In der nachfolgenden Arbeit wird es hauptsächlich um die Frage gehen, ob die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) als das einzige funktionierende Militärbündnis unserer Zeit in der Lage sein wird, die Schwierigkeiten, die sie in der nächsten Zukunft erwarten, wird meistern können, ohne daran zu zerbrechen. Hierzu ist es notwendig einen kurzen Überblick über die Ereignisse zu geben, die eine Bildung eines solchen Bündnisses erst ermöglicht haben.
Für die Gründung der NATO hat die Uneinigkeit der Staaten vor dem Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle gespielt. Diesen Fehler wollte man erstens nicht wiederholen und zweitens war das kommunistische Russland, mit seinen Satellitenstaaten, als globale Siegermacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen und begann die freien westlichen Demokratien zu bedrohen. Dies geschah sowohl passiv durch die bloße Präsenz eines solchen Machtblockes mit den entsprechenden militärischen Möglichkeiten als auch durch aktive Einmischung in den westlichen Staaten (z.B. in Frankreich während des Generalstreiks von 1947 oder auch in Griechenland, wo sogar ein Bürgerkrieg ausgelöst wurde, der zum Rückzug der Briten aus Griechenland und zur „Truman-Doktrin“ führte.).
Daran anschließend wird die Entwicklung der NATO bis zum heutigen Tage kurz überblicksartig geschildert. Die Entwicklung der NATO lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, die alle als Reaktion auf weltpolitische Veränderungen verstanden sind.
Im Anschluss an die Beschreibung der Entwicklungsgeschichte der NATO wird diese Arbeit versuchen, die Begriffe „Außenpolitik“, „Sicherheitspolitik“ und „Verteidigungspolitik“ nach den heutigen Maßstäben zu definieren, um anhand dessen „militärische“ sowie „nicht-militärische“ Sicherheitsgefährdungen und deren Auswirkungen zu konkretisieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Vorbedingungen zur Gründung der NATO
2.1 Das Entstehen des Kalten Krieges
2.2 Die Gründung der NATO
3. Ein Überblick über die Entwicklung der NATO
4. Eine aktuelle Definition von Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
5. Militärische und nicht- militärische Sicherheitsgefährdungen
6. Exkurs: Die UN und das Völkerrecht unter der Dominanz der USA
7. Die Struktur der NATO
7.1 Die militärische Organisation der NATO
7.2 Die politische Organisation der NATO
8. Exkurs: Die Supermacht USA und europäische Perspektiven
9. Die NATO und ihre neuen Aufgaben
9.1 „Out of area“ und das Problem „out of treaty“
9.2 Die Aufgabe „Humanitäre Intervention“ und deren völkerrechtliche Problematik
9.3 Die Ausnahme „Humanitäre Intervention“
9.4 Die Auswirkungen von Interventionen auf das Bündnis
10. Ein kurzer Blick in die Zukunft der NATO
11. Exkurs: Ein möglicher Beitritts Österreich zur NATO
12. Fazit
13. Abkürzungsverzeichnis
14. Abbildungsverzeichnis
15. Literaturverzeichnis
15.1 Primärquellen
15.2 Sekundärliteratur
15.3 Internet- Quellen
16. Anhänge:
16.1 Report on the shooting of Ms. Guiliana Sgrena (Classified version)
16.2 The Sinews of Peace
16.3 Recommendation for assistance to Greece and Turkey (Truman-Doktrin)
16.4 The Marshall Plan Speech
16.5 Treaty of Economic, Social and Cultural Collaboration and Collective Self-Defence
16.6 U.S. Senate Resolution 239
16.7 Der NATO- Vertrag
16.7.1 Der NATO- Vertrag (englische Version)
16.7.2 Der NATO- Vertrag (deutsche Version)
16.8 Die UN-Charta
16.8.1 Die UN-Charta (englische Version)
16.8.2 Die UN-Charta (deutsche Version)
16.9 The National Security Strategy of the United States of America
16.10 Resolution 1441 of the Security Council
16.11 Chronologie der NATO- Entwicklung (1945-1999)
16.12 Percentage Cost Shares of NATO Member Countries- Civil and Military Budgets
16.13 Percentage Cost Shares of NATO Member Countries- NATO Security Investment Programme
17. Eidesstattliche Erklärung
1. Einleitung
In der nachfolgenden Arbeit wird es hauptsächlich um die Frage gehen, ob die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) als das einzige funktionierende Militärbündnis unserer Zeit in der Lage sein wird, die Schwierigkeiten, die sie in der nächsten Zukunft erwarten, wird meistern können, ohne daran zu zerbrechen. Hierzu ist es notwendig einen kurzen Überblick über die Ereignisse zu geben, die eine Bildung eines solchen Bündnisses erst ermöglicht haben.
Für die Gründung der NATO hat die Uneinigkeit der Staaten vor dem Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle gespielt. Diesen Fehler wollte man erstens nicht wiederholen und zweitens war das kommunistische Russland, mit seinen Satellitenstaaten, als globale Siegermacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen und begann die freien westlichen Demokratien zu bedrohen. Dies geschah sowohl passiv durch die bloße Präsenz eines solchen Machtblockes mit den entsprechenden militärischen Möglichkeiten als auch durch aktive Einmischung in den westlichen Staaten (z.B. in Frankreich während des Generalstreiks von 1947 oder auch in Griechenland, wo sogar ein Bürgerkrieg ausgelöst wurde, der zum Rückzug der Briten aus Griechenland und zur „Truman-Doktrin“[1] führte.).
Daran anschließend wird die Entwicklung der NATO bis zum heutigen Tage kurz überblicksartig geschildert. Die Entwicklung der NATO lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, die alle als Reaktion auf weltpolitische Veränderungen verstanden sind.
Im Anschluss an die Beschreibung der Entwicklungsgeschichte der NATO wird diese Arbeit versuchen, die Begriffe „Außenpolitik“, „Sicherheitspolitik“ und „Verteidigungspolitik“ nach den heutigen Maßstäben zu definieren, um anhand dessen „militärische“ sowie „nicht-militärische“ Sicherheitsgefährdungen und deren Auswirkungen zu konkretisieren.
Darauf folgt ein kurzer Ausflug in das Völkerrecht und die, gerade in heutiger Zeit, von Problemen behafteten transatlantischen Beziehungen mit der einzig verbliebenen Supermacht USA. In diesem Abschnitt soll versucht werden auf zu zeigen, inwieweit die USA mit ihrer Machtfülle, die sie besitzen, sowohl die UN als auch damit das Völkerrecht dominieren. Es kann jedoch aus Platzgründen nicht näher darauf eingegangen werden, wie stark sich die Gesellschaften in ihren Ansichten und Gefühlen und dem daraus ergebenen Handeln unterscheiden. Alleine am Begriff „Sicherheitsgefühl“ wird dies im Rahmen des „Report[s] on the shooting of Ms. Juliana Sgrena“[2] überdeutlich; denn während ein US-Soldat bereits dann von der Waffe gebraucht macht und dies auch darf, wenn er der Meinung ist, dass seine Sicherheit gefährdet sei, ist diese Gefährdung für einen jeden Europäer noch lange nicht gegeben.
Dann kehren wir mit der Beschreibung der NATO-Struktur, sowohl der militärischen als auch der politischen, wieder zum übergeordneten der Thema der Arbeit zurück.
Anschließend wird versucht, die transatlantischen Beziehungen darzustellen und auch welche Unterschiede die USA, die europäischen Staaten und auch die Gesellschaften besitzen und welche Perspektiven sich daraus in Bezug auf die NATO für die europäischen Staaten ergeben.
In Kapitel 9 wird dann versucht das eigentliche Thema, dass der Arbeit zu Grunde liegt zu behandeln. Nämlich, welche Aufgaben die NATO in Zukunft haben wird und inwieweit sie dafür heute schon über die ausreichenden Kapazitäten verfügt, oder ob sie gegebenenfalls erneut verändert und modernisiert werden muss. Darüber hinaus wird dieses Kapitel der Frage nachzugehen versuchen, welche Probleme sich für die NATO ergeben (können), wenn sie dem Beispiel der USA und nicht dem Primat des
UN-Sicherheitsrates unbedingt folgen wird. Dies wird ergänzt durch das Kapitel 10, das sich explizit mit einer möglichen Zukunft des NATO-Bündnisses beschäftigen wird.
Einen Abschluss findet die Arbeit mit einem Kapitel zur Fragestellung nach einem möglichen
NATO-Beitritts der Republik Österreich und den damit verbundenen Vorteilen und Problemen, sowohl für die Republik Österreich, als auch für Europa insgesamt, aber auch für die transatlantischen Beziehungen.
2. Die Vorbedingungen zur Gründung der NATO
Nachdem bereits im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges verschiedene Versuche zur Gewährleistung der internationalen Sicherheit gescheitert waren[3], bildeten sich nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg Regionalpakte heraus, die nach Artikel 51 UN-Charta das Recht zur Selbstverteidigung besitzen.
Unter der Vielzahl der gebildeten Regionalpakte war die NATO, mit Einschränkungen auch der Warschauer Pakt, die bedeutsamste Allianz und ist es noch heute.
Derartige Allianzen basieren auf dem System der kollektiven Sicherheit. Dies besagt, dass der Wille aller am System beteiligten Staaten im Interesse der Sicherheit zu handeln, bei allen beteiligten Staaten gleichermaßen vorhanden ist. Diese kollektive Sicherheit ist allerdings nur eine Illusion, denn „entweder wird es [das System der kollektiven Sicherheit; eingefügt HW] nicht gebraucht oder es funktioniert nicht“[4].
Von Bredow sagt hierzu, dass man kollektive Sicherheit nur dann verwirklichen kann, wenn man ein gemeinsames Interesse darin sieht, Kriege zu vermeiden und auch gleichzeitig bestehende Verhältnisse in den internationalen Beziehungen nur mit friedlichen Mitteln verändern möchte[5]. Das klassische Motto von Vegetius[6] „si vis pacem para bellum“ wäre also, wenn dieses System funktionieren würde, umgewandelt worden in ein „si vis pacem para libertatem et iustitiam“.
Vor diesem Hintergrund sind nun sowohl Gründung der NATO 1949[7] als auch ihre Entwicklung bis heute zu sehen.
2.1 Das Entstehen des Kalten Krieges
Der Beginn des Kalten Krieges[8] wurde spätestens im Frühjahr 1947 mit der Truman- Doktrin sichtbar.[9] Am 05. Juni desselben Jahres folgte die Ankündigung des ERP - ein bei uns in Europa üblicherweise unter dem Namen „Marshallplan“ bekannt gewordenes Hilfsprogramm.[10] Dieses bis dahin umfangreichste Hilfsprogramm sollte die europäischen Staaten weniger anfällig gegen die kommunistischen Gefährdungen machen. Die USA betrieben also über den Marshall-Plan eine Stabilisierungspolitik in West-Europa, das sie inzwischen als ihre strategische Sicherheitszone ansahen.[11] Durch diese Politik der Hilfestellung betrieben die USA aber auch zugleich eine aktive Gesellschaftspolitik; denn nun wurde überall in West-Europa das liberal-pluralistisch-kapitalistische System stabilisiert beziehungsweise auch wieder neu eingeführt. Doch die Antwort der UdSSR ließ nicht lange auf sich warten und sie erfolgte schon zwischen dem 22. und dem 27. September 1947 durch die Gründung der Kominform (Kommunistisches Informationsbüro).[12] Mit der Kominform schlossen sich die mittel- und osteuropäischen kommunistischen Parteien zusammen und akzeptierten die Vorherrschaft der russischen KPdSU. Dadurch war die UdSSR nun endgültig in die Lage versetzt worden, diesen Staaten ihr kommunistisches Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Damit einhergehend wurden den betroffenen Staaten auch gleichzeitig bilaterale Beistandsverträge aufgezwungen. Im Jahre 1949 wurde schließlich der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) gegründet, der eine auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der UdSSR abgestimmte Wirtschaftspolitik vorsah und erzwang.
2.2 Die Gründung der NATO
Die Aktionen, die von der UdSSR ausgingen und unmittelbar Europa betrafen, waren in den Jahren 1947 bis 1949 die Unterstützung der Kommunisten in Griechenland, die Unterstützung des Staatsstreichs in der damaligen Tschechoslowakei und auch die Unterstützung der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Dies alles bedeutete für West-Europa und seine Demokratien eine andauernde Bedrohung ihrer Sicherheit. Die Aktivitäten der UdSSR und der übrigen osteuropäischen Staaten wurden in West-Europa als eine Bedrohung angesehen, der man angemessen begegnen musste. So gründeten die Staaten in West-Europa, aufbauend auf dem Vertrag von Dünkirchen[13], am 17. März 1948 den Brüsseler Pakt.[14] Der Brüsseler Pakt wurde auf die Dauer von 50 Jahren unkündbar abgeschlossen und richtete sich gegen eine Bedrohung seitens der UdSSR einerseits als auch andererseits gegen eine Bedrohung, die eventuell von einem wieder erstarkten Deutschland hätte ausgehen können.
Der von der UdSSR unterstützte Staatsstreich im Jahre 1948 in der Tschechoslowakei[15] beschleunigte die Geheimverhandlungen über den Nordatlantikpakt (NATO) zwischen den Botschaftern des Vereinigten Königreichs, Kanadas und des Außenministeriums der USA. Dieses kleine Gremium sollte im Vorfeld der eigentlichen Beratungen schon den grundlegenden Rahmen für das spätere Bündnis festlegen.
An die Öffentlichkeit drang dieser Gedanke eines Verteidigungsbündnisses gegen den Kommunismus erstmals am 28. April 1948, als der damalige kanadische Premierminister Saint Laurent dem kanadischen Parlament ein auf gegenseitiger Hilfe basierendes Verteidigungsbündnis vorschlug. Das Bündnis sollte neben den USA und Kanada noch die Vertragspartner des Brüsseler Paktes umfassen. Darüber hinaus wurden Dänemark, Island, Italien, Norwegen und Portugal aufgefordert, sich an Verhandlungen über ein solches Bündnis zu beteiligen.
Der NATO-Vertrag konnte in Kraft treten nachdem die Vandenberg-Resolution am 11. Juni 1948 den US-Senat passiert hatte.[16] Schließlich wurde der Nordatlantikpakt am 04. April 1949 in Washington von zehn europäischen und den beiden nordamerikanischen Staaten unterzeichnet. Nach einer nur rund viermonatigen Ratifizierungsphase in den jeweiligen Nationalparlamenten trat der Nordatlantikpakt am 24. August 1949 in Kraft.[17]
3. Ein Überblick über die Entwicklung der NATO
In diesem Abschnitt wird aufgezeigt, dass die NATO während der gesamten Zeit ihres Bestehens von mehreren Krisen in ihren Grundfesten erschüttert wurde.[18] Aber wie es scheint ist es der NATO bisher immer noch gelungen, diese Krisen erfolgreich zu meistern und sogar gestärkt aus ihnen hervor zu gehen.
Die Entwicklung der NATO lässt sich in sieben Phasen einteilen.
Die erste Phase erstreckte sich auf die Aufbaujahre der NATO in den Jahren 1949 bis 1955.[19] In diese Zeit fällt die zunehmende Verschärfung des Kalten Krieges (vgl. Kap. 2) und der Koreakrieg in den Jahren 1950-1953. Gerade der Krieg in Korea ließ bei den europäischen NATO-Staaten den Eindruck entstehen, dass ein kommunistischer Angriff in absehbarer Zeit durchaus eine Möglichkeit wäre.[20] Hatten die Staaten bei der Gründung der NATO noch darauf verzichtet explizit integrative Streitkräftestrukturen zu schaffen, so wurden diese nun in zunehmenden Maße wichtig. Gleichzeitig beschloss die NATO eine vorwärtsgerichtete Verteidigungsstrategie[21] und führte den Oberkommandierenden der Alliierten für Europa (SACEUR) ein.[22] Durch den Beitritt der BRD zur NATO war die erste Phase der NATO-Entwicklung abgeschlossen.[23] Für die NATO allerdings war die erste Phase ihrer Entwicklung erst abgeschlossen, nachdem auch die BRD und Italien dem Brüsseler Pakt[24] beigetreten waren.
Der erste NATO-Generalsekretär, Lord Ismay, hat die Aufgaben der NATO mit typisch britischem Humor einmal so beschrieben: Die NATO hat eine gleich dreifache Aufgabe: „keep the russians out, the Americans in and Germany down“.[25]
Nachdem die Probleme mit den Erweiterungen des Bündnisses abgeschlossen waren, konnten sich die Bündnispartner darauf konzentrieren ihr Bündnis weiterzuentwickeln und zukunftssicher zu machen. Dies geschah vor allem vor dem Hintergrund der Berlin-Krise in den Jahren 1958 bis 1961.
Die Berlin-Krise endete mit dem Bau der Berliner Mauer[26], der Anerkennung des „Status quo“ in Europa und dem Wissen darum, dass sich die NATO als standfest erwiesen hatte. Dies wurde während der Kuba-Krise in den Monaten Oktober und November des Jahres 1962 noch verdeutlicht. Nachdem sich beide Machtblöcke innerhalb von nur einem Jahr gleich zweimal gegenübergestanden hatten, mussten sie einsehen, dass ein Krieg „lediglich“ die gegenseitige Vernichtung zur Folge haben würde.[27]
Diese zweite Phase der Entwicklung der NATO in den Jahren 1956-1966 endete mit dem Austritt Frankreichs aus den integrierten NATO-Stäben am 01. Juli 1966, aber Frankreich beschloss dennoch seine Vertragsverpflichtungen gemäß Artikel 5 NATO-Vertrag zu erfüllen.
In der dritten Phase der NATO-Entwicklung, also in den Jahren 1967-1973, stiegen die USA von der „heimlichen“ Führungsmacht der NATO zur „offenen“ Führungsmacht auf. Dies war vor allem durch die Entspannungspolitik der beiden Großmächte bedingt, z.B. durch den Atomwaffensperrvertrag im Jahre 1968.[28]
Die NATO-Staaten verstärkten aber nicht mehr nur ihre militärische Zusammenarbeit, sondern auch ihre politische Zusammenarbeit untereinander, aber auch gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes.[29]
In die vierte Phase der Entwicklung der NATO von 1973-1985 fielen vor allem vor dem Hintergrund des Vietnam-Krieges von 1964 bis 1973 die transatlantischen Konflikte, aber dennoch war diese Entwicklungsphase wohl eher gekennzeichnet durch den NATO-Doppelbeschluss.[30] Aber auch der griechisch-türkische Konflikt um die Ägäis und um Zypern, sowie die Aufnahme Spaniens als 16. Mitglied der Allianz, fallen in diese Phase.
In die anschließende fünfte Phase, die die Jahre 1985-1991 betrifft, fiel der Zusammenbruch der kommunistischen Regime, nach der Regierungsübernahme Gorbatschows in der UdSSR, und der von ihm begonnenen Öffnungspolitik. Durch die Beendigung des Kalten Krieges wurde die NATO vor vollkommen neue Aufgaben gestellt. Die NATO-Partner waren sich aber trotz der vollkommen veränderten Lage darüber einig, dass man auch in Zukunft das NATO-Bündnis weiter stärken sollte.
In der sechsten Phase von 1991 bis 1999 versuchte die NATO den Wandel von einem reinen (regionalen), da auf Westeuropa ausgerichteten, Verteidigungsbündnis hin zu einem Sicherheitsbündnis zu vollziehen.[31] Dafür war es notwendig a) die NATO auf die Staaten des ehemaligen
Warschauer Paktes auszuweiten, sowie b) eine Bereitschaft dafür zu schaffen, dass die NATO als Mandatsnehmer der UN auftreten kann.[32] Die bedeutsamste Neuerung in dieser Phase ist wohl der Start des Programms „Partnership for Peace“ im Januar 1994 mit den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten.
Darüber hinaus erneuerte die NATO sich aber auch von innen heraus durch die Schaffung der Combined Joint Task Forces (CJTF).[33]
Die letzte Phase der NATO-Entwicklung beginnt mit dem Kosovo-Krieg 1999 und ist bis heute nicht abgeschlossen. Nach dem Einsatz der NATO-Streitkräfte im Kosovo wurde auf der einen Seite gesagt, dass der Einsatz erfolgreich verlaufen sei, auf der anderen Seite musste aber auch eingestanden werden, dass der Kosovo nach wie vor noch weit von einer Friedensregelung entfernt ist, und das Völkerrecht (vgl. Art. 51 UN-Charta) ebenfalls verletzt wurde. Nach dem Einsatz im Kosovo wurde aber auch wieder verstärkt über eine einheitliche europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik nachgedacht[34], was für die NATO ungeahnte Folgen haben könnte. Aber schon Ende des Jahres 2001 bzw. zum Beginn des Jahres 2002 stürzte man sich schon in das nächste Abenteuer - der Spielplatz lautet seit dem Afghanistan!
Afghanistan ist heute genauso weit vom Frieden entfernt wie das Kosovo, wenn nicht sogar noch weiter, wobei allerdings das Kosovo noch den Vorteil hat, zumindest vor der Haustür der Europäer zu liegen und damit nicht sofort in Vergessenheit geraten zu können.
Für die NATO heißt dies, dass sie den Versuch unternommen hat ein global agierendes Sicherheitsbündnis zu sein, dass regionalen Großmächten, wie Indien und China, aber noch die eigenen Hinterhöfe zugesteht. Ob dieser Versuch mit einem militärisch schwachen Europa und einer militärisch starken USA erfolgreich sein kann muss sich erst noch zeigen.
4. Eine aktuelle Definition von Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Im Folgenden werde ich nun darstellen, wie die Begriffe „Außenpolitik“, „Sicherheitspolitik“ und „Verteidigungspolitik“ voneinander abgegrenzt werden können, obgleich sie jedoch eng miteinander verwoben sind.
Eine jegliche Gefahr für die Sicherheit wäre ein Ereignis, das die Handlungsoptionen der Regierung und / oder der Bürger eines Staates signifikant einengen würde. Daher muss Sicherheitspolitik dafür Sorge tragen, dass solche Ereignisse nicht in einem Staat stattfinden können und somit die Lebensqualität seiner Bürger uneingeschränkt erhalten bleibt. Es ist daher notwendig, dass Staaten durch Bündnisse, Verträge, (gegenseitige) Abrüstungsmaßnahmen und die Bereitstellung von Streitkräften dieser Verpflichtung zur Sorge um seine Bürger nachkommt. Sicherheitspolitik beinhaltet also auch den Schutz und die Wahrnehmung essentieller wirtschaftlicher Interessen eines Staates. Dieser Wandel hat sich durch die fortschreitende Globalisierung erst verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben. Sicherheit wird in der heutigen Zeit nicht mehr primär als ein militärisches Problem wahrgenommen, sondern Sicherheit ist vielmehr ein mehrdimensionaler Begriff[35], der sich auf ein einheitliches sicherheitspolitisches Gesamtkonzept erstrecken muss. Dieses Konzept hat dafür Sorge zu tragen, dass Außen-, Umwelt-, Finanz-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik so miteinander verknüpft werden, dass für den jeweiligen Nationalstaat der größtmögliche Gewinn an nationaler Sicherheit das Ergebnis darstellt.[36] Durch ein solch integratives Sicherheitsmodell relativiert man gleichzeitig auch den Schutz vor äußerer Bedrohung. Viel mehr noch: Man kehrt dieses Prinzip eigentlich um, indem man postuliert, dass man durch „die Formulierung gemeinsamer Sicherheitsinteressen Mechanismen, Regime und Ordnungsstrukturen schafft, die […] zu einer Verfriedlichung der intraregionalen Beziehungen führe.“[37] Dies verlangt von einem Staat aber auch, dass er bereit ist, nicht nur seinen klassischen Verteidigungsauftrag zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch bereit und in der Lage ist im Rahmen internationaler Koalitionen „ordnungspolitische Polizeieingriffe“[38] zu führen.[39]
Für das Arbeitsgebiet der NATO gebietet es sich aber diesen oben vorgestellten sehr weit gefassten Sicherheitsbegriff dahingehend einzuengen, dass man darunter die Schnittmenge zwischen Sicherheitspolitik und (klassischer) Verteidigungspolitik in Bezug auf die Außenpolitik versteht.[40] Die NATO wird gemäß dieser Einschränkung also keine rein wirtschaftlichen Interessen als sicherheitspolitisch relevant ansehen, auch wenn sich selbstverständlich auch ihr Aufgabenspektrum in letzter Zeit erheblich gewandelt hat. Die NATO lässt sich auch nicht mehr auf die klassische Verteidigungspolitik einschränken, sondern sie nimmt immer mehr polizeiliche Aufgaben wahr, wie z.B. Terrorabwehr[41], Aufbau von Verwaltung und Polizei, Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen usw., auch wenn hierfür in Konfliktgebieten mehr militärische als zivile Mittel benötigt werden. Die Politik muss also zunehmend für eine bessere Konfliktprävention Sorge tragen.[42]
Eine so verstandene und durchgeführte Sicherheitspolitik verursacht hohe Kosten und in Zeiten leerer Staatskassen kann in der Bevölkerung somit sehr schnell die Akzeptanz für Sicherheitspolitik verloren gehen, da die Bevölkerung oftmals nicht erkennen kann, welchen Nutzen sie aus ihr zieht, woraus sich dann wieder Sicherheitsgefahren ergeben können.
5. Militärische und nicht- militärische Sicherheitsgefährdungen
In diesem Abschnitt werde ich darlegen, welche Überlegungen man grundsätzlich zum Verhältnis zwischen militärischen und nicht-militärischen Sicherheitsgefährdungen anstellen muss. Ich werde mich hierbei nicht mit der schon zuvor angesprochenen Umwandlung des Begriffes „Sicherheit“ befassen und auch keine Auflistung an möglichen, weit gefasster, Bedrohungsszenarien liefern, sondern begründen, warum es in der heutigen Zeit notwendig ist, multilaterale Streitkräfte aufzustellen und eine „friedliche Militärordnung“[43] zu besitzen.
Die Notwendigkeit zur Bereithaltung militärischer Potentiale ergibt sich für jeden Staat schon allein aus der Tatsache, dass ein anderer Staat oder auch eine internationale Organisation das Territorium dieses Staates bedrohen könnte. Dieser Zustand ist an sich äußerst stabil, da sich zwar die „Bedrohungsabsichten“ schnell ändern können, die „Bedrohungspotentiale“ jedoch unverändert bestehen bleiben. Bei Meinungsumfragen in Westeuropa ist aber auffällig, dass die Bevölkerung dieses Thema momentan nur als wenig dringlich wahrnimmt[44] und der Sicherheitsbegriff darüber hinaus auch nur einen sehr begrenzten militärischen Charakter besitzt.
Der Militäreinsatz der NATO im Kosovo im Frühjahr 1999, vorgetragen nach dem Motto „Wer Frieden sagt, muss Sicherheit bieten“[45], hat allerdings gezeigt, dass Streitkräfte nach wie vor eine große Rolle spielen.
Für Michael Zürn existieren vier staatliche Sicherheitsaufgaben[46]:
- Die Verteidigungsaufgabe, also die Sicherheitsgarantie des Territoriums und der Schutz vor Krieg allgemein;
- die Rechtsstaatsaufgabe, also die Sicherheit vor willkürlichen staatlichen Ein- und Übergriffen;
- die Herrschaftsaufgabe, also die Sicherung gegen terroristische Bedrohungen und viertens
- die Schutzaufgabe, also die Sicherung seiner Bürger vor dem Risiko eine Bedrohung durch die Handlungen anderer gesellschaftlicher, insbesondere krimineller, Akteure.
Es ist aber klar festzustellen, dass in der OECD-Welt[47] die Bedrohungen von staatlicher Seite abnehmen, während die gesellschaftlichen Bedrohungen zunehmen.[48] Daraus ließe sich ableiten, dass wir in der OECD-Welt auf eine stabile Friedensordnung ohne Militär zusteuern und damit Verteidigungsbündnisse wie die NATO zunehmend obsolet werden. Dies wäre aber falsch, da wir bereits durch den Wegfall des Ost-West-Konflikts Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts feststellen mussten, dass mit dem Balkankonflikt der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Europa ist also nicht mehr ein Kontinent, der durch „stability, security and expanding integration“[49] geprägt ist.
Krieg ist selbst im friedensliebenden Europa wieder führbar geworden, nachdem ein Balkankonflikt unter der Bedrohung der Atombombe während des Kalten Krieges höchstwahrscheinlich niemals stattgefunden hätte.[50]
Auf der anderen Seite wäre es aber auch zu einfach zu sagen, dass diese komplexen politischen Probleme mit militärischen Mitteln einfacher zu lösen seien. Sie könnten aber durch militärische Mittel einfacher aufgefangen werden, womit wir wieder bei „si vis pacem para bellum“ angelangt wären. Mittlerweile stellt aber sogar Deutschland fest, dass manchmal militärische Mittel durchaus die einzige Lösung darstellen (können). Denn es ist eine pazifistische Illusion zu glauben, man könne einzig mit nicht-militärischen Mitteln gegenwärtige und zukünftige Konflikte eindämmen.[51] Damit durch dieses Bereithalten von Militärpotential allerdings kein neues Wettrüsten entsteht, ist es notwendig, diese militärischen Optionen auf Sicherheitsbündnisse zu übertragen, wodurch auch gleichzeitig eine überregionale Ordnungsmacht vor Ort geschaffen und implementiert werden kann.[52] Eine vorausschauende Friedenspolitik muss also das Militärpotential zu einem militärischen Friedensbündnis transformieren[53], das auf fünf Prinzipien beruht. Erstens dem Prinzip einer Denationalisierung der Verteidigungspolitik[54]; zweitens muss eine Rechenschaftspflicht in den Internationalen Beziehungen (IB) eingeführt werden[55]; drittens muss die Sicherheitspolitik durch vollständige Transparenz gekennzeichnet sein[56]; viertens muss es eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit auf nationaler Ebene geben[57] und fünftens muss es eine transnationale Integration der Streitkräfte[58] geben.[59]
Hieraus lässt sich in Bezug auf den Einstimmigkeitsgrundsatz des NATO-Vertrages sagen, dass dadurch ein hohes Maß an Rationalität gewährleistet ist[60], aber dennoch haben einzelne Staaten, allen voran die USA, die Möglichkeit notfalls auch ohne weitere Unterstützung militärisch einzugreifen. Aus diesen Grundsätzen heraus lassen sich für zukünftige Militäreinsätze folgende Punkte herausarbeiten: Erstens müssen die Streitkräfte Präventions- und Interventionsaufgaben wahrnehmen; zweitens müssen sie damit die Regelungen für einen dauerhaften Frieden schaffen, die den Gegner einbeziehen; drittens heißt das Ziel einer Intervention nicht mehr Vernichtung, sondern nur noch Neutralisierung und Entwaffnung, mit dem Zweck der anschließenden zukünftigen Versöhnung; viertens muss jeder Einsatz militärischer Mittel verhältnismäßig sein und fünftens darf es kein Denken und Handeln nach rein militärisches Kategorien mehr geben. Viel mehr muss dieses Handeln sich auf einen umfassenderen Friedensplan beziehen.[61] Diese Erkenntnisse haben sich zumindest in den ursprünglichen
NATO-Staaten durchgesetzt, aber ob die NATO für solche Aufgaben gerüstet ist oder nicht, darf diskutiert werden.
Die Welt ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht etwa sicherer, sondern im Gegenteil unsicherer geworden, wobei Schlagworte, wie „Cyberwar“ oder „information warfare“ nur einige der neuen Bedrohungen skizzieren.
Künftige Kriege werden immer stärker von kleinen, schnell operierenden Verbänden geprägt werden, wodurch auch kleine Staaten und auch nichtstaatliche Organisationen in die Lage versetzt werden, ein erhebliches Bedrohungspotential aufzubauen. Daraus ergibt sich, dass das Militär sehr viel flexibler und auch professioneller werden muss, da es auch zunehmend zivile Verwaltungsaufgaben und polizeiliche Aufgaben in Einsatzgebieten übernehmen muss. Dadurch verliert das Militär aber nicht an Bedeutung, sondern es gewinnt sogar an Bedeutung hinzu und erfährt auch gleichzeitig durch eine „friedlichere“ Ausrichtung eine damit einhergehende eine politische Aufwertung. Schlussendlich lässt sich an dieser Stelle sagen, dass sich zwar die Formen der militärischen Macht ändern mögen, aber „it will continue to play a role in international politics“[62].
6.Exkurs: Die UN und das Völkerrecht unter der Dominanz der USA
In dem nun folgenden Abschnitt werde ich darstellen, inwieweit sich das allgemein gültige Völkerrecht der dominierenden Stellung der USA unterzuordnen hat. Als Beispiel werde ich sowohl den letzten Golfkrieg als auch in Verbindung damit die Anschläge vom 11. September 2001 heranziehen.
Selbst für den Fall, dass man das Recht auf Selbstverteidigung sehr weit fasst, muss man im Falle des letzten Golfkrieges zu dem Schluss kommen, dass die USA nicht das Recht auf Selbstverteidigung[63] auf ihrer Seite hatten. Denn selbst wenn wir an dieser Stelle einmal unterstellen, dass der Irak im Besitz von chemischen und bakteriellen Kampfstoffen gewesen sein sollte, so stellte dies keine immanente Bedrohung für die USA dar, da der Irak über keinerlei Interkontinentalraketen verfügte.[64] Es hilft auch nichts, dass die US-Regierung nicht müde wird zu behaupten, dass es eine enge Verbindung zwischen der damaligen irakischen Regierung und der Al-Qaida gegeben hat. Al-Qaida hat zwar den USA[65], und auch der gesamten freien Welt, am 11. September 2001 ohne jedwede vorherige Warnung mit einem Terrorangriff ungekannten Ausmaßes schweren Schaden zugefügt, aber auch diese Aktion hätte lediglich dazu geführt, dass man im Konsens mit dem Völkerrecht eine Militäraktion gegen die Ausbildungsstätten der Terroristen und gegen die Lager- und Produktionsstätten solcher Bomben[66] hätte durchführen dürfen. Eine solche Aktion hätte wahrscheinlich auch die Zustimmung der UN gefunden. Es gibt aber bis heute nicht einen einzigen Beweis dafür, dass es eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und Osama bin-Laden gibt. Für die USA kommt es aber völkerrechtlich gesehen noch schlimmer: Sie führen als Argument für den Golfkrieg ins Feld, dass man eine Demokratie in der Golfregion etablieren wollte, damit man so eine ganze Region politisch und wirtschaftlich stabilisieren konnte.[67] Dies widerspricht aber ganz klar dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, selbst dann noch, wenn man das, was die USA als „preemptive strikes“ bezeichnen als extensiv auslegbaren Begriff ansieht.
Auch die Begründung für die Anwendung dieser neuen „Regeln“[68] ist völkerrechtswidrig; auch wenn sie – nicht nur - aus Sicht der USA noch so logisch erscheinen mögen. Natürlich müssen die Regelungen des Völkerrechts an die heutigen Gegner und ihre Ziele und Methoden angepasst werden.
Die Argumentation der USA ist aber dennoch ganz klar verständlich, denn in Zeiten symmetrischer Konflikte und Kriege, war eine unmittelbare Bedrohung ganz leicht zu erkennen, da der Gegner sichtbare Schritte unternehmen musste. Dies ist in asymmetrischen Konflikten nicht mehr möglich[69], da die Angriffe ohne Vorwarnung und (erkennbare) Vorzeichen erfolgen.[70]
Wird aber eine solche Strategie verfolgt, wird es auch immer wieder zu Fehlschlägen und unschuldigen Opfern kommen; ganz davon abgesehen, dass das in Artikel 2, Abschnitt 4 UN-Charta formulierte Gewaltverbot in den Augen einiger Beteiligter hinfällig geworden ist. Dies aber würde natürlich auch nicht wieder zurück zum alten System des „ius ad bellum“ führen, wie es bis zum Ersten Weltkrieg gegolten hat.
Das Problem, mit dem sich die UN konfrontiert sehen, ist folgendes: Zum einen sind die USA de facto die bestimmende Macht in den UN und zum anderen haben die UN es sich selber zuzuschreiben, dass der Artikel 51 derart ausgenutzt wird. Hätten die UN in der Vergangenheit das Gewaltverbot[71] konsequent durchgesetzt[72], wäre es vermutlich nicht so schnell zu einer derartigen Situation gekommen.[73]
Man darf aber bei aller gerechtfertigten Kritik an den UN und auch der USA nicht vergessen, dass dem Irak in der Sicherheitsratsresolution 1441 mit den ernsthaftesten Konsequenzen für den Fall der Nichtkooperation mit den UN gedroht wurde.[74] Die Frage, die sich hier stellt ist, welche ernsthafteren Konsequenzen als Krieg auf dem eigenem Territorium kann es für einen Staat geben?[75] Es darf aber auch nicht außer acht gelassen werden, dass es in den internationalen Beziehungen mittlerweile eine Art Drei-Klassen-Gesellschaft gibt. Es existieren dort zum einen diejenigen Staaten für die das Gewaltverbot der UN unbedingte Gültigkeit besitzt, dann gibt es die Staaten, die sich von dem Gewaltverbot in dem ein oder anderen Fall eine Ausnahme genehmigen und schließlich gibt es die USA als Definitionsmacht dessen, was als Ausnahme verstanden werden kann und darf - und was nicht. Diese Drei-Klassen-Gesellschaft ist bestimmt nicht neu, denn es gab sie auch schon zu Zeiten des Kalten Krieges; nur war sie uns da nicht bewusst und wenn sie uns bewusst war, war sie uns recht, denn die USA beschützten uns ja immerhin.
Die USA haben aber gegenüber den anderen Staaten auch noch in Bezug auf die UN den Vorteil, dass sie ihre Ziele notfalls auch ohne oder gar gegen die UN durchsetzen können und auf der anderen Seite können sie auch ihre Mitgliedsbeiträge an die UN kürzen oder zeitweilig nicht zahlen und die chronisch ineffektiven UN somit zur vollständigen Handlungsunfähigkeit verdammen. Sie führen der Welt damit vor Augen, dass die wirklich wichtigen Entscheidungen nämlich gerade nicht im Sicherheitsrat, sondern im Weißen Haus in Washington getroffen werden. Kurz gesagt lässt sich festhalten, dass die USA über die nötigen Mittel verfügen, als dass sie mehr oder weniger alleine über das „richtige“ Vorgehen in Dingen des Völkerrechts entscheiden können.
7. Die Struktur der NATO
Ich werde nun im Folgenden kurz die grundlegenden Strukturen der NATO, sowohl die politischen als auch die militärischen, beschreiben.
Als Erstes sei an dieser Stelle gesagt, dass die NATO eine internationale Organisation darstellt, die auf dem Prinzip der multilateralen intergouvernementalen Zusammenarbeit beruht. Dies bedeutet, dass die Bündnisstaaten zwar eng mit einander kooperieren, sie aber keinerlei Souveränitätsrechte an die NATO übertragen haben.[76]
Eine solche, im Unterschied zur EU, komplett multilaterale Organisation heißt aber auch, dass gemeinsame Organe benötigt werden, um diesen Interessenaustausch und -ausgleich zu bewerkstelligen.[77]
Nach diesem kurzen ersten Überblick über die Beschaffenheit der NATO, werde ich nun im weiteren Verlauf die militärische Organisation der NATO und im direkten Anschluss daran die politische Organisation der NATO darstellen.
7.1 Die militärische Organisation der NATO
Seit 1966 bildet der Militärausschuss, der sich aus den Stabschefs aller Bündnispartner[78] zusammensetzt, die höchste militärische Instanz der NATO. Dieser Ausschuss tagt mindestens zweimal jährlich und trifft Entscheidungen, die für die gemeinsame Verteidigung des gesamten NATO-Gebietes für notwendig erachtet werden. Der Militärausschuss stellt die Hauptquelle für die militärische Beratung des Generalsekretärs der NATO und des Nordatlantikrats, des Verteidigungsplanungsausschusses und der Nuklearen Planungsgruppe dar. Der Vorsitzende des Ausschusses, der für eine dreijährige Amtszeit gewählt wird, leitet die Amtsgeschäfte und ist auch der militärische Sprecher der NATO.
Um die Beschlüsse des Ausschusses durchführen zu können, wurde der „Integrierte Internationale Militärstab (IMS)“[79] gebildet. Der IMS, der sowohl aus Militärs als auch aus Zivilisten besteht, hat die Aufgabe, Untersuchungen durchzuführen und Empfehlungen auszusprechen, die dann der NATO oder einzelnen Bündnispartnern vorgelegt werden.
Da die Erhaltung einer angemessenen militärischen Fähigkeit und auch die klare Bereitschaft zu kollektiven Handeln für die sicherheitspolitischen Interessen der NATO als essentiell wichtig gelten, gilt das Prinzip der integrierten Militärstruktur sowie eine Vielzahl von Kooperationsvereinbarungen unter den Mitgliedsstaaten der NATO.
Dies alles zeigt sich in einer gemeinsamen Streitkräfteplanung, der Aufstellung von multinationalen Verbänden, gemeinsamen Rüstungsnormen, der Stationierung von Truppen in anderen
NATO-Staaten.[80]
Der überwiegende Teil der Streitkräfte, die der NATO zur Verfügung stehen, sind konventionelle Streitkräfte. In Friedenszeiten haben, von Ausnahmen abgesehen[81], grundsätzlich die jeweiligen Mitgliedsstaaten die volle Befehls- und Kommandogewalt über ihre Streitkräfte.[82]
Weitgehende Änderungen in der NATO-Struktur erfolgten 1994 und 1997.
1994 wurden zwei Oberkommandos, das ACE[83] und das ACLANT gebildet. 1997 wurde die Zahl der Hauptquartiere von 65 auf 20 reduziert. An die Spitze der Hauptquartiere wurden zwei Strategische Kommandos[84] gesetzt. Ein Kommando ist für den atlantischen Raum und das andere Kommando für den europäischen Raum zuständig. Dem Kommando für den atlantischen Raum unterstehen drei Regionalkommandos und dem Kommando für den europäischen Raum unterstehen seinerseits zwei Regionalkommandos.[85]
Die jeweiligen Befehlshaber sind dafür verantwortlich, dass Verteidigungspläne erarbeitet, Übungen durchgeführt werden und der Streitkräftebedarf jeweils aktualisiert wird.
Nicht nur die Strukturierung der Streitkräfte, sondern auch die Streitkräftestrukturen haben sich geändert. So wurden die so genannten CJTF geschaffen, die von WEU/EU und NATO gemeinsam genutzt werden (können). Zum anderen stehen der NATO drei Gruppen von Streitkräften zur Verfügung. Diese sind die Hauptverteidigungsstreitkräfte (MDF)[86] ; die Ergänzungsstreitkräfte und die schnellen Krisenreaktionsstreitkräfte (RF).[87] Die MDF übernehmen alle
„Artikel-5-Aufgaben“ (Bündnisverteidigung), während die RF für die
„Nicht-Artikel-5-Aufgaben“ verantwortlich zeichnen.
Eine weitere Veränderung stellt die zunehmende Multinationalität der Einsatzverbände dar. Es gibt drei verschiedene Arten der Multinationalität in der Militärpolitik; ich möchte aber nur auf das „Integrationskonzept“ eingehen. Bei diesem Konzept verfügt der Kommandierende General über weitgehende Kommandogewalt und die Truppenteile sind auch im kleinen Rahmen multinational organisiert.
Dieses Konzept gilt auch für die FAWEU- und CJTF-Streitkräfte der WEU/EU. Folgende Verbände, die gemäß diesem Muster organisiert sind, existieren bereits: Das schnelle Krisenreaktionskorps mit Sitz in Mönchengladbach, die Multinationale Division Mitte mit Sitz in Heidelberg, das deutsch-niederländische Korps in Münster, zwei deutsch-amerikanische Korps in Würzburg,
das deutsch-dänische Korps, das deutsch-dänisch-polnische Korps in Stettin und das EUROKORPS in Straßburg, das aber außerhalb der Bündnisstruktur der NATO besteht.
Die zunehmende multinationale Ausrichtung beinhaltet auch politische Aspekte, denn eine militärische Hegemonie innerhalb der NATO soll damit ausgeschlossen werden[88], denn es ist nun notwendiger denn je, koordiniert zusammenzuarbeiten, um eine glaubhafte und gemeinsame Verteidigungsfähigkeit zu schaffen und bei Krisen erfolgreich intervenieren zu können.[89]
7.2 Die politische Organisation der NATO
Zur organisatorischen Struktur der NATO heißt es im Nordatlantikvertrag lediglich, dass die teilnehmenden Staaten eine ständige Organisation einrichten werden und zusätzlich dazu wird in Art. 9 des selbigen Vertrages vorgeschrieben, dass ein Rat in der Art gegründet wird, dass er bei Bedarf schnell zusammentreten kann. Alle nach geordneten Stellen werden vom Rat eingerichtet, sofern dies notwendig erscheint. Die Struktur der NATO ist also nicht vertraglich festgelegt, sondern ergibt sich aus ihren Zielen und Funktionen. Die NATO gliedert sich in zwei von einander unterschiedliche Strukturen; eine militärische Struktur (vgl. Kap. 7.1) und eine politische Struktur, die nun im weiteren Verlauf näher erläutert werden wird (Eine detaillierte Strukturbeschreibung findet sich etwa bei Thomson 1997 oder auch und noch genauer im NATO-Handbook 1998).
Jeder Mitgliedsstaat ist Mitglied der politischen Struktur, aber es ist kein Muss auch Mitglied der militärischen Struktur zu sein.[90]
Die wichtigste Grundlage der NATO ist das „Primat der Politik“.[91] Die Grundstruktur der NATO ist sowohl im politischen als auch im militärischen Bereich in drei Ebenen gegliedert. Als Leitungsgremium dient ein Hauptorgan, dem Unterorgane unterstehen, die für die das „Tagesgeschäft“ verantwortlich sind, und denen daher diverse administrative Organe unterstehen, die sämtliche politischen wie militärischen Beschlüsse vorbereiten und auch ausführen. Das Leitungsgremium fällt seine Entscheidungen grundsätzlich nach dem Konsensprinzip[92]. Die untergeordneten Organe sind an dessen Entscheidungen gebunden.
Die Arbeit der Organe wird durch die Mitgliedsstaaten finanziert.[93]
Der Gesamthaushalt gliedert sich in drei Unterhaushalte, erstens den Zivilhaushalt, zweitens den Militärhaushalt und drittens den Haushalt für das NATO-Sicherheits- und Investitionsprogramm.[94]
Die jeweiligen nationalen Rüstungsausgaben werden in den verschiedenen NATO-Ausschüssen an den Bedarf der NATO angepasst. Das oberste Entscheidungsgremium hierfür ist der NATO-Rat.[95]
Sämtliche Entscheidungen hinsichtlich einer nuklearen Komponente werden in der „Nuklearen Planungsgruppe“ behandelt.[96]
Exekutivorgan der NATO ist der Generalsekretär, der von Mitgliedsstaaten im Konsensverfahren gewählt wird. Der Generalsekretär ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Nordatlantikrats, des Verteidigungsplanungsausschusses, der NPG, und einer Vielzahl anderer Ausschüsse. Der Generalsekretär zeichnet verantwortlich für die Entscheidungsfindung der NATO und er vertritt die NATO nach außen. Die Position des Generalsekretärs wird auch in zunehmender Weise international immer bedeutender.[97]
Der Amtssitz des Generalsekretariats in Brüssel ist das politische Hauptquartier der NATO und zugleich auch der ständige Sitz des Rates. Die belgische Hauptstadt beherbergt zugleich aber auch die nationalen Delegationen, den internationalen Stab sowie zahlreiche weitere
NATO-Ausschüsse und -Behörden.
Nach der Beendigung des Ost-West-Konflikts haben sich eine Vielzahl an informellen Einrichtungen und Organen gebildet, die eine immer größere Rolle bei der Entscheidungsfindung innerhalb der NATO[98] einnehmen.[99]
8. Exkurs : Die Supermacht USA und europäische Perspektiven
Gerade die Vorgeschichte des Dritten Golfkrieges hat tief greifende Unterschiede zwischen der kontinentaleuropäischen und der US-amerikanischen Einschätzung bezüglich internationaler Konfliktszenarien offenbart.
Man konnte bei einer nur oberflächlichen Betrachtung den Eindruck gewinnen, dass lediglich die Achse Paris-Berlin sich vom Weg der USA in den Golfkrieg abgewandt hatten; aber sämtliche Staaten Europas[100] waren zum damaligen Zeitpunkt durch eine tiefe Kluft von den USA getrennt.[101]
Die deutsche ablehnende Haltung eines weiteren Golfkrieges geriet weniger wegen ihres Inhalts in den internationalen Blickpunkt als vielmehr durch ein ungeschicktes Agieren der deutschen Bundesregierung, die dieses Thema als Wahlkampfthema ungeschickt nutzte.[102] Hinzukommt noch, dass die Handlungsfähigkeit einer jeden deutschen Regierung durch die historische Last von zwei Weltkriegen deutlich eingeschränkt zu sehen ist. Ein deutscher Bundeskanzler würde einen Militäreinsatz mit vielen zu erwartenden Opfern politisch nicht überleben, erst recht dann nicht, wenn die Bevölkerung mehrheitlich gegen diesen Einsatz eingestellt wäre.[103]
Es lässt sich feststellen, dass die europäischen postheroischen Gesellschaften den Krieg als Instrument der Politik ablehnen und stattdessen auf wirtschaftlichen Druck und kulturellen Dialog setzen; denn diese Gesellschaften definieren sich über Wohlstand, Arbeit und Konsum.[104]
Die US-amerikanische Gesellschaft ist zwar auch zumindest zum Teil postheroisch[105], was sich vor allem an den Massenprotesten gegen den Vietnamkrieg zeigte, aber hier ist der Postheroismus noch nicht so stark ausgeprägt wie in den europäischen Gesellschaften. Dies kommt auch daher, dass die US-amerikanische Gesellschaft noch niemals während ihrer Geschichte mit direkten Kriegsauswirkungen auf ihrem eigenen Territorium, mit Ausnahme des Bürgerkrieges in den Jahren 1861-1865 und den kriegerischen Auseinandersetzungen in Folge der amerikanischen Revolution und Unabhängigkeitserklärung, konfrontiert wurde.[106]
Die amerikanischen, britischen und auch französischen Regierungschefs haben es darüber hinaus auch einfacher, ihre Truppen in Kampfeinsätze zu schicken, da sie es seit einigen Jahren mit einer reinen Berufsarmee zu tun haben. Eine Wehrpflichtarmee nach deutschem Vorbild eignet sich hierfür nicht, da in dieser „alle“ dienen - auch die Kritiker. Hinzu kommt aber noch, dass nur wenige europäische Staaten über die notwendigen Ressourcen verfügen, ihre Truppen über einen längeren Zeitraum hinweg im Einsatzgebiet zu versorgen.[107]
Die USA hingegen haben ihre Truppen immer wieder mit modernstem Gerät ausgestattet[108], um auch asymetrische Konfliktformen erfolgreich bewältigen zu können.[109]
Es muss an dieser Stelle festgestellt werden, dass die USA den Europäern und auch den asiatischen Staaten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch, so weit überlegen sind wie noch niemals vorher.[110] Die militärischen „terms of trade“ haben sich nach dem Ende des Kalten Krieges dahingehend geändert, als dass nun die Macht immer und überall auf allen Gebieten Einfluss auszuüben in politische Macht eingetauscht werden kann, da man zu jeder Zeit in der Lage ist, einen Krieg zu führen.
Die deutsche Bundesregierung hatte aus dem Konflikt am Golf die richtigen Schlüsse gezogen: Dass jede Form einer militärischen Lösung die Kluft zwischen den USA und den Europäern noch weiter vertiefen würde. Deshalb setzte sie sich auch vehement für eine politische Lösung ein, weil hierbei die europäische Seite besser dagestanden hätte, oder zumindest nicht als klarer Verlierer.[111] Das Problem hierbei war allerdings weniger der Konflikt zwischen Deutschland und den USA und auch nicht die Vasallentreue der Briten, sondern vielmehr, dass Washington schon im Vorfeld immer wieder die Erfahrung gemacht hatte, dass die Europäer politisch sehr leicht gegeneinander auszuspielen sind.
Der Dritte Golfkrieg hat nur noch einmal ganz klar gemacht, dass die EU außenpolitisch uneinig[112] und erst recht militärisch nicht handlungsfähig ist.[113]
Die Installierung eines Hohen Vertreters für die GASP[114] hat hieran nichts geändert, sondern durch das „glücklose Agieren“ von Javier Solana haben die europäischen Nationalregierungen wieder mehr an Einfluss gewonnen, wodurch Europa als solches wieder schwächer gegenüber den USA geworden ist.[115]
Die NATO ihrerseits ist von den USA bereits seit Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von einem Militärbündnis zu einem politischen Bündnis umfunktioniert worden, dass Washington aufgrund seiner herausragenden Stellung nach Belieben nutzen kann. Es stellt sich aber die Frage, ob die USA in der Lage eine solch unilaterale Politik auf Dauer durchzustehen, denn die Bedrohung eines Imperiums beruht nicht so sehr auf seinen einzelnen Feinden, sondern auf der Überdehnung seiner eigenen Kräfte.[116] Durch die Möglichkeiten der Überwachung, die den USA zur Verfügung stehen, sind aber auch diese Gefahren eher gering, es sei denn, dass die USA gezwungen werden einen Großteil ihrer militärischen Kräfte in einer Region zu binden, während gleichzeitig andere Krisenherde auftauchen.[117]
Es muss festgehalten werden, dass die Kluft zwischen den Europäern und den USA nur dann überwunden werden kann, wenn zum einen die Europäer die Möglichkeit schaffen, militärisch und außenpolitisch handlungsfähig zu werden, und auf der anderen Seite die USA nicht mehr so verstärkt auf harte Machtfaktoren, wie z.B. Flugzeugträger, Tarnkappenbomber und auch „Cruise Missiles“ setzen, sondern sich statt dessen auch wieder mit den weichen Machtfaktoren, wie wirtschaftlicher Zusammenarbeit, zivilisatorischer Attraktivität und kulturellen Dialogen anfreunden können. Aber auch hier entscheiden nicht die Europäer, sondern die USA.
9. Die NATO und ihre neuen Aufgaben
Die NATO ist, auch nach dem Ende des Kalten Krieges und der Neu-Ausrichtung der
US-amerikanischen Politik hin zu einer unilateralen Politik jenseits von dauerhaften Bündnissen, die für die Sicherheit in Europa entscheidende Organisation.
Die NATO hat seit Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ihre Aktivitäten mehr auf den politischen Bereich ausgedehnt und stellt auch der UN und der OSZE ihre militärischen wie politischen Potentiale für friedenserhaltende Missionen zur Verfügung. Die NATO verlangt aber auch, dass es ein einheitliches Militärkommando geben muss, damit man, falls erforderlich, ohne großen Zeitverlust aus einer friedenserhaltenden Mission zu einer friedenserzwingenden Mission übergehen kann. Damit unterscheidet sich die NATO von den UN vor allem im Bereich der UN-Einsätze nach Kap. VI
UN-Charta („Blauhelmmissionen“). Traditionell sind solche Blauhelmmissionen nämlich leicht bewaffnete Truppen, die mit der Unterstützung aller beteiligten Konfliktparteien entsandt werden; die NATO hingegen macht diese Einschränkung der Einstimmigkeit der Konfliktparteien nicht.[118] Diese Art der Neu-Ausrichtung der NATO hat auch zu einer Diskussion darüber geführt, ob die NATO für friedenserzwingende Einsätze einen Beschluss des Sicherheitsrates benötigt. Für Frankreich ist ein solcher Beschluss zwingend erforderlich, da man andererseits gegen geltendes Völkerrecht verstoßen würde, während die USA dies anders sehen, und die NATO nicht während einer Krise zur Untätigkeit verdammt sehen wollen, nur weil ein einheitlicher Beschluss des Sicherheitsrates nicht erfolgt.
9.1 „Out of area“ und das Problem “out of treaty”
Der Ost-West-Konflikt hatte bis zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dazu geführt, dass die NATO sich niemals mit der Frage „out of area“ befassen musste. Doch nun nach dem Ende dieses Konflikts haben der zweite Golfkrieg und die Kriege auf dem Balkan dazu geführt, dass sich die NATO-Staaten mit dieser Frage befassen mussten, da es sich nun abzuzeichnen begann, dass die NATO von ihren Grundsatz, keine militärische Operation außerhalb ihres Bündnisgebietes zu führen, abweichen musste. Durch militärtechnische Entwicklungen ist außerdem der Unterschied zwischen „out of area“ und „area“ zum Teil nicht mehr existent, denn z.B. können die AWACS-Flugzeuge der NATO rund 400 km hinter den Grenzen Luftraumaufklärung betreiben.[119] Eine ähnliche Situation lag auch auf dem Balkan vor, denn eine Ausweitung der Konflikte hätte zu einem Übergreifen auf das Gebiet von NATO-Mitgliedsstaaten, z.B. Griechenland, geführt. Aus diesem Grund haben sowohl die Gebiete an der südlichen Peripherie der NATO, als auch der gesamte Nahe Osten, eine hohe Bedeutung für die NATO.
Aus diesen Gründen ist sich die politische Führung aller NATO-Staaten inzwischen darin einig, dass es einen starren Grenzenverlauf, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, heute nicht mehr gibt. Aber das Problem besteht darin, dass der NATO-Vertrag formal-juristisch keinen Militäreinsatz außerhalb des Bündnisgebietes abdeckt.[120] Dieser Vertrag liefert nämlich ausdrücklich keinen unbegrenzten Handlungsrahmen, sondern dient lediglich der kollektiven Verteidigung in den Grenzen des Bündnisgebietes.
In der Praxis hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass man den NATO-Vertrag hinreichend flexibel betrachten kann, was einer Legitimierung der neuen Aufgaben des Bündnisses entspricht. Dies geschieht wohl nicht zuletzt auch deswegen, weil eine politisch korrekte und auch streng
formal-juristisch haltbare Neufassung des Vertrages einheitlich hätte beschlossen werden müssen. Diese Neufassung hätte dann darüber hinaus auch in allen Parlamenten der NATO-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müssen. Es ist also davon auszugehen, dass diese Art von „informeller Vertragsumdefinition“ auch in Zukunft Bestand haben wird.
9.2 Die Aufgabe „Humanitäre Intervention“ und deren völkerrechtliche Problematik
Der oben kurz vorgestellten Problematik der „out of area“-Einsätze schließt sich dann auch noch das Problem der humanitären Intervention an.
Um dieses Problem weiter zu untersuchen, ist es zunächst einmal notwendig, den Begriff der „humanitären Intervention“[121] zu definieren:
Als humanitäre Intervention […] wird der militärische Eingriff in das Gebiet eines anderen Staates bezeichnet, der den Schutz von Menschen in einer humanitären Notlage zum Ziel hat. Dabei kann es sich um massive Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Genozid, aber auch um Naturkatastrophen handeln. Im engeren Sinn beziehen sich humanitäre Interventionen auf die einheimische Bevölkerung, nicht auf den Schutz eigener Staatsbürger […]. Vorausgesetzt wird, dass der betroffene Staat selbst nicht in der Lage oder nicht willens ist, den Gefährdeten selbst Schutz zu bieten.[122]
Das Völkerrecht lässt eine solche Intervention aber nicht zu, da es besagt, dass das Gewaltverbot ein höher wertiges Gut darstellt. Es gibt laut UN-Charta nur zwei Ausnahmen von diesem Gewaltverbot: erstens zur Selbstverteidigung und zweitens im Auftrage des UN-Sicherheitsrates. Die NATO hat sich hier der Interpretation von Preuß angeschlossen, der sagt, dass dort wo der Staat selber die Quelle der Menschenrechtsverletzungen darstellt, ein solches Verbot der Gewalt nicht existiert.[123]
Die bisherige Bilanz solcher Interventionen fällt nicht nur ernüchternd aus[124], sondern man könnte den Gedanken auch noch weiter ausführen und sagen, dass man auch gewisse „Güter des kollektiven Interesses“ einzelnen Staaten entziehen müsse.[125] Hier ist aber besonders die Frage von Interesse, wann, wo und vor allem nach welchen Kriterien man denn intervenieren darf. Die dominierenden westlichen Staaten, allen voran die USA, würden hier natürlich sofort ihr eigenes Sicherheitsinteresse durchsetzten und wohl weniger nach humanitären Motiven intervenieren.[126] Wenn man nun aber schon in einer derartigen Weise agieren möchte, dann muss man aber vorher darüber diskutieren, was ein solch angemessener Schritt wäre.[127] Für den Fall einer Verpflichtung zur Intervention wären sowohl die NATO als auch die UN hoffnungslos überfordert; aber politisch wäre dies ohnehin ein Sprengsatz, denn die schwachen Länder des Südens würden sich mit allen Mitteln gegen solche, aus ihrer Sicht, neokolonialistischen Unternehmungen wehren.
Für den Fall, dass es in Zukunft doch zu einer solchen aktiven Interventionspolitik kommen sollte, sind aus heutiger Sicht drei verschiedene Strategien denkbar: Erstens eine Strategie, bei der nur nach vorheriger Erlaubnis durch den UN-Sicherheitsrat interveniert werden darf; zweitens eine Art
Ad-hoc-Strategie, bei der die jeweilige Situation nach den Normen des Völkerrechts beurteilt wird und man sich in extremen Einzelfällen zur Intervention entschließt; und drittens schließlich eine Strategie der Rechtsanpassung, wodurch humanitäre Interventionen zu einem Bestandteil des Völkerrechts werden.
Die Probleme, die sich durch solche humanitären Interventionen ergeben, sind ebenso vielfältig, wie die Meinungen der Völkerrechtler über sie.
Ein Eingreifen mag zwar moralisch noch so gerechtfertigt sein, aber dennoch kann es gegen Völkerrecht verstoßen und damit illegal sein.[128] Es ist gängige Lehrmeinung, dass die NATO mit ihrer „Selbstmandatierung“ für den Kosovo-Einsatz gegen das Völkerrecht verstoßen hat[129], aber bereits 1951 hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass ein Staat, der die Völkermord-Konvention verletzt, seine Pflichten gegenüber der Staatengemeinschaft verletzt. Aus diesem Grund konnte sich die NATO darauf berufen, dass hier Rechtsgüter miteinander konkurrierten. Sogar Ernst-Otto Czempiel, ein ausgesprochener Gegner des NATO-Einsatzes im Kosovo, kommt zu dem Schluss, dass das Eingreifen der NATO richtig war, denn durch das Zusammenrücken in der heutigen Staatenwelt haben die jeweiligen Nachbarstaaten immer ein berechtigtes Interesse an der Innenpolitik eines anderen Staates.[130]
Es stellt sich hier die Frage, da es nicht zu einer befriedigenden juristischen Antwort kommt, ob man nicht das Völkerrecht dahingehend erweitern muss, dass ein benachbarter Staat oder eine
Staaten-Allianz bei einer extremen Verletzung von Menschenrechten das Recht haben muss, zu intervenieren.
9.3 Die Ausnahme „Humanitäre Intervention“
Da sich die Völkerrechtler hinsichtlich einer Interpretation der Militäroperationen auf dem Balkan nicht einigen können, heißt dies aber auch, dass die momentane Rechtslage durchaus auch verschiedene Interpretationen zulässt.
Es wäre zu fragen, ob und inwieweit das Eingreifen im Kosovo eine Ausnahme darstellt.[131]
Die NATO hat sich im Kosovo übrigens nicht ihren eigenen rechtsfreien Raum zur Intervention geschaffen, sondern sie kann sich auch noch auf das Beispiel von Liberia von Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beziehen, als die westafrikanische Union in das Land einmarschierte, das im Vorfeld im Chaos versunken war. Auch dieses Vorgehen wurde von manchen Stelle als rechtlich sehr problematisch dargestellt, zumal es während des Einsatzes, der als peace-keeping-mission konzipiert war, zu erheblichen Gewalteinsatz gekommen ist.[132]
Aber hier gratulierte der damalige Präsident des UN-Sicherheitsrates den westafrikanischen Ländern zu ihrem erfolgreichen Eingreifen.
An diesem Beispiel ist zu sehen, dass die humanitäre Intervention der NATO im Kosovo nicht die erste ihrer Art war, wie sie aber vielfach als solche dargestellt wurde.
9.4 Die Auswirkungen von Interventionen auf das Bündnis
Das Ziel der Intervention der NATO im Kosovo war es, den Völkermord an den Kosovo-Albanern zu stoppen, auch wenn er zu Beginn des Einsatzes kurzfristig sogar beschleunigt wurde. Der Einsatz sollte aber auch gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der NATO gegenüber ihrer internationalen Umwelt demonstrieren. Dies ist auch gelungen, auch wenn militärische Gewalt nicht alleine nach Gesichtspunkten der Effektivität eingesetzt werden kann, wenn es darum geht einen Völkermord zu beenden. Die Konsequenz aus dieser Einschränkung ist aber, dass eine lange Zeitspanne vergehen wird, bevor eine solche Militäraktion erfolgreich abgeschlossen sein kann. Deswegen ist auch eine Vielzahl von Interventionen, die von der NATO ausgeführt werden könnten äußerst unwahrscheinlich. Solche Interventionen würden aber wegen der mit ihnen verbundenen Problematik für die europäischen Staaten ohnehin nicht in weit entfernten Gebieten stattfinden (vgl. Kap. 8).[133] Mit der völkerrechtlich umstrittenen Aktion im Kosovo war die NATO ein ungeheures Risiko eingegangen, denn ihre Strategie ging zu Anfang nicht auf; die beiden Mächte Russland und China wurden wegen der Aushebelung des UN-Sicherheitsrates nicht an der Konfliktlösung beteiligt. Die NATO musste also im Endeffekt noch froh sein, dass man mit Russland im Rahmen der G8 eine Friedensregelung erreichte, die das Gesicht der NATO wahrte.
Die Anklage Milosevics vor dem Internationalen Gerichtshof zeigt zwar die moralische Richtigkeit der NATO-Handlungen, sie legitimiert aber nicht den Militäreinsatz als solchen.[134]
Es kann in Zukunft nur noch darum gehen, dass Missbrauchspotential einer humanitären Intervention zu begrenzen, denn dass solche Interventionen auch in Zukunft stattfinden werden steht außer Frage, zumindest wenn sie sich an der Peripherie des NATO-Gebietes durchführen lassen.
10. Ein kurzer Blick in die Zukunft der NATO
Die NATO hat in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen tief greifenden Umstrukturierungsprozess vollzogen, nämlich von einem Bündnis der kollektiven Verteidigung gegen einen Gegner, den Warschauer Pakt, hin zu einem Interventionsbündnis auf mehrheitlich politischer Ebene, wodurch sie versucht, den neuen Risiken, die für Europa in der neuen Weltordnung erwachsen sind, zu begegnen. Da wären zum einen sowohl mögliche Sicherheitsgefährdungen durch eine Umwälzung der beginnenden Demokratisierungsbestrebungen in Russland als auch Krisen und Konflikte in den Peripheriegebieten des Bündnisses als auch neuartige Bedrohungen, wie z.B. internationaler Terrorismus, die Proliferation von WMD’s und auch zuletzt die Auseinandersetzung um natürliche Ressourcen. Somit sich die denkbaren militärischen Einsatzszenarien deutlich ausgeweitet, aber ebenso sind auch die möglichen Bedrohungen um zahlreiche Quellen reicher geworden. Eine Bündnisverteidigung nach Art. 5 NATO-Vertrag ist eher gering[135], allerdings ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Interventionen mit mittlerem militärischem Aufwand deutlich angestiegen. Diesen neuartigen Herausforderungen kann kein Staat, mit Ausnahme der USA, alleine begegnen, so dass eine Kooperation der Staaten in einem Bündnis als zwingend erforderlich angesehen werden muss.
Anhand der neuen Aufgabenbereiche der NATO, kann man der NATO sechs Hauptaufgaben zuschreiben. Erstens muss sie gemäß Art. 5 NATO-Vertrag die Bündnisverteidigung sicherstellen; zweitens muss sie die Verantwortung für eine europäisch-atlantische Sicherheitsordnung übernehmen[136] ; drittens übernimmt die NATO immer mehr die Rolle eines Rüstungskontrolleurs, der die Proliferation von WMD’s überwacht; viertens soll die NATO eine Rückkehr zu einer nationalstaatlichen Sicherheitspolitik zu verhindern versuchen; fünftens muss die NATO aktiver werden auf dem Gebiet der Krisenvorsorge und der Konfliktverhütung, was in einem engen Zusammenhang mit Art. 4 NATO-Vertrag zu sehen ist und sechstens hat die NATO den Auftrag als Instrument kollektiver Sicherheit zu dienen und peace-keeping-missions durchzuführen.
Aber da der Druck durch den Kalten Krieg auf die NATO-Mitglieder entfallen ist, könnten die Kosten des Bündnisses, sowohl die reellen finanziellen Kosten, als auch der militärische und politische Machtverlust, als höher angesehen werden, als der Nutzen des Bündnisses auf der anderen Seite.[137] Solche Prozesse haben aber auch schwerwiegende Auswirkungen auf das Völkerrecht, denn das wird damit faktisch komplett ausgehebelt, denn der Stärkere, also i. d. R. die USA, würden dann über die Rechtmäßigkeit eines Militäreinsatzes oder einer andersartigen Intervention alleine entscheiden. Die NATO-Entscheidungsfindungsprozesse sind jedoch dazu geschaffen einen hegemonialen Machtmissbrauch zu verhindern.
Die NATO muss ihrerseits aber auch beachten, dass sie es sich nicht zur Regel machen kann, dass sie das Völkerrecht bricht und gegen die Prinzipien der UN-Charta handelt, denn dann dürften die Folgen für die internationale Sicherheit auf Sicht negativer sein als die kurzfristigen Erfolge.[138]
Aber das wohl größte Problem für die NATO besteht darin, dass sie das momentan einzige funktionierende Militärbündnis darstellt. Dadurch kann es dazu kommen, dass die NATO in Konflikte hineingezogen wird, die sich nur durch den Einsatz von militärischen Mitteln beenden lassen. Dies bedeutet für die NATO, dass sie aufpassen muss, dass sie sich nicht für das Versagen in der internationalen Politik missbrauchen lässt und gleichzeitig auch nicht für deren unzureichende Ergebnisse verantwortlich gemacht wird.[139] Gleichzeitig muss die NATO aber auch noch an der „Front“ der „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität“ arbeiten, denn wenn diese sich vollständig von der NATO lossagt, wäre die NATO vollkommen obsolet, denn es gäbe nur die EU und die USA mit ihren jeweils eigenen Vorstellungen.
Die NATO-Erweiterung hat die Handlungsfähigkeit der NATO weiter geschwächt, denn immer mehr Interessen müssen unter einen Einstimmigkeitsparagraphen gebracht werden.
Trotz all dieser Probleme ist die NATO gestärkt aus dem Ende des Kalten Krieges hervorgegangen, denn sie ist sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Politikern so unbestritten wie selten zuvor, denn selbst ein völkerrechtlich bedenklicher Einsatz wurde von der Mehrheit der Bevölkerung der NATO-Mitgliedsstaaten unterstützt.[140]
Die NATO hat sich also, zumindest momentan, als wichtigste Sicherheitsinstitution gegenüber dem UN-Sicherheitsrat durchgesetzt, allerdings ist die immer länger werdende Liste transatlantischer Verstimmungen[141] nicht gerade gemacht dafür, dass das Bündnis weiter gestärkt wird.
11. Exkurs: Ein möglicher Beitritt Österreichs zur NATO
Ein Beitritt des neutralen[142] Österreichs zur NATO erscheint erst durch seinen EU-Beitritt im Jahre 1995 wahrscheinlicher. Am 22.11.1994 wurde im Zuge der Unterzeichnung des
EG-Beitrittsvertrages durch den damaligen Bundeskanzler Vranitzky auch der Art. 23f[143] in die Bundesverfassung aufgenommen. Dieser besagt, dass die Mitarbeit im Rahmen der GASP[144] nicht gegen die verfassungsgemäße Verpflichtung zur Neutralität[145] verstoße.
Durch die anschließende weitergehende Integration der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch den Vertrag von Amsterdam (1997), die Petersberger Aufgaben (1999), die Erklärung von Köln (1999), den Europäischen Rat von Helsinki (1999), die Konferenz zur Kräftebereitstellung in Brüssel (2000) und schließlich den Gipfel von Nizza (2000) wurde diese Politik immer mehr zu einer Gemeinschaftsaufgabe. Im Rahmen dieser Gemeinschaftsaufgabe
(Titel V EUVV) wurde auch Österreich verpflichtet unter der Verantwortung des EU-Rates die politische Kontrolle und die strategische Leitung von Krisenbewältigungsmissionen wahrzunehmen.[146] Hierdurch hat sich die Republik Österreich verpflichtet im Rahmen von EU-Missionen humanitäre Hilfsmissionen, gleich welcher Art, durchzuführen oder diese zu ermöglichen.
Am 10. Februar 1995 trat die Republik Österreich dem NATO-Programm „Partnership for Peace“ bei und unterstützt seitdem die Ziele der NATO-Allianz, wobei sich die österreichische militärische Zusammenarbeit mit der NATO auf die Bereiche Friedenserhaltung, humanitäre und Katastrophenhilfe sowie Such- und Rettungseinsätze konzentriert.[147] Im Rahmen einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik ist der Schutz der Bevölkerung gegen Bedrohung, Erpressung und terroristische Anschläge, erst recht in Zeiten den internationalen Terrorismus nach dem 11. September 2001, die wichtigste Aufgabe, welche ein Staat zu erfüllen hat. Eine solche Aufgabe lässt sich in der heutigen Zeit allerdings von den kleinen europäischen Staaten nicht mehr ohne verlässliche Partner erfüllen. Nahezu alle EU-Mitglieder sind daher entweder direkte Bündnispartner in der NATO oder der WEU.
Österreich hat diesen möglicherweise besseren Schutz aufgrund seiner Neutralität nicht. Eine solche Vereinbarung, die den Schutz der österreichischen Bevölkerung verbessern könnte wird i. d. R. mit dem Hauptargument zurückgewiesen, dass dies mit der Neutralität unvereinbar sei.
Die Republik Österreich hat sich zwar aus freien Stücken zur „immerwährenden Neutralität“ bekannt, doch war diese Neutralität eine Voraussetzung für den Staatsvertrag, durch den Österreich seine volle Unabhängigkeit wiedererlangte. Diese österreichische Neutralität lässt sich an drei Hauptmerkmalen bestimmen. Erstens gestattet Österreich keinem fremden Staat auf dem österreichischen Hoheitsgebiet einen Militärstützpunkt zu unterhalten; zweitens tritt Österreich keinem militärischen Bündnis bei und drittens verpflichtet sich Österreich seine Neutralität zu verteidigen.[148]
Durch die Veränderung der weltpolitischen Lage nach dem Ende des Kalten Krieges sind aber die Voraussetzungen für die Neutralität nicht länger vorhanden, denn 1955 war die Neutralität der Preis für die Wiedererlangung der Selbstständigkeit.
Zudem kann man nur dann neutral sein, wenn man nicht selber Ziel eines Krieges wird[149], aber dies ist immer von den Interessen und Möglichkeiten der anderen Kriegsteilnehmer abhängig. Durch den Beitritt zur EU ist Österreich nun ohnehin in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingebunden und daher auch ein aktiver Partner bei einer gemeinsamen Verteidigung.
Aus den nun genannten Gründen geht hervor, dass Österreich formal einem Militärbündnis wie der NATO beitreten könnte, wenn es sein Wunsch wäre.
An dieser Stelle sollen nun noch die Vorteile und Nachteile einer solchen Zugehörigkeit kurz umrissen werden, beginnend mit den Vorteilen:
- Die äußere Sicherheit, die ein jeder Staat für seine Bürger garantieren muss, kann durch ein Bündnis wesentlich besser garantiert werden als durch einen kleinen Nationalstaat.
- Österreich nimmt mittlerweile ohnehin durch seine Mitgliedschaft in der EU und der Teilnahme am „Partnership for Peace“- Programm der NATO aktiv am europäischen „Sicherheitssystem“ teil.
- Ein Beitrag zu einem Verteidigungsbündnis ist auf jeden Fall günstiger als einen Militärhaushalt komplett alleine tragen zu müssen.[150]
- Wie zuvor schon beschrieben hilft Neutralität gegen bestimmte Arten von Bedrohungen.
Im Hinblick auf diese Vorteile einer NATO-Mitgliedschaft hat Österreich die Aufgabe zu überprüfen, ob es nicht seine Neutralität ablegen möchte, um dadurch einen Sicherheitsgewinn für seine Bürger zu erreichen und außerdem auch den europäischen Integrationsprozess und eine europäischen Identitätsfindung zu fördern.
Ein Beitritt zur NATO brächte für Österreich aber folgende Nachteile:
- Als erstes und wichtigstes würde Österreich seine Neutralität, die heute noch in begrenzten Maßen besteht, endgültig verlieren.
- Es würde auch für Österreich erforderlich sein, sich mit Soldaten an reinen NATO-Operationen zu beteiligen, auch wenn solche Operationen ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrates durchgeführt würden.
- Österreich müsste auch erlauben, dass fremde Staaten auf österreichischem Hoheitsgebiet Militärstützpunkte unterhalten und auch Truppen aus NATO-Staaten in Österreich stationiert würden.
Von daher ist die Neutralität Österreichs mit einem NATO-Beitritt nicht vereinbar.
Aber es wird immer wieder betont, dass für das „Friedensprojekt Europa“ dem Aufbau eines „Systems der kollektiven Sicherheit“ bedarf, dem Österreich, wenn auch nur wegen seiner geographischen Lage, angehören muss. Für einen NATO-Beitritt spricht auch, dass Österreich sowohl im Inland wie auch im Ausland teilweise schon als Mitglied der Allianz betrachtet wird. Das Hauptproblem dürfte aber sein, dass Österreich keiner Organisation beitreten darf, die das Primat der UN nicht vorbehaltlos anerkennt, aber ein Beitritt zur NATO würde Europa im Konflikt mit den USA in der NATO stärken, wenn es den europäischen Staaten gelänge, sich auf eine einheitliche sicherheitspolitische Linie zu verständigen und wenn Europa mit Österreich in der Lage wäre ein „System der kollektiven Sicherheit“ zu schaffen und zu unterhalten.
12. Fazit
An dieser Stelle lässt sich kurz zusammenfassend sagen, dass die Frage, die dieser Arbeit zugrunde lag, nämlich ob die NATO für neue Aufgaben bereit ist, sich nicht eindeutig beantworten ließ.
Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen sind sich die Europäer nicht einig bei dem, was sie international wollen. Sie wissen zwar ziemlich genau, was sie erreichen wollen, aber sie wissen entweder nicht, wie sie es dann auch erreichen sollen und selbst wenn sie dies wissen, fehlen ihnen die Möglichkeiten dazu, es zu erreichen. Diese fehlenden Optionen der Europäer beziehen sich nicht nur auf den militärischen Teil, sondern auch zu einem großen Teil auf die fehlende Bereitschaft der jeweiligen Bevölkerung, in einem möglicherweise auftretenden bewaffneten Konflikt eigene Soldaten nicht nur in Kampfhandlungen einzusetzen, sondern diese dann eventuell auch zu verlieren.
Darüber hinaus sind die Europäer heute weniger denn je in der Lage, gegen die, auf allen relevanten Gebieten nahezu allmächtigen USA bestehen zu können. Dieser Konflikt mit den USA muss aber beendet werden, und zwar ohne dass eine der beiden beteiligten Seiten zu großen Schaden nimmt, wenn denn die viel beschworene „Wertegemeinschaft“ erhalten bleiben und gestärkt werden soll.
Es ist also für die europäischen Staaten und Gesellschaften unumgänglich mit einer Stimme zu sprechen und auch gleichzeitig die notwendigen Mittel bereit zu stellen, um dann auch die gewünschten Konsequenzen notfalls auch militärisch durchsetzen zu können. Genauso wichtig ist es aber auch für die Europäer durch eine verstärkte europäische Integration eine europäische Identität zu schaffen, damit dies gelingen kann; wenn man diese europäische Identität nicht sogar als zwangsläufig zu erfüllende Vorbedingung ansehen zur Bewältigung dieser Aufgabe ansehen möchte.
Auch muss erreicht werden, dass die USA und die Europäer wieder gemeinsam die „westlichen Werte“ als Gemeinschaft verteidigen, Dies wird aber nicht gelingen, solange die USA unilateral handeln und die Europäer nichts dagegen unternehmen können, denn wenn die Europäer in der Lage wären, ein Gegengewicht zu den USA darzustellen, dann wären auch die USA dadurch gezwungen, anders zu handeln.
All diese nun beschriebenen Probleme und Lösungsansätze müssen transatlantisch im Rahmen des NATO-Bündnisses diskutiert werden, nachdem sie auf europäischer Seite innerhalb der EU geklärt worden sind.
13. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
14. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: NATO’s Civil and Military Structure. Quelle: NATO-Handbook Chapter 12: The Military Command Structure. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/hb120705; 27.11.2005.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: The NATO International Staff. Quelle: NATO-Handbook- The NATO International Staff. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/#illustrations; 27.11.2005.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: The NATO International Military Staff. Quelle: NATO-Handbook-The International Military Staff. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/#illustrations; 27.11.2005.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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16. Anhänge
16.1 Report on the shooting of Ms. Guiliana Sgrena (Classified version)
I. BACKGROUND
A. (U) Administrative Matters
1. (U) Appointing Authority
(U) I was appointed by LTG John R. Vines, Commander, Multi-National Corps-Iraq (MNC-I) on 8 March 2005 to investigate, per U.S. Army Regulation 15-6 (Annex 1B), all the facts and circumstances surrounding the incident at a Traffic Control Point (TCP) in Baghdad, Iraq on 4 March 2005 that resulted in the death of Mr. Nicola Calipari and the wounding of Ms. Giuliana Sgrena and Mr. Andrea Carpani. Lieutenant Colonel Richard Thelin, USMC was appointed as my legal advisor for this investigation. I was directed to thoroughly review (1) the actions of the Soldiers manning the TCP, (2) the training of the Soldiers manning the TCP, (3) TCP procedures, (4) the local security situation, (5) enemy tactics, techniques, and procedures (TTPs), (6) the Rules of Engagement (ROE) employed during the incident, and (7) any coordination effected with the Soldiers at the TCP or their higher levels of command on the transport of Ms. Sgrena from Baghdad to Baghdad International Airport (BIAP). (Annex 1A).[151]
(U) The appointing letter (Annex 1A) refers to the location of the incident as being a Traffic Control Point (TCP). As will be further explained in this report, the Soldiers involved were actually manning a former Traffic Control Point, but executing a blocking mission. This mission took place at a southbound on-ramp from Route Vernon (also known as Route Force on MNF-I graphics) onto westbound Route Irish, the road to BIAP. The intersection of these two routes has been designated as Checkpoint 541. For purposes of this report, the position will be referred to as Blocking Position 541 (BP 541).
2. (U) Brief Description of the Incident
(U) On the evening of 4 March 2005, personnel of A Company of 1-69 Infantry (attached to 2d Brigade Combat Team, 10th Mountain Division), were patrolling Route Irish, the road linking downtown Baghdad with BIAP. Seven of those Soldiers were then assigned the mission of establishing and manning a Blocking Position (BP) on the southbound on-ramp off Route Vernon to westbound Route Irish. They were to man the BP until relieved, which was anticipated to be after a convoy transporting the U.S. Ambassador to Camp Victory had passed and arrived at its destination.
(U) The Soldiers established the BP by approximately 1930 hours and began executing their mission. At approximately 2050 hours, the car carrying Mr. Calipari, Mr. Carpani, and Ms. Sgrena, traveling southbound on Route Vernon, approached the on-ramp to enter westbound Route Irish. For reasons that are examined later in this report, the car came under fire. The shooting resulted in the wounding of the driver (Mr. Andrea Carpani), and Ms. Sgrena, and the death of Mr. Nicola Calipari. The Commanding General, Third Infantry Division directed a commander’s inquiry/preliminary investigation be conducted that night.
B. (U) Constraints and Limitations
(U) Ideally, the scene of the incident would have been preserved as it existed immediately after the shooting was over and the car had stopped. Doing so would have allowed the initial investigators to get precise measurements on the distances and locations of the significant objects involved in the event. An initial on-site investigation was conducted, but a number of circumstances that occurred on the site prevented the incident site from being treated as a sterile site. Both HMMWVs involved in the blocking position were moved to transport Ms. Sgrena to the Combat Support Hospital in the International Zone. Further, the scene was not deemed to be a crime scene, and efforts were made to clear the roadway. As a result, the car was moved from its position, per the unit’s Standing Operating Procedure on Consequence Management, before a location using a global positioning system could be obtained. At the direction of the Commander, 2d Brigade, 10th Mountain Division the car was placed back in the position that was thought to be its actual stopping point based on eyewitness testimony and digital photographs taken of the car before its initial removal from the scene.
(U) A further constraint was the inability to reconstruct the event so as to provide accurate data for forensic analysis of bullet trajectory, speed of the vehicle, and stopping distance due to the inherent danger in the vicinity of the incident location. This was made evident during a site visit by the Joint Investigation Team when a hand grenade was thrown (from the Route Vernon overpass) at the Team’s vehicles as members were boarding, injuring one Soldier.
(U) These factors limited the forensic team’s ability to conduct an on-site, in-depth analysis, although extensive tests were performed on Camp Victory. As a result, the forensic studies of the car could not be as conclusive as they normally would be.
(U) Other limitations include the removal and disposal of the shell casings to allow free operation of the turret in the blocking vehicle. Additionally, the cell phones involved in the incident were returned to Mr. Carpani before he left the scene. (Annex 4M). More importantly, while sworn statements were provided by all the key U.S. personnel involved in the incident, the Italian personnel provided only unsworn statements as they are not required under Italian law to swear to statements until appearing before a judge.
C. (U) Format of the Report
(U) This report is divided into five sections; (1) Background, (2) Atmospherics, including a historical overview of attacks along Route Irish and prevailing enemy Tactics, Techniques, and Procedures (TTPs), (3) Discussion of TCP and BP tactical missions and training received by BP 541 personnel, (4) Events and actions at BP 541 on the evening of 4 March 2005, and (5) Coordination effected pertaining to the hostage recovery. Each section will review the pertinent facts, set forth findings, and, as appropriate, provide recommendations for future action. Additionally, documentary evidence used in preparing this report is included in annexes.
II. ATMOSPHERICS
A. (U) Introduction
(U) This section examines the local security situation as of 4 March 2005, known insurgent Tactics, Techniques, and Procedures (TTPs), and recent events occurring in the vicinity of Checkpoint 541. The previous experience of the Soldiers manning the BP that night, their parent unit, and their higher headquarters units in the Baghdad Area of Responsibility (AOR), is also examined. The purpose of this section is to present a full picture of the conditions facing the Soldiers manning BP 541 that night.
B. (U) Local Security Situation
1. (U) Iraq. From July 2004 to late March 2005, there were 15,257 attacks against Coalition Forces throughout Iraq. The U.S. considers all of Iraq a combat zone. (Annex 8E).
2. (U) Baghdad. Baghdad is a city of six million people and is home to a large number of suspected insurgents and terrorists operating both in the city and its environs.
(S//NF) From 1 November 2004 to 12 March 2005 there were a total of 3306 attacks in the Baghdad area. Of these, 2400 were directed against Coalition Forces. (Annex 8E)
3. (U) Route Irish. Route Irish is an East-West road along south Baghdad. It is approximately 12 kilometers long and runs from the International Zone in downtown Baghdad to BIAP. The highway is a four-lane road with a 50 meter wide median. (Annexes 8E, 144K).
(U) Route Irish has six major intersections. Each of these has been assigned a corresponding checkpoint number by Coalition Forces to facilitate command and control. Entry Control Point 1 (ECP 1) is located at one end of the highway near BIAP. Checkpoints 539-543 follow the road east going into downtown. (Annex 141K).
(U) Checkpoint 541 refers to the intersection of Route Irish with Route Vernon (also known as Route Force), which runs North-South. (Annex 142K).
(U) Route Irish is commonly referred to as “the deadliest road in Iraq” by journalists, Soldiers, and commanders. There is no corresponding alternative route from downtown Baghdad (and the International Zone) to BIAP, which gives the route a heavy traffic flow and causes Coalition convoy movement to become more predictable. These conditions make Route Irish a lucrative target area for insurgents to employ improvised explosive devices (IEDs) of varying types and to achieve effects in terms of casualties. Soldiers in 1st Cavalry Division and 3d Infantry Division have come to refer to Route Irish as “IED Alley.” (Annex 8E).
(S//NF) Between 1 November 2004 and 12 March 2005, there were 135 attacks or hostile incidents that occurred along Route Irish. These included 9 complex attacks (i.e., a combination of more than one type of attack, e.g., an IED followed by small arms fire or mortars), 19 explosive devices found, 3 hand grenades, 7 indirect fire attacks, 19 roadside explosions, 14 rocket propelled grenades (RPGs), 15 vehicle borne explosive devices, and 4 other types of attacks. (Annexes 1E, 8E).
(S//NF) The attack density for the period 1 November 2004 to 12 March 2005 is 11.25 attacks per mile, or a minimum of one attack per day along Route Irish since November. (Annex 8E).
(S//NF) The highest concentration of IED attacks occurs at 1000 hours, with the second highest concentration of attacks occurring at 1600 hours. These times correspond to convoys departing from or arriving at the Victory Base complex, the largest Coalition military facility in Baghdad. (Annex 5E).
(S//NF) Approximately 66 percent of all night time attacks along Route Irish occur between the hours of 1900 and 2100. (Annex 8E). The incident at BP 541 occurred between 2030 and 2100 hours on 4 March 2005.
(U) The majority of IED and VBIED attacks occur in and around three overpasses (CP 540, CP 541, and CP 543) and the turnoff to the International Zone. As mentioned earlier, CP 541 is the location where the incident occurred on 4 March 2005. (Annex 3E).
C. (U) Known Insurgent Tactics, Techniques, and Procedures
1. (U) Methods of Attack
(U) Insurgent attacks throughout the Iraqi Theater of Operation fall into one of several categories, all of which have occurred along Route Irish in the past year. They include:
Improvised Explosive Devices (IEDs), Unexploded IEDs, Hand Grenades, Indirect Fire (mortars, rockets, and unidentified indirect fire), Rocket-Propelled Grenades (RPGs), Small Arms Fire (SAF), Vehicle-Borne Improvised Explosive Devices (VBIEDs), and Complex Attacks. The most common attacks along Route Irish are IEDs, VBIEDs, and SAF. (Annex 8E).
2. (U) Insurgent TTPs for IEDs
(U) A large number of evolving techniques have been adopted by the insurgents in placing IEDs along Route Irish. Examples of currently used techniques are listed below:
- (S//NF) Explosives positioned alongside guard rails. The large number of guard rails on the road make these devices difficult to detect and relatively easy to emplace by staging equipment in vehicles or near overpasses, and, in a matter of minutes, having the IED armed and in the desired location.
- (S//NF) Explosives wrapped in a brown paper bag or a plastic trash bag. This is a particularly easy method of concealment, easy to emplace, and has been used effectively against Coalition Forces and civilians along Route Irish.
- (S//NF) Explosives set on a timer. This technique is new to the Route Irish area, but is being seen more frequently.
- (S//NF) Use of the median. The 50 meter wide median of Route Irish provides a large area for emplacing IEDs. These can be dug in, hidden, and/or placed in an animal carcass or other deceptive container.
- (S//NF) Surface laid explosives. The enemy will drop a bag containing the explosive onto the highway and exit the area on an off-ramp with the detonation occurring seconds or minutes later depending on the desired time for the explosion.
- (S//NF) Explosives on opposite sides of the median. Devices have been found along both sides of the median that were apparently designed to work in tandem, to counter Coalition Force tactics to avoid the right side of the highway while traveling Route Irish.
- (S//NF) Explosives hidden under the asphalt. Insurgents pretend to do work on the pavement, plant the explosives, and repair the surface. These are usually remote-detonated devices.
(Annex 11E).
3. (U) Insurgent TTPs for VBIEDs
(U) There are two basic types of car bombs, i.e., suicide (where the car is moving) and stationary (where the car is parked). Both can be either command or remote-detonated. (Annex 8E).
(S//NF) The enemy is very skillful at inconspicuously packing large amounts of explosives into a vehicle. The most commonly used detonation materials are plastic explosives and 155mm artillery shells. When moving, these VBIEDs are practically impossible to identify until it is too late. (Annex 8E).
(U) The techniques for employing VBIEDs continue to evolve. Some of the more commonly used techniques include:
(S//NF) Multiple suicide vehicles. The first vehicle either creates an opening
for a second, more powerful vehicle, or acts as bait to draw other personnel,
such as medics and other first responders, into the kill zone of the first vehicle.
As people respond, the second VBIED engages the responders.
-(S//NF) Suicide VBIEDs are typically used against convoys, Coalition Force
patrols, or Coalition checkpoints where they can achieve maximum damage.
Such vehicles will rapidly approach the convoy from the rear and attempt to
get in between convoy vehicles before detonating.
-(S//NF) Stationary VBIEDs are typically parked along main supply routes,
like Route Irish, and often have been found near known checkpoints. These
are usually remotely operated and may be employed in conjunction with a
suicide VBIED.
-(S//NF) A particularly devious technique is for a driver to approach a
checkpoint and claim that he has injured people in his vehicle. The VBIED is
then detonated when Coalition Soldiers approach.
(Annex 8E).
4. (U) Effectiveness of Attacks (U) The number of IED detonations from 15 June 2003 through 4 March 2005 (the date of the incident), has steadily increased. Although the effectiveness of those detonations has decreased over that timeframe, the overall average number of casualties during that period is nearly one per IED detonation. (Annex 4E).
(S//NF) The week of the incident saw 166 IED incidents, with 131 detonations and 35 IEDs rendered safe. There were 82 casualties from those incidents. (Annex 4E). (U) The number of VBIED detonations from 15 June 2003 through 4 March 2005 has also seen a relatively steady increase. Similar to the decrease in the effectiveness of IEDs, the effectiveness of VBIEDs has also decreased over that period, but there have been spikes for particular VBIED events that have produced large numbers of casualties. (Annex 4E).
(S//NF) There were 17 VBIEDs detonated during the week of the incident with five rendered safe. The average casualty per VBIED detonation that week was 23 due to the large number of casualties that resulted from a VBIED detonation in Al Hillah. The Al Hillah attack was widely publicized and caused all Coalition Forces concern as they patrolled Baghdad and its environs. Any intelligence gained on potential VBIEDs was passed in the form of a BOLO (Be On the Look Out) message to units on patrol via FM radio. (Annex 4E).
[...]
[1] s. Kap. 16.3 (Recommendation for assistance to Greece and Turkey).
[2] La Repubblica: Report on the shooting of Ms. Juliana Sgrena. Vgl. http://download.repubblica.it/doc/ommissis.doc; 27.11.2005.
[3] Völkerbund
[4] Czempiel, E.O. 1994: Die Reform der UNO. Möglichkeiten und Missverständnisse, München, S. 184.
[5] von Bredow, W. 1994: Turbulente Weltordnung. Internationale Politik am Ende des Ost-West-Konflikts, Stuttgart/Berlin/Köln, S. 73.
[6] Eigentlich: Flavius Vegetius Renatus. Römischer Militärtheoretiker, der um 390 n.Chr. lebte. Si vis pacem para bellum: Wenn Du Frieden möchtest, bereite den Krieg vor. Si vis pacem para libertatem et iustitiam: Wenn Du Frieden möchtest, bereite Freiheit und Gerechtigkeit vor.
[7] Die NATO wurde am 4. April 1949 mit der Unterzeichnung des NATO-Vertrages in Washington gegründet. Gründungsmitglieder waren: Belgien, Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, das Vereinigte Königreich und die USA. NATO: NATO-Update – Summary 1949: http://www.nato.int/docu/update/45-49/1949e.htm; 15.09.2005.
[8] Es wäre allerdings besser zu sagen, dass der Kalte Krieg eigentlich schon im Jahre 1946 mit der Rede „The Sinews of Peace“ von Winston Churchill am Westminster College in Fulton, Missouri begonnen hatte. Der Begriff des „Kalten Krieges“ selber geht zurück auf Bernard Baruch in seiner Rede „Let us not be deceived-we are today in a cold war“ am 16. April 1947. Fischer, K. H. 2005: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts-Von den römischen Verträgen bis zur EU-Verfassung. Baden-Baden, Wien und Bern, S. 31.
[9] Die so genannte Truman-Doktrin ist vielmehr eine Rede des damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman, die dieser am 12. März 1947 vor dem US-Kongress hielt. Die Rede behandelte im Wesentlichen den Hilferuf der griechischen und türkischen Regierung nach Hilfe, nachdem des Vereinigte Königreich nicht länger dazu in der Lage war. Erst Truman sah hierin den Anlass aggressiv gegen den immer weiter vordringenden Kommunismus vorzugehen. NATO: NATO-Update-Summary 1947: http://www.nato.int/docu/update/45-49/1947e.htm; 15.09.2005 und vgl. Fischer, K. H. 2005: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts - Von den römischen Verträgen bis zur
EU-Verfassung. Baden-Baden, Wien und Bern, S. 24.
[10] Vgl. ebd.; 15.09.2005 und vgl. Fischer, K. H. 2005: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts - Von den römischen Verträgen bis zur EU-Verfassung. Baden-Baden, Wien und Bern, S. 25.
[11] Die 16 ursprünglich beteiligten Staaten gründeten im Jahre 1948 die OECD.
[12] Vgl.: NATO: NATO-Update-Summary 1947: http://www.nato.int/docu/update/45-49/1947e.htm; 15.09.2005.
[13] Der Vertrag von Dünkirchen war ausdrücklich gegen Deutschland gerichtet und sollte verhindern, dass von Deutschland nochmals eine Gefahr für den Frieden und die Sicherheit ausgehen konnte. In dem Vertrag verpflichten sich die beiden abschließenden Parteien, das Vereinigte Königreich und Frankreich, auch präventiv gegen Deutschland tätig zu werden, falls eine mögliche Gefahr von Deutschland auszugehen drohte. Die Zeit: Das Bündnis von Dünkirchen. http://www.zeit.de/archiv/1947/11/ZT19470313_001_0001_P; 15.09.2005.
[14] NATO: NATO-Update-Summary 1948: http://www.nato.int/docu/update/45-49/1948e.htm; 15.09.2005 und vgl. Fischer, K. H. 2005: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts - Von den römischen Verträgen bis zur EU-Verfassung. Baden-Baden, Wien und Bern, S. 25.
[15] Vgl. Roewer, H, S. Schäfer & M. Uhl 2003: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. München, S. 465.
[16] Vgl. NATO: NATO-Update-Summary 1948: http://www.nato.int/docu/update/45-49/1948e.htm; 15.09.2005.
[17] Diese sehr kurze Ratifizierungsdauer ist ein Indikator dafür, wie groß die westlichen Demokratien die Gefährdungslage durch die UdSSR und ihrer Vasallenstaaten einschätzten.
[18] Vgl. hierzu etwa: Gardner, H. 1997: Dangerous Crossroads. Europe, Russia and the future of NATO. Westport/London; Kaplan, L. 1994: NATO and United States. The enduring alliance. New York und Woyke, W. 1977: Die NATO in den siebziger Jahren. Opladen.
[19] Vgl. hierzu auch: Wiggershaus, N. (1993): Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im „Kalten Krieg“ 1948-1956. In: Maier, K. A. & Wiggershaus, N. (Hrsg.) (1993): Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956. (Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 37; im Auftr. des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes) München, S. 17-54.
[20] Sonderausgabe des Deutschen Bücherbundes (Hrsg.) (1982/1984): Chronik 1946-1961- Von der Stunde Null zur Berliner Mauer., S. 73ff. Es ist hier anzumerken, dass die Wiederbewaffnung der BRD eine Vorbedingung für einen NATO-Beitritt der BRD war. Die Wiederbewaffnung erfolgte ab November 1955.
[21] Diese Verteidigungsstrategie besagt, dass einem Angriff auf das NATO-Gebiet soweit wie irgend möglich östlich begegnet werden sollte. Diese Strategie hatte aber zur Bedingung, dass die BRD NATO-Mitglied wurde, wie es dann auch am 05. Mai 1955 Realität wurde. Vgl. Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 367.
[22] Vgl. Woyke, W. (1993): Die Militärorganisation der NATO 1949 bis 1955. In: Maier, K. A. & Wiggershaus, N. (Hrsg.) (1993): Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956. (Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 37; im Auftr. des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes) München, S. 133-146.
[23] Das atlantische Verteidigungsbündnis umfasste nun 15 Staaten, und die Interessensphären der beiden Großmächte UdSSR und USA waren abgedeckt.
[24] Der Brüsseler Pakt wurde nach dem Beitritt dieser beiden Staaten in die „Westeuropäische Union“ (WEU) umbenannt. Vgl. Fischer, K. H. 2005: Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts- Von den römischen Verträgen bis zur EU-Verfassung. Baden-Baden, Wien und Bern, S. 30.
[25] List, M. 1999: Baustelle Europa. Einführung in die Analyse europäischer Kooperation und Integration. Opladen, S. 54. Aus heutiger Sicht lässt sich mit einigem Zynismus auch konstatieren, dass die NATO gleich dreimal versagt hat!
[26] Sonderausgabe des Deutschen Bücherbundes (Hrsg.) (1982/1984): Chronik 1946-1961- Von der Stunde Null zur Berliner Mauer. S. 232ff.
[27] Vgl. hierzu: Fischer, P. (1993): Zwischen Abschreckung und Verteidigung: Die Anfänge bundesdeutscher Nuklearpolitik (1952-1957). In: Maier, K. A. & Wiggershaus, N. (Hrsg.) (1993): Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956. (Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 37; im Auftr. des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes) München, S. 273-292.
[28] Vgl. Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 256.
[29] Vor diesem Hintergrund ist vor allem die politische Legitimation der Ostpolitik der damaligen Bundesregierung unter Willy Brandt zu sehen, die in der BRD von der Opposition massiv bekämpft wurde, aber bei den anderen NATO-Mitgliedern Rückendeckung fand. Nicht zuletzt deshalb, weil die NATO meinte, dass Sicherheit eine Kombination von Verteidigung und Entspannung sei.
[30] Der NATO-Doppelbeschluss sah vor, dass bei einem Scheitern der Verhandlungen über die Abrüstung von Mittelstreckenraketen, die NATO-Staaten ihrerseits in Europa Mittelstreckenraketen stationieren würden. Gegen eine solche Stationierung gab es vor allem in der BRD, Dänemark und den Niederlanden heftigen Protest. Vgl. Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 241.
[31] Siehe hierzu auch: Aybet, G. (2000): A European Security Architecture after the Cold War- Questions of Legitimacy. Houndmills, Basingstokes, Hampshire RG21 6XS, London and New York, S. 50-63.
[32] Mit Blick auf den Kosovo-Krieg erscheint es sogar so, dass sich die NATO, wie auch die USA alleine (vgl. Kap. 5), das Recht auf Selbstmandatierung herausnimmt, wenn das Völkerrecht nach eigenen subjektiven Maßstäben verletzt worden ist.
[33] Da damit auch Frankreich wieder näher an die NATO geführt wurde, weil die WEU eine deutliche Aufwertung erfuhr, kann man an dieser Stelle auch davon sprechen, dass eine „Europäisierung“ der NATO stattgefunden hat. Dies wiederum dürfte im Interesse der USA gelegen haben: Dadurch erhielten sie einen noch größeren Spielraum; da die Europäer zum einen sowieso über eine pazifistischere Grundeinstellung als die USA verfügen und zum anderen sind auch die Verteidigungshaushalte der europäischen Staaten kleiner. Somit sind im Endergebnis die europäischen Staaten nicht etwa aufgewertet worden, sondern im Gegenteil abgewertet, da sie an militärischem Einfluss verloren haben.
[34] Vgl. Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 94.
[35] Anmerkung: Dies bezieht sich auf den deutschen und japanischen Sonderweg in der Sicherheitspolitik, da diese beiden Staaten „Sicherheitspolitik“ auch auf die Bereiche Wirtschafts- und Entwicklungshilfepolitik beziehen.
[36] Vgl. Seidelmann, R. 1996: Sicherheit. In: Kohler-Koch, B./Woyke, W. (Hrsg.): Die Europäische Union. München, S. 188.
[37] Seidelmann, R. 1996: Sicherheit. In: Kohler-Koch, B./Woyke, W. (Hrsg.): Die Europäische Union. München, S. 188.
[38] Anmerkung: Dies bedeutet, dass bis zur (Wieder-) Herstellung einer pluralistisch-demokratischen Ordnung ein Staat oder ein Teil eines Staates durch eine international geführte Staatenkoalition gezwungen wird die Kontrolle über besagte Staatsgebiete an eben diese internationale Staatenkoalition abzutreten.
[39] Vgl. Seidelmann, R. 1996: Sicherheit. In: Kohler-Koch, B./Woyke, W. (Hrsg.): Die Europäische Union. München, S. 188.
[40] Außenpolitik ist also als ein Oberbegriff zu verstehen, der sich sowohl auf die Sicherheitspolitik als auch auf die Verteidigungspolitik erstreckt, wobei sie natürlich alle anderen Arten der klassischen Außenpolitik eines staatlichen Akteurs auch weiterhin beinhaltet. Dies gilt ebenso für Bündnisse die sich zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bekennen, wobei Institutionen dieser Bündnisse an die Stelle staatlicher Akteure treten.
[41] Für die US-Regierung ist die Terrorabwehr ein Bestandteil der Verteidigungspolitik. Vgl. Kean, Th. H.& Hamilton, L. H. 2004: The 9/11 Report- The National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States. New York.
[42] Vgl. Jopp, M. 1997: Die außen- und sicherheitspolitische Identität Europas mit der Perspektive einer gemeinsamen Verteidigungspolitik. In: Hrbek, R. (Hrsg.): Die Reform der Europäischen Union. Positionen und Perspektiven anlässlich der Regierungskonferenz. Baden-Baden, S. 343.
[43] GESIS- Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V.: Pulverfaß Balkan- Der Kosovo-Krieg und seine Genese. http://www.gesis.org/Information/SowiNet/sowiOnline/balkan/balkan.pdf; 16.09.2005.
[44] Gerade nach den Terroranschlägen in Madrid und auch in London in jüngster Vergangenheit hätte man hier mit einiger Berechtigung davon ausgehen können, dass dem Thema „Sicherheit“ doch mehr Beachtung geschenkt werden würde. Aber ob man sich nun sicher fühlt oder nicht, hängt augenscheinlich nur noch wenig mit der jeweiligen Landesverteidigung oder den Streitkräften zusammen. Vgl. Groß, J. 1995: Die eingebildete Ohnmacht. Internationale Staatengemeinschaft und lokale Kriege. Hamburg, S. 15-59.
[45] Rühl, L. 1996: Deutschland als europäische Macht. Nationale Interessen und internationale Verantwortung. Bonn, S. 382.
[46] Vgl. Zürn, M. 1998: Regieren jenseits des Nationalstaates. Frankfurt a.M., S. 97-115.
[47] Vgl. Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 270-273.
[48] Vgl. Zürn, M. 1998: Regieren jenseits des Nationalstaates. Frankfurt a.M., S. 115.
[49] Gasteyger, C. 1996: An Ambigous Power. The European Union in a changing world. Gütersloh, S. 55.
[50] Hacke, Ch. 1997: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Weltmacht wider Willen ? Berlin, S. 413.
[51] Vgl. von Bredow, W. 1999: Militärische Friedenssicherung- eine undankbare Aufgabe. In: Neue Züricher Zeitung vom 05.01.1999, Zürich, S. 16.
[52] Herz, J.H. 1961: Weltpolitik im Atomzeitalter. Stuttgart, S. 130.
[53] Vgl. Müller, H. 1997: Erfordernisse einer “friedlichen Militärordnung”. In: Senghans, D. (Hrsg.): Frieden machen. Frankfurt a.M., S. 363f.
[54] Dieses Prinzip ist mittlerweile zumindest in allen westlichen Staaten, mit Ausnahme Frankreichs, erreicht worden.
[55] Auch dieser Grundsatz ist mittlerweile weitgehend durch die UN und den Internationalen Strafgerichtshof erreicht worden; auch wenn es natürlich nicht all zu gut sein kann, wenn die einzige Supermacht, die USA, sich diesem widersetzen.
[56] Dies wäre vielleicht wünschenswert; ist aber jedoch ganz einfach aus realpolitischen Gesichtspunkten nicht machbar, denn jeder Politiker braucht in seinem Wahlgebiet Erfolge, um gewählt zu werden. Dies wäre bei einer vollständigen Offenlegung aller Verhandlungsprotokolle aber nicht mehr möglich, da man sich manchmal an Stellen einig ist, wo man sich für die Wähler nicht einig sein dürfte.
[57] Dies wird wohl niemals erreicht werden können, weil sich verständlicherweise jeder Nationalstaat das Recht vorbehalten wird, eigenständig gegen bewaffnete Bedrohungen vorzugehen.
[58] Dies hat sowohl die NATO als auch inzwischen in Teilen die EU mit ihren neugeschaffenen „Battle Groups“ erreicht. Dieses Ziel wird sich allerdings aufgrund des vorgenannten Zieles nie vollständig erzielen lassen.
[59] Vgl. Galtung, J. 1990: Die Zukunft der Armeen ? In: Dialog (3-4), S. 15ff.; Müller, H. 1997: Erfordernisse einer “friedlichen Militärordnung”. In: Senghans, D. (Hrsg.): Frieden machen. Frankfurt a.M., S. 364-374, sowie auch Vogt, W.R. 1994: Europa: Militär- oder Zivilmacht? Alternativen zur sicherheitspolitischen Identität des vereinten Europas. In: Butterwege, Ch./Grundmann, M. (Hrsg.): Zivilmacht Europa. Friedenspolitik und Rüstungskonvention in Ost und West. Köln, S. 47ff.
[60] Vgl. Nolte, G. 1994: Die „neuen Aufgaben“ von NATO und WEU: völker- und verfassungsrechtliche Aspekte. In: Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht (1), S. 121.
[61] Vgl. Däniker, G. 1992: Wende Golfkrieg. Vom Wesen und Gebrauch künftiger Streitkräfte. Frankfurt a.M., S. 170f.
[62] Cohen, E.A. 1996: Military Power and International Order: Is Force finished? In: Crocker, Ch. A./Hampson, F.O. (eds.): Managing global chaos. Sources of and responses to international conflict. Washington, S. 235.
[63] „When it comes to our security, we really don’t need anybody’s permission.” (George W. Bush während einer Pressekonferenz am 06. März 2003; zitiert nach: Nather, D (15. März 2003): Congress Attends to Buisness, Waits for Word on the War. In: Congressional Quarterly Weekly. Washington, S. 596-600; hier: S. 596.
[64] Nach Art. 51 UN- Charta ist es aber notwendig, dass eine Unmittelbarkeit der Bedrohung und der Verhältnismäßigkeit der zu ihrer Abwehr gebrauchten Gewalt existiert, damit ein Staat das Recht besitzt eine Präventivmaßnahme durchzuführen, gleichwie diese Maßnahme dann auch immer geartet sein mag.
[65] „A faceless enemy has declared war on the United States. So we are at war.” (George W. Bush; zitiert nach: Woodward, B. (2002): Bush at war. New York, S. 41.
[66] Hiermit sind die Produktionsstätten der Bomben gemeint, die bei den Al-Qaida-Anschlägen in Madrid und London benutzt worden sind.
[67] Eine solche Haltung und auch eine solche Aktion mögen nun auf der politischen Seite noch so vernünftig sein; dies ändert nichts daran, dass sie das Recht von zumindest einem souveränen Staat in eklatantester Weise verletzt hat und somit als absolut völkerrechtswidrig einzustufen ist.
[68] Vgl. The National Security Strategy of the United States of America. http://www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf; 17.09.2005.
[69] Hierbei genügen ein paar zum Selbstmord bereite Personen, ein bisschen Sprengstoff oder ein Flugzeug, um einen Staat anzugreifen.
[70] Vgl. Münkler, H. 2002: Die neuen Kriege. Reinbek, S. 175ff.
[71] Vgl. zum allgemeinen Stand der Diskussion über das Gewaltverbot: Bothe, M. 1997: Friedenssicherung und Kriegsrecht. In: Vitzthum, Graf W. (Hrsg.) 1997: Völkerrecht. Berlin und New York, S. 581-664.
[72] Diese notwendige Durchsetzung des Gewaltverbots scheiterte aber an der Realpolitik zur Zeit des Kalten Krieges, denn die beiden vorherrschenden Blöcke blockierten sich selbst und lösten ihre Probleme in ihren jeweiligen Hinterhöfen auf ihre eigene Art ohne sich dabei gegenseitig in die Quere zu kommen.
[73] Es gibt in der Tat einige gewohnheitsrechtliche Ausnahmen vom Gewaltverbot, die zwar sinnvoll erscheinen, aber das System des Gewaltverbots als solches unterhöhlen. Es ist z.B. erlaubt eigene Staatsangehörige auf fremden Staatsterritorium zu schützen, zu evakuieren und darüber hinaus dürfen auch humanitäre militärische Interventionen durchgeführt werden.
[74] Vgl. Security Council: Resolution 1441. http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N02/682/26/PDF/N0268226.pdf?OpenElement; 17.09.2005.
[75] Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits eine Handelsblockade gegenüber dem Irak.
[76] Die NATO ist also im Gegensatz zur EU keine supranationale Organisation. Die NATO muss sich in allen Fragen mittels der freiwilligen Kooperation um eine einstimmige Lösung bemühen.
[77] Die NATO gilt als ein „Zusammenschluss demokratisch- rechtsstaatlich regierter Völker [und; eingefügt HW] die Geschichte lehrt, dass Demokratien noch niemals gegeneinander Krieg geführt haben“. Kühnhardt, L. 1996: Die NATO im Prozess der inneren und äußeren Veränderung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (5 ), S. 18. Die Quelle ist an dieser Stelle ungenau, da im klassischen Griechenland sehr wohl Demokratien gegeneinander Krieg geführt haben.
[78] Da die BRD aus den Lehren der Geschichte heraus über keinen eigenen Generalstab mehr verfügt, wird sie in diesem Gremium durch den Generalinspekteur der Bundeswehr vertreten.
[79] Vgl. Abbildung 2 und 3.
[80] Vgl. Krüger-Sprengel, F. 1997: Statusformen in NATO, WEU und EU. Sankt-Augustin, S. 16.
[81] Bei diesen Ausnahmen handelt es sich um das Personal, das in den integrierten Stäben eingesetzt ist, um Personal der integrierten Luftverteidigung („AWACS“), einige Fernmelde- und Sondereinheiten, sowie um die Ständigen Flottenverbände.
[82] Die Grundlagen hierfür sind im NATO-Truppenstatut detailliert niedergeschrieben.
[83] Das ACE wurde am 01. September 2003 in ACO umbenannt. NATO-Supreme Headquarters of Allied Power in Europe: A new name for Allied Command Europe (ACE): Allied Command Operations. http://www.nato.int/shape/news/2003/09/i030901.htm; 21.09.2005.
[84] Das Strategische Kommando für Europa wird auch häufig mit der NATO selber verwechselt. Es hat seinen Sitz in Mons/ Belgien. Nach einem Übereinkommen der NATO-Staaten ist der SACEUR immer ein US-General, der zugleich auch der Oberkommandierende aller US-Streitkräfte in Europa ist.
[85] Die Streitkräftestruktur der NATO an dieser Stelle noch weiter ins Detail zu vertiefen ist wenig sinnvoll, da lediglich militärische Feinheiten erläutert werden würden.
[86] Die Hauptverteidigungsstreitkräfte werden in naher Zukunft wohl nicht eingesetzt werden, da sich keine Staat der Erde militärisch mit dem NATO-Bündnis auseinandersetzten kann.
[87] Die beiden letztgenannten Streitkräfteformen werden wohl am häufigsten eingesetzt werden, da es sich hierbei um schnelle Einsatzverbände handelt, die vor allem peace-keeping und peace-enforcing missions durchführen.
[88] Vgl. Nolte, G. 1994: Die „neuen Aufgaben“ von NATO und WEU: völker- und verfassungsrechtliche Aspekte. In: Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht (1), S. 121.
[89] Vgl. Schnell, H.H. 1993: Multinationale Streitkräftestrukturen. In: Europäische Sicherheit (8), S. 420.
[90] So sind z.B. Frankreich, Island und auch Spanien keine Vollmitglieder der militärischen Struktur der NATO. Frankreich verließ den militärischen Arm der NATO 1966 unter de Gaulle (vgl. Kap. 6), nähert sich seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts aber wieder der militärischen Struktur der NATO an. Island besitzt erst gar keine eigenen Streitkräfte, stellt der NATO jedoch den Stützpunkt Keflavik zur Verfügung. Spanien schließlich darf nach einem Volksentscheid aus dem Jahre 1984 nicht Vollmitglied in der militärischen Struktur der NATO sein; ist aber de facto vollständig integriert, weil es sowohl in allen wichtigen militärischen Gremien der NATO mitarbeitet und sich auch bereit erklärt hat in Zukunft wieder als Vollmitglied in die militärische NATO-Struktur zurückzukehren.
[91] Die militärische Führung der NATO untersteht zu jedem Zeitpunkt vollkommen der politischen Führung der NATO.
[92] Bei allen Abstimmungen wird also einstimmig entschieden, und man muss sich zwangsläufig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.
[93] Vgl. NATO-Handbook 2001: Chapter 9: Common-funded Resources: NATO Budgets and Financial Management- Financial Control- Table 1: Percentage Cost Shares of NATO Member Countries- Civil and Military Budgets. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/hb090801.htm; 22.09.2005 und vgl. NATO-Handbook 2001: Chapter 9: Common-funded Resources: NATO Budgets and Financial Management- Financial Control- Table 2: Percentage Cost Shares of NATO Member Countries- NATO Security Investment Programme. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/hb090802.htm; 22.09.2005.
[94] Der NATO-Haushalt gliedert sich ebenso wie alle öffentliche Haushalte in unzählige verschiedene Positionen auf, die an dieser Stelle aus Gründen der Kürze und Verständlichkeit nicht näher aufgeführt und beschrieben sind.
[95] Der NATO-Rat kann auf Ebene der Regierungschefs, der Außen- und Verteidigungsminister und auch der Ebene der Ständigen Vertreter tagen. Der NATO-Rat tagt auf Ebene der Außen- und Verteidigungsminister im Frühjahr und im Herbst. Tagungen des Rates auf Ebene der Ständigen Vertreter finden wöchentlich statt.
[96] Der „Nuklearen Planungsgruppe“ gehören außer Frankreich alle Mitgliedsstaaten der NATO an. Die NPG tagt zweimal jährlich auf Ebene der zuständigen Minister.
[97] Siehe hierzu: Abbildung 1.
[98] Diese informellen Einrichtungen sind zwar keine NATO-Organe gemäß dem Washingtoner Vertrag (NATO-Vertrag), aber sie bekommen ihre zunehmende Gewichtung durch ihre jeweilige „Lobby-Arbeit“ zugewiesen.
[99] Vgl. Kehoe, N. 1998: Die Aufrechterhaltung der Vitalität des Bündnisses. In: NATO-Brief (2), S. 13 und Krüger-Sprengel, F. 1997: Statusformen in NATO, WEU und EU. Sankt-Augustin, S. 22.
[100] Dies trifft nicht auf die Briten zu, die auch heute noch, trotz teilweise massivster Kritik, am Vorgehen der USA festhalten und die USA auch weiterhin politisch wie militärisch unterstützen.
[101] Einige Staaten Europas versuchten diese Kluft dadurch zu kaschieren, dass sie eine Zeitungsanzeige schalteten, in der sie ihre Solidarität mit den USA bekundeten.
[102] Anhand der Demonstrationen gegen den Golfkrieg in allen europäischen Staaten war nämlich klar zu erkennen, dass die europäische Bevölkerung, in ihrer gesamten Mehrheit, diesen neuerlichen Krieg ablehnte. In den USA war und ist eine solche Ablehnung wesentlich geringer ausgefallen als hier in Europa.
[103] Ob diese Einschränkung im Verhältnis zu Großbritannien, den USA und auch Frankreich auf Dauer sinnvoll ist, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden; gleichwohl ist es aber möglich diese Frage aufzuwerfen.
[104] In einem solchen Denken und Handeln hat aber eine Vorstellung von Ehre und Opfer keinen Platz, weswegen ein Krieg auch um jeden Preis vermieden werden muss.
[105] Vgl. Howard, M. 2002: Die Erfindung des Friedens. Über den Krieg und die Ordnung der Welt. Lüneburg, S. 100f. und vgl. Holert, T & Terkessidis, M. 2002: Entsichert. Krieg als Massenkultur im 21. Jahrhundert. Köln.
[106] Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet genauere Angaben über die Verluste der US-amerikanischen Streitkräfte in allen Kriegen zu machen und diese dann mit den europäischen Verlusten zu vergleichen. Nur so viel: Die Verluste der USA waren weitaus geringer als die der Europäer; denn die USA setzen konsequent ihre technische Überlegenheit ein.
[107] Spanien, Frankreich, Großbritannien und Polen sind in der Lage ihre Truppen auch über einen längeren Zeitpunkt hinweg im Einsatzgebiet zu versorgen.
[108] Vgl. Kagan, R. 2003: Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung. Berlin, S. 28f. Robert Kagan beschreibt an dieser Stelle den Wunsch der USA, immer besseres Kriegsgerät zu immer höheren Preisen zu beschaffen, um menschliche Verluste möglichst gering zu halten.
[109] Aus diesen genannten Gründen kann die europäische politische Klasse einen Krieg nicht als Mittel der Politik ansehen, wohingegen die politische Klasse der USA dies, ohne größere Konflikte innerhalb der Gesellschaft auszulösen, vermag.
[110] Wenn man dies als gegeben ansieht muss es im Interesse der USA sein, gelegentlich den ein oder anderen Krieg zu führen, um dann damit die eigene Vormachtstellung zu festigen und auszubauen.
[111] Vgl. Pradetto, A. (2004): Zwischen „Krieg gegen den Terror“, Wahlkampf und rot-grünen Prinzipien: Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in der Irak-Krise. In: Pradetto, A. (Hrsg.) (2004): Sicherheit und Verteidigung nach dem 11. September 2001- Akteure-Strategien-Handlungsmuster. Frankfurt a.M., S. 97-140; hier: S. 102.
[112] Vgl. Knelangen, W. (2004): Die Ambitionen Europas und die Erfahrung des Scheiterns- Die Europäische Union und der „Krieg gegen den Terrorismus“. In: Pradetto, A. (Hrsg.) (2004): Sicherheit und Verteidigung nach dem 11. September 2001- Akteure-Strategien-Handlungsmuster. Frankfurt a. M., S. 175-200; hier: S. 193-197.
[113] Vgl. Hacke, Ch., 2001: Die USA als globaler Akteur. In: Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Hrsg.) 2001: Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen. Kompendium zum erweiterten Sicherheitsbegriff. Hamburg u. a., S. 765-790, hier S. 778f.
[114] Vgl. Regelsberger, E. (2004): Die gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik der EU (GASP)- Konstitutionelle Angebote im Praxistest 1993-2003. (Europäische Schriften 80; Institut für europäische Politik, Berlin) Baden-Baden, S. 33-35.
[115] Vgl. Knelangen, W. (2004): Die Ambitionen Europas und die Erfahrung des Scheiterns- Die Europäische Union und der „Krieg gegen den Terrorismus“. In: Pradetto, A. (Hrsg.) (2004): Sicherheit und Verteidigung nach dem 11. September 2001- Akteure-Strategien-Handlungsmuster. Frankfurt a. M., S. 175-200; hier: S. 191ff.
[116] Vgl. Kennedy, P. 1987: The Rise and Fall of the Great Powers (dt. Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000. Frankfurt a.M. 1989). Die Meinung, die Kennedy in diesem Werk vertritt, ist in der heutigen politischen Debatte in den USA nicht zu hören.
[117] Während zumindest das Erstere momentan im Irak zu beobachten ist, so ist doch die zweite Bedingung nicht erfüllt, denn auch der sich zuspitzende Iran-Konflikt findet in der gleichen Region statt.
[118] Den größten Bruch mit den UN brachte für die NATO wohl die Durchsetzung der Kosovo-Resolution mit militärischen Mitteln ab dem 24. März 1999. Die vorgehenden Verhandlungen in Rambouillet waren von den Serben immer hinausgezögert worden und schließlich endgültig am serbischen Widerstand gescheitert. Daraufhin begann die NATO mit massiven Luftschlägen gegen Rest-Jugoslawien. Diese Luftoperationen dauerten insgesamt 78 Tage.
[119] Dies geschah z.B. während des zweiten Golfkrieges in der Türkei. Eine solche Maßnahme kann man wohlwollend als eine Übung der NATO interpretieren; auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, darin einen aktiven Kriegseinsatz im Rahmen der Operation gegen den Irak zu sehen.
[120] Es ist hier also eine, streng genommen, nicht vertragsgemäße Umdefinition des NATO-Vertrages zu beobachten, auch wenn eine solche Umdefinition in den natürlichen Interesse des Bündnisses seinen Niederschlag findet (s. Kap. 9).
[121] Für eine umfangreichere Definition siehe: Pfannkuche, W. (2004): Humanitäre Interventionen und Hilfspflichten. In: Meggle, G (Hrsg.) (2004): Humanitäre Interventionsethik. Paderborn, S. 133-146.
[122] Egal wie man eine solche Intervention auch völkerrechtlich bewerten möchte, so hat sie doch für die NATO, wenn sie sich denn nun schon darauf beruft, den ganz entscheidenden Nachteil, dass es eben nicht nur auf dem Balkan solch schweren Menschenrechtsverletzungen gibt und gegeben hat, sondern dies gerade in Afrika an der Tagesordnung zu sein scheint. Konsequenterweise müsste die NATO dann dort auch jedes Mal eingreifen. Wikipedia: Humanitäre Intervention. http://de.wikipedia.org/wiki/Humanit%C3%A4re_Intervention; 14.02.2006.
[123] Vgl. Preuß, U.K. 1999: Zwischen Legalität und Gerechtigkeit. Der Kosovo-Krieg, das Völkerrecht und die Moral. In: Blätter für deutsche und internationale Politik (9), S. 820.
[124] In Bosnien-Herzegowina stehen mittlerweile keine NATO-Truppen mehr. Diese wurden durch EU-Truppen ersetzt; aber der Status des Kosovo ist nach wie vor auch nach sechs Jahren nicht geklärt und es werden dort noch immer
NATO-Truppen benötigt, um die dortige instabile Situation kontrollieren zu können.
[125] Hierbei könnte es sich z.B. um eine Intervention im Iran wegen des Baus von Nuklearanlagen oder gar einer Atombombe handeln. Es sind aber auch alle anderen Massenvernichtungswaffen möglich, die ein nicht der westlichen Welt angehöriger Staat bauen oder erwerben möchte. Diese Überlegungen sind gerade momentan zu Zeiten des „Krieges gegen den Terror“ schon weit gediehen, und wurden aber auch vorher schon praktiziert. So hat Israel bereits einmal die Atomanlagen des Irak zerstört.
[126] Vgl. von Bredow, W. 1994: Turbulente Weltordnung. Internationale Politik am Ende des Ost-West-Konflikts, Stuttgart/Berlin/Köln, S. 142.
[127] Vgl. Rühle, M. 1994: Krisenmanagment in der NATO. In: Farwick, D. (Hrsg.): Krisen. Die große Herausforderung unserer Zeit. Frankfurt a.M./Bonn, S. 156.
[128] Diese Art von Konflikt zwischen Moral und Recht ist schon aus dem Jahr 1791 bekannt, als Jean Baptiste Cloots vor der französischen Nationalversammlung erklärte, dass die Politik verhindern würde, dass man anderen unterdrückten Völkern helfen dürfe. Kühne, W. 1999: Humanitäre NATO-Einsätze ohne Mandat ? In: Reader Sicherheitspolitik- Beilage zur Zeitschrift Informationen für die Truppe (7), S.1.
[129] Die Gegenposition hierzu findet sich unter anderem bei: Steinforth, U. (2004): Zur Legitimität der Kosovo-Intervention. In: Meggle, G. (Hrsg.) (2004): Humanitäre Interventionsethik. Paderborn, S. 19-30.
[130] Vgl. Czempiel, E.O. 1999: Vieles spricht dafür, dass der Schuss bei diesem Einsatz nach hinten los ging- Die Folgen des NATO-Angriffs für die Weltpolitik. In: Das Parlament (32/33) vom 06.08.1999/13.08.1999, S. 13.
[131] Wenn man einmal über die Grenzen des europäischen Kontinentes hinausblickt, so muss man feststellen, dass z.B. während des „Völkermordes“ in Ruanda, der um ein Vielfaches schlimmer war, als derjenige, der im Kosovo stattgefunden hat, ein Eingreifen mehr als erforderlich gemacht hätte. Aber gerade in Ruanda zeigte sich der UN-Sicherheitsrat als absolut handlungsunfähig, denn da sich die dort vertretenden Staat nicht einigen konnten, wurden keine Truppen nach Ruanda entsandt, und dies obwohl der Tatbestand des Völkermordes als gegeben angesehen werden musste. Der UN-Sicherheitsrat blieb aber auch bei dem Völkermord in Burundi untätig. Des Weiteren unternahm er nichts wegen der Konflikte im Sudan und in Tschetschenien. Diese Liste ließe sich zwar noch weiterführen, aber es hat sich wohl herausgestellt, dass der UN-Sicherheitsrat nicht das geeignete Organ ist, um über eine erforderliche Intervention zu entscheiden.
[132] Vgl. Kühne, W. 1999: Humanitäre NATO-Einsätze ohne Mandat ? In: Reader Sicherheitspolitik- Beilage zur Zeitschrift Informationen für die Truppe (7), S. 7.
[133] Dennoch hat die NATO hier ein Signal an die anderen Staaten gesendet, dass man notfalls auch bereit ist, einen Krieg zu führen, wenn er zwar zumindest rechtlich bedenklich ist, aber moralisch gerechtfertigt ist.
[134] Aber auch hier gilt die Unschuldsvermutung, die besagt, dass der Angeklagte solange als unschuldig zu gelten hat, bis das seine Schuld nachgewiesen wurde.
[135] Auch wenn dieser Fall seit dem Terrorangriff vom 11. September 2001 auf das WTC und das Pentagon Realität ist.
[136] Dies ist in etwa gleichbedeutend mit der Sicherung der von Politikern gerne beschworenen transatlantischen Wertegemeinschaft.
[137] Wenn man sich das unilaterale Verhalten der USA in jüngster Vergangenheit und auch die zunehmende Zahl von „Coalitions of the willing“ unter Führung der USA genauer ansieht, so muss man zu dem Schluss kommen, dass dieser Prozess zumindest auf der anderen Seite des Atlantiks schon begonnen hat und es auch zu befürchten steht, dass er auch in Europa Fuß fassen wird.
[138] Vgl. Simma, B. 2000: Die NATO, die UN und militärische Gewaltanwendung: Rechtliche Aspekte. In: Merke, R. (Hrsg.): Der Kosovo-Krieg und das Völkerrecht. Frankfurt a.M., S. 49.
[139] Dies ist z.B. schon jetzt in Afghanistan zu beobachten. Den Militäreinsatz in Afghanistan gegen das Taliban-Regime wurde von den USA begonnen und wird auch noch immer von ihnen federführend geführt, aber die NATO wird von Seiten der USA zunehmend in der Rolle des Verantwortlichen gedrängt. Im Irak ist das Gleiche zu beobachten, wenn schon aus dem US-Senat Stimmen zu hören sind, dass die USA ihre Truppen aus dem Irak abziehen solle, damit man diese durch NATO-Truppen ersetzen könne.
[140] Vgl. Kamp, K.H. 2000: Die NATO nach Kosovo: Friedensengel oder Weltpolizist ? In: Reiter, E. (Hrsg.): Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik. Hamburg, S. 713.
[141] Diese Liste umfasst den Internationalen Strafgerichtshof, die Raketenabwehr, die Klimapolitik, die Landminenkonvention, den Umgang mit „Schurkenstaaten“, und auch den Umgang mit „mutmaßlichen Terroristen und Terrorverdächtigen“.
[142] Der Begriff der Neutralität besagt, dass ein Staat nicht an einem Konflikt und/oder zwischen anderen Staaten teilnehmen darf. Gleichwie diese Teilnahme auch immer aussehen könnte. Teilweise ist der völkerrechtliche Begriff der Neutralität auch im Haager Abkommen aus dem Jahre 1907 definiert worden.
[143] Das Mitwirken der Republik Österreich an der GASP der EU wird durch den Art. 23f der Bundesverfassung geregelt.
Vgl. Johannes-Kepler Universität Linz: Bundes-Verfassungsgesetz. Erstes Hauptstück. Allgemeine Bestimmungen. Europäische Union.: http://www.idv.uni-linz.ac.at/b-vg/B-VG_1.htm#Art23f; 22.11.2005.
[144] Um einen genauen Überblick über die GASP, ihre Aufgaben und die Rechte und Pflichten eines Staates innerhalb der GASP zu erhalten siehe: Regelsberger, E. (2004): Die gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik der EU (GASP)- Konstitutionelle Angebote im Praxistest 1993-2003. (Europäische Schriften 80; Institut für europäische Politik, Berlin) Baden-Baden.
[145] Das Neutralitätsgebot für die Republik Österreich ergibt sich aus Art. 9a der Bundesverfassung der Republik Österreich. Vgl. ebd.; 22.11.2005. Eine Definition des Begriffs „Neutralität“ ist zu finden unter: Buchbender, O., H. Bühl, H. Kujat, K. H. Schreiner & O. Bruzek 2000: Wörterbuch zur Sicherheitspolitik mit Stichworten zur Bundeswehr. Hamburg, S. 255.
[146] Durch diese Aufgabenübernahme seitens der Republik Österreich kann von einer „immerwährenden Neutralität“, wie sie Art. 9a der Bundesverfassung fordert, keine Rede mehr sein. Allerdings ist zu beachten, dass der Art. 9a durch den vorherigen Art. 9 eingeschränkt bleibt, denn in Art. 9 Satz 2 heißt es, dass „durch Gesetz oder durch einen gemäß Art. 50 Abs. 1 zu genehmigenden Staatsvertrag […] kann die Tätigkeit von Organen fremder Staaten im Inland sowie die Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland im Rahmen des Völkerrechtes geregelt werden.“ Vgl. ebd.; 22.11.2005.
[147] Diese Art der militärischen Zusammenarbeit mit der NATO kann aber auch schon Probleme mit der Neutralitätsverpflichtung mit sich bringen, denn der Kosovo-Krieg der NATO fand ohne ein völkerrechtliches Mandat der UN statt (vgl. Kap. 9).
[148] Vgl. Lohwasser, Ch. 1995: Die Österreicher und ihre Neutralität. In: Österreichische Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik (Hrsg.) Wien, S. 11.
[149] Vor dem Zweiten Weltkrieg waren in Europa acht Staaten neutral, aber nur zwei Staaten konnten sich aus dem Kriegsgeschehen heraushalten.
[150] Dieses Argument dürfte in den kommenden Jahren noch an Gewicht gewinnen, denn beinahe alle öffentlichen Haushalte der westlichen Staaten sind inzwischen hoffnungslos überschuldet.
[151] Vgl. La Repubblica: Report on the shooting of Ms. Juliana Sgrena. http://download.repubblica.it/doc/ommissis.doc; 27.11.2005.
- Quote paper
- Henning Wirtz (Author), 2006, Die NATO auf dem Weg in ein neues Zeitalter - Die Transformation eines Sicherheitsbündnisses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62756
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