Die US-Tageszeitung „New York Times“ wirbt bereits seit über 100 Jahren mit dem Slogan „All the news that’s fit to print“ um ihre Leser. Was soviel bedeutet wie „Alle Neuigkeiten, die es wert sind gedruckt zu werden“. Bei genauerer Betrachtung ist dieser Spruch ebenso griffig wie nichts sagend. Denn wann wird ein Ereignis eigentlich zur Nachricht und wann ist sie es wert, gedruckt zu werden? Dies wiederum wirft die Fragen auf, nach welchen Kriterien Journalisten auswählen und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Und letztendlich: Kann die Realität in der journalistischen Berichterstattung überhaupt angemessen wiedergegeben werden? Um diese Fragen zu beantworten, haben sich in der Medienwissenschaft drei Forschungsrichtungen etabliert. Ein Ansatz ist die Gatekeeper-Theorie. Sie geht davon aus, dass Journalisten und Redakteure als „Torwächter“ eine Art Filterfunktion ausüben und aus einer Flut von Ereignissen einige wenige auswählen, welche dann veröffentlicht werden. Ausschlaggebend für die Selektionsentscheidung sind demnach subjektive Einstellungen der Journalisten. Dieser Forschungsansatz interessiert sich somit für die bewussten oder auch unbewussten Entscheidungsprozesse und impliziert, dass durch die vorangegangene Selektion der Journalisten nur noch eine sehr begrenzte Informationsmenge beim Medienkonsumenten ankommt. Der zweite Ansatz innerhalb der Medienwissenschaft ist die News-Bias-Forschung. Diese Forschungsrichtung konzentriert sich darauf, Unausgewogenheiten, Einseitigkeiten und politische Tendenzen in der Berichterstattung zu ermitteln und die Gründe dafür zu analysieren. Die Grundüberlegung lautet, dass Massenmedien keineswegs die Realität lediglich reflektieren, sondern dass die Nachrichtenauswahl der Journalisten vielmehr einseitig und politisch motiviert ist. Die Nachrichtenwerttheorie stellt schließlich den dritten Ansatz dar. Sie geht davon aus, dass Ereignisse über klar bestimmbare Eigenschaften verfügen, die über die Publikationswürdigkeit eines Ereignisses entscheiden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geburtsstunde des Nachrichtenwerts in den USA
- Einar Östgaard: Wegbereiter für Europa
- Die erste Nachrichtenwerttheorie
- Zwölf Nachrichtenfaktoren
- Fünf Hypothesen
- Diskussion und Kritik
- Methodologische Kritik
- Die Konstruktion von Realität in den Mediennachrichten
- Überarbeitung des Nachrichtenfaktorenkataloges
- Unterschiedliche Einflüsse der Nachrichtenfaktoren
- Kausalmodell vs. Finalmodell
- Der prognostische Gehalt der Nachrichtenwerttheorie
- Reformulierung
- Analysemodell
- Diskussion und Kritik
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Nachrichtenwerttheorie und ihrem Einfluss auf die Konstruktion von Nachrichten. Sie untersucht den Ursprung und die Entwicklung der Theorie, analysiert verschiedene Modelle und diskutiert die Relevanz für die Medienwissenschaft.
- Der Ursprung der Nachrichtenwerttheorie in den USA
- Die Entwicklung der Nachrichtenwerttheorie und ihre Schlüsseltheoretiker
- Die Funktionsweise der Nachrichtenfaktoren und ihre Einfluss auf die Nachrichtenauswahl
- Die Bedeutung der Nachrichtenwerttheorie für die Analyse von Medieninhalten
- Kritik und Weiterentwicklung der Nachrichtenwerttheorie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz der Nachrichtenwerttheorie in der Medienwissenschaft dar und stellt die drei Forschungsrichtungen - Gatekeeper-Theorie, News-Bias-Forschung und Nachrichtenwerttheorie - vor.
- Geburtsstunde des Nachrichtenwerts in den USA: Dieses Kapitel behandelt die frühen Anfänge der Nachrichtenwerttheorie in den USA, insbesondere Walter Lippmanns Werk „Public Opinion“, das den Grundstein für die Entwicklung der Theorie legte. Die zentrale These ist, dass Journalisten aufgrund der Komplexität der Welt selektieren müssen und dabei bestimmte Kriterien heranziehen, die den Nachrichtenwert eines Ereignisses bestimmen.
- Einar Östgaard: Wegbereiter für Europa: Dieses Kapitel untersucht die Verbreitung und Weiterentwicklung der Nachrichtenwerttheorie in Europa, insbesondere die Arbeit des norwegischen Medienwissenschaftlers Einar Östgaard. Er trug maßgeblich dazu bei, die Nachrichtenfaktoren zu systematisieren und zu einem wichtigen Bestandteil der Medienanalyse zu machen.
- Die erste Nachrichtenwerttheorie: Dieses Kapitel analysiert die erste systematische Nachrichtenwerttheorie, die von Östgaard entwickelt wurde. Es werden die zwölf Nachrichtenfaktoren und die fünf Hypothesen der Theorie vorgestellt. Weiterhin werden kritische Punkte der Theorie diskutiert.
- Methodologische Kritik: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit methodologischen Kritikpunkten an der Nachrichtenwerttheorie. Es werden die Probleme der Operationalisierung und Messung der Nachrichtenfaktoren sowie die Frage der Validität der Theorie diskutiert.
- Die Konstruktion von Realität in den Mediennachrichten: Dieses Kapitel untersucht, wie die Nachrichtenfaktoren die Konstruktion von Realität in den Medien beeinflussen. Es werden die Überarbeitung des Nachrichtenfaktorenkataloges und die unterschiedlichen Einflüsse der Faktoren auf die Nachrichtenauswahl beleuchtet.
- Kausalmodell vs. Finalmodell: Dieses Kapitel stellt zwei unterschiedliche Modelle zur Erklärung der Nachrichtenwerttheorie vor - das Kausalmodell und das Finalmodell. Es werden die Vor- und Nachteile der beiden Modelle diskutiert.
- Der prognostische Gehalt der Nachrichtenwerttheorie: Dieses Kapitel beleuchtet die Möglichkeit, die Nachrichtenwerttheorie zur Vorhersage der Medienberichterstattung zu nutzen. Es werden die Reformulierung der Theorie, das Analysemodell und die Kritik an dem prognostischen Gehalt der Nachrichtenwerttheorie diskutiert.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit behandelt die zentralen Themen und Konzepte der Nachrichtenwerttheorie, darunter die Nachrichtenfaktoren, die Publikationswürdigkeit, die Konstruktion von Realität, die Selektionsentscheidungen von Journalisten sowie die Relevanz der Theorie für die Medienwissenschaft.
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- Kai Olschewski (Author), 2005, Die Nachrichtenwerttheorie - Wie ein Ereignis zur Nachricht wird, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62097