Nie war das Thema Fundamentalismus aktueller als in Folge auf den 11. September – und nie war es schwerer, darüber zu schreiben. Politiker argumentierten in Reaktion auf die Terroranschläge weltweit, dass der islamistische Terrorismus eine transkontinentale Bedrohung sei und bekämpft werden müsse. Der amerikanische Präsident George W. Bush sprach vom Kampf Gut gegen Böse, den Amerika gewinnen werde. Immer wieder wurde in Folge des Terroranschlags Samuel Huntington zitiert, der einen „Kampf der Kulturen“ voraussagte.
Doch was ist der Nährboden für die Radikalisierung und Politisierung des Islams? Wie groß ist der Beitrag des Westens? Ist das Problem der Islam selbst, oder ist die Radikalisierung eine Folge der Bedrängung durch die christliche Vormachtstellung im 20. Jahrhundert? Dafür spräche, dass der Islam eine tolerante Religionsgemeinschaft war, als er im Mittelalter die vorherrschende Institution darstellte. Und: Steht Ussama Bin Ladens Al-Quaida, die für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht wird, isoliert da oder folgt sie einem weit verbreiteten, ursprünglich religiös motivierten Gedankengut? In diesem Zusammenhang stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die Bilder jubelnder Muslime ob der schrecklichen Bilder des brennenden Weltwirtschaftszentrums zu erklären sind.
Kaum einer der Kommentatoren zur Entwicklung nach dem 11. September kam ohne die Worte: „Jetzt ist alles anders“ aus. Ist wirklich alles anders? Muss jetzt alles anders sein? Und: Wie kann dieses „Anders“ aussehen? Wie könnte für ein friedvolleres Miteinander gesorgt werden? Durch Interventionen, Liquidierungen und Truppenstationierungen? Oder doch eher durch den entschlosseneren Versuch dem Islam seinen Raum zuzugestehen, seine politische Kultur zu respektieren und für einen faireren Welthandel zu sorgen, der scheinbare Globalisierungsverlierer aus ihrem aufgestauten Frust befreien könnte?
Auf den folgenden Seiten werde ich versuchen, den Begriff des Islamismus zu klären und seinen Ursprung zu ergründen. Dann werde ich mich an die heutige Zeit und die aktuelle Entwicklung heranarbeiten, versuchen, den Gründen für den Zulauf zu fundamentalistischen Vereinigungen nachzugehen und Ansätze aufzuzeigen, die zu einem Zusammenrücken der Kulturen führen könnten.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Aktuelle Schwierigkeiten im Umgang mit dem Thema
1.2 Die Fragen im Angesicht von „Ground Zero“
1.3 Vorgehensweise
2. Hauptteil
2.1 Begriffsklärung
2.2 Ursprünge des Islamismus
2.3 Ein Abwehrkampf
2.4 Wiederaufleben des Islamismus in den 60ern
2.5 Islamismus um die Jahrhundertwende
2.6 Islamismus in Deutschland
3. Schlussfolgerungen
3.1 Kein „Kampf der Kulturen“
3.2 Nachhaltige Politik ist nötig
3.3 Christen brauchen keine Zuflucht
4. Quellenangabe
1. Einleitung
1.1 Aktuelle Schwierigkeiten im Umgang mit dem Thema
Nie war das Thema Fundamentalismus aktueller als in Folge auf den 11. September – und nie war es schwerer, darüber zu schreiben. Tag für Tag füllten am Ende des vergangenen Jahres Essays und Berichte über islamische Fundamentalisten die Zeitungen und versuchten, die Ereignisse des 11. Septembers einzuordnen. Wissenschaftliche Fachliteratur hingegen hat die Entwicklung noch kaum eingeholt: Wer sich fundiert und ausführlich über den Islamismus informieren will, muss den Krieg in Folge auf die jüngsten Terroranschläge ausklammern. Die wissenschaftliche Lektüre hilft jedoch, die Entwicklung zu begreifen und zu erkennen, wie lange der Prozess dauerte, der islamistische Terroristen tatsächlich zu einer Bedrohung für den Westen machte. So erklären Werner Ruf[1] und Albrecht Metzger[2] noch immer wieder, dass Islamismus eine defensive Reaktion auf den westlichen Imperialismus sei und der Kampf vor allem innerhalb der Landesgrenzen stattfinde. Diese These scheint mit dem Angriff auf New York und Washington, der rund 3000 Menschen das Leben kostete, widerlegt. Politiker argumentierten weltweit, dass der islamistische Terrorismus eine transkontinentale Bedrohung sei und bekämpft werden müsse. Der amerikanische Präsident George W. Bush sprach vom Kampf Gut gegen Böse, den Amerika gewinnen werde. Immer wieder wurde in Folge des Terroranschlags Samuel Huntington zitiert, der einen „Kampf der Kulturen“ voraussagte.
1.2 Die Fragen im Angesicht von „Ground Zero“
Doch was ist der Nährboden für die Radikalisierung und Politisierung des Islams? Wie groß ist der Beitrag des Westens? Ist das Problem der Islam selbst, oder ist die Radikalisierung eine Folge der Bedrängung durch die christliche Vormachtstellung im 20. Jahrhundert? Dafür spräche, dass der Islam eine tolerante Religionsgemeinschaft war, als er im Mittelalter die vorherrschende Institution darstellte. Und: Steht Ussama Bin Ladens Al-Quaida, die für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht wird, isoliert da oder folgt sie einem weit verbreiteten, ursprünglich religiös motivierten Gedankengut? In diesem Zusammenhang stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die Bilder jubelnder Muslime ob der schrecklichen Bilder des brennenden Weltwirtschaftszentrums zu erklären sind.
Kaum einer der Kommentatoren zur Entwicklung nach dem 11. September kam ohne die Worte: „Jetzt ist alles anders“ aus. Ist wirklich alles anders? Muss jetzt alles anders sein? Und: Wie kann dieses „Anders“ aussehen? Wie könnte für ein friedvolleres Miteinander gesorgt werden? Durch Interventionen, Liquidierungen und Truppenstationierungen? Oder doch eher durch den entschlosseneren Versuch dem Islam seinen Raum zuzugestehen, seine politische Kultur zu respektieren und für einen faireren Welthandel zu sorgen, der scheinbare Globalisierungsverlierer aus ihrem aufgestauten Frust befreien könnte?
1.3 Vorgehensweise
Auf den folgenden Seiten werde ich versuchen, den Begriff des Islamismus zu klären und seinen Ursprung zu ergründen. Dann werde ich mich an die heutige Zeit und die aktuelle Entwicklung heranarbeiten, versuchen, den Gründen für den Zulauf zu fundamentalistischen Vereinigungen nachzugehen und Ansätze aufzuzeigen, die zu einem Zusammenrücken der Kulturen führen könnten. Dabei ist mir bewusst, dass im Moment Geschichte geschrieben wird, mit der die Geschichtsschreiber nicht mitkommen. Oft werde ich daher nicht über versuchte Bezüge und mögliche Ansätze hinauskommen.
2. Hauptteil
2.1 Begriffsklärung
Der Begriff Fundamentalismus meint allgemein das radikale und kompromisslose Eintreten für politische oder religiöse Grundsätze[3]. Seinen Ursprung hat er in den USA, wo Ende des 19. Jahrhunderts eine Strömung des Protestantismus, die jede moderne Bibelkritik ablehnte, so tituliert wurde. Die Strömung betrachtete Aussagen der Bibel als „irrtums- und widerspruchsfreie Glaubenssätze, die von Gott selbst inspiriert seien.“ Auch heute noch leben in den USA christlich-religiöse Fanatiker, die sich mit Propaganda und Gewalt vor allem gegen Homosexuelle und Abtreibungsbefürworter richten. So verkündete Jarry Falwell, einflussreicher Prediger und Getreuer von Bush während des Wahlkampfs, unmittelbar nach dem 11. September: „Gott hat den Feinden Amerikas gestattet, uns das aufzuerlegen, was wir verdienen (...) Ich wende mich an die heidnischen Geister und an die Abtreibungsverfechter, die Feministinnen, die Schwulen und die Lesben. Ihr habt alle dazu beigetragen, dass dies geschehen konnte![4] “ Wenn über Fundamentalismus gesprochen wird, muss also immer klar sein, dass er in allen Religionen und Kulturen zu finden ist.
Von westlicher Seite aus wurde der Begriff auf islamistische Gemeinschaften übertragen, die einen islamischen Gottesstaat einklagen und die wörtliche Befolgung der Vorschriften des Korans fordern. Als allein westlich geprägter und damit, wie Ruf[5] betont, für Moslems abwertender Begriff wird „Fundamentalismus“ den islamistischen Strömungen jedoch kaum gerecht. So kennzeichnen Werner Ruf und Albrecht Metzger die radikalen islamischen Strömungen als „Islamismus“ und die handelnden Personen als „Islamisten“, in Abgrenzung zu gemäßigten Koran-Gläubigen, den Moslems. Dabei ist jeder Islamist auch ein Moslem, keineswegs aber jeder Moslem ein Islamist[6]. Was Islamisten von Moslems unterscheidet, ist in erster Linie ihre mangelnde Toleranz anderen Strömungen gegenüber und ihre Gewaltbereitschaft. Der gemeinsame Nenner ist der Koran und das Streben nach einem Leben, das dem Vorbild des Propheten Mohammed folgt. Eine Milliarde Muslime leben auf der Welt, ihr Lebensbereich erstreckt sich hauptsächlich von den Philippinen über die arabischen Staaten bis nach Westafrika[7]. Nur ein kleiner Bruchteil dieser großen Zahl lässt sich als Islamisten bezeichnen, von denen wiederum nur ein kleiner Teil militant ist und seinen Zielen unter dem Deckmantel des Glaubens mit Gewalt nacheifert.
Je nach Land und politischer Situation treten Islamisten entweder als Parlamentarier in Erscheinung (wie in der Türkei oder Jordanien), oder sie engangieren sich in Berufsverbänden und stehen im Zentrum der Wirtschaft (wie in Ägypten). Im Libanon dagegen gerieren sich Islamisten als Befreiungsarmee im Kampf gegen fremde Besatzer. Noch heute sind soziale Netzwerke ein Markenzeichen der Islamisten: In Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern übernehmen sie Aufgaben, die eigentlich vom Staat getragen werden müssten. Damit tragen sie viel zum Funktionieren der Gesellschaft bei und dürfen nicht allein von der terroristischen Seite her betrachtet werden, unterstreicht Albrecht Metzger[8].
2.2 Ursprünge des Islamismus
Schon Mitte des 18. Jahrhunderts sahen Wahabiten die islamischen Traditionen bedroht und wollten den arabischen Islam „zur ursprünglichen Reinheit zurückführen“[9]. 1928 gründete Hasan Al-Banna in Ägypten die Muslimbruderschaft, die gemeinhin als erste islamistische Vereinigung betrachtet wird. Die Bruderschaft forderte eine am Koran orientierte Staats- und Gesellschaftsordnung und wandte sich gegen die zunehmenden westlichen Einflüsse, gegen Modernisierung und Verweltlichung. Wie auch die späteren islamistischen Organisationen engagierten sie sich stark im sozialen Bereich, vor allem im Gesundheitswesen. Mit eigenen Zeitungen und Schulen gaben sie ihre Ideale weiter. Auch partizipierten sie an der militärischen Ausbildung. Zwischen 1946 und 1947 beteiligte sich die Bewegung am Krieg der arabischen Länder gegen Israel. 1954 führten die extremen Forderungen der Bruderschaft zum offiziellen Verbot der Organisation in fast allen arabischen Ländern. Sechs Führungsmitglieder der Muslimbruderschaft wurden 1954, nach einem gescheiterten Attentat auf den damaligen ägyptischen Präsidenten Nassar, hingerichtet[10]. In der Folge entwickelten sich immer wieder islamistische Gruppierungen. Obwohl diese oft untereinander zerstritten und von verschiedenen Motiven getrieben sind, rekrutieren sie ihre Ideologien und ihr Gefolge auf dem gleichen Nährboden.
[...]
[1] Vgl. RUF, Werner: Islamischer Fundamentalismus. In: IMBUSCH, Peter / ZOLL, Ralf (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung. 2., überarb u. erw. Aufl., Opladen 1999
[2] Vgl. METZGER, Albrecht: Der Himmel ist für Gott, der Staat für uns. Islamismus zwischen Gewalt und Demokratie. Göttingen 2000
[3] Microsoft Encarta Plus 2000, Fundamentalismus
[4] CLEMONS, Steven C.: Der 11. September - Trügerischer Triumphalismus. In: Le Monde Diplomatique. 12. Oktober 2001, S. 1 und
[5] Vgl. RUF, Werner, a.a.O., S. 273, Z. 2ff.
[6] Vgl. METZGER, Albrecht, a.a.O.,
[7] METZGER, Albrecht, a.a.O.,
[8] Vgl. METZGER, Albrecht, a.a.O.,
[9] Vgl. TRÖTSCHER, Hans Peter: Der Islam. In: FAZ, 12. Oktober 2001
[10] Vgl. Microsoft Encarta Plus 2000, Muslimbruderschaft
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