Die vorliegende Arbeit ist als Abschluss des Proseminars „Sex & Crime“ aus dem Wintersemester 2003/04 zu betrachten. Sie knüpft an mein Referatsthema, die Prostitution in der Frühen Neuzeit an und will einen Einblick in dieses Thema liefern. Nach einer kurzen Begriffsdefinition möchte ich zuerst die allgemeinen Lebensumstände einer Frau in der Frühen Neuzeit betrachten und in Verbindung mit dem Begriff der Ehre bringen, bevor ich mich den einzelnen Aspekten der Prostitution zuwende. Besonderes Interesse habe ich dabei auf die Betrachtung der Frauenhäuser verwendet, die stellvertretend für eine temporäre Phase des vergleichsweise liberalen Umgangs mit Prostituierten stehen. Dabei konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die heterosexuelle Prostitution von Frauen mit ihren verschiedenen Ausprägungen.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 BEGRIFFSDEFINITION
3 DAS GESELLSCHAFTLICHE UMFELD
3.1 INSTITUTION EHE
3.2 DIE FRAGE DER EHRE
4 PROSTITUTION IM 14. UND 15. JAHRHUNDERT
4.1 PROSTITUIERTE ALS GESELLSCHAFTLICHE AUßENSEITER
4.2 FORMEN DER PROSTITUTION
4.2.1 Fahrende Frauen
4.2.2 Frauenhaus
4.2.3 Weitere Formen
4.3 SOZIALER STATUS DER PROSTITUIERTEN
4.4 KLEIDERORDNUNG
4.5 ALTER, GESUNDHEIT UND KINDER
4.6 WEGE AUS DER PROSTITUTION
5 NEUE SITTLICHKEIT IM 16. JAHRHUNDERT
6 FAZIT
A LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit ist als Abschluss des Proseminars „Sex & Crime“ aus dem Wintersemester 2003/04 zu betrachten. Sie knüpft an mein Referatsthema, die Prosti- tution in der Frühen Neuzeit an und will einen Einblick in dieses Thema liefern. Nach einer kurzen Begriffsdefinition möchte ich zuerst die allgemeinen Lebensum- stände einer Frau in der Frühen Neuzeit betrachten und in Verbindung mit dem Beg- riff der Ehre bringen, bevor ich mich den einzelnen Aspekten der Prostitution zu- wende. Besonderes Interesse habe ich dabei auf die Betrachtung der Frauenhäuser verwendet, die stellvertretend für eine temporäre Phase des vergleichsweise liberalen Umgangs mit Prostituierten stehen. Dabei konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die heterosexuelle Prostitution von Frauen mit ihren verschiedenen Ausprägun- gen.
2 Begriffsdefinition
Prostitution als Substantiv beschreibt heute die „gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen“1. Verortet in den Zeitrahmen der Frühen Neuzeit ist seine Verwendung jedoch problematisch, denn der Begriff als solcher bildete sich im 16. Jahrhundert erst heraus. Die erste belegte Nennung stammt 1567 aus Nürnberg und bildet eine Anlehnung an die lateinischen Begriffe prostibilis (sich feil bietend), prostibulum (Dirne, Bordell) und prostituta (Dirne)2.
Auch innerhalb der Wissenschaft findet sich kein Konsens über eine einheitliche Definition: Beate Schuster datiert die Verwendung des Begriffes im sexuellen Zu- sammenhang erst auf das 18. Jahrhundert, eine exklusive Anwendung im sexuellen Kontext stellt sie sogar erst für die Mitte des 19. Jahrhunderts fest3. Nach ihrer Ar- gumentation bezeichnet Prostitution „sexuelle Beziehungen von Frauen, die nicht auf einer von materiellen Erfordernissen befreiten bürgerlichen Fiktion von Liebe be- gründet waren und nicht auf einen Mann beschränkt blieben“4. Gotthard Feustel stellt die seit einem Jahrhundert vorherrschenden Definitionen anschaulich gegenüber, die sich von rein psychologischen Ansätzen (Prostitution als psychischer Defekt oder Faulheit) bis hin zu ökonomischen Theorien (der eigene Körper als Ware) erstre- cken5.
Der Argumentation von Beate Schuster möchte ich mich im Folgenden anschließen und den Begriff der Prostitution für ein einfacheres Verständnis auch verwenden, obwohl in der Frühen Neuzeit andere Bezeichnungen für eine Prostituierte gebräuch- lich waren6. Die zum damaligen Zeitpunkt typischen Begriff wie Geltochter, Gemei- ne oder Leichte Frau zeigen bereits bei oberflächlicher Betrachtung zwei Interpreta- tionsdimensionen, aus denen die Tätigkeit einer Prostituieren betrachtet werden kann und im Folgenden auch besprochen wird: Zum einen aus wirtschaftlicher Perspekti- ve, die Frau bietet ihren Körper zu Erwerbszwecken feil. Die beschreibenden Adjek- tive betonen hingegen den sozialen Status einer Prostituierten in der Frühen Neuzeit, der im öffentlich Ansehen gering war.
3 Das gesellschaftliche Umfeld
3.1 Institution Ehe
Mann und Frau als verheiratetes Paar lebten in der Frühen Neuzeit in einem patriar- chalischem Ordnungsgefüge zusammen. Der Mann war der Frau übergeordnet, kümmerte sich um Schutz und Versorgung der Familie, die in seiner „Huld und Gnad“7 stand. Diese Vormachtsstellung des Mannes wurde schöpfungstheologisch begründet, der er der Frau körperlich, geistig und moralisch überlegen war. Einzig beim Haushalten galten die Partner als gleichwertig, denn hier waren Mann und Frau aufeinander angewiesen, etwa wenn es um die christliche Erziehung der Kinder oder die gemeinsame Versorgung ging. Der Mann war in erster Linie für die fortlaufende wirtschaftliche Absicherung zuständig. Frauen aus besseren sozialen Schichten tru- gen durch Aussteuer, Renteneinkünfte oder Erbe ebenfalls einen Teil des Haushaltes ab. Außerdem brachten sie ihre Arbeitskraft in die Ehe ein, organisierten den Haus- halt und unterstützen ihren Mann insbesondere in niedrigen sozialen Schichten bei der Lohnarbeit. Aufgrund dieser Verflechtung spricht Heide Wunder beim ehelichen Zusammenleben in der Frühen Neuzeit vom Arbeitspaar8. Erst wenn der Mann ver- storben ist, bekommt seine Witwe größeren Handlungsspielraum, konnte etwa den Familienbetrieb weiterführen.
3.2 Die Frage der Ehre
Die Frau repräsentiert zudem das öffentliche Ansehen ihres Ehemannes. Sie über- nahm nach außen die Funktion der „Hausehre“9, eine Aufgabe, der durch Umwäl- zungen im politischen und gesellschaftlichen Umfeld immer stärkere Bedeutung zu- kam. Dagmar Freist sieht einen umfassenden Regulierungsanspruch des frühneuzeitlichen Staates in Bezug auf das moralische und sittliche Verhalten aller Bürger. Gründe dafür sind u.a. „der Verlust der christlichen Einheit durch die Re- formation, [...], der weit beklagte ‚Niedergang der Familie’ und schließlich tief grei- fende gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen“10. Oblag viele Jahrhun- derte lang die Definition von geschlechtlichen Delikten der Kirche, so kam es im Zuge der Reformation zum gemeinsamen Vorgehen von Kirche und Staat. Die Ehe wurde aufgewertet, nicht-ehelicher Geschlechtsverkehr sanktioniert. Keuschheit war nicht länger ein Gebot an einen einzelnen Stand, den Klerus, sondern wurde gesell- schaftliche Norm.
Die Frauen wurden zusehens aus dem Arbeitsmarkt verdrängt oder schlechter be- zahlt. Zünfte verschlossen sich den Frauen, Handwerker und Gesellen wollten sich von ihnen keine Anweisungen mehr geben lassen, an Universitäten und Akademien durften sie nicht mehr teilhaben. Es entstand ein spezifisches Bild einer ehrbaren weiblichen Person im sozialen Kontext, dem die Frau entsprechen musste.
Bei unverheirateten Frauen war die Ehre eng mit dem Begriff der Jungfräulichkeit verbunden. Die Ehegerichtsordnung aus dem Jahre 153311 erklärt diesen Begriff mit züchtigem und ehrbarem Wandel, Wesen und Ruf einer Person sowie den Verzicht auf Geschlechtsverkehr vor der Ehe. Zumindest für letzteren Punkt gab es allerdings Ausnahmen, denn der voreheliche Geschlechtsverkehr konnte durch ein Eheversprechen legitimiert werden. Der Begriff der Jungfräulichkeit ist damit in zwei Dimensionen besetzt, in einer medizinisch-körperlichen und einer sozialen.
Die Ehre der Frau implizierte dagegen nur die soziale Komponente, es ging um die Wahrnehmung einer Frau in der Öffentlichkeit. Darauf zielt auch Brigitte Rath ab, wenn sie feststellt, dass „alle Frauen Huren werden können, auch jene, die keine sind“12. Im Gegensatz zum Mann wird die Ehre einer Frau an Begriffen der Sexuali- tät festgemacht. Eine Titulierung als Hure oder Dirne stellt ihre Ehre und damit ihre Position in der Gesellschaft infrage. Dabei war schon das Aussprechen des Verdachts ehrabschneidend, es waren noch nicht einmal Beweise nötig. Anders dagegen beim Mann. Seine Ehre wird festgemacht an Dingen wie Tapferkeit, Gesetzestreue oder den wirtschaftlichen Fähigkeiten. Beleidigungen zielen daher auch verstärkt auf öko- nomische Bereiche ab, der Mann wird als Spitzbub oder Dieb bezeichnet. Über die Ehre seiner Frau ist der Mann jedoch ebenfalls angreifbar: Wird diese infrage ge- stellt, so leidet auch sein öffentliches Ansehen. Sexuelle Leichtfertigkeit oder Un- treue der Frau ist ein Verstoß gegen die Autorität des Mannes, die dadurch infrage gestellt wird. Daraus legitimierte sich die männliche Kontrolle über die weibliche Sexualität.
Problematisch war in diesem Zusammenhang die Verantwortung für das Zu-Stande- Kommen des sexuellen Aktes außerhalb der Ehe, in der Frühen Neuzeit als Unzucht bezeichnet. Vor Gericht genügte die Aussage der Frau nicht, wenn der Beschuldigte die Tat abstritt. Der Prozess ging meist strafffrei für den Angeklagten aus, die Frau sah sich mit dem Vorwurf der Unzucht konfrontiert, zudem war ihre Ehre beeinträch- tigt. Männer verteidigten sich im Rahmen solcher Prozesse häufig, indem sie auf das unzüchtige Verhalten der Frau verwiesen oder ihren Lebenswandel generell als leichtfertig diffamierten, um ihre Glaubwürdigkeit und wiederum ihre Ehre anzugrei- fen.
4 Prostitution im 14. und 15. Jahrhundert
4.1 Prostituierte als gesellschaftliche Außenseiter
Prostituierte sind in der Frühen Neuzeit eine ausgegrenzte Randgruppe, die jedoch nicht über den gesamten Zeitraum kriminalisiert wurden. Grob unterteilt werden zwei Phasen sichtbar: Im 14. und 15. Jahrhundert wurde die Prostitution toleriert, teilweise von der Obrigkeit sogar aktiv unterstützt. Dieses Vorgehen steht zwar im Widerspruch zur christlichen Lehre, die die Sexualität auf die Ehe beschränkt13, doch galt sie im Katholizismus als kleineres Übel, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten und vor allem Vergewaltigungen und damit dem Missbrauch ehrbarer Frau- en zu verhindern: Schon im 4. Jahrhundert bemerkte dazu der Theologe Augustinus: „Kann man von etwas verwerflicherem sprechen, dass noch weniger Aufwand, noch mehr Schmach besitzt, als Dirnen, Zuhälter und die ganze damit zusammenhängende Seuche ... Aber schaffe Dirnen in der menschlichen Gesellschaft ab und du wirst eine einzige Verwirrung durch die ungezügelten Genußsüchte schaffen“14. Auch Thomas von Aquin verteidigte die Prostitution als notwendiges Übel. Sie sollte ein Ventil bieten für die Gefahren, die aus der männlichen Sexualtriebkraft entstehen. Unver- heirateten Männern sollte eine Möglichkeit zur sexuellen Betätigung außerhalb der Ehe geboten und damit auch eine Gefahr von ehrbaren Frauen und Mädchen abge- wandt werden. Frauen wurde dieses Recht nicht zugestanden.
[...]
1 Duden Bd. 5, S. 816.
2 Vgl. Angermann, Norbert 1995, S. 267.
3 Vgl. Schuster, Beate 1995, S. 10.
4 Ebd. S. 10.
5 Vgl. Feustel, Gotthard 1993, S. 7ff.
6 Typische Begriffe für eine Prostituierte in der Frühen Neuzeit waren etwa Dirne, Gelttochter, Gemeine Frau oder Fröuwele, Halbfoz, Hure, Leichte Frau, Lichtfertiger Frowen, Meretrix Publica, Metzen, Mulieres Vagas, Schone Frowen, Scorta, Varende Frowen und Tochtern, Varndez Frevelin, Varenden Wive, Weitloch, etc. (vgl. Angermann, Norbert 1995, S. 267, Rath, Brigitte 1994, S. 353, Schuster, Beate 1995, S. 37, 159).
7 Schmidt, Heinrich R. 1998, S. 215.
8 Vgl. Wunder, Heide 1993, S. 23ff.
9 Wunder, Heide 1992, S. 267.
10 Freist, Dagmar 2000, S. 190.
11 Vgl. Burghartz, Susanna 1992, S. 174ff.
12 Rath, Brigitte 1994, S. 361.
13 „Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben, und jede soll ihren Mann haben. Der Mann soll seine Pflicht gegenüber der Frau erfüllen und ebenso die Frau gegenüber dem Mann. Nicht die Frau verfügt über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt nicht der Mann über seinen Leib, sondern die Frau. Entzieht euch einander nicht, außer im gegenseitigen Einverständnis und nur eine Zeitlang, um für das Gebet frei zu sein. Dann kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führt, wenn ihr euch nicht enthalten könnt.“ (Bibel, 1.Kor. 7.1-7).
14 Augustinus nach Schuster, Peter 1992, S. 19.
- Quote paper
- Michael Ludwig (Author), 2005, Weibliche Prostitution in der Frühen Neuzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62695
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