Keine andere Autorin Österreichs ist in der Öffentlichkeit so umstritten wie Elfriede Jelinek. Sie befragt in ihren Texte immer wieder kritisch die österreichische Gesellschaft und Mentalität. Seit der Uraufführung ihres Theaterstückes „Burgtheater“ (1985) wird sie in Österreich als „Nestbeschmutzerin“ beschimpft und ist eine Reizfigur in der Öffentlichkeit ersten Ranges. Unabhängig davon, ob man Jelineks Texte gelesen hat oder nicht – an der politischen sowie medialen Hetzjagd beteiligte sich jedermann gern. Die öffentliche Wahrnehmung Jelineks läuft dabei völlig unabhängig von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die sich darum bemüht, sachliche Überlegungen zu Jelineks politischer Sprachanalyse und ihren Verfahren anzustellen. Öffentliche Skandalisierung und Personalisierung erzeugen Bilder der Autorin, hinter denen ihre Texte verschwinden.
Das beste Beispiel für diese Schilderungen ist das Theaterstück „Raststätte oder Sie machens alle“. Noch vor der Uraufführung 1994 kommt es zu skandalträchtiger Medienberichterstattung. Es kommt bereits im Vorfeld zu öffentlichen Protesten, so hart wird Jelinek in den Medien kritisiert und als „Sexistin“ verpönt. Inzwischen erwartet die Öffentlichkeit regelrecht einen neuen Skandal in Form von neuen Texten von ihr. Dafür wird sie geliebt und gehasst. Ob PolitikerInnen, JournalistInnen, Tages- und Wochenzeitungen, Rundfunk und Fernsehen, Intellektuelle, Theaterleute, politische AktivistInnen, Kirchenvertreter oder LeserbriefschreiberInnen – jeder scheint etwas zu Elfriede Jelinek zu sagen zu haben.
In der folgenden Arbeit möchte ich untersuchen, ob Elfriede Jelinek tatsächlich nur den Skandal provoziert, oder ob sie auch etwas zu sagen hat. Lassen sich all die sprachlichen Provokationen (primär in „Raststätte oder Sie machens alle“) zu politischen und gesellschaftskritischen Aussagen entwirren? In welcher Rolle sieht Elfriede Jelinek sich selbst? „Raststätte oder Sie machens alle“ - literarisches Kunstwerk oder pornographischer Skandal?
Gliederung
1. Einleitung
1.1 Elfriede Jelinek: Kurzbiographie
2. „Raststätte oder Sie machens alle“
2.1 Inhaltliche Zusammenfassung
2.2 Interpretation einzelner, charakteristischer Passagen
3. Reaktionen aus der Öffentlichkeit
3.1 Vor der Uraufführung
3.2 Nach der Uraufführung
3.3 Persönliche Stellungnahme Elfriede Jelineks
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Keine andere Autorin Österreichs ist in der Öffentlichkeit so umstritten wie Elfriede Jelinek. Sie befragt in ihren Texte immer wieder kritisch die österreichische Gesellschaft und Mentalität. Seit der Uraufführung ihres Theaterstückes „Burgtheater“ (1985) wird sie in Österreich als „Nestbeschmutzerin“ beschimpft und ist eine Reizfigur in der Öffentlichkeit ersten Ranges. Unabhängig davon, ob man Jelineks Texte gelesen hat oder nicht – an der politischen sowie medialen Hetzjagd beteiligte sich jedermann gern. Die öffentliche Wahrnehmung Jelineks läuft dabei völlig unabhängig von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die sich darum bemüht, sachliche Überlegungen zu Jelineks politischer Sprachanalyse und ihren Verfahren anzustellen. Öffentliche Skandalisierung und Personalisierung erzeugen Bilder der Autorin, hinter denen ihre Texte verschwinden.
Das beste Beispiel für diese Schilderungen ist das Theaterstück „Raststätte oder Sie machens alle“. Noch vor der Uraufführung 1994 kommt es zu skandalträchtiger Medienberichterstattung. Es kommt bereits im Vorfeld zu öffentlichen Protesten, so hart wird Jelinek in den Medien kritisiert und als „Sexistin“ verpönt.
Inzwischen erwartet die Öffentlichkeit regelrecht einen neuen Skandal in Form von neuen Texten von ihr. Dafür wird sie geliebt und gehasst. Ob PolitikerInnen, JournalistInnen, Tages- und Wochenzeitungen, Rundfunk und Fernsehen, Intellektuelle, Theaterleute, politische AktivistInnen, Kirchenvertreter oder LeserbriefschreiberInnen – jeder scheint etwas zu Elfriede Jelinek zu sagen zu haben.
In der folgenden Arbeit möchte ich untersuchen, ob Elfriede Jelinek tatsächlich nur den Skandal provoziert, oder ob sie auch etwas zu sagen hat. Lassen sich all die sprachlichen Provokationen (primär in „Raststätte oder Sie machens alle“) zu politischen und gesellschaftskritischen Aussagen entwirren? In welcher Rolle sieht Elfriede Jelinek sich selbst? „Raststätte oder Sie machens alle“ - literarisches Kunstwerk oder pornographischer Skandal?
1.1 Elfriede Jelinek: Kurzbiographie
Biographische Daten:
20.10.1964 geboren in Mürzzuschlag / Steiermark als Halbjüdin
1952 – 1964 Schulausbildung in Wien, Ballett- und Musikunterricht
1964 – 1967 Studium: Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte, Universität Wien
1971 Konservatoriumsabschluss als Organistin
1972 – 1973 Aufenthalte in Berlin und Rom
1974 Eintritt in die KPÖ, Heirat mit Informatiker Gottfried Hünsberg
1991 Austritt aus der KPÖ
Wichtige Preise:
1972 Österreichisches Staatsstipendium für Literatur
1979 Drehbuchpreis des Innenministeriums der BRD
1986 Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln
1989 Würdigungspreis der Stadt Wien für Literatur
1995 Bremer Literaturpreis
1998 Georg-Büchner-Preis
2002 Berliner Theaterpreis
Engagement/Aktionen:
Seit den achtziger Jahren setzt sich Elfriede Jelinek in Österreich für gesellschaftspolitische Initiativen ein und rückt sich damit ins Licht der Öffentlichkeit. Sie unterstützt Organisationen, die gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auftreten, und nimmt Stellung zur Ausländerfrage wie zur Asylgesetzgebung. Hält sie 1991 bei der Demonstration gegen Fremdenhass eine Rede, so reagiert sie 1993 auf das „Ausländervolksbegehren“ der FPÖ mit zwei Essays. Ihr Engagement gilt auch alternativen, gesellschaftskritischen Medien, und sie setzt sich für Intellektuelle, die für ihre Haltung suspendiert werden, ein. Als Feministin protestiert sie gegen Projekte, die Frauen und ihre Position in der österreichischen Öffentlichkeit zu schwächen drohen, und unterstützt Initiativen, die den Frauen mehr Öffentlichkeit verschaffen. So protestiert sie gegen den Plan eines verpflichtenden Sozialdienstes für Mädchen (1993), engagiert sich für das Projekt eines Frauenraums und hält im Mai 2000 beim ersten „Frauenauftakt“ der Donnerstagsdemonstrationen eine Rede.
2. „Raststätte oder Sie machens alle“
2.3 Inhaltliche Zusammenfassung
Bei diesem Stück handelt es sich rein formal um eine klassische Komödie, die aus drei Akten besteht. Rein inhaltlich setzt „Raststätte“ sich satirisch mit dem Stoff der Mozart-Oper „Così fan tutte“ auseinander (obgleich es sich in diesem Fall um ein Drama handelt).
Der erste Akt: Schauplatz ist eine heruntergekommene Autobahnraststätte. Zwei klischeehaft beschriebene Frauen in Sportanzügen kommen dort an. Die Frauen (Isolde und Claudia) unterhalten sich über ihre Männer (Kurt und Herbert), dass diese an der schmutzigen Raststätte nicht anhalten wollten. Sie sprechen über ein Inserat, in dem offenbar angekündigt wurde, dass „die Tiere“ an dieser Raststätte auf sie warten würden. Sie erwähnen die mangelnde Flexibilität ihrer Männer, wie
leicht sie durch unvorhergesehenes aus der Fassung zu bringen sind. Aus dem Sinnzusammenhang errät der Leser, dass es sich bei dem Inserat um eine Kontaktanzeige für einen anonymen Seitensprung handelt. Es ist von Decknamen die Rede, die die Frauen sich ausdenken sollten. Die Frauen sprechen über ihre Unsicherheit bezüglich ihres gelogenen Alters, ihren Wunsch aus der Normalität auszubrechen, allerdings grundsätzlich metaphorisch und erst auf den zweiten Blick verständlich. Die Verabredung mit „den Tieren“ ist bei den Toiletten vorgesehen. Die Frauen besprechen ihr Vorgehen, wenn ihre Männer gleich mit ihnen am Tisch sitzen. Sie wollen vorgeben, zur Toilette zu müssen.
Die beiden Ehemänner treffen am Tisch ein. Sie äußern ihren Ekel vor der Raststätte, weisen auf Erbrochenes auf dem Boden hin und möchten nicht bleiben. Es folgen unzählige Metaphern, die Szenerie ändert sich dahin gehend, dass grelles Licht erscheint, Pornoplakate um die vier herum erscheinen und obszöne Neon-Nackte in allen Farbschattierungen und Stellungen stroboskopieren.
Die Ehepaare bemerken davon offenkundig nichts. Sie unterhalten sich weiter – dabei scheint einer am anderen vorbeizureden. Sie reden ironisch und abwertend (nicht direkt, sondern metaphorisch und verworren) über die eigene Sexualität mit dem Ehepartner.
Zwei 'Tiermänner' (ein Elch und ein Bär) betreten den Raum. Auch sie reden über Sexualität und erzählen sich gegenseitig ihre entarteten, perversen Vorlieben.
Sie erzählen den beiden Ehemännern von ihren Verabredungen mit den beiden Frauen, keiner von beiden kommt auf die Idee, dass es sich dabei um ihre Frauen handeln könnte. Der Elch und der Bär ziehen ihre Kostüme aus – darunter tragen sie jedoch noch ein Kostüm. Kurt und Herbert zwängen sich in die Kostüme.
Der zweite Akt: Schauplatz ist der Vorraum der Damentoilette. Sie ist total dreckig, die Frauen sitzen in benachbarten Kabinen auf dem Klo und die Türen sind offen. Über den Lautsprecher werden sie aufgefordert, in Flaschen zu urinieren, während sie sich der Kamera noch deutlicher zeigen sollen. Dies spricht für eine völlige Erniedrigung. Die Frauen sprechen wieder davon, dass ihre Männer sich so geordnet geben und dass sie
das Interesse an ihnen verloren haben, weil ihr Körper, ihr gesamtes Aussehen gealtert ist. Sie sind der Meinung, sie können von ihren Männern nicht mehr fort, weil sie nicht mehr gut genug aussehen – keinen anderen Mann mehr bekämen.
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