardt: Handbuch der Deutschen Geschichte, Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus, Band 2, 9. neubearbeitete Auflage, Stuttgart 1970, S. 154ff.
[5] Vgl.: Konrad Fuchs, Heribert Raab: Wörterbuch zur Geschichte, 10. Auflage, München 1996, S.71.
[6] v.a. der “Geistliche Vorbehalt” gab Anlaß zu Konflikten. Vgl: Heinrich Lutz: Der politische und religiöse Aufbruch Europas im 16 Jhr., in: Golo Mann, Alfred Heuß, August Nitschke (Hrsg.): Propyläen Weltgeschichte, Band 7, Frankfurt a.M. / Berlin 1964, S. 121f. Heinrich Lutz spricht von einem “Konfliktmechanismus”: Heinrich Lutz: Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung 1490-1648, in: D. Groh (Hrsg.): Propyläen Geschichte Deutschlands, Band 4, Berlin / Wien 1983, S. 397.
[7] Vgl.: Heinrich Lutz: ebd., S. 397
[8] Vgl.: Moriz Ritter: Geschichte der Deutschen Union von den Vorbereitungen des Bundes bis zum Ende Kaiser Rudolfs II. (1598-1612), Band 2, Schaffhausen 1873, S.2. & Franziska Neuer-Landfried: Die katholische Liga, Gründung, Neubegründung und Organisation eines Sonderbundes 1608-1620, Münchener Historische Studien Abteilung Bayerische Geschichte, Band IX, hrsg. v. Max Spindler, Kallmünz 1968, S.7; 13ff.
[9] Vgl.: Moriz Ritter: a.a.O., S. 4; 25ff; & Franziska Neuer-Landfried: a.a.O., S.7; 12ff;31.
[10] Heinrich Lutz: Der politische und religiöse Aufbruch Europas im 16 Jhr., in: Golo Mann, Alfred Heuß, August Nitschke (Hrsg.): Propyläen Weltgeschichte, Band 7, Von der Reformation zur Revolution, Frankfurt a.M. / Berlin 1964, S. 58.
[11] Dies vor allem mit England unter Oliver Cromwell; vgl.: Heinrich Lutz: ebd.; S. 63.
[12] Vgl.: Heinrich Lutz: ebd.: S.73.
[13] Vgl.: Konrad Fuchs, Heribert Raab: Wörterbuch zur Geschichte, 10. Auflage, München 1996, S. 734.
[14] Vgl.: Konrad Fuchs:ebd.: S.735.
[15] Vgl.: M.Ritter: a.a.O.: S. 17ff.
[16] Vgl.: M. Ritter: a.a.O., S. 3f.
[17] Vgl.: Heinrich Lutz: Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung 1490-1648, in: D. Groh (Hrsg.): Propyläen Geschichte Deutschlands, Band 4, Berlin / Wien 1983, S. 397.
[18] Vgl.: M.Ritter: ebd., S 5(ff).
[19] Hinzu kamen noch spezielle Konflikte unter den Mitgliedern der protestantischen Partei: Streit um Kurpfälzisches Testament, Streit des Herzogs Heinrich Julius mit der Stadt Braunschweig, der hessische Konflikt und die “ Straßburger Sache”; vgl. M. Ritter: a.a.O., S. 35ff.