Der durch die Globalisierung bedingte Druck auf der Produkt- oder Angebotsseite, möglichst innovativ zu sein, verändert die Anforderungen an die Mitarbeiter ernorm. Um Veränderungen nicht nur hinterherzulaufen, sondern diese aktiv mitgestalten zu können, ist eine extrem schnelle Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter gefragt. So müssen sich Mitarbeiter auf neue Situationen einstellen, was vor allem bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, sich neue Themengebiete selbstständig zu erschließen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie in der Lage sind selbst gesteuert4 zu lernen. Dies wird im späteren Berufsleben erleichtert, wenn der Mitarbeiter bereits über entsprechende Kenntnisse des selbst gesteuerten Lernens verfügt. Das kann erreicht werden, indem bereits im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Erstausbildung Lernumgebungen geschaffen werden, die ein zunehmend aktives selbstgesteuertes Lernen evozieren. Eine Beschränkung der (Erst)ausbildung auf das alleinige Erlernen von Faktenwissen innerhalb eines bestimmten Fachbereiches reicht daher – insbesondere vor dem Hintergrund der stetigen Weiterentwicklung betrieblicher Abläufe – nicht aus. Betrachtet man die betriebliche Ausbildung, so ist jedoch – auch im kaufmännischen Bereich – weithin festzustellen, dass eher sehr traditionell verfahren wird. So findet die Vermittlung des Wissens weiterhin ausbilderzentriert, zum Beispiel im Rahmen eines Vortrages innerhalb des innerbetrieblichen Unterrichts oder im Rahmen der Drei-Stufen-Methode, statt. Selbst gesteuertes Lernen nimmt nach traditionellen Lehrmethoden keinen großen Stellenwert innerhalb der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung ein. Es stellt sich daher die Frage, mit welchen Lehr-/Lern-Settings selbst gesteuertes Lernen evoziert werden kann.
I. Inhaltsverzeichnis
II. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zum Aufbau der Arbeit
2. Zur Funktion des Lernorts „Betrieb“
3. Zur Definition des Begriffs E-Learning
4. Zu den Formen des E-Learning
4.1. Kriterien zur Charakterisierung der E-Learning-Formen
4.2. Computer-Based-Training
4.2.1. Drill & Practice-Programme
4.2.2. Tutorielle Programme
4.2.3. Intelligente tutorielle Systeme
4.2.4. Hypertext- und Hypermedia-Informationssysteme
4.2.5. Simulationen
4.2.6. Elektronische Lernspiele
4.3. Web-Based-Training
4.3.1. Aus dem Inter-/Intranet ausführbare Computer Based Trainings
4.3.2. Webquests
4.3.3. Wikis
4.3.4. Weblogs
4.3.5. Fernplanspiele
4.4. Lernplattformen (E-Training)
4.5. Die Mischform „Blended Learning“
5. Zur Verbreitung von E-Learning
in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung
6. Zu den Effekten des E-Learning-Einsatzes
in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung
6.1. Zur Konsistenz und Aktualität der Lehrinhalte
6.2. Zur Speicherung des Wissens im kognitiven Apparat
6.3. Zur Effizienz des Lernens
6.4. Zur Motivation des Lernenden
6.5. Zur Förderung der beruflichen Handlungskompetenz
6.6. Zu den ökonomischen Potentialen
6.7. Zum selbstgesteuertem Lernen
7. Zusammenfassung und Forschungsdesiderate
III. Literaturverzeichnis
IV. Anlagen
V. Ehrenwörtliche Erklärung
II. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildungen:
Abb. 1 – Screenshot des Programms „Zehn Finger Test“
Abb. 2 – Screenshot der Webseite „Versicherungslexikon.info“
Abb. 3 – Screenshot der Simulation „Factory“
Abb. 4 – Screenshot der Webseite „Pflegewiki.de“
Abb. 5 – Screenshot der Webseite „Bildungsblog“
Tabellen:
Tabelle 1: Vergleich der Formen des
Computer Based Trainings nach ausgewählten Kriterien
Tabelle 2: Vergleich der Formen des
Web Based Trainings nach ausgewählten Kriterien
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft ist gegenüber der früheren Industriegesellschaft festzustellen, dass sich das Wissen nicht nur ständig erweitert, sondern dass Informationen im Allgemeinen einer geringeren Halbwertszeit unterliegen.[1] Ständig werden Informationen durch neue Hinweise, die mittels der Neuen Medien innerhalb weniger Sekunden von allen Nutzern in der gesamten Welt gelesen werden können, aktualisiert. Im Hinblick auf betriebswirtschaftliches Wissen ist zu konstatieren, dass sich auch hier Wissen durch neue Forschungsergebnisse ständig verändert. Bei traditionellen Lehrmedien, wie zum Beispiel dem Lehrbuch, liegt jedoch eine erhebliche Zeitspanne zwischen dem Redaktionsschluss und der eigentlichen Publikation. Angesichts der rasanten Entwicklung, in der die Wissenschaft immer neue betriebswirtschaftliche Konzepte entwickelt, muss man sich fragen, ob traditionelle Lehrmedien, wie zum Beispiel Lehrbücher, dieser gebotenen Aktualität Rechnung tragen können. So kommt es oft vor, dass Lehrbücher kurze Zeit nach der Veröffentlichung bereits veraltet scheinen. Ausbilder stehen vor der Frage, mit welchen Alternativen zum traditionellen Lehrbuch Lehrinhalte leichter aktualisiert werden können.
Ferner agieren Unternehmen, und damit auch Ausbildungsbetriebe, in einem wirtschaftlichen Umfeld, welches sich in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Kennzeichen dieses Wandels sind vor allem Internationalisierung bzw. Globalisierung der Märkte mit den bekannten Folgen: ein erhöhter Wettbewerbsdruck, der u. a. Innovationsdruck auf der einen Seite und Kostendruck auf der anderen Seite bedeutet. Dieser Kostendruck wird auch in der Aus- und Weiterbildung deutlich: „Die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter[2] “, so Köllinger, „ist zwar gewünscht, soll jedoch möglichst wenig Zeit und Geld kosten.“ (vgl. Köllinger 2002, S.14) Im Raum steht daher die Frage, mit welchen Lernumgebungen Ausbildungsunternehmen die Kosten der Aus- und Weiterbildung senken können, ohne einen Qualitätsverlust erleiden zu müssen.
Darüber hinaus sollte sich der Wissenserwerb selbstverständlich nicht nur als effizient, sondern auch als effektiv erweisen. Ein Lehr-/Lern-Setting ist dann erfolgreich, wenn die zu Beginn festgelegten Lernziele tatsächlich durch die Lernenden erreicht wurden und die Lerninhalte langfristig im kognitiven Apparat gespeichert sind. Zu fragen ist jedoch, welche Lehr-/Lern-Settings eine optimale Speicherung des Wissens im kognitiven Apparat evozieren.
Eng mit der optimalen Speicherung des Wissens im kognitiven Apparat verbunden ist die Lernmotivation. Sind die Auszubildenden motiviert, Wissen aufzunehmen, ist die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Speicherung des Wissens größer. Ausbilder stellen sich daher die Frage, ob es ein Lehr-/Lern-Setting gibt, das die Motivation der Lernenden deutlich erhöht.
Ziel jeglicher beruflicher Aus- und Weiterbildung muss es sein, Lernende in die Lage zu versetzen, ihre zukünftigen betrieblichen Aufgaben effektiv und effizient lösen zu können. Nach Ebner müssen die Auszubildenden hierzu berufliche Handlungskompetenz erwerben, um später betriebliche Aufgaben lösen zu können. Unter der beruflichen Handlungskompetenz versteht Ebner „ein aufgabenbezogenes aktivierbares Wissenssystem zur situativen Generierung effektiver Handlungen in beruflichen Kontexten bestehend aus den Systemkomponenten Interaktions-, Professions- und Folgenwissen.“ (vgl. Ebner 2001, S. 7) Ausbildungsunternehmen müssen sich daher mit der Frage beschäftigen, mit welchem Lehr-/Lern-Setting Auszubildende am ehesten berufliche Handlungskompetenz erwerben können.
Durch Internationalisierung entstehen regelrechte „Branchenriesen“, in denen die Zuständigkeiten im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung auf einer Vielzahl von Köpfen verteilt sind, die an unterschiedlichen Standorten bzw. sogar in unterschiedlichen Ländern beschäftigt sind,. Dadurch besteht die Gefahr, dass Lerninhalte über die Standorte hinweg nicht konsistent sind. So ist es durchaus denkbar, dass trotz eines einheitlichen Unternehmenscurriculums[3] die einzelnen Ausbilder, zum Beispiel im Rahmen des innerbetrieblichen Unterrichts, eigene Schwerpunkte setzen und bestimmte Themen nicht behandeln. Wechselt ein Mitarbeiter später die Niederlassung, entstehen für das Unternehmen durch Lerninhalte, die nicht über die Standorte hinweg konsistent sind, höhere Einarbeitungskosten. Ausbildungsunternehmen stehen vor der Frage, mit welchen Mechanismen sie über Standorte hinweg konsistente Lehrinhalte gewährleisten können.
Der durch die Globalisierung bedingte Druck auf der Produkt- oder Angebotsseite, möglichst innovativ zu sein, verändert die Anforderungen an die Mitarbeiter ernorm. Um Veränderungen nicht nur hinterherzulaufen, sondern diese aktiv mitgestalten zu können, ist eine extrem schnelle Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter gefragt. So müssen sich Mitarbeiter auf neue Situationen einstellen, was vor allem bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, sich neue Themengebiete selbstständig zu erschließen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie in der Lage sind selbst gesteuert[4] zu lernen. Dies wird im späteren Berufsleben erleichtert, wenn der Mitarbeiter bereits über entsprechende Kenntnisse des selbst gesteuerten Lernens verfügt. Das kann erreicht werden, indem bereits im Rahmen
der betrieblichen kaufmännischen Erstausbildung Lernumgebungen geschaffen werden, die ein zunehmend aktives selbstgesteuertes Lernen evozieren. Eine Beschränkung der (Erst)ausbildung auf das alleinige Erlernen von Faktenwissen innerhalb eines bestimmten Fachbereiches reicht daher – insbesondere vor dem Hintergrund der stetigen Weiterentwicklung betrieblicher Abläufe – nicht aus. Betrachtet man die betriebliche Ausbildung, so ist jedoch – auch im kaufmännischen Bereich – weithin festzustellen, dass eher sehr traditionell verfahren wird. So findet die Vermittlung des Wissens weiterhin ausbilderzentriert, zum Beispiel im Rahmen eines Vortrages innerhalb des innerbetrieblichen Unterrichts oder im Rahmen der Drei-Stufen-Methode, statt. Selbst gesteuertes Lernen nimmt nach traditionellen Lehrmethoden keinen großen Stellenwert innerhalb der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung ein. Es stellt sich daher die Frage, mit welchen Lehr-/Lern-Settings selbst gesteuertes Lernen evoziert werden kann.
Eine mögliche Antwort auf die in diesem Abschnitt gestellten Fragen könnte „E-Learning“[5] sein, welches Ende der 1990er Jahre in der Literatur regelrecht als Allheilmittel propagiert wurde.
Schließlich wird über E-Learning gesagt, dass Lerninhalte gegenüber herkömmlichen Printmedien schneller aktualisiert werden können und konsistente Lehrinhalte dank zentraler Speicherung über Niederlassungen hinweg gewährleistet werden können. Ferner ist oft in Aufsätzen zu lesen, dass man mittels E-Learning die Kosten der betrieblichen kaufmännischen Aus- und Weiterbildung deutlich senken kann und durch die multimediale Aufbereitung der Lerninhalte die Speicherung des Wissens im kognitiven Apparat wesentlich effektiver zu sein scheint. Auch wird die Behauptung aufgestellt, dass Auszubildende durch E-Learning lernen, selbst gesteuert zu arbeiten und durch die multimediale Aufbereitung von E-Learning-Applikationen eine Steigerung der Lernmotivation festzustellen ist. Ferner soll
E-Learning die berufliche Handlungskompetenz erhöhen.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es herauszufinden, ob E-Learning tatsächlich eine adäquate Antwort auf die eingangs gestellten Fragen ist. Es soll untersucht werden, ob die oben genannten Probleme, die in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung bestehen, durch den (vermehrten) Einsatz von E-Learning gelöst bzw. zumindest gemindert werden können.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
ob bzw. inwieweit die (vermehrte) Nutzung des E-Learning
einen Beitrag zur Bewältigung der eingangs genannten
Probleme leisten könnte.
Methodisch basiert die vorliegende Arbeit im Wesentlichen auf einer Literatur- und Internetrecherche. Hinzufügen ist allerdings, dass aufgrund der Spezifität und Aktualität des Themas ein großer Teil der benutzten Quellen direkt aus dem Internet stammen. Wie die Arbeit im Einzelnen inhaltlich aufgebaut ist, wird im folgenden Abschnitt beschrieben.
1.2. Zum Aufbau der Arbeit
Um dem Leser den Einstieg in das Themengebiet zu erleichtern, soll nach der Problemstellung (1.1.) sowie den Erläuterungen zum inhaltlichen Aufbau dieser Arbeit (1.2.) im zweiten Kapitel zunächst die Funktion des Lernorts „Betrieb“ im Rahmen der kaufmännischen Ausbildung dargestellt werden.
Im dritten Abschnitt dieser Arbeit wird der Begriff E-Learning definiert. Hierzu werden verschiedene, in der Literatur gebräuchliche Definitionen herangezogen und aus diesen eine Definition erarbeitet, die nach der Meinung des Autors am ehesten die bestehenden Formen des E-Learning im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung abdecken kann.
Aufgrund der im dritten Abschnitt erarbeiteten Feststellung, dass E-Learning als Sammelbegriff verschiedener Formen computerunterstützten Lernens interpretiert werden kann, bietet es sich an, im vierten Abschnitt der Diplomarbeit die unterschiedlichen Formen von E-Learning vorzustellen und diese möglichst anhand konkreter Beispiele zu illustrieren. Da E-Learning ein Sammelbegriff ist, muss eine Vielschichtigkeit erwartet werden. Um darstellen zu können, in welchen Merkmalen sich die einzelnen Ausprägungen von
E-Learning unterscheiden, werden einheitliche Kriterien benötigt, mit deren Hilfe diese näher charakterisiert werden können. Aus diesem Grund werden im Kapitel 4.1. zunächst Kriterien für eine spätere Charakterisierung aufgestellt. Im Anschluss daran erfolgt in den Unterkapiteln 4.2 bis 4.5 eine Darstellung der einzelnen E-Learning-Formen sowie jeweils eine kurze Charakterisierung anhand der im Abschnitt 4.1. vorgestellten Kriterien.
Damit soll das Ziel des Teilabschnittes, die Beantwortung folgender Frage, erreicht werden:
Welche Formen von E-Learning lassen sich unterscheiden
und wodurch kennzeichnen sich diese Formen?
Aktuelle Befragungen von Unternehmen nach den E-Learning-Angeboten im eigenen Hause ergaben – je nach zitierter Studie –, dass etwa 46 % bis 88 % der Unternehmen E-Learning-Formen einsetzen (vgl. Dittler 2003, S. 11). Möchte man in der gängigen Literatur jedoch Näheres über konkrete Anwendungsgebiete des E-Learning in Erfahrung bringen, fällt einem die starke Betonung der
betrieblichen Weiterbildung auf, während die betriebliche Ausbildung oft nur in einem Halbsatz durch die jeweiligen Autoren Erwähnung findet. Es stellt sich daher die Frage,
wie weit E-Learning überhaupt im Rahmen der betrieblichen
kaufmännischen Ausbildung in Deutschland derzeit verbreitet ist.
Zur Beantwortung dieser Frage soll im fünften Kapitel der Diplomarbeit der Verbreitungsgrad von E-Learning im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung – anhand der Auswertung verschiedener, bereits vorliegender empirischer Studien – dargestellt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, in welchen Branchen, Betriebsgrößen und Ausbildungsberufen E-Learning verstärkt zum Einsatz kommt. Durch die Untersuchung, wie weit E-Learning-Applikationen verbreitet sind, können Rückschlüsse auf die derzeitige Bedeutung von E-Learning zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit gezogen werden.
Aufbauend auf das Wissen über die Formen und den Verbreitungsgrad von E-Learning, welche in den deskriptiv gehaltenen Abschnitten 4 und 5 vermittelt wurden, soll im sechsten Abschnitt eine kritische Analyse des (vermehrten) Einsatzes von E-Learning in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung erfolgen:
Welche Effekte sind für den Ausbilder, die Ausbildungsunternehmen sowie für die Lernprozesse der Auszubildenden theoretisch zu erwarten und welche Effekte wurden bislang empirisch belegt?
In den einzelnen Abschnitten des Kapitels erfolgt zunächst eine theoretische Herangehensweise an die jeweiligen Effekte mit der Fragestellung, warum aus theoretischer Sicht diese Effekte auftreten können. Im zweiten Teil des jeweiligen Abschnittes soll anhand vorhandener empirischer Studien analysiert werden, ob die theoretisch erwarteten Effekte in der Praxis bestätigt werden können.
Der siebte Abschnitt der Diplomarbeit dient der Zusammenfassung und der abschließenden Beurteilung, ob durch die (vermehrte) Nutzung von Formen des E-Learning ein Beitrag zur Bewältigung der im Abschnitt 1.1. genannten Anforderungen geleistet werden kann. Ferner dient dieses Kapitel der Nennung weiterer Fragen, die sich während der Arbeit an der Diplomarbeit ergaben, jedoch nicht in diesem Rahmen (vollständig) gelöst werden konnten und daher dem Leser als Ansatzpunkte für eine weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themengebiet dienen könnten.
2. Zur Funktion des Lernorts „Betrieb“
im Rahmen der kaufmännischen Ausbildung
Rund 60 % der Jugendlichen in Deutschland qualifizieren sich im dualen System der Berufsausbildung. Dieses System ist dadurch gekennzeichnet, dass die Ausbildung sowohl im Betrieb als auch in der Berufsschule stattfindet (vgl. BMBF 2006). Wirft man jedoch einen Blick in das Berufsbildungsgesetz (BBiG), stellt man fest, dass als Lernorte der Berufsbildung neben Betrieben und berufsbildenden Schulen auch außerbetriebliche Einrichtungen der Berufsbildung genannt werden (§ 1 Abs. 1 BBiG). Dennoch hat der Lernort „Betrieb“ gegenüber außerbetrieblichen Einrichtungen der Berufsausbildung weiterhin die größere Bedeutung. Auch wenn überbetriebliche Bildungseinrichtungen gerade in strukturschwachen Regionen im Rahmen der Berufsausbildung die Aufgabe von Betrieben übernehmen, überwiegt in Deutschland die altbewährte Variante, nach der ein Auszubildender einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb abschließt (vgl. Frommberger 2005, S. 5). „Auch in den nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen, die überwiegend landesrechtlichen Rahmenbedingungen folgen, dominiert der Betrieb als Lernort. Nur in den diversen vollzeitschulischen Formen in den Berufsbildenden Schulen sowie in den diversen Ergänzungsangeboten im Rahmen von Sonderprogrammen“, so Frommberger, „besitzt der Betrieb als Lernort eine untergeordnete Rolle.“ (vgl. ebd., S. 5) Die Dominanz dieses Lernortes lässt sich auch hinsichtlich der Verteilung der Ausbildungszeit feststellen: So verbringt der Lernende die meiste Zeit am Lernort „Betrieb“ und deutlich weniger Zeit in der berufsbildenden Schule (vgl. ebd., S. 6).
Nach den Ausführungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) übernehmen Betriebe die Funktion der Gewährleistung der überwiegend praktischen Ausbildung, während die Berufsschule diese durch theoretische Grundlagen ergänzt (vgl. BMBF 2006). Dies geschieht seitens der Betriebe „neben der klassischen Beistelllehre am Arbeitsplatz im innerbetrieblichen Unterricht. Der klassischen Beistelllehre am Arbeitsplatz liegt das Konzept des Handlungs- und Erfahrungslernens zugrunde. Die Auszubildenden lernen im aktiven Vollzug des beruflichen Handelns.“ (vgl. Huther 1995, S. 12)Neben dem formellen Lernen ist insbesondere das informelle Lernen am Lernort „Betrieb“ eine wichtige Lernform. Unter dem informellen Lernen versteht man Formen des Erwerbs von Fertigkeiten und Fähigkeiten, in denen sozusagen beiläufig und nicht geplant gelernt wird (vgl. ebd, S. 12 f.).
Im Rahmen dieser Arbeit soll E-Learning in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung untersucht werden. Unter der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung soll die Ausbildung in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen[6] im Berufsfeld „Wirtschaft und Verwaltung“ am Lernort „Betrieb“ verstanden werden.
3. Zur Definition des Begriffs E-Learning
E-Learning ist kein wissenschaftlicher Begriff. In der Literatur konnte sich bisher keine eindeutige Definition entwickeln. Stattdessen findet man hier mannigfaltige Definitionen Einen möglichen Ursprung des Begriffs könnte in der Werbeindustrie, insbesondere im engen Zusammenhang mit der weltweiten E-Business Marketingkampagne von IBM zu sehen sein (vgl. Georgieff u. a. 2005, S. 13).
Im Rahmen dieses Abschnittes sollen zunächst einige ausgewählte Definitionen vorgestellt werden, um daraus ein eigenes Verständnis für den Begriff „E-Learning“ entwickeln zu können, der als Grundlage für die weitere Abhandlung dienen soll.
Klaus Hahne betont, dass E-Learning keine eigenständige Lernform sei, d. h. dass künftig nicht nur elektronisch gelernt wird. Schließlich lernte man früher auch nicht „gedruckt“ oder „filmisch“. „E-Learning“, so Hahne, „ist deshalb keine Lernstrategie, kein Lernkonzept und auch keine Lernmethode, sondern meint zunächst die Unterstützung von Lernprozessen mit elektronischen Medien“ (vgl. Hahne 2003, S. 35). Das Europäische Zentrum zur Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) geht seit dem Jahr 2000 von einer analogen Definition aus:
E-Learning ist demnach ein auf Informations- und Kommunikationstechnologien gestütztes Lernen. Es kann dabei in verschiedenen Formaten und hybriden Methoden zum Einsatz kommen. So ist der Einsatz von Software, Internet, CD-ROMs, Online-Lernformen sowie weiteren elektronischen und interaktiven Medien denkbar (vgl. Georgieff u. a. 2005, S. 13). Gerade durch das Einbeziehen aller elektronischen Medien in der Definition von Hahne sowie aller Informations- und Kommunikationstechnologien in der Definition der CEDEFOP sehen manche Autoren derartige Definitionen als zu weit gefasst.
So wehrt sich zum Beispiel Köllinger dagegen, dass „immer wieder [...] das ‚E‘ in ‚E-Learning‘ als Abkürzung für ‚elektronisch‘ missverstanden“ (vgl. Köllinger 2002, S. 15) wird. Er versteht unter E-Learning vielmehr „die Nutzung Internet-basierter Technologien zur Vermittlung von klar definierten Lerninhalten“ (vgl. ebd.). Nach dieser Definition würde unter dem Begriff
„E-Learning“ lediglich das im Abschnitt 4.2 vorzustellende Web Based Training fallen. Nach der Studie von Frank, die im Abschnitt 5 dieser Arbeit dargelegt wird, stellt die meistverbreitete E-Learning-Form innerhalb der betrieblichen Ausbildung das Computer Based Training dar. Daher muss diese Form auch im Rahmen dieser Arbeit eine entsprechende Berücksichtigung finden. Die von Köhlinger vorgestellte Definition kann daher nicht geeignet sein, um die Formen des heutigen E-Learning im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung umfassend zu beschreiben. Für die Zukunft könnte Köhlinger jedoch, wenn sich die positive Entwicklung des Intra-/Internets weiterhin fortsetzt, eine treffende Definition gelungen sein. Betrachtet man die historische Entwicklung des derzeitigen marktführenden Betriebssystems MS Windows fällt schließlich
auf, dass die Grenzen zwischen Online- und Offlineinhalten zunehmend verschwinden.
Kleimann und Wannemacher ist eine umfassende Definition des Begriffs E-Learning gelungen, die dem Autor dieser Diplomarbeit jedoch als Arbeitsdefinition nicht nur zu umfangreich erscheint, sondern vor allem auch einfache Drill & Practice-Anwendungen ausschließt: „Electronic Learning [ist] [...] eine Form des Lernens und Lehrens, die durch Informations- und Kommunikationstechnologien zur Aufzeichnung, Speicherung, Be- und Verarbeitung, Anwendung und Präsentation von Informationen unterstützt oder ermöglicht wird. In digitalen Lernumgebungen sind Lerninhalte interaktiv und multimedial gestaltet (Text, Grafik, Audio- und Videosequenzen, Animation und interaktive Komponenten). Die Lernprozesse werden durch netzbasierte Kommunikationsformen (zwischen Lerner, Mitlerner, Tutor und Dozent) und durch kollaborative Arbeitsumgebungen erweitert. Interaktive Tests dienen der Lernkontrolle bezüglich des behandelten Stoffs.“ (vgl. Kleimann/Wannemacher 2004, S. 3, zitiert in Georgieff u. a. 2005, S. 13).
Die Autoren Bauer und Phillipi betonen insbesondere die Möglichkeit der persönlichen Betreuung: Sie verstehen unter E-Learning jeden Lernprozess, bei dem der Lernende mittels der Multimedia-Technologie autonom und interaktiv mit der Option der persönlichen Betreuung und unter Nutzung elektronischer Daten und Kommunikationsnetze lernt (vgl. Bauer/Phillipi 2001, S. 108). Auch wenn der Einwand der Möglichkeit der persönlichen Betreuung sinnvoll erscheint, kann mit dieser Definition der Verbreitungsgrad und die existierenden Formen des E-Learning im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung nicht umfassend dargestellt werden, da auch E-Learning durchaus ohne persönliche Betreuung einen Platz in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung haben kann.
Um den Verbreitungsgrad und die Formen des E-Learning im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung umfassend beschreiben zu können, greifen die oben genannten Definitionen entweder zu kurz oder zu weit. So stellen sie entweder lediglich bestimmte Teilaspekte der unter E-Learning verstandenen Formen in den Mittelpunkt oder beinhalten Formen, die es in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung derzeit nicht gibt.
Aus diesem Grund soll E-Learning im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit als die Unterstützung von Lernprozessen durch den Computer verstanden werden. Damit wird man einerseits der Definition Hahnes gerecht, der bewusst E-Learning nicht als eine Lernstrategie versteht. Andererseits sind nach dieser Definition die neueren Formen des E-Learning, wie M-Learning (Lernen mittels Mobiltelefonen), dem Lernen mittels Podcasts sowie das Business TV ausgeschlossen. Diese Formen sind derzeit lediglich zum Teil im Rahmen der betrieblichen kaufmännischen Weiterbildung anzutreffen und haben – nach den Einschätzungen des Autors – bisher keinen Platz in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung finden können. Aus diesem Grund werden diese Formen auch nicht im Abschnitt 4 dieser Arbeit erläutert.
4. Zu den Formen des E-Learnings
4.1. Kriterien zur Charakterisierung der E-Learning-Formen
In diesem Abschnitt sollen zunächst die für die Diplomarbeit ausgewählten Kriterien, die einen Vergleich der einzelnen Formen des E-Learnings erleichtern sollen, vorgestellt werden. Ein Vergleich anhand aller in der Literatur vorhandener Kriterien erscheint für die Darstellung der Formen des E-Learnings nicht sinnvoll, da dies den Rahmen einer Diplomarbeit deutlich sprengen würde. Ferner ist in Frage zu stellen, ob dadurch tatsächlich weitere Erkenntnisse zu gewinnen wären. Um eine Auswahl treffen zu können, wurden aus der Vielzahl der in der Literatur vorgestellten Merkmale die Kriterien ausgewählt, die nach dem subjektivem Empfinden des Autors nicht nur häufiger in der Literatur in Erscheinung treten, sondern auch am pragmatischsten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Formen des E-Learnings aufzeigen. Folgende Kriterien finden im Rahmen dieser Arbeit eine Berücksichtigung:
Die Synchronizität: synchrones Lernen vs. asynchrones Lernen
Hinsichtlich der Synchronizität ist zwischen synchronem und asynchronem E-Learning zu unterscheiden. Synchrones E-Learning liegt vor, wenn Informationsbereitstellung und Informationsaufnahme gleichzeitig erfolgen, wie etwa in Präsenzveranstaltungen,. Dagegen werden beim asynchronen E-Learning die Lerninhalte vorbereitet, so dass diese vom Lernenden je nach Bedarf abgerufen werden können (vgl. Hudetz 2003, S. 53). Minass betont jedoch, dass beide Kriterien nicht notwendigerweise getrennt werden müssen. Es sind ebenfalls Mischformen zwischen synchronem und asynchronem Lernen möglich (vgl. Minass 2002, S. 37).
Die räumliche Verteilung: lokal begrenzt vs. räumlich verteilt
E-Learning-Formen lassen sich hinsichtlich der räumlichen Verteilung zwischen Lehrenden und Lernenden unterscheiden. Sind Lehrende und Lernende am selben Ort anwesend, ist der Lernort lokal abgegrenzt. Sind die Personen an verschiedenen Orten, liegt ein räumlich verteiltes Lernen vor (vgl. Minass 2002, S. 37).
Adaptivität
Die Adaptivität beantwortet die Frage, inwieweit das „System selbst in der Lage ist, den Unterstützungsbedarf des Lernenden zu diagnostizieren und das Ergebnis der Diagnose in geeignete angepasste Lehrtätigkeiten umzusetzen.“ (vgl. Leutner (1997, S. 141) Hinsichtlich der Adaptivität sind vier Ausprägungen zu unterscheiden: Das Lernsystem ist programmgesteuert, wenn der Lernende keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Verlauf des Programms hat. Von adaptivem E-Learning kann gesprochen werden, wenn das System so programmiert wurde, dass es automatisch den Lernprozess an die aktuelle
Lernsituation anpasst. Die Steuerung des Lernsystems ist adaptiv beratend, wenn dem Lernenden ein Vorschlag gemacht wird, wie der Lernprozess an die aktuelle Lernsituation angepasst werden könnte. Verfügt der Lernende vollständig über die Kontrolle des Lernprozesses, liegt ein lernergesteuertes System vor (vgl. Minass 2002, S. 38 f.).
Die Interaktion zwischen dem Programm und dem Lernenden
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive versteht man unter Interaktion, dass zwei Subjekte wechselseitig handelnd aufeinander einwirken. Im Rahmen des E-Learnings haben wir es mit Interaktionsketten zu tun, in denen das Computerprogramm als Coach dem Lernenden ein Feedback gibt (vgl. Niegemann u.a. 2004, S. 109). Wenn ein Computerprogramm „es dem Lernenden [ermöglicht], Eingaben zu machen, eine Auswahl zu treffen und so [der] [...] Verlauf der Darbietung der Lerninhalte individuell“ beeinflusst werden kann, geht Dittler davon aus, dass man von interaktivem Lernen sprechen kann (vgl. Dittler 2003, S. 27). Ist dies nicht der Fall, liegt im Umkehrschluss keine Interaktion vor.
Dank der Aufteilung von Adelsberger ist eine differenziertere Betrachtungsweise möglich: Adelsberger teilt die Interaktion mit der Hilfe der Extrempole in „sehr eingeschränkt“ und „stark ausgebaut“ ein. Wenn ein direkter Dialog zwischen dem Lernenden und dem Lehrenden stattfindet, kann man von einer stark ausgebauten Interaktion sprechen. Findet hingegen lediglich eine Präsentation statt, in der die Interaktion meist nur auf eine Leistungsüberprüfung beschränkt ist, kann man von einer stark eingeschränkten Interaktion sprechen (vgl. Minass 2002, S. 42 f.). In dieser Arbeit soll der Interaktionsgrad mit Hilfe der Aufteilung von Adelsberger untersucht werden.
Die Art des Gruppenlebens: isoliertes vs. kollaboratives Lernen
Gemäß Adelsberger sind in der Dimension der Art des Gruppenlebens grundsätzlich zwei verschiedene Lernmethoden zu unterscheiden: Isoliertes vs. kollaboratives Lernen. Wird von der Lernumgebung keine Kommunikation unter den Lernenden evoziert, so dass der Lernende einzeln mit dem Computersystem und nicht in der Gruppe lernt, bezeichnet man dies als isoliertes Lernen. Erfolgt ein gemeinsames Lernen in der Gruppe, spricht man von kollaborativem Lernen (vgl. Minass 2002, S. 43).
Das zugrunde liegende Lernparadigma
In der Erziehungswissenschaft entwickelten sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Lehr-/Lernparadigmen, die sich jeweils durch ein anderes Verständnis von Lehren und Lernen unterscheiden. Durch diese Entwicklung sind auch einzelnen E-Learning-Applikationen im Wandel der Zeit jeweils unterschiedlichen Lehr-/Lernparadigmen zuzuordnen. Hinsichtlich des Kriteriums des zugrunde liegenden Lehr-/Lernparadigmas ist vereinfacht zwischen dem Behaviorismus, dem Kognitivismus und dem Konstruktivismus zu unterscheiden. Eine weitere Aufteilung ist theoretisch denkbar, würde jedoch zu
keinem weiteren Erkenntnisgewinn hinsichtlich der herauszustellenden Charakteristika der E-Learning-Formen führen, woraus sich die Beschränkung auf diese drei Paradigmen ergibt.
Der Behaviorismus basiert auf einer Reihe von Versuchen zum Lehren und Lernen, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts stattfanden, so zum Beispiel „die klassischen Versuche von I.P. Pawlow zur Konditionierung und zum bedingten Reflex sowie [...] die zahlreichen Versuche von E. L. Thorndike und B. F. Skinner zum Lernen durch Versuch und Irrtum“ (vgl. Dittler 2003, S. 23 f.). Der Behaviorismus betrachtet dabei den Lernprozess als eine Art „black-box“ und beobachtet lediglich das Resultat, das aufgrund eines Reizes entsteht. Das sich daraus ergebende Ziel einer behavioristischen Lernumgebung ist es, den Lernenden durch den Einsatz von Reizen und Motivationsfaktoren zu einem bestimmten Verhalten zu bringen (vgl. Seufert/Meyr 2002, S. 20).
Mit der Lerntheorie des Kognitivismus änderte sich das Verständnis von Lehr- und Lernprozessen deutlich, da nun „der Prozess des Denkens in das Zentrum der Betrachtungen gerückt wurde“ (vgl. ebd., S. 24). Nach den Grundsätzen des Kognitivismus findet Lehren und Lernen in systemvermittelten Lernumgebungen statt, in denen der Lehrende die aktive Rolle und der Lernende die passive Rolle übernimmt. Der Lehrende versucht „objektive Inhalte so zu übermitteln, dass der Lernende am Ende dieses Wissenstransportes den vermittelten Wissensausschnitt in genau derselben Form besitzt wie der Lehrende“ (vgl. Mandl u.a. 1995, S. 16). Voraussetzung hierfür ist ein bestimmtes Verständnis von Wissen: So wird im Kognitivismus die Auffassung der Objektivisten geteilt, dass das Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt als objektiv und daher als allgemein gültig anerkanntes Wissen angesehen werden kann (vgl. Dubs, S. 291).
Während der Kognitivismus die Instruktion in den Mittelpunkt seiner Bemühungen setzt, steht in konstruktivistischen Lehr-Lern-Settings der Lernende mit seinem individuellen Lernprozess im Vordergrund (vgl. Mandl u.a., S. 30). Der Konstruktivismus berücksichtigt damit die Tatsache, dass verschiedene Menschen in der identischen Lernumgebung mit jeweils unterschiedlichem Erfolg lernen. Ein Lehr-/Lern-Setting muss die „konstruktive Aktivität der Lernenden sowie den Kontextbezug im Rahmen so genannter situierter Lernumgebungen in den Vordergrund stellen“ (vgl. Käppeli 2001). Aus diesem Grund übernimmt der Lernende den aktiven Part, während der Lehrende eher eine passive Rolle innehat. Der Lernende konstruiert sich in konstruktivistischen Unterrichtsmodellen das Wissen selbst und wird dabei durch die jeweilige Lehrperson unterstützt. Lernen wird im Konstruktivismus verstanden als Konstruktion von Wissen auf der Basis des individuellen Vorwissens; Lehr- und Lernsituationen müssen daher immer auf den einzelnen Lerner und seine individuelle Situation eingehen können (vgl. Krapp/Weidenmann, S. 616).
Formelles vs. informelles Lernen
Eine weitere Möglichkeit, E-Learning-Anwendungen zu unterscheiden, publizierte Klaus Hahne: Er unterscheidet das formelle E-Learning vom informellen E-Learning.
„Formelles E-Learning“, so Hahne, „hat [...] in unterschiedlichem Ausmaß pädagogisch dominierte Strukturen in Bezug auf Inhalte, Ziele und Zertifizierungen“ (vgl. Hahne 2003, S. 37). Dagegen ist informelles E-Learning vielmehr durch die weitgehende Abwesenheit der Merkmale des formellen E-Learning gekennzeichnet: „Es gibt keinen externen Organisator dieses Lernens und keine Fokussierung auf Prüfungen oder Berechtigungen. Informelles E-Learning wird also weitgehend von den bewussten oder weniger bewussten Intentionen und Zielen des Lernenden bestimmt. Informelles E-Learning ist stark durch die Suche nach Informationen gekennzeichnet, die der Lernende für seine Interessen oder seine Arbeitsaufgaben benötigt. Demgegenüber tritt das Qualifizierungsinteresse deutlich zurück“ (vgl. ebd.).
Die beiden Begriffe bilden die Kehrseite der Begriffe „intentionales E-Learning“ bzw. „funktionales E-Learning“. So ist in der Regel formelles E-Learning nur möglich, wenn eine Anleitung seitens eines Betreuers (Präsenzbetreuer oder Teletutor) erfolgt und ein „intendiertes multimediales Lernkonzept vorliegt. Informelles E-Learning ist mit dem funktionalen E-Learning verbunden: Nur wenn ein problembezogenes, selbstgesteuertes oder arbeitsbezogenes Lernen mit dem PC (funktionales E-Learning) stattfindet, kann man von informellem E-Learning sprechen (vgl. Müller 2004).
4.2. Computer Based Training
Unter dem Begriff Computer Based Training versteht Dittler das Lernen mit computerbasierten Lernprogrammen, die auf verschiedenen Speichermedien, wie zum Beispiel Diskette, CD-ROM oder DVD ausgeliefert werden können (vgl. Dittler 2003, S. 24). Die Begriffe CAL (Computer Aided Learning), CAI (Computer Aided Instruction), CUL (Computerunterstütztes Lernen), sowie CUI (Computerunterstützte Instruktion) sind nach Seufert und Mayr Synonyme (vgl. Seufert/Mayr 2002, S. 25). Computer Based Trainings sind eigenständige Anwendungen, d. h. sie kommen ohne eine Anbindung an das Inter- oder Intranet aus. Sie können entweder für spezielle Einsatzzwecke individuell programmiert sein oder mit Hilfe von speziellen Autorensystemen erstellt werden (vgl. ebd, S. 26).
Das Computer Based Training stellt die älteste Form des E-Learnings dar. Ihre Vorgeschichte beginnt bereits einige Jahrzehnte vor der Erfindung des
Computers[7] mit den ersten mechanischen Lernmaschinen, die es im Sinne des „Nürnberger Trichters“[8] ermöglichten, „Wissen ohne große Anstrengung für Lehrer und Lernenden in den Kopf des Schülers „einzutrichtern“ (vgl. Dittler 2003, S. 23). So wurde im Jahr 1866 eine Buchstabiermaschine von H. Skinner, einem Namensvetter des berühmten Behavioristen, patentiert.
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[1] So stellt Arnold fest, dass sich das Wissen der Menschen alle fünf Jahre verdoppelt, während sich die Halbwertszeit des Wissens ständig verringert (vgl. Arnold 2003, S. 40).
[2] Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wurde im Rahmen dieser Arbeit überwiegend die männliche Form gewählt. Es sind aber jeweils sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint.
[3] Unter einem Unternehmenscurriculum soll im Rahmen dieser Arbeit ein einheitlicher Lehrplan verstanden werden, welcher im gesamten Unternehmen Gültigkeit besitzt.
[4] Unter selbstgesteuertem Lernen soll im Rahmen dieser Arbeit das Verarbeiten von Informationen, Eindrücken und Erfahrungen verstanden werden, bei dem der Lernende diese Verstehens- und Deutungsprozesse im Hinblick auf ihre Zielausrichtung, Schwerpunkte und Wege im Wesentlichen selbst lenkt. (vgl. Schiersmann & Remele 2002, S. 59).
[5] Unter E-Learning soll im Rahmen dieser Diplomarbeit das „Unterstützung von Lernprozessen durch den Computer“ verstanden werden. Aus welchen Gründen genau diese Definition gewählt wurde, wird im dritten Abschnitt dieser Arbeit erläutert.
[6] Zum 1.10.2005 gab es 340 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe in Deutschland (vgl. BIBB 2005).
[7] Erfunden wurde der erste funktionstüchtige Computer durch Konrad Zuse im Jahr 1934. (vgl. Wikipedia: Konrad Zuse).
[8] Laut den Wikipedia-Autoren kann man von einem Nürnberger Trichter sprechen, „wenn man in einem Unterricht eine didaktische Konzeption anwendet, in der man alle Inhalte (auch prozedurale Inhalte) als deklaratives Wissen (Fakten, Sachinformationen) durch eine rein informierende Methodik [...] zu lehren versucht (vgl. Wikipedia: Nürnberger Trichter).
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- E. Böttcher (Author), 2006, E-Learning in der betrieblichen kaufmännischen Ausbildung: Formen, Verbreitungsgrad und Effekte des Einsatzes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63399
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