„Wieviel Kreuz darf es denn sein?“ fragte der Titel eines kürzlich erschienenen Zeitungsartikels 1 und spielte damit auf die Problematik der neuen französischen Regelung religiöse Zeichen im öffentlichen Raum vom 10. Februar 2004 betreffend an. Chirac hatte in seiner Rede im Dezember letzten Jahres angekündigt, religiöse Bekennungszeichen wie das muslimische Kopftuch sollten in Zukunft in der öffentlichen Schule für Lehrer und Schüler verboten werden 2 . Aus Gleichheitsgründen erweiterte sich dieses Verbot gegen jegliche religiöse Symbole, so auch die Kippah 3 der Juden u.ä. Ein kleines Kreuz sei jedoch erlaubt, so Chirac.
Herübergeschwappt war die sogenannte Kopftuch-Debatte von Deutschland, wo eine muslimische Lehrerin beim Bundesverfassungsgericht einklagte, sie wolle ihr Kopftuch im Unterricht tragen dürfen. Da die Richter aber von der Neutralität ausgingen und eine Deutungshoheit des Lehrkörpers ablehnten, wurde ihre Klage abgewiesen.
Es deutet also alles darauf hin, dass Religion oder Religiosität in der Schule unerwünscht seien. Es wirft sich die Frage auf, wie es um die Religion in der Schule steht, ob eine Trennung von Staat (Schule) und Kirche (Religion) wirklich geschaffen ist. Um dem nachzugehen, wird zunächst das Schulsystem des laizistischen Frankreichs betrachtet, dann die neutral-religiöse Mischform Deutschlands dargestellt, um schließlich auf das traditionell katholische Spanien zu kommen. Inwiefern ist die oder sind die Religion(en) in den verschiedenen Schulsystemen präsent? In der Folge wird die Problematik der Religion im schulischen Raum allgemein dargestellt, um dann die verschiedenen Ansätze der untersuchten Länder zu problematisieren, wobei ein Bezug zur aktuellen Debatte geschaffen wird. Hier wird die Verbindung aus aktuellem Anlass zwischen der Religion in der Schule und im Staat allgemein hergestellt. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Religion im Schulsystem
2.1 ...Frankreichs
2.2 ...Deutschlands
2.3 ...Spaniens
3. Die Problematik der Religion in der Schule als öffentlichem Raum
4. Der französische, deutsche und spanische öffentliche Raum zwischen Laizismus und Religiosität
5. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wieviel Kreuz darf es denn sein?“ fragte der Titel eines kürzlich erschienenen Zeitungsartikels[1] und spielte damit auf die Problematik der neuen französischen Regelung religiöse Zeichen im öffentlichen Raum vom 10. Februar 2004 betreffend an. Chirac hatte in seiner Rede im Dezember letzten Jahres angekündigt, religiöse Bekennungszeichen wie das muslimische Kopftuch sollten in Zukunft in der öffentlichen Schule für Lehrer und Schüler verboten werden[2]. Aus Gleichheitsgründen erweiterte sich dieses Verbot gegen jegliche religiöse Symbole, so auch die Kippah[3] der Juden u.ä. Ein kleines Kreuz sei jedoch erlaubt, so Chirac.
Herübergeschwappt war die sogenannte Kopftuch-Debatte von Deutschland, wo eine muslimische Lehrerin beim Bundesverfassungsgericht einklagte, sie wolle ihr Kopftuch im Unterricht tragen dürfen. Da die Richter aber von der Neutralität ausgingen und eine Deutungshoheit des Lehrkörpers ablehnten, wurde ihre Klage abgewiesen.
Es deutet also alles darauf hin, dass Religion oder Religiosität in der Schule unerwünscht seien. Es wirft sich die Frage auf, wie es um die Religion in der Schule steht, ob eine Trennung von Staat (Schule) und Kirche (Religion) wirklich geschaffen ist. Um dem nachzugehen, wird zunächst das Schulsystem des laizistischen Frankreichs betrachtet, dann die neutral-religiöse Mischform Deutschlands dargestellt, um schließlich auf das traditionell katholische Spanien zu kommen. Inwiefern ist die oder sind die Religion(en) in den verschiedenen Schulsystemen präsent? In der Folge wird die Problematik der Religion im schulischen Raum allgemein dargestellt, um dann die verschiedenen Ansätze der untersuchten Länder zu problematisieren, wobei ein Bezug zur aktuellen Debatte geschaffen wird. Hier wird die Verbindung aus aktuellem Anlass zwischen der Religion in der Schule und im Staat allgemein hergestellt.
Der Vergleich, der zwischen den zur Diskussion stehenden Ländern und ihrer Schulen bzw. deren Trennung von Staat und Kirche angestellt wird, soll nicht wertend, sondern lediglich betrachtend sein. Eine Wertung wäre fehl am Platz, denn betrachtet man gerade die Organisation der Schulen, so muss deren historische Entwicklung und ihre Einbettung in die soziokulturellen Strukturen des jeweiligen Landes berücksichtigt werden[4]. All diese historischen Begebenheiten zu untersuchen, würde aber den Rahmen der Arbeit sprengen, sodass eine kritische Betrachtung erfolgt.
2. Die Religion im Schulsystem...
2.1 ...Frankreichs
Während der Französischen Revolution wurde das Comité de l’Instruction publique gegründet, das sich mit dem Aufbau eines staatlichen Schulsystems befassen sollte, das die Pfeiler der neuen Republik – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – berücksichtigen würde. Im Ancien Régime war eine Schulbildung nur dem Ersten Stand vergönnt und wurde dann von der Kirche durchgeführt. Statt aber so schnell als möglich die grundliegendste aller Bildungsstätten, die Grundschule, einzurichten, erfolgten jahrelange Debatten um Details der Ausführung, die unwichtig waren. Erst 1882 wurde die Schulpflicht eingeführt und 1905 die endgültige Trennung von Staat und Kirche vollzogen – somit war die Gesellschaft laizistisch[5]. Das heutige französische Schulwesen beruht auf folgenden Grundprinzipien, die aus der Revolution heraus geboren wurden:
„a) Unabhängigkeit des Bildungswesens/ b) Schulpflicht vom 6. bis 16. Lebensjahr/
c) Schulgeldfreiheit/ d) Trennung von Staat und Kirche (Laizität) [...].“[6]
Der Öffentlichkeitscharakter der Schule leitet sich aus der Verantwortlichkeit des Staates ab. Neben staatlicher Einrichtungen gibt es Privatschulen, die von Privatpersonen, Vereinigungen und religiösen Organisationen eingerichtet und unterhalten werden. Die allgemeine Schulpflicht besteht auch für Privatschüler, wobei nur die öffentliche Schule kostenfrei ist. Das 1905er Gesetz über Neutralität des öffentlichen Bildungswesens schließt religiöse, aber auch politische und philosophische Überzeugungen ein. Alle Schüler haben parallel dazu das Recht zur freien Religionsausübung, der sie nach dem Unterricht nachgehen können (Int.Inst. 1989: 36).
Vom 6. bis zum 11. Lebensjahr besuchen alle Kinder die école primaire, die Grundschule. Im Anschluss daran ist der Besuch eines collège (Sekundarstufe I) Pflicht, das bis zum 9. Schuljahr reicht und die Unterrichtung der Kernfächer Französisch, Mathematik, LV I (langue vivante 1, erste Fremdsprache), histoire-géo (umfasst die Gebiete der Geschichte, Geographie, Sozialkunde und Wirtschaft), Naturwissenschaften, Kunst und Musik sowie Sport. Wahlpflichtfächer sind hauptsächlich Latein, Alt-Griechisch und LV II (Int. Inst. 1989: 40). Nach erfolgreichem Abschluss, der durch das Brevet erlangt werden kann, können die Schüler je nach Leistung und Interesse eine Lehre beginnen, eine berufsbezogene Sekundarstufe II oder ein Gymnasium besuchen, das sie dann mit dem Baccalauréat abschließen. Im letzten Schuljahr des Lycée werden die Schüler in Philosophie unterrichtet, die auch Grundwerte vermitteln soll[7].
Die kurze Betrachtung des französischen Schulsystems zeigt, dass Religion keine Rolle spielt, weil die Trennung von Staat und Kirche, der Laizismus, fest in den Strukturen verankert ist. Religionsunterrichtet findet außerhalb der Schule statt. Allgemeine Werte wie z.B. Moral wird den Jugendlichen im Philosophieunterricht erteilt.
2.2 ... Deutschlands
Die Bundesrepublik Deutschland vollzog bis jetzt keine klare Trennung zwischen Kirche und Staat und garantiert die Neutralität, keineswegs aber die Laizität. Dies macht sich am augenscheinlichsten auf der Lohnteuerkarte bemerkbar, auf der die Zugehörigkeit zur Kirche vermerkt ist, um beim allgemeinen Steuerabzug auch die Kirchensteuer abzuzweigen. Nach Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes darf jedoch niemand wegen seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden (Int. Inst. 1989: 18).
Die Grundschule ist in allen Bundesländern, mit Inkrafttreten des neuen Schulgesetztes auch in Berlin und Brandenburg, vierjährig. Es kann in der Folge zwischen der Hauptschule (mind. 9 Schuljahre), Realschule (10 Schuljahre), Gymnasium (jetzt nur noch 12 Jahre) oder Gesamtschule gewählt werden (20). Der erfolgreiche Abschluss der Hauptschule ermöglicht den Besuch einer Berufsschule im Rahmen des Dualen Ausbildungssystems oder den Besuch einer Berufsfachschule, wo i.d.R. sehr spezielle Berufe theoretisch und praktisch erlernt werden können (z.B. Dolmetscher). Erwirbt man den Abschluss der Realschule steht einem neben den eben genannten Möglichkeiten auch der Besuch einer Fachoberschule frei (Ziel ist hier das Fachabitur, mit dem die Berechtigung zur Fachhochschule verbunden ist). Der Gymnasiast erwirbt sein Abitur mit Hilfe eines Kurssystems, das auf einem Pflicht- und einem Wahlbereich beruht. Unbeliebte Fächer, z.B. Physik, können abgewählt werden. Die vier Abiturprüfungen (drei schriftlich, eine mündlich) decken alle Lernbereiche ab, d.h. also Sprachen, Naturwissenschaften, Sozial- Wirtschaftswissenschaften. In der vierten Prüfung muss man sich ein weiteres Fach aus diesen Bereichen auswählen. Der Gesamtschüler muss sich auf keinen Schultyp festlegen, er hat je nach Leistung die Möglichkeit, einen der drei Abschlüsse zu erwerben (Int.Inst. 1989: 18-27).
Das Unterrichtsfach Religion ist ein ordentliches Fach, das i.d.R. besucht werden muss. U.U. kann ein Schüler aber auch davon befreit werden, sofern er z.B. einer nicht angebotenen Religionsgemeinschaft angehört[8]. Dies ist jedoch Ländersache und wird durch die Kulturhoheit der Länder begründet. Während in Bayern in jeder Schulklasse noch ein Kreuz an der Wand hängt, so wurde in Brandenburg der Religionsunterricht gänzlich durch LER (Lebensgestaltung- Ethik- und Religionskunde) ersetzt (Aufenanger 2000: 25). Der Status eines Religionslehrers an der Schule ist schwierig, denn er ist kein ordentliches Mitglied des Lehrerkollegiums, unterrichtet aber ein ordentliches Fach. So ist er von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen, weil er nicht mitspracheberechtigt ist. Optisch macht sich diese Situation daran bemerkbar, dass in jeder Schule ein Religionsraum existiert. Nicht selten aber wird er mit ‚Allzweck- und Religionsraum’ deklariert. Freilich gibt es auch in Deutschland religiöse Privatschulen.
[...]
[1] Thomas Schmid: Wieviel Kreuz darf es denn sein? Frankreichs Kampf gegen das Kopftuch zeigt: Eine Gesellschaft, die religiöse Symbole in der Öffentlichkeit fürchtet, ist schwach. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 08.02.2004.
[2] Vgl. mic: Breite Mehrheit für Laizitätsgesetz. Französisches Parlament stimmt gegen auffällige religiöse Zeichen im Schulunterricht. In: FAZ vom 11.02.2004.
[3] Kopfbedeckung der männlichen Juden.
[4] Vgl. hierzu z.B. Fritz Ringer: Fields of knowledge. French academic culture in comparative perspective, 1890-1920. Paris/Cambridge 1992. S.26-29.
[5] Vgl. Renate Kock: Die Reform der laizistischen Schule bei Célestin Freinet. Eine Methode der befreienden Volksbildung. ( Europäische Hochschulschriften: Reihe 11, Pädagogik; Bd. 643). Frankfurt a.M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1995. S. 27.
[6] Internationales Institut für Rechts- u. Verwaltungssprache (Hg): Bildungswesen. Schul- und Hochschulwesen. Education et enseignement. Enseignements du 1er et du 2e degré, enseignements supérieurs. Köln/Berlin/Bonn/München 1989. S. 34.
[7] Vgl. letzte Angaben: Raimund Ritter: Das europäische Bildungswesen im Vergleich: Frankreich. München 1978. S. 27-31.
[8] Vgl. Martina Aufenanger: Religion und/oder Ethik in der Schule? (Paderborner Beiträge zur Unterrichtsforschung und Lehrerbildung, hrsg. vom PLAZ. Bd.4) Münster 2000. S.24.
- Quote paper
- Esther Maier (Author), 2004, Die Religion im deutschen, französischen und spanischen Schulsystem als öffentlichem Raum im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62405
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