Sowohl im Bereich der Theologie wie auch in den Gemeinden ist die Frage höchst umstritten, wie die Heilige Schrift recht zu lesen sei. Angesichts der Differenzen wundert es nicht, wenn die jeweiligen Vertreter einer Position immer mehr in die Extreme gehen. Teils wird eisern an Verbalinspiration festgehalten, teils wird von der Unmittelbarkeit des Geistbegabten zum Text ausgegangen; bisweilen wird das ganze Schriftkorpus psychologisch erklärt, ein andermal werden weite Teile daraus als schlichtweg vernunftwidrig abgetan. In jedem Fall geht es dabei um die Frage, ob und wie Schrift und Leser in Verbindung kommen, es geht um die Diskussion, welche Lehre vom VerstehenΑ, welche Hermeneutik also, die angemessene ist. Daß dieser Streit nicht neu ist, lehrt bereits ein oberflächlicher Blick in die Theologiegeschichte. Als Martin Luther 1525 seine Schrift Deservo arbitrio Α verfaßte, sah er in der Hermeneutik das Grundproblem, von dem aus alles andere zu beantworten war. Dieser eine Aspekt war es, der einen tiefen Graben zwischen ihm und Erasmus riß. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es darum, Grundzüge der Hermeneutik Martin Luthers anhand dieser Streitschrift aufzuzeigen. Dabei wird es vor allem um das rechte Verstehen der Heiligen Schrift gehen.
Dabei ist zunächst die TriasSchrift- Akt der Aneignung - RezipientΑ zu bedenken, ehe konkreter nachvollzogen wird, wie die Verbindung dieser Eckpunkte zu denken ist. Im Anschluß daran sollen einzelne wichtige systematische Aspekte bedacht werden, ehe eine Anwendung auf unsere gegenwärtige Situation versucht werden kann.
Alle Zitate ohne weitere Präzisierung beziehen sich auf den Primärtext (vgl. Literaturliste); Verse und Zeilenangaben werden durch Kleindruck abgesetzt.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Grundzüge von Luthers Hermeneutik nach De servo arbitrio
1. Die drei Bezugspunkte der Hermeneutik: Bibel, Rezipient, Erkenntnisakt
1.1. Die heilige Schrift
1.2. Der Rezipient
1.3. Der Erkenntnisakt
1.4. Zusammenfassung
2. Menschliche Mühe um die Schrift
2.1. Vom Menschen überwindbare Gründe für Unklarheit der Schrift
2.1. Auseinandersetzung mit bisherigen Methoden der Schriftauslegung
2.1.1. Päpstliche und geistliche Schriftauslegung
2.2.2. Vierfacher Schriftsinn und tropische Auslegung des Erasmus. Auslegung der Väter
2.2. Versuch, aus eigener Kraft Abhilfe zu schaffen
2.2.1. Allgemeine exegetische Grundsätze
2.2.2. Christologische Auslegung
2.2.2.1. Jesus Christus als der eine Skopus der Schrift
2.2.2.2. Gesetz und Evangelium
2.2.2.3. Altes und neues Testament
2.2.2.4. Zusammenfassung
2.2.3. Möglichkeit und Grenzen der Vernunft. Theologe und Laie
2.3. Das Scheitern der Vernunft
2.3.1. Das Scheitern der Vernunft ist das Gericht des ganzen Menschen
2.3.2. Die Hermeneutik des Erasmus als Flucht vor der Wahrheit
2.3.3. Der Grund des Scheiterns: vnnd mangeln des preyses (Röm 323)[1][1] Zitiert nach WA DB 7,
2.4. Zusammenfassung und Weiterführung
3. Der heilige Geist nimmt sich des Menschen an
3.1. Innere und äußere Klarheit
3.1.1. Der Geist schenkt dem Menschen die innere Klarheit
3.1.2. Zur Unterscheidung von innerer und äußerer Klarheit
3.1.3. Ist äußere Klarheit notwendige Bedingung für innere Klarheit?
3.2. Innere Klarheit versetzt nicht in Unmittelbarkeit zum Text oder seines Gegenstandes
3.3. Innere Klarheit befähigt zum inneren Urteil
3.3.1. Der Begriff des inneren Urteils
3.3.2. Inneres und äußeres Urteil. Amt
3.3.3. Sichere Erkenntnis der Schrift gibt sicheren Stand
3.3.4. Neue Bezogenheit auf die Welt
3.3.5. Gottesverhältnis ermöglicht erst Weltverständnis
3.4. Aussagbarkeit der Wahrheit
III. Zusammenfassung. Grundzüge von Luthers Hermeneutik nach De servo arbitrio
IV. Folgen, die sich aus dieser Hermeneutik ergeben
1. Hermeneutik anderer Werke
2. Systematische Theologie als Schriftauslegung. Luthers Hermeneutik im Ganzen seiner Theologie
3. Sinn und Wahrheit
3.1. Sinn und Wahrheit in Luthers Hermeneutik
3.2. Zum Literalsinn bei Luther
3.2.1. Problematisierung
3.2.2. Versuch einer Lösung
3.3. Die Bedeutung des Rezipienten für die Hermeneutik Luthers
V. Ausblick
VI. Literaturverzeichnis
1. Quellen. Bibelausgaben
2. Sekundärliteratur
a. Selbständige Veröffentlichungen
b. Aufsätze, Kommentare und Lexikonartikel
I. Einleitung
Sowohl im Bereich der Theologie wie auch in den Gemeinden ist die Frage höchst umstritten, wie die Heilige Schrift recht zu lesen sei. Angesichts der Differenzen wundert es nicht, wenn die jeweiligen Vertreter einer Position immer mehr in die Extreme gehen. Teils wird eisern an Verbalinspiration festgehalten, teils wird von der Unmittelbarkeit des Geistbegabten zum Text ausgegangen; bisweilen wird das ganze Schriftkorpus psychologisch erklärt, ein andermal werden weite Teile daraus als schlichtweg vernunftwidrig abgetan. In jedem Fall geht es dabei um die Frage, ob und wie Schrift und Leser in Verbindung kommen, es geht um die Diskussion, welche `Lehre vom VerstehenA, welche Hermeneutik also, die angemessene ist.
Daß dieser Streit nicht neu ist, lehrt bereits ein oberflächlicher Blick in die Theologiegeschichte. Als Martin Luther 1525 seine Schrift `De servo arbitrioA verfaßte, sah er in der Hermeneutik das Grundproblem, von dem aus alles andere zu beantworten war. Dieser eine Aspekt war es, der einen tiefen Graben zwischen ihm und Erasmus riß. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es darum, Grundzüge der Hermeneutik Martin Luthers anhand dieser Streitschrift aufzuzeigen. Dabei wird es vor allem um das rechte Verstehen der Heiligen Schrift gehen.
Dabei ist zunächst die Trias `Schrift - Akt der Aneignung - RezipientA zu bedenken, ehe konkreter nachvollzogen wird, wie die Verbindung dieser Eckpunkte zu denken ist. Im Anschluß daran sollen einzelne wichtige systematische Aspekte bedacht werden, ehe eine Anwendung auf unsere gegenwärtige Situation versucht werden kann.
Alle Zitate ohne weitere Präzisierung beziehen sich auf den Primärtext (vgl. Literaturliste); Verse und Zeilenangaben werden durch Kleindruck abgesetzt.
II. Grundzüge von Luthers Hermeneutik nach `De servo arbitrioA
1. Die drei Bezugspunkte der Hermeneutik: Bibel, Rezipient, Erkenntnisakt
Im nun folgenden Abschnitt soll es darum gehen, einführend den Charakter des hermeneutischen Dreiecks zu erhellen. Es soll erläutert werden, warum für Luther jede Seite unerläßlich ist.
1.1. Die heilige Schrift
`Luther hat die Gleichung `die heilige Schrift ist Gottes WortA ohne Bedenken mit größtem Nachdruck vollzogenA[1]. Sie gewinnt demnach ihre Bedeutung zunächst schlicht daraus, daß sie göttlichen Ursprungs und insofern Gottes Wort ist. Gott selbst ist nur soweit bekannt, wie er sich in ihr bekannt gemacht hat (vgl. 10229f.); sie also die einzige Quelle, um etwas über ihn zu erfahren, von der alles andere Reden über ihn abgeleitet sein muß. Gott ist durch den Geist der Autor der Schrift, Christus ist ihre res, d.h. ihr eigentlicher Gegenstand (10129). Diese beiden Aspekte müssen nun näher erläutert werden.
Wenn von der Autorschaft des Geistes die Rede ist, schließt das menschlichen Anteil nicht aus. Gott und Schrift sind nicht einfach gleichzusetzen: `Duae res sunt Deus et Scriptura Dei, non minus quam duae res sunt Creator et creatura DeiA (1017-9).[2] Das liegt wesentlich daran, daß sie von Menschen niedergeschrieben ist. Dementsprechend ist der Einfluß des Verfassers so groß, daß etwa zur Erklärung einer Paulus-Stelle wiederum bevorzugt aus dem Corpus Paulinum zitiert wird.[3] Für die Schrift sind die jeweiligen Verfasser, letztlich aber ist Gott selbst verantwortlich (vgl. 19624-26). Die Autoren sind Werkzeuge, die es zu schätzen gilt: `Sic honorari debet spiritus in sancto illo et electo organo Dei PauloA (21841-2191, vgl. 22128f.).
An dieser Stelle ist ein Gedanke einzutragen, der in `De servo arbitrioA nicht eigens entwickelt, wohl aber vorausgesetzt wird: Ihre einzigartige Würde erhalten die biblischen Schriften durch ihren apostolischen, bzw. prophetischen Charakter: `Denn das ampt eyns rechten Apostel ist, das er von Christus leyden vnd aufferstehen vnd Ampt predige, vnnd lege des selben glawbens grund (...), Auch ist das der rechte pruefesteyn alle bucher zu taddelln, wenn man sihet, ob sie Christum treyben, odder nitA.[4] `ProphetischA und `apostolischA sind also in erster Linie keine Aussagen über den Verfasser, sondern über den Inhalt, die Wahrheit einer Schrift.[5]
Wenn Christus der Kern der Bibel ist, wird damit zugleich etwas über ihre Qualität ausgesagt: Um seinetwillen ist sie klar und heilsam: `Ea quae sacris literis aut traduntur aut probantur, esse non modo aperta, sed et salutariaA (11233-35, vgl. 1027). Christus hat nicht nur ihre res erschlossen, er ist sie als der Heilbringer selbst. Dies trägt Luther nicht etwa in die Schrift ein, er ist vielmehr der Überzeugung, es dort vorzufinden.[6]
Obwohl es sich hier um ein `primum pricipuumA handelt (14217f.)[7], das eo ispo nicht bewiesen werden kann, gibt Luther doch selbst einige Hinweise auf seine Richtigkeit: Zunächst weist Mose die Israeliten an, nach der Schrift zu richten (14220-22), was ihre Klarheit fordert, weil Gesetze grundsätzlich klar sein müssen (14233-35). Ferner sagen sowohl AT (1435-25) wie auch NT (14325-1442) über sich selbst aus, klar zu sein. Nur darum kann sich Christus, können sich die Apostel auf sie berufen (1442-12). Wenn weiter die Schrift unklar wäre, könnte auch keine Auslegung Klarheit bringen. Denn jede Erklärung, die sich auf dieses unsichere Fundament gründete, wäre notwendigerweise selbst fragwürdig, so daß immer wieder neue Kommentare nötig wären - `Ita fiet progressum in infinitumA (vgl. insgesamt 14416-21). Es könnte schließlich keinerlei Beurteilung der Lehre geben, weder innerhalb der Schrift noch auch in der Kirche (14424-39): `Summa, si scriptura obscura uel ambigua est, quid illam opus fuit nobis diuinitus tradi?A (14421f.).
Diese Hinweise helfen zugleich, Luthers Verständnis von `KlarheitA (`claritasA) zu erhellen: Gemeint ist nicht `die logisch-systematische Übereinstimmung der einzelnen Aussagen und Stellen in der Schrift miteinanderA,[8] sondern das eindeutige Wissen, wie es um den Menschen vor Gott steht. Das Verhältnis Gottes zu den Menschen ist in Person und Werk Jesu Christi sichtbar geworden. Um es uns mitzuteilen, hat er die Schrift hell und klar gemacht (14517-20, 14832f., 14838, 24919f. u.a.). Darum ist alles, was sich in ihr findet, heilsam und alles, was nicht in ihr steht, gehört nicht zum Christentum (14834f.).
Ihre Klarheit ist keine zufällige Eigenschaft der Schrift, sondern sie kommt ihr zu, weil Christus dafür einsteht. Sie ist darum trotz ihrer Geschichtlichkeit universal: Sie sagt, was dem Menschen von Gott her gilt. Auffallend ist hierzu eine Notiz über Bileam (2468-21), hinter der ein Programm sichtbar wird: `Die Bibel spricht vom Menschen, wie er zu jeder Zeit ist (...) und was Gott in Christus für ihn ist; sie enthält die aktuelle Botschaft für jede Zeit und jeden MenschenA.[9]
Damit verbunden ist untrennbar ihre Einheit. Darum kann Luther auch davon reden, daß die ganze Schrift den unfreien Willen bezeugt (17630-33, vgl. 25613: `cum uniuersa scriptura a nobis stetA).
Zusammenfassend kann über die Schrift gesagt werden, daß sie (1.) göttlichen Ursprungs und durch den Geist vermittelt, (2.) gleichwohl von Gott unterschieden ist, (3.) daß sie grundsätzlich von Christus handelt und (4.) darum heilsam und klar ist.[10]
1.2. Der Rezipient
Diese Eigenschaften der Schrift gewinnen ihre Wichtigkeit für den Menschen erst dadurch, daß er sie bitter nötig hat. Das Ich des Rezipienten ist darum wichtig, weil es um seine Seligkeit geht! Der Ausgangspunkt der Hermeneutik ist der angefochtene Mensch: `Quid igitur faciemus? [...] cui credemus? [...] Quis nos certos facit? Vnde explorabimus spiritum?A (1411-3, vgl. 1498f.). Er befindet sich in einer Lage, in der `letztlich ein Einziges von der Schrift erwartet wird, nämlich das Wort, das Gewißheit gibt im Leben und im SterbenA.[11] In der Auseinandersetzung mit Erasmus wird dementsprechend immer wieder der Vorwurf laut, es gehe ihm nicht um dies letzte Anliegen: `Nec forte multum te cruciat religionis curaA (24235).
1.3. Der Erkenntnisakt
Die Überschrift dieses Abschnitts legt bereits fest, welcher Art die Aneignung ist, in der angefochtener Mensch und Sache der Schrift in Verbindung treten: Die Anfechtung kann nur durch gewisses Erkennen überwunden werden; nur verstehend ist Gewißheit möglich: `Christianus uero anathema sit, si non certus sit et assequaturA (9940f.). Das liegt nicht daran, daß der Christ ein besonders herrischer Mensch wäre, der sich eben nicht gerne unterwirft, sondern weil er Gewißheit braucht, die er im Blick auf sein Leben bleibend nicht hat: `Nobis autem, quibus res agitur seria, et qui certissimam ueritatem pro stabiliendis conscientijs quarimusA (19539-41).[12]
Es handelt sich darum auch nicht um das Postulat eines `perfecte nosse et videreA[13], auch nicht um die Freude an einer bestimmten Redeweise[14], sondern um die Gewißheit, daß das, was dem Menschen von Gott her zugesagt ist, stimmt. Wenn Luther deshalb von der Freude des Christen an festen Behauptungen spricht (9731f.), dann meint er die Freude über die Heilsgewißheit. Einzig und allein dessen muß er sich gewiß sein können: Was es daneben sonst noch über Gott zu wissen geben könnte, ist dagegen geradezu gleichgültig (1018, vgl. 10239-1035). Dieses Wissen genügt aber auch, um `constanter adherere, affirmare, confiteri, tueri atque inuictum perseuerareA (9733-35).
1.4. Zusammenfassung
In der Auseinandersetzung über die Willensfreiheit des Menschen hinsichtlich des Heils formuliert Luther, worauf es dem Christentum wesentlich ankommt: `cognitio suiipsius, cognitio et gloria DeiA (1075). Damit sind die drei Grundkonstanten der Hermeneutik angesprochen: das Selbst, Gott und die Erkenntnis.[15] Jede einzelne Seite ist dabei unabdingbar: Die Verheißungen Gottes müssen verläßlich sein, nur dann kann ihnen geglaubt werden (11030-36). Zugleich braucht der stets angefochtene Mensch Gewißheit: `quid faciet dubia conscientia consolationem rogans, si opinionibus responderis etc., non certa doctrina?A.[16]
Vor diesem Hintergrund wird das markante Wort Luthers begreifbar: `Tolle assertiones, et Christianismum tulistiA (9814f.), verständlich wird auch der Schluß des Werks: `Ego uero hoc libro NON CONTULI, SED ASSERVI, ET ASSEROA (2934f.).
Nun stellt sich die wesentliche Frage, wie Schrift, Rezipient und Erkenntnisakt zueinander in Beziehung zu setzen sind: Was muß geschehen, damit diese erstrebenswerte Verbindung gelingt, im Hinblick auf die Luther schreibt: `Spiritus sanctus non est Scepticus, nec dubia aut opiniones in cordibus nostris scripsit, sed assertiones ipsa uita et omni experientia certiores et firmioresA (10031-33)? Diese Aussage macht ja zugleich deutlich, daß es sich um keinen naturgegebenen Zustand handelt!
2. Menschliche Mühe um die Schrift
Wenn oben dargelegt wurde, daß die Schrift klar ist und der Mensch Klarheit braucht, liegt es nahe, bei ihm anzusetzen und auszuloten, inwiefern er von sich aus zur Erkenntnis fähig ist, daß diese heilsame claritas ihm gilt. Schließlich ist im Gegensatz zur Meinung der Scholastiker für Luther nicht die Schrift selbst, bzw. sind nicht die in ihr dargestellten Glaubensartikel unklar, sondern das Problem liegt im Rezipienten (10113-19)!
2.1. Vom Menschen überwindbare Gründe für Unklarheit der Schrift
Luther benennt zunächst zwei Arten der Unklarheit beim Menschen: Die eine bezieht sich auf eine Beschränkung der Sprachwissenschaft überhaupt, die andere hat in der Disposition des Einzelnen ihre Gründe.
Zunächst räumt er ein, daß es Stellen in der Schrift gibt, die auch ihm unklar sind. Das liegt allerdings nicht daran, daß der Inhalt unverständlich oder unbegreifbar wäre, sondern erklärt sich `ob ignorantiam uocabulorum et grammaticaeA (10121f., vgl. 10131), ist also ein nach Luthers Meinung bleibendes Problem der Philologie. Auffallend ist, wie gleichgültig ihm das zu sein scheint; so erklärt sich auch, daß er in diesem Zusammenhang einmal von wenigen (10131) und ein andermal von `multa locaA (10120) spricht.[17]
Ein weiterer Grund ist in der Disposition des Menschen zu suchen: Es gibt eine Art von Unklarheit, die sich dadurch erklärt, daß sich der Mensch falsch oder zu wenig gewissenhaft um den Text bemüht und somit seine kreatürlichen Verständnismöglichkeiten nicht ausschöpft. Denkbar wäre auch die absichtliche oder oberflächliche Falschdeutung mancher Stellen.[18]
[...]
[1] Schempp, S. 14.
[2] Vgl. dazu S. 27 der vorliegenden Arbeit.
[3] In der Erörterung paulinischer Belege (25735-27914) stehen 51 Stellen aus dem Corpus Paulinum lediglich 14 anderen gegenüber, die zum Teil sogar schon bei Paulus selbst zitiert sind (z.B. Dtn 2726, S. 2668. 20). Vgl. auch 2778-10.
[4] Aus der `Vorrhede auff die Episteln Sanct Jacobi vnnd JudasA, WA DB 7, 38422-27.
[5] Zum Kanonproblem vgl. die Notiz zum Buch Esther, es sei `dignior [als alle anderen genannten] qui extra Canonem habereturA (15625f.). Das legt nahe, daß es inhaltliche Kriterien gibt, die über Kanonizität entscheiden.
[6] Vgl. Schempp, S. 27. Wenn in diesem Abschnitt versucht wurde, die Autorität der Schrift nicht nur von ihrer Heilsamkeit, sondern zugleich von ihrem apostolischen bzw. prophetischen Charakter abzuleiten, dann nicht, weil beide Aspekte künstlich zu trennen wären, sondern um deutlich zu machen, daß eine reine Auflösung in die Soteriologie nicht der Gesamtheit lutherischer Denkweise entspricht: `Das Wort steht dem Menschen gegenüber, ist diesseits des Menschen in objektiver Gültigkeit und Wahrheit unabhängig von der Anerkennung durch den MenschenA (Schempp, S. 18f., vgl. dagegen Mostert, S. 70).
[7] Wenngleich nicht im aristotelischen Sinne, weil sonst das Widerständige, das Ringen um die Wahrheit in Klage und Anfechtung auch in der Schrift in einen statisch-formalen Begriff transformiert würde (vgl. Bayer, Autorität und Kritik, S. 16). Mit Abgrenzung von einem statischen Verständnis, das die Schriftautorität rein `dogmatischA fixiert vgl. Mostert, S. 72 oder Althaus, S. 10 (`Dieser Grundsatz ist das Ende eines formalen BiblizismusA).
[8] Iwand, Erläuterungen, S. 271.
[9] Löfgren, S. 221.
[10] Insgesamt kann hier von einer trinitarischen Struktur ausgegangen werden: Der Vater ist Schöpfer der Schrift, der Sohn steht für ihre Heilsamkeit ein und der Geist erschließt sie.
[11] Ebeling, Luther, S. 105.
[12] Vgl. Iwand, Erläuterungen, S. 269.
[13] Wolf, Sp. 725.
[14] Vgl. Iwand, Erläuterungen, S. 268f.
[15] Wobei `gloria DeiA im Sinne Luthers ja immer schon Heilsamkeit für den Menschen beinhaltet. Vgl. nur seine Übersetzung von Rö 323.
[16] Tischreden, BoA 8, 327-29.
[17] Vgl. zu diesem Aspekt, v.a. zur Begründung dieses Sachverhalts S. 11 der vorliegenden Arbeit.
[18] Vgl. Luthers Urteil über einige Auslegungen von Joh 848 (1379-16) und über die `SophistenA (1019-13).
- Quote paper
- Lutz Eisele (Author), 1996, Grundzüge der Hermeneutik Luthers nach De servo arbitrio, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62376
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