Da es in der Literatur unterschiedliche Begriffsbestimmungen und Vorstellungen bezüglich einiger relevanter theoretischer Begriffe und Konstrukte dieser Arbeit gibt, erachte ich es im ersten Kapitel als notwendig, eine kurze und zusammenfassende Darstellung zu geben, um ein allgemeines Grundverständnis dieser Materie abzusichern. Das zweite Kapitel gibt, unter Berücksichtigung von Differenzen, einen Überblick über die aktuellen sozio - ökonomischen und rechtlichen Lebensverhältnisse von Ausländern in Deutschland. Abschließend werden Konsequenzen aus der bestehenden Ausgangslage gezogen und in Zusammenhang mit der Problemstellung dieser Arbeit gebracht. Einen umfassenden Überblick über die Geschehnisse beim Aufeinandertreffen von Eigenem und Fremdem enthält das dritte Kapitel. Es wird geklärt, in welcher Form sich Abgrenzungskategorien in interkulturellen Begegnungssituationen äußern und wodurch sie sich begründen lassen. Dieser Abschnitt benennt nicht nur die Faktoren, welche Eskalationspotentiale in interkulturellen Konflikten darstellen, sondern verdeutlicht auch deren beeinträchtigende und hindernde Wirkung in der Konfliktbearbeitung. Das vierte Kapitel befasst sich eingehend mit den Grundlagen interkultureller Konflikte. Nach einer Begriffsdefinition erfolgt eine ausführliche Darstellung der Ursachen und Formen interkultureller Konflikte. Die anschließende Erläuterung der Wirkung von Machtprozessen auf diese Konflikte rundet den Überblick ab. Dieses Kapitel endet mit detaillierten Hinweisen zum Umgang mit den Besonderheiten interkultureller Konflikte. Ausgehend von dem vermittelten Grundlagenwissen in den vorangegangenen Kapiteln widmet sich das fünfte Kapitel ausschließlich den Voraussetzungen, Formen und Methoden interkultureller Konfliktregelungen für die Sozialarbeit. Mit Bezug auf die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse werden neue Aufgaben und Anforderungen der sozialen Arbeit formuliert und die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten verdeutlicht. Danach folgt eine kritische Auseinandersetzung mit den Handlungsformen und Methoden der interkulturellen Konfliktregelung. Bevor im Anhang eine Übersicht zu den Bereichen interkultureller Kompetenz sowie ein Leitfaden zur Bearbeitung interkultureller Konflikte vorgestellt werden, erfolgt in der Schlussbetrachtung das Fazit und ein Ausblick zur Thematik interkultureller Konfliktregelungen durch die Sozialarbeit.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Begriffdefinitionen
1.1 Der Begriff „Ausländer“
1.2 Der Begriff „Migration“
1.3 Der Begriff „Kultur“
1.4 Die Begriffe „multi-, inter- und transkulturell“
1.5 Die Begriffe „Konflikt“ und „Konfliktregelung“
1.6 Der Begriff „Integration“
2 Die aktuelle Situation von Ausländern in Deutschland
2.1 Deutschland als Einwanderungsland
2.2 Die rechtliche Stellung von Ausländern
2.3 Sozioökonomische und psychosoziale Lage der Ausländer
2.3.1 Erwerbstätigkeit
2.3.2 Schul- und Bildungssituation
2.3.3 Einkommenssituation
2.3.4 Wohnsituation
2.3.5 Gesundheit
2.4 Konsequenzen aus der veränderten Ausgangslage
3 Das Eigene und das Fremde
3.1 Ethnozentrismus
3.2 Vorurteile / Stereotype
3.3 Ausländerfeindlichkeit und Rassismus
3.4 Nation und Ethnizität
4 Interkulturelle Konflikte
4.1 Arten interkultureller Konflikte und ihre Entstehung
4.2 Machtasymmetrien und ihre Wirkung auf interkulturelle Konflikte
4.3 Besondere Aspekte im Umgang mit interkulturellen Konflikten
5 Handlungsfelder der Sozialarbeit zur interkulturellen Konfliktregelung
5.1 Aufgabe und Inhalt der Migrationssozialarbeit
5.2 Anforderungen an die Sozialarbeit
5.2.1 Interkulturelle Kompetenz
5.2.2 Interkulturelle Kommunikation
5.3 Methoden der interkulturellen Konfliktregelung
5.3.1 Empowerment
5.3.2 Gemeinwesenarbeit
5.3.3 Soziale Netzwerkarbeit
5.3.4 Interkulturelle Mediation
6 Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland nach den häufigsten Staatsangehörigkeiten am 31. Dezember
Tabelle 2: Entwicklung der Flüchtlingszahlen nach Gruppen von 1997 – 2002
Tabelle 3: Entwicklung der jahresdurchnittlichen Arbeitslosenquote - Bundesgebiet West-
Tabelle 4: Konfliktpotentiale im interkulturellen Konflikt
Tabelle 5: Der strategische Einsatz von Konfliktpotentialen im interkulturellen Konflikt
Tabelle 6: Die konfliktfähige Persönlichkeit
Tabelle 7: Konflikte bearbeiten in sieben Schritten
Tabelle 8: Indirekter und direkter Kommunikationsstil
Tabelle 9: Expressiver und zurückhaltender Kommunikationsstil
Tabelle 10: Vier Bereiche „Interkultureller Kompetenzen“
Einleitung
Das Jahr 2001 wurde von den UN als „Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen“ erklärt. In den Augen der Vereinten Nationen sind ein tieferes interkulturelles Verständnis und die Achtung anderer Kulturen entscheidende Voraussetzungen für die Verhinderung von inner- sowie zwischenstaatlichen Konflikten (vgl. Deutsche Unesco – Kommission e.V. 1998: 1). Gerade in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hat die Zahl innerstaatlicher, ethnisch - kultureller Kriege zugenommen (vgl. Meyer 1997: 328). Dies ist mitunter ein „(...) Resultat konfliktiver gesellschaftlicher Entwicklungen und sozialer Transformationsprozesse, die als typische Begleiterscheinung der Moderne angesehen werden können“ (Schlichte u. a. 1997: 329).
Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es ab 1990 eine steigende Anzahl rassistisch und fremdenfeindlich motivierter Straftaten, die sich gegen Menschen anderer kultureller und nationalstaatlicher Herkunft richteten (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002: 264). Die Angst vor Arbeitslosigkeit, dem Verlust von Privilegien und Lebenschancen sind nur einige Ursachen, welche ausländische Menschen in Deutschland zu „Sündenböcken“ werden lassen. Dabei hat die deutsche Wirtschaft schon seit vier Jahren auf ein Zuwanderungs-gesetz gedrängt, dass den Zuzug von qualifizierten, ausländischen Fachkräften regelt, um den Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt zu beheben. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes im Juli dieses Jahres wurde nun erstmals anerkannt, dass es in Deutschland Zuwanderung gibt und auch weiter geben wird; ja das die Bundesrepublik sogar auf Einwanderung angewiesen ist. In dieser Arbeit kann diese grundlegende und aktuelle Diskussion nicht vertiefend erörtert werden, jedoch sprechen die ansteigende Mobilität von Menschen sowie der globale Austausch von Informationen und Dienstleistungen dafür, dass Deutschland auch zukünftig ein Einwanderungsland und somit eine multikulturelle Gesell-schaft sein wird. Aus dem multikulturellen Zusammenleben ergeben sich jedoch immer wieder Spannungsfelder und Konflikte verschiedenen Grades und unterschiedlichen Ausmaßes.
In diesem Kontext wird zum einen die Frage bearbeitet, welche Konflikte sich aus einem multikulturellen Zusammenleben ergeben und was deren mögliche Ursachen sind, und zum anderen, inwieweit diese Auseinander-setzungen einen Handlungsauftrag für die soziale Arbeit implizieren und mit welchen Mitteln und Maßnahmen dieser vollzogen werden kann.
In dieser Arbeit geht es zunächst darum, die Lebenssituation und -bedingungen von ausländischen Menschen in Deutschland darzustellen, so dass der Leser ein Verständnis für die veränderte Ausgangslage aus der Konflikte entstehen und sich erhärten können, entwickelt. In diesem Zusammenhang erfolgt zudem eine theoretische Auseinandersetzung mit den psychologischen Prozessen, die beim Zusammentreffen von aneinander fremden Menschen ausgelöst werden können. Es wird geklärt, warum aus den gesellschaftlichen Veränderungen und Bedingungen interkulturelle Konflikte resultieren und dass diese zu einem Bedeutungszuwachs von sozialer Arbeit, die auf die Stärkung, Erhaltung und Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von Menschen zielt, führen.
In Anbetracht der Notwendigkeit von Sozialarbeit ergeben sich bestimmte Aufgaben und Anforderungen. Um kulturübergreifende Begegnungen erfolgreich zu gestalten, ist das Erlernen komplexer Fähigkeiten des Umgangs miteinander erforderlich. Hierbei ist die Sozialarbeit in besonderer Weise angesprochen, interkulturelle Handlungskompetenzen zu entwickeln und neue Möglichkeiten und Formen der Kommunikation und des konstruktiven Umgangs mit interkulturellen Konflikten aufzuzeigen.
In diesem Zusammenhang wird auf die Kritik eingegangen, dass sich die Sozialarbeit noch nicht ausreichend an die gesellschaftlichen Wandlungs-prozesse angepasst hat und ein Mangel an neuen Konzepten vorliegt. Zudem beschränkt sie sich noch zu sehr auf Hilfe und Unterstützung bei bereits eingetretenen Schwierigkeiten und Problemen und weniger auf die Förderung präventiver Angebote, welche Konflikteskalationen und Gewalttaten verhindern können.
Da sich diese Arbeit mit der aktuellen Situation in Deutschland auseinandersetzen wird, bezeichnet der Begriff 'Gastland' im Titel die Bundesrepublik Deutschland. Mit 'Leben' sollen in dieser Arbeit alle sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten und Bedingungen in einem Land gemeint sein. Diese unterscheiden sich von Land zu Land in unterschiedlichem Ausmaß.
Aufbau der Arbeit
Da es in der Literatur unterschiedliche Begriffsbestimmungen und Vorstellungen bezüglich einiger relevanter theoretischer Begriffe und Konstrukte dieser Arbeit gibt, erachte ich es im ersten Kapitel als notwendig, eine kurze und zusammenfassende Darstellung zu geben, um ein allgemeines Grundverständnis dieser Materie abzusichern.
Das zweite Kapitel gibt, unter Berücksichtigung von Differenzen, einen Überblick über die aktuellen sozio - ökonomischen und rechtlichen Lebensverhältnisse von Ausländern in Deutschland. Abschließend werden Konsequenzen aus der bestehenden Ausgangslage gezogen und in Zusammenhang mit der Problemstellung dieser Arbeit gebracht.
Einen umfassenden Überblick über die Geschehnisse beim Aufeinander-treffen von Eigenem und Fremdem enthält das dritte Kapitel. Es wird geklärt, in welcher Form sich Abgrenzungskategorien in interkulturellen Begegnungssituationen äußern und wodurch sie sich begründen lassen. Dieser Abschnitt benennt nicht nur die Faktoren, welche Eskalationspotentiale in interkulturellen Konflikten darstellen, sondern verdeutlicht auch deren beeinträchtigende und hindernde Wirkung in der Konfliktbearbeitung.
Das vierte Kapitel befasst sich eingehend mit den Grundlagen interkultureller Konflikte. Nach einer Begriffsdefinition erfolgt eine ausführliche Darstellung der Ursachen und Formen interkultureller Konflikte. Die anschließende Erläuterung der Wirkung von Machtprozes-sen auf diese Konflikte rundet den Überblick ab. Dieses Kapitel endet mit detaillierten Hinweisen zum Umgang mit den Besonderheiten interkul-tureller Konflikte.
Ausgehend von dem vermittelten Grundlagenwissen in den vorangegan-genen Kapiteln widmet sich das fünfte Kapitel ausschließlich den Voraussetzungen, Formen und Methoden interkultureller Konfliktrege-lungen für die Sozialarbeit. Mit Bezug auf die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse werden neue Aufgaben und Anforderungen der sozialen Arbeit formuliert und die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten verdeutlicht. Danach folgt eine kritische Auseinandersetzung mit den Handlungsformen und Methoden der interkulturellen Konflikt-regelung.
Bevor im Anhang eine Übersicht zu den Bereichen interkultureller Kompetenz sowie ein Leitfaden zur Bearbeitung interkultureller Konflikte vorgestellt werden, erfolgt in der Schlussbetrachtung das Fazit und ein Ausblick zur Thematik interkultureller Konfliktregelungen durch die Sozialarbeit.
Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass in der Textformulierung - im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit - zwar die männliche Form dominiert, aber eben immer auch die weibliche Form eingeschlossen ist.
1 Begriffsdefinitionen
Im folgenden Kapitel werden die für das Verständnis dieser Arbeit relevanten Begriffe definiert und erläutert.
1.1 Der Begriff „Ausländer“
Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist, d. h. nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dieser rechtliche Begriff des Ausländers lässt jedoch eingebürgerte Personen sowie (Spät)Aussiedlerinnen/Aussiedler[1] außen vor. Daher hat sich international der Begriff „Migrantin/Migrant“ durchgesetzt, welcher auch die Nachfolgegenerationen der in Deutschland geborenen Migranten einschließt (vgl. Vink 2003: 1). Diese Arbeit fokussiert sich entsprechend dem Titel auf alle zugewanderten Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Laut Vink gehören zur Gruppe der Ausländer:
„Arbeitsmigrantinnen/-migranten (ehemalige Gastarbeiterinnen/Gastarbei-ter und deren Familien sowie die überwiegend aus osteuropäischen Ländern kommenden Saison-, Gast- und Werkvertragsarbeitnehmer), Flüchtlinge (Asylbewerber, Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge[2], Bürgerkriegsflüchtlinge[3], jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion sowie de-facto Flüchtlinge[4])“ (Vink 2003: 1).
Zu den Arbeitsmigranten gehören vor allem die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen zwischen 1955 und 1973 angeworbenen Gastarbeiter und deren Familien. Herkunftsländer sind Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, die Türkei, Marokko, Tunesien und das ehemalige Jugoslawien. Durch die Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV) können jedoch auch heutzutage noch Ausländer zu Arbeitszwecken in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Im überwiegenden Maße erhalten Saisonarbeiter, die in der Landwirtschaft tätig sind, eine befristete Arbeitserlaubnis (vgl. Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ 2001: 16).
Gemäß Artikel 1 der Genfer Konvention ist ein Flüchtling jede Person,
„(...) die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will“ (Diakonisches Werk 1994: 2).
Eine große Zahl der Flüchtlinge beantragt Asyl, um die Anerkennung als politisch Verfolgte laut Artikel 16a GG (die Asylberechtigung) zu erhalten.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge prüft in dem Anerkennungsverfahren folgende Kriterien:
- Nachweis von individueller staatlicher Verfolgung im Heimatland vorhanden = Asyl nach § 16a GG mit unbefristeter Aufenthalts-erlaubnis (eher selten)
- Nachweis eines sonstigen Verfolgungsschicksals nach Genfer Flüchtlingskonvention = „kleines Asyl“ gemäß § 51 AuslG mit Aufenthaltsbefugnis und Abschiebeschutz (ebenfalls selten)
- Temporärer Abschiebeschutz bei Gefahr für Leib und Leben nach Rückkehr = Schutz nach § 53 AuslG mit einer Duldung[5] (vgl. Mies-van Engelshoven 2001: 4).
Asylbewerber sind Flüchtlinge, die einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gestellt haben. Sie erhalten während des Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht mit bestimmten Einschränkungen, z.B. Unterbringung in einem Flüchtlingswohnheim, befristetes Arbeitsverbot und Ausbildungs-verbot, verminderte Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz (AsylbLG), kein Anspruch auf Integrationsmaßnahmen (vgl. Diakonisches Werk 1994: 2).
Nach Artikel 16a Abs. 1 GG rechtmäßig anerkannte Flüchtlinge werden als Asylberechtigte bezeichnet. Sie erhalten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und sind gegenüber anderen Flüchtlingsgruppen, z.B. durch eine freie Wohnungswahl, den Erhalt einer Arbeitserlaubnis und den Anspruch auf Integrationsmaßnahmen in vielerlei Hinsicht privilegiert.
Kontingentflüchtlinge werden rechtlich Asylberechtigten gleichgestellt. De-facto-Flüchtlinge erhalten für die Dauer ihres Aufenthaltes eine Duldung. Ähnlich wie Asylbewerber unterliegen sie bestimmten Einschränkungen und erhalten keine staatlichen Fördermaßnahmen (vgl. Diakonisches Werk 1994: 2 ff.).
Alle Ausländergruppen gelangen durch Migrationsprozesse nach Deutsch-land.
1.2 Der Begriff „Migration“
Migration wird (lateinisch und englisch = Wanderung) als „Wanderungs-prozeß von Einzelnen und Gruppen über Nationalitätsgrenzen hinweg“ (Braun- v. d. Brelie 2002: 643) definiert. Migration gab es schon immer im Laufe der Geschichte der Menschheit und war bedingt durch vielfältige Ursachen (z. B. religiöse Verfolgung, Kriege, Anstieg der Bevölkerung und Verarmung breiter Massen, Arbeitskräftemangel). Durch die weltweite Globalisierung ist Migration eine bedeutende Erscheinung der Gegenwart geworden. Es gibt heutzutage schätzungsweise 125 Mio. Migranten (vgl. ebd.).
Die Gruppe der Zuwanderer ist äußerst heterogen und geprägt von verschiedenen Faktoren, wie nationale Herkunft und Herkunftskultur, Migrationsziel und -erfahrungen, Aufenthaltsdauer sowie -titel, Bildung und Ausbildung, sozioökonomischer Lage, familiären Lebensformen, Ausmaß der sozialen Integration, Rückkehrorientierung usw.
Ebenso vielfältig und komplex sind die Ursachen gegenwärtiger grenzüberschreitender Migration: Armut, Entzug der Lebensgrundlagen durch Umweltzerstörung, bewaffnete Konflikte und gravierende Menschenrechtsverletzungen, Suche nach wirtschaftlicher Verbesserung oder die Aufnahme einer Arbeit im Ausland u. a. (vgl. ebd.).
1.3 Der Begriff „Kultur“
„Eine Kultur ist [ ... ] die Form
der Bearbeitung des Problems,
daß es auch andere Kulturen gibt“
(Baecker in Ackermann u. a. 2000: 9).
„Kultur“ (von lateinisch „colere“ = bebauen, bestellen, pflegen) ist ein Begriff, der oft und mehrdeutig verwendet wird. Selbst in den Wissenschaften gibt es keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition von Kultur (vgl. Maletzke 1996: 15).
Der Begriff „Kultur“ wurde im 17. Jahrhundert erstmalig von Samuel von Pufendorf verwendet. Er definierte „Kultur“ als ein „(...) Generalbegriff sämtlicher Tätigkeiten eines Volkes, einer Gesellschaft und einer Nation“ (vgl. Welsch 2002: 1). Es folgten weitere klassische Kulturdefinitionen von Tylors (1832 - 1917), Durkheims (1858 - 1917), Malinowskis (1884 - 1942) u. a., welche gemeinsam „(...) Kultur als unverwechselbare, historisch dauerhafte und komplexe Ganzheit begreif(en), die (...) alle Aspekte der Lebensweise einer Gruppe von Menschen umfaßt, die nicht mit ihrer biologischen Natur in Zusammenhang stehen“ (Ackermann u. a. 2002: 20). „Kultur“ wird als ein homogenes, nach außen abgegrenztes System begriffen, welches der „Natur“ gegenübersteht. Auch Johann Gottfried Herder (1744 - 1803) war ein Verfechter dieses homogenen Verständnis-ses von Kultur. Eine Kultur basiert nach seiner Vorstellung auf eine ethnische und soziale Einheitlichkeit. Sie ist ein nach außen abgeschlossenes System, das mit den Grenzen eines Nationalstaates identisch ist. Nach Herders Auffassung können Kulturen als Kugeln oder eigenständige Inseln, welche mit dem Territorium und der Sprache eines Volkes übereinstimmen, beschrieben werden (vgl. Welsch 2002: 1).
Die Ereignisse in der Geschichte der Menschheit als auch in der Gegenwart beweisen, dass der Herdersche Kulturbegriff eine rein ideelle und irreale Vorstellung ist. Ackermann kritisiert das traditionelle Kulturkonzept, da es das wechselseitige Beeinflussen unterschiedlicher Kulturen und die Differenziertheit innerhalb einer Kultur übersieht. So ist es seiner Ansicht nach nicht auf heutige moderne Gesellschaften übertragbar (vgl. Ackermann u. a. 2002: 22).
In der Wissenschaft wird der Begriff „Kultur“ außerdem noch zur Bezeichnung der geistigen Produkte („immaterielle Kultur“) einer Gesellschaft verwendet, um den kulturellen Wandel in einer Gesellschaft zu erklären. Zur „geistigen“ Kultur gehören künstlerische Werke und Lebensäußerungen (Musik, Theater, Kunst, Literatur, Politik usw.) (vgl. Hillmann 1994: 460). Von beiden Begriffsverständnissen grenzt sich diese Arbeit ab.
Hier wird die von den Sozialwissenschaften entwickelte Definition von „Kultur“ verwendet. Kultur ist demnach
„(...) die Gesamtheit der Lebensformen, Wertvorstellungen u. der durch menschl. Aktivitäten geformten Lebensbedingungen einer Bevölkerung in einem histor. und regional abgrenzbaren (Zeit)Raum. Zur K. gehören: alle (von vorausgegangenen Generationen) übernommenen u. im Prozeß der Weiterentwicklung u. Veränderung befindl. materiellen Gestaltungsformen der Umwelt (Bauten, Werkzeuge und Geräte); das Wissen u. die Nutzung von gesetzmäßig ablaufenden Naturprozessen einschl. des menschl. Lebens (Wiss. u. Technik); alle Ideen, Werte, Ideale; Sinngebungen u. Symbole; die Methoden u. Institutionen des ges. Zus.lebens“ (Hillmann 1994: 460).
Mit Hilfe dieses komplexen Begriffes können Teile (Regionalkulturen), begrenzte Bereiche (Subkulturen) oder auch ganze Gesellschaften beschrieben werden (vgl. Klein 2000: 197).
Eine Kultur kann sich bildlich als Eisberg vorgestellt werden. Der Teil über dem Wasser ist der sichtbare Teil des Eisbergs, der große Teil unter dem Wasser ist verborgen und unsichtbar. Ebenso verhält es sich mit der „Kultur“. Für Fremde und Touristen sichtbare Merkmale einer anderen Kultur sind z. B. Kleidung, Verhalten, Ausdrucksmittel und Organisations-formen. Zur Tiefenstruktur einer Kultur gehören das Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbild, z. B. Religion, Ideologie, Verständnis Zeit/Raum, Rolle der Frau/Familie, Rechtsverständnis, Autorität des Staates, hierarchisches Empfinden. Aufgrund dieser bedeutenden verborgenen Elemente einer Kultur lassen sich viele Verhaltensweisen und Merkmale erst durch die Binnenperspektive verstehen und erklären (vgl. Heimannsberg u. a. 2000: 75).
„Kultur“ als ein Orientierungssystem beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln ihrer Angehörigen und ermöglicht ein Gefühl der Sicherheit durch die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft, Organisation oder sozialen Gruppe. Die „Kultur“ bestimmt das Verhalten von Menschen und befähigt sie zum sozialen Umgang miteinander. Hoffmann weist zudem auf die Bedeutung von „Kultur“ als „(...) ein Modell von der Wirklichkeit wie ein Modell für die Wirklichkeit“ (Hoffmann 2002: 108) hin.
Mit dem Ersteren meint Hoffmann,
„(...) dass Kultur dem Menschen eine Ganzheit von Interpretations-rahmen bietet, nach denen er sich in der jeweiligen Situation orientieren kann. Als Modell für die Wirklichkeit verschafft Kultur dem Menschen eine Ganzheit von Instruktionen und Anweisungen für richtiges, adäquates und effektives Handeln“ (ebd.).
Mit Hilfe von Symbolen (z. B. Sprache) werden diese Modellbildungen ausgedrückt.
Die modernen Kulturkonzepte sehen Kultur nicht länger als ein homogenes, sondern dynamisches System, in dem der Mensch nicht nur Produkt, sondern auch Produzent von Kultur ist. Menschen werden zwar durch ihre kulturelle Zugehörigkeit geprägt, doch sind sie gleichzeitig die Autoren ihrer eigenen Kultur. Zudem bewegen sich Personen nicht ausschließlich in einer, sondern in verschiedenen kulturellen Gruppen (Subkulturen[6]), wie Familie, Geschlecht, Religion, soziale Klasse, die prägend wirken (vgl. Hillmann 1994: 460).
„Kulturen sind keine homogenen, widerspruchsfreien Bedeutungs-systeme. Zwischen ihnen sind die Grenzlinien nicht eindeutig: Es gibt zwar deutliche Unterschiede, aber auch Überschneidungen und Familienähnlichkeiten“ (Leenen u. a. 2002: 85).
„Kultur“ ist in diesem Sinne einem ständigen Wandel ausgesetzt und muss sich fortwährend geänderten Lebensbedingungen anpassen. Bezeichnend ist ihre Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit.
Die in der Wissenschaft verwendeten Begriffe „Enkulturation“ und „Akkulturation“ deuten auf das Verhältnis von Kultur und Gesellschaft sowie von Kultur und Sozialisation hin. „Das Erlernen und die Übernahme der K.-Muster der Gesellschaft, in die man hineingeboren wurde“ (Klein 2000: 198), ist der Prozess der Enkulturation. Er steht in engem Zusammenhang mit den Abläufen und Instanzen der Sozialisation. Der Begriff „Akkulturation“ ist im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit wichtig, da er den Vorgang der „(...) Aufnahme von Bestandteilen einer fremden K. durch Individuen oder ganze Gesellschaften anderer K.-Zugehörigkeit, die unter den Einfluß der Fremd-K. geraten“ (ebd.), bezeichnet. Durch die derzeitigen Migrationsvorgänge finden Akkulturationsprozesse statt.
In der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturkreisen sollten kulturelle Unterschiede weder unterschätzt noch überbewertet werden. Wichtig ist das Erkennen von universellen Gemeinsamkeiten, die eine Interaktion mit Menschen einer anderen kulturellen Gruppe erleichtern können. Zum Verstehen einer fremden Kultur und anderer kultureller Einstellungen und Verhaltensweisen darf der gesellschaftliche und individuelle Hintergrund des Interaktionspartners nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Schramkowski 2001: 8 ff.).
1.4 Die Begriffe „multi-, inter- und transkulturell“
Der Begriff „multikulturell“ (lateinisch multi = viele) beschreibt das Zusammenleben verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft. Das frühere Konzept der multikulturellen Gesellschaft, das von einem Nebeneinander unterschiedlicher, sich nicht verändernder Nationalkul-turen ausgeht, ist widerlegt worden. „Kultur“ kann nicht mit „Nationalkultur“ gleichgesetzt werden. Innerhalb moderner Gesellschaften haben zunehmende Binnendifferenzierungen nach Regionen, Generationen, Professionen, Konfessionen, Lebensstilen usw. stattgefunden. Neben der innerstaatlichen kulturellen Vielfalt können sich auch Kulturgemeinschaf-ten über Staatsgrenzen hinaus formieren. Multikulturalität ist zu einem Kennzeichen gegenwärtiger Gesellschaften geworden (vgl. Gemende u. a. 1999: 209).
Der Begriff „interkulturell“ kann demnach auch nicht mehr wie im früheren Sprachgebrauch mit „international“ gleichgesetzt werden (vgl. ebd.). Die Bezeichnung „interkulturell“ wird zur Betonung der interaktiven Merkmale zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise (lateinisch inter = zwischen) verwendet. Die Interkulturalität befasst sich mit den Begegnungs- und Beziehungsaspekten fremder Kulturen (vgl. Hinz-Rommel 1994: 32 f.). Sie bezieht sich damit nicht nur auf die Begegnung mit ausländischen Menschen, sondern ebenso auf den Austausch kulturell unterschiedlicher Menschen oder Gruppen einer Nationalität. Diese Arbeit konzentriert sich allerdings auf die Untersuchung interkultureller Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen und den daraus resultierenden Konflikten. Sie lässt Konflikte zwischen kulturell unterschiedlichen Gruppen einer Nation (z. B. verschiedene Berufsgruppen: deutscher Arzt - deutscher Automechaniker) außer Acht.
Entsprechend der vorangegangenen Definition von „interkulturell“ gehören die Interaktionspartner in einer interkulturellen Begegnung unterschied-lichen Kulturen an. Zur Definition von kultureller Zugehörigkeit gibt es verschiedene Ansichten. Der kulturrelativistische bzw. kontextuelle Ansatz geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation oder zu einem durch Religion und geografischer Nähe gekennzeichneten Kulturkreis der bestimmende Faktor in interkulturellen Konflikten ist, und mögliche Gemeinsamkeiten durch die Zugehörigkeit zu anderen kulturellen Gruppen in den Hintergrund drängt. Demnach soll die unterschiedliche nationale - kulturelle Zugehörigkeit einer Krankenschwester aus Hamburg und einer Krankenschwester aus Bombay den Gemeinsamkeiten dieser Berufsgruppe überwiegen (vgl. Liebe u. a. 1999b: 20).
Die entgegen gesetzte Ansicht nimmt an, dass die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Krankenschwestern den Unterschieden in der nationalen - kulturellen Zugehörigkeit überlegen sind. Im Falle eines Konfliktes sind immer genügend Gemeinsamkeiten vorhanden, um zu einer friedlichen Vereinbarung zu kommen. Dieser Ansatz wird universalistisch genannt. Beide Ansichten haben ihre Berechtigung, bedeuten jedoch auch eine Ein-schränkung. Daher erscheint eine Verbindung zwischen beiden Ansätzen am sinnvollsten zur Bestimmung und Regelung eines interkulturellen Konfliktes (vgl. ebd.).
Gegenwärtig werden die Konzepte „Multikulturalität“ und „Interkulturalität“ mit der Feststellung kritisiert, dass sie von einem statischen Kulturkonzept ausgehen. Herders Theorie der Kugel- oder Inselhaftigkeit von Kulturen findet sich laut Welsch in beiden Begrifflichkeiten wieder. Durch das Nebeneinanderliegen in sich homogener Kulturen seien Konflikte vorprogrammiert (vgl. Welsch 2002: 1 f.). Da interkulturelle Probleme aus der Kugelauffassung von Kulturen resultieren, vermag das Konzept der Interkulturalität sowie Multikulturalität nach der Auffassung von Welsch keine Konfliktlösung herbeizuführen. Um die Situation in den heutigen Gesellschaften angemessen zu beschreiben, entwickelte er hingegen das Konzept der Transkulturalität (lateinisch trans = darüber hinaus, jenseits). Die Verflechtungen und Überschneidungen der Lebensformen und Lebensstile in modernen Gesellschaften fördern nach Auffassung dieses Konzeptes Verstehen und Interaktion und führen zu einer Fortentwicklung der eigenen Kultur (darüber hinaus) (vgl. ebd.: 2 ff.). Allerdings gibt es auch zu diesem Konzept kritische Anmerkungen, da Menschen ihre Kulturgebundenheit nicht aufgeben und allenfalls selbstreflektierender mit kulturellen Unterschieden umgehen können (vgl. Gemende u. a. 1999: 12). Demnach stellt sich die Frage, ob die von Welsch entwickelte Theorie der Transkulturalität der Wirklichkeit entspricht.
In dieser Arbeit gilt die Kritik eines homogenen Kulturverständnisses der Konzepte „Interkulturalität“ und „Multikulturalität“ als nicht gerechtfertigt und sie grenzt sich daher von diesem Verständnis ab. Nach Vorstellung der Autorin wird das Kriterium „Kultur“ in beiden Begrifflichkeiten nicht als Nationalkultur definiert. Die Begriffe „Multikulturalität“ und „Interkulturalität“ können sich ebenso auf unterschiedliche Regional- (z. B. Bayer - Nord-deutscher) oder Subkulturen (z. B. allein erziehende Mutter - Hausfrau) derselben Nation beziehen.
1.5 Die Begriffe „Konflikt“ und „Konfliktregelung“
„The more we run from conflicts, the more it masters us;
The more we try to avoid it, the more it controls us.
The less we fear conflict, the less it confuses us;
The less we deny our differences, the less they divide us”
(Augsburger in Schramkowski 2001: 44).
Konflikte werden oft als störend, bedrohlich und schmerzvoll empfunden und eher selten mit positiven Assoziationen und der Chance zur Veränderung gleichgesetzt. Dabei gibt es kein soziales Miteinander und keine Gesellschaft ohne Konflikte. Von den klassischen Soziologen dieses Jahrhunderts war es erstmals Georg Simmel (1858 - 1918), der den positiven Aspekt von Konflikten auf Gesellschaften und Gruppen benannte (vgl. Coser 1972: 33). Der Konflikt als eine Form der Sozialisation ist eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung und Struktur von Gruppen. Konflikt und Harmonie sind gleich wichtig für die Gruppenbildung und Gesellschaftsentwicklung. Eine Gesellschaft profitiert vom Erkennen und Nutzen der positiven Funktionalität von Konflikten (vgl. ebd.: 34 ff.). Ebenso können Konflikte auf der individuellen Ebene als eine Chance zur Veränderung und Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen betrachtet werden. In der Konfliktforschung ist allerdings bis heute umstritten, ob Konflikte als „dysfunktional“, d. h. als fortschrittshemmend oder als „funktional“ - als Förderer des sozialen Wandels und der gesellschaftlichen Entwicklung - zu betrachten sind (vgl. Lankenau/Zim-mermann 2000: 183). Dysfunktional können Konflikte wirken, wenn die Konfliktparteien in ihren Positionen derart verhärtet sind, dass eine Konfliktbearbeitung nicht möglich erscheint oder ist (Beispiel: Israel - Palästina Konflikt). In Gesellschaften, die sich nicht an soziale, wirtschaftliche und/oder politische Veränderungen und Gegebenheiten anpassen können, findet kein Fortschritt und Wachstum statt.
In der Literatur ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Konfliktdefinitionen anzufinden. Laut Berkel stimmen die verschiedenen Definitionen darin überein, „(...) dass stets zwei oder mehr Elemente (Inhalte, Interessen, Bedürfnisse, Motive) in einer Beziehung gleichzeitiger Gegensätzlichkeit, Unvereinbarkeit oder Unverträglichkeit zueinander stehen“ (Buck 2002: 569).
In den Sozialwissenschaften wird der Begriff „Konflikt“ (lateinisch conflictus = zusammenprallen) zur Beschreibung einer bestimmten Form sozialer Beziehungen, und zwar von „Gegensätzlichkeiten, Spannungen, Gegnerschaften, Auseinandersetzungen, Streitereien u. Kämpfe unterschiedl. Intensität zw. verschiedenen soz. Einheiten“ (Hillmann 1994: 432) verwendet. Nach Wehrhöfer lassen sich in Konflikten „strukturelle und kulturelle Dimensionen“ (Wehrhöfer 2002: 9) vorfinden. Sie treten in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Generationen auf, ebenso innerhalb und zwischen sozialen Rollen, Gruppen, Organisationen und Gesellschaften (vgl. Hillmann 1994: 432). Konflikte werden stets subjektiv und individuell erlebt.
Die Differenzierung von Konfliktarten dient der Schwerpunktbestimmung des Konfliktes. Es gibt Konflikte, die sich nur im Inneren eines Menschen abspielen (intrapersonale Konflikte), wie Konflikte zwischen mindestens zwei Parteien (interpersonelle bzw. soziale Konflikte). Diese können zusätzlich in Intra - Gruppenkonflikte (innerhalb einer Gruppe) und Inter - Gruppenkonflikte (zwischen Gruppen) unterschieden werden. (vgl. Mahlmann 2000: 17 ff.). Da interkulturelle Konflikte zu den interpersonellen/sozialen Konflikten gehören (siehe Kapital 4), wird nun näher auf diese Konfliktart eingegangen.
Etwas präziser wird der soziale Konflikt von Lankenau und Zimmermann definiert und ist demnach ein
„(...) in allen Gesellschaften vorfindbarer Prozeß der Auseinander-setzung, der auf unterschiedlichen Interessen sozialer Gruppierungen beruht und der in unterschiedlicher Weise institutionalisiert ist und ausgetragen wird“ (Lankenau/Zimmermann 2000: 182).
Wehrhöfer nennt folgende Hauptursachen für soziale Konflikte:
- „Ungleichgewichte und Spannungsverhältnisse in der Gesellschaft,
- ungelöste soziale und politische Probleme,
- unterschiedliche Interessen, Wertvorstellungen und Ideologien,
- soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse sowie
- kontroverse Lösungsstrategien“ (Wehrhöfer 2002: 9).
Je nach Konfliktgegenstand (unterschiedliche Weltanschauungen, Ideologien, Religionen, Werte, Lebensziele, Interessen, Statuslagen, Machtpositionen, Einkommens- und Besitzverhältnisse, knappe Güter) unterteilen Maringer und Steinweg soziale Konflikte in:
- „Interessenkonflikte
- Bedürfniskonflikte
- Wertkonflikte
- Identitätskonflikte auf individueller und kollektiver Ebene
- Ideologische, Weltanschauungs- und Glaubenskonflikte
- Wertschätzungs- bzw. Bewertungskonflikte“ (Maringer/Steinweg 1997: 5 ff.).
Hinsichtlich ihrer Erscheinungsform lassen sich soziale und andere Konflikte zusätzlich in „heiße“ und „kalte“ Konflikte unterscheiden. In einem heißen Konflikt begegnen und kommunizieren die Konfliktparteien auf direktem Wege miteinander. Im Gegensatz dazu findet in einem kalten Konflikt kaum noch direkte Kommunikation und Auseinandersetzung statt. Die Konfliktaustragung erfolgt auf indirektem Wege (Intrigen, Gerüchte usw.) (vgl. Glasl 1999: 69).
Soziale Konflikte lassen sich weiterhin in Bezug auf den Konfliktrahmen differenzieren. Sie können auf dem mikro - sozialen (zwischen Individuen und innerhalb von kleinen Gruppen), meso - sozialen (innerhalb einer Organisation, zwischen Gruppen und größeren organisatorischen Sub - Einheiten) oder makro - sozialen (innerhalb von Bevölkerungsgruppen oder sozialen Kategorien sowie zwischen ihnen, Interessengruppen mit gesellschaftlichem Status usw.) Rahmen ausgetragen werden (vgl. ebd.).
Zur Wirkung von sozialen Konflikten schreibt Glasl, dass sich im Laufe des Konfliktes die Wahrnehmungsfähigkeit und das Denk- und Vorstellungs-leben der Konfliktparteien ändert. Veränderungen treten nach Glasl bei diesen drei seelischen Faktoren auf:
(1) Perzeptionen (Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gedanken),
(2) Gefühle (Emotionen, Stimmungen, Einstellungen, Haltungen, Neigun-gen),
(3) Wille (Ziele, Absichten, Motive, Antriebe) (vgl. Glasl 1999: 35).
Diese Faktoren beeinflussen sich wechselseitig, und wirken auf unser verbales und non - verbales Verhalten ein, was wiederum den Konfliktver-lauf prägt (vgl. ebd.).
Nach Darstellung der Typen, Ursachen und Wirkungsweise von sozialen Konflikten, folgt eine Erläuterung zur Konfliktbearbeitung und -regelung. Zur Bearbeitung eines Konflikts muss vorerst eine Konfliktanalyse stattgefunden haben. Herausgearbeitet werden bei dieser Analyse unter anderem die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien, der Konfliktgegenstand, die Ursache und der Auslöser des Konflikts, die Eskalationsstufe des Konflikts usw. (vgl. Buck 2002: 570).
Zu berücksichtigen ist, dass meist mehrere Konfliktursachen zur Entstehung eines Konfliktes beitragen. Besemer spricht von den verschiedenen Ebenen des Konflikts, die miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. So kann es im Verlauf des Konfliktes zu einer Konfliktverschiebung, in welcher der Kern des Konfliktes in den Hintergrund tritt, kommen. Zur Lösung eines Problems müssen jedoch die wirklichen Konfliktursachen aufgedeckt werden (vgl. Besemer 2000: 26 f.).
Zu einem adäquaten Umgang mit Konflikten ist auch das Phasenmodell der Eskalation von Glasl zu berücksichtigen. Es unterscheidet neun Eskalationsstufen[7]. Mit dem Betreten einer neuen Stufe sind weniger Handlungsalternativen zur Lösung des Problems möglich. Bestimmte Interventionsmethoden greifen daher nur auf bestimmten Eskalations-stufen (vgl. Glasl 1999: 215 ff.).
In der Fachliteratur sind sehr unterschiedliche Begriffe der Konfliktbehand-lung vorzufinden, z. B. Konfliktlösung, Konfliktbearbeitung, Konfliktma-nagement usw. Glasl schlägt vor, diese Begrifflichkeiten nicht synonym zu verwenden, sondern je nach Interventionsart zu gebrauchen (vgl. ebd.:17).
Im Hinblick auf den Pluralismus in heutigen Gesellschaften ist die Konfliktregelung (auch Konfliktregulierung, Konfliktüberbrückung, Konfliktkanalisierung) als eine Form des Umgangs mit Konflikten zum Zweck der sozialen Integration notwendig. Unter „Konfliktregelung“ versteht Schmidt zum einen
„(...) die Steuerung des Ablaufs eines Konflikts, die vor allem auf die Schlichtung des ihm zugrundeliegenden Streits über die Verteilung begehrter Güter oder auf die Einigung über einzuhaltende Verfahren der Konfliktaustragung gerichtet ist(...)“ (Schmidt 1995: 21)
und zum anderen „(...) das Ergebnis eines auf Konfliktbeilegung gerichteten Bestrebens“ (ebd.). Die Konfliktregelung richtet sich schwerpunktmäßig auf den Konfliktprozess und die Konfliktfolgen. Die Ursachen und Faktoren einer Auseinandersetzung - das Konfliktpotential - werden im Gegensatz zur Konfliktlösung nicht bearbeitet. Konfliktrege-lungen sollen durch Einfluss von Außen das Verhalten der Parteien „(...) durch gegenseitig vereinbarte oder generell auferlegte Regelungen “ (Glasl 1999: 20) ändern.
Vor allem Konflikte um begrenzt vorhandene Güter und Dienstleistungen (Verteilungskonflikte) oder um antagonistische Rollenerwartungen können oft nicht gelöst, sondern „nur“ geregelt werden (vgl. Rüttinger 2000: 233). Institutionalisierte Konfliktlösungen zählen ebenso zu den Konfliktregelungen. Wird ein Konflikt „institutionalisiert“ ausgetragen, so werden anerkannte soziale Institutionen von den Konfliktparteien zur Konfliktbehandlung genutzt. Dies kann eine Konfliktbearbeitung erleichtern (vgl. Glasl 1999: 67 f.).
Konfliktregelungen werden nach ihrem Wirken, ihrer Intensität und ihrer Art unterschieden. In diesem Zusammenhang sind kriegerische und gewalttätige Auseinandersetzungen zur Regulierung eines Konfliktes nicht als funktional zu bezeichnen. Ziel ist ein konstruktiver Umgang mit Konflikten, da nicht adäquat bearbeitete Konflikte immer wieder auftauchen und eskalieren können.
Konstruktiv sind
„a) bestimmte Haltungen und Verhaltensweisen der Konfliktpartner,
b) bestimmte Auswirkungen des Konfliktverlaufs auf die Konfliktpartner und/oder ihre Beziehungen bzw. die gegebene soziale Situation: Etwas 'Neues' entwickelt sich oder wird auf der Basis des mehr oder weniger 'bewältigten' Konflikts aufgebaut“ (Maringer u. a. 1997: 13).
Konstruktive Konfliktaustragung bezieht sich sowohl auf den Verlauf als auch auf das Ergebnis einer Konfliktbearbeitung. Destruktiv ist ein Umgang mit Konflikten in Form von Gewalt, Kampf und Streit oder durch die Vermeidung direkter Kommunikation (vgl. ebd.: 7 f.).
1.6 Der Begriff „Integration“
Unter sozialer Integration wird die
„(...) Anpassung an das Normgefüge und den Lebensstil einer Gesellschaft oder Gruppe verstanden, wobei abweichende Verhaltensweisen und -orientierungen zugunsten einer Assimilation nach und nach aufgegeben werden“ (Iben 2002: 488).
Integration bedeutet ebenso die gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. Kothen 2003: 9). In diesem Sinne gehören nicht nur gezielte Fördermaßnahmen in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Kultur, Sozialpolitik/Sozialberatung zur Integration, sondern auch Maßnahmen zur rechtlichen Gleichstellung, politischen Partizipation[8] und eine Antidiskriminierungspolitik.
Die Bundesrepublik Deutschland hatte jahrelang ihren Status als Einwanderungsland verleugnet. Ihr Integrationsverständnis lag in der Vorstellung einer unauffälligen Angleichung (Assimilation) der Zugewanderten an den deutschen Lebensstil und ließ dabei außer Acht, dass Integration nur durch einen wechselseitigen Prozess möglich ist, der auch die Mehrheitskultur bereichert und verändert (vgl. Iben 2002: 488). Bis heute herrscht Uneinigkeit darüber, was Integration ist. Einige verstehen die Akzeptanz der Andersartigkeit als Integration, andere die Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft (vgl. Laach 2000: 8). Viel zu wenig wird jedoch die „Partizipation der Minderheiten in allen Lebensbereichen“ (ebd.) als Integration definiert.
Integration ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern muss einen gesellschaftlichen Konsens und gemeinschaftlichen Integrationswillen finden. Hierzu ist anzumerken, dass eine sozial schwache Gesellschaft eher durch Intoleranz und Integrationsfeindlichkeit geprägt ist als eine sozial zufrieden gestellte (vgl. Iben 2002: 488). In einer Gesellschaft, in der die Bürger um einen Arbeitsplatz, eine Wohnung oder sogar um knappe Nahrung kämpfen müssen, werden sie weniger offen gegenüber hinzukommenden ausländischen Einwanderern sein, welche eine weitere Konkurrenz für sie bedeuten. Sind die Einwohner eines Staates jedoch zufrieden mit ihrem Lebensstil und sind überlebenswichtige Ressourcen in großer Anzahl vorhanden, so werden diese Menschen eher bereit sein ihre Güter mit einwandernden Gruppen zu teilen.
Mangelnde Integration führt zu einem Festhalten an der eigenen Kultur und infolgedessen zu Abgrenzung und sozialer Diskriminierung von Seiten der dominanten Kultur (vgl. ebd.). In diesem Sinne ist die Integration von Ausländern als ein wichtiger Faktor zur Vorbeugung von interkulturellen Konflikten in multikulturellen Gesellschaften zu betrachten.
Leider findet Integration in Deutschland nicht oder viel zu wenig statt. Dieser Zustand zeigt sich an der mangelnden Präsenz von Zugewander-ten in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, wie im Schul- und Ausbil-dungssystem, auf dem Arbeitsmarkt, in Kultur und Politik.
Einen umfassenden Überblick über die Lebenssituation und -lagen von ausländischen Menschen in Deutschland enthält das nächste Kapitel.
2 Die aktuelle Situation von Ausländern in
Deutschland
Die nun folgende Darstellung der Lebenssituation und -bedingungen von Ausländern in Deutschland soll zu einem besseren Verständnis der Problematik beitragen und Konfliktpotentiale erklären.
2.1 Deutschland als Einwanderungsland
Vor über 40 Jahren begann die Geschichte der Migration ausländischer Arbeitnehmer in die Bundesrepublik Deutschland. Die anfängliche Annahme von Deutschen wie Ausländern, die „Gastarbeiter“ würden nach einer gewissen Zeit wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, erwies sich bald für beide Seiten als Illusion. Spätestens seit dem Familiennachzug von ausländischen Arbeitnehmern steht fest, dass die ausländischen Mitbürger dauerhaft hier bleiben. Inzwischen gibt es eine zweite und dritte Ausländergeneration.
Ende 2002 lebten 7,3 Mio. Migranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und nahmen damit einen Anteil von 8,9 % an der Gesamtbevölkerung ein (vgl. Tabelle 1). Zusätzlich sind im Laufe der letzten Jahrzehnte etwa 3,2 Mio. Aussiedler oder Spätaussiedler eingewandert und 1 Mio. Menschen eingebürgert worden. Somit umfasst der Bevölkerungsanteil der Zugewanderten fast 12 % der deutschen Gesamtbevölkerung (vgl. Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ 2001: 14).
Jeder 4. in Deutschland lebende Migrant ohne deutsche Staatsangehörig-keit (25,6 %) stammt aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (vor allem Italiener, Griechen, Österreicher) (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002: 294 f.). 1,91 Mio. (26,1 %) Personen sind türkischer Nationalität sowie 591 492 (8,1 %) Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien (vgl. Tabelle 1 ) Die Türkei und die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens zählen somit zu den Hauptherkunftsländern außerhalb der Europäischen Union.
Tabelle 1:
Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland nach den häufigsten Staatsangehörigkeiten am 31. Dezember 2002
Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten
1) Anteil an der ausländischen Bevölkerung insgesamt.
Quelle: Statistisches Bundesamt in Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2004: 1
Tabelle 2 veranschaulicht, dass der Anteil der Asylbewerber in den neunziger Jahren stark anstieg, aber in den letzten Jahren wieder abgenommen hat. Die hauptsächlichen Herkunftsländer sind die Türkei, Bundesrepublik Jugoslawien, der Irak und Afghanistan. Einen großen Anteil an der Zuwanderung nimmt auch der Familiennachzug ein. Die Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ geht von einer gestiegenen Zahl sich illegal in Deutschland aufhaltenden Zuwanderern aus (vgl. Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ 2001: 15 f.).
Tabelle 2: Entwicklung der Flüchtlingszahlen nach Gruppen von 1997 - 2002
Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten
1) Ohne Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina.
Quelle: Bundesministerium des Innern und Beauftragte der Bundesre-gierung für Ausländerfragen 2004: 1
Die Mehrheit unserer ausländischen Mitbürger ist mittlerweile ein fest etablierter Bestandteil der Bevölkerung und trägt dadurch zum Erhalt, zur Stabilität und Verjüngung der Gesellschaft bei. Ein Drittel aller Ausländer hatte Ende 2000 eine Aufenthaltsdauer von 20 Jahren und länger, 40 % eine Aufenthaltsdauer von über 15 Jahren und mehr als die Hälfte von mindestens zehn Jahren nachzuweisen. 21,4 % (1,56 Mio.) aller Auslän-der sind bereits in Deutschland geboren und nehmen damit einen Anteil zwischen 10 und 13 % aller in Deutschland geborener Kinder ein (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002: 294 ff.).
Ein Blick auf die Anzahl und Vielzahl der Migrantengruppen zeigt, dass Deutschland mit Recht als ein Einwanderungsland bezeichnet werden kann, welches langfristig gesehen aufgrund der niedrigen Geburtenrate und der Erhöhung des Altersdurchschnittes sogar auf Einwanderung angewiesen ist. Politik und Gesellschaft müssen sich daher mit der Gestaltung und dem Ablauf des Zuwanderungsprozesses im Sinne einer erfolgreichen Integration von ausländischen Menschen auseinander-setzen.
Wie sich derzeitig die Lebenssituation von Einwanderern gestaltet und die sich daraus ergebenen Konsequenzen werden nun geschildert.
2.2 Rechtliche Stellung von Ausländern
Noch immer gibt es keine gleichberechtigte und nachhaltige Integrations-politik. Dabei bestehen nicht nur Ungleichheiten zwischen Mehrheits-bevölkerung und Ausländern, sondern auch zwischen den Einwanderern untereinander. Besonders stark werden Flüchtlinge durch eine Reihe von Sondergesetzen und -regelungen ausgegrenzt. Die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland versucht durch Maßnahmen, wie die Visums- pflicht für fast alle Herkunftsländer von Flüchtlingen, die stärkere Überwachung der EU-Außengrenzen, das Flughafenschnellverfahren[9] sowie das Zurückschicken in einen sicheren Drittstaat[10], einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zu verhindern. Selbst wenn Flüchtlinge es dennoch schaffen in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, werden sie gegenüber anderen ausländischen Gruppen stark benachteiligt (Unterbringung in Sammellager, einjähriges Arbeitsverbot, keinen Sprach- oder Orientierungskurs, keine psychologische Behandlung zur Verarbeitung der Fluchterfahrungen oder anderer traumatischer Erlebnisse) (vgl. Kothen 2003: 9).
„Die Rechte der MigrantInnen sind abhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und unterscheiden stark die Möglichkeiten, innerhalb einer Kommune unabhängig von Wahlrechten z.B. bei der Wohnungssuche, Arbeitsaufnahme, oder Gewerbeausübung selbst tätig zu werden. Für AsylbewerberInnen sind Beteiligungschancen noch weiter und gravierender eingeschränkt“ (Esser u. a. 1996: 31).
Eine volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist jedoch für ein partnerschaftliches Zusammenleben von Mehrheitsbevölkerung und Einwanderern unentbehrlich.
Die rechtliche Situation von Ausländern in Deutschland ist durch das Ausländerrecht geregelt. Das Ausländerrecht befasst sich mit den Regelungen des Aufenthalts, der (un)selbständigen Erwerbstätigkeit, der
politischen Beteiligung, des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit und der sozialrechtlichen Stellung von Ausländern in Deutschland. Dabei unterscheiden die Vorschriften des Ausländerrechts nach EU - Bürgern und Nicht - EU - Bürgern. Gesonderte Bestimmungen über den Aufenthalt von Asylbewerbern sind im Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) geregelt (vgl. Huber 2002: 88).
Ausländer aus EU Mitgliedsstaaten haben laut dem Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1969) so genannte Freizügigkeits- rechte. Diese umfassen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie das Entgegennehmen und Durchführen von Dienstleistungen. Auch die Familienangehörigen jener Personen genießen diese Freizügigkeit. Nur durch eine besonders schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können EU - Bürger zur Ausweisung verpflichtet werden (vgl. ebd.)
In den Maastrichter Verträgen wurde 1992 das kommunale Wahlrecht für EU - Bürger eingeführt (Artikel 28 GG Absatz 1 Satz 3). Für Nicht - EU - Bürger kann bis jetzt nur über den Weg der Einbürgerung neben anderen Rechten und Pflichten auch das allgemeine aktive und passive Wahlrecht erworben werden (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländer-fragen 2002: 186).
Vorschriften zur aufenthaltsrechtlichen Stellung von Ausländern aus Nicht - EU - Staaten beinhaltet das AuslG (1990). Danach dürfen Ausländer in der Regel nur mit einer Genehmigung in Deutschland einreisen und sich dort aufhalten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG). Die verschiedenen Formen der Aufenthaltsgenehmigung (die Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberech-tigung, Aufenthaltsbewilligung, Aufenthaltsbefugnis) sind im § 5 des AuslG aufgeführt. Das Gesetz befasst sich ferner mit den Voraussetzungen der Vergabe sowie Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung. Auswei-sungsgründe (z. B. Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, längerfristige Obdachlosigkeit, Sozialhilfebedarf) sind in den §§ 45 - 47 aufgezählt und können zu einer Abschiebung des Ausreisepflichtigen führen (§ 49 AuslG). Für Ausländer mit einer längeren Aufenthaltsdauer erleichtern die §§ 85 ff. AuslG die Einbürgerung (vgl. Huber 2002: 89).
Asylbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom 5. August 1997. Sie sind ca. 20 % niedriger als die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und können bei Missbrauchstatbeständen (z. B. falsche Angaben) zudem noch gekürzt werden (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004: 1 f.).
In den letzten Jahren gab es einige rechtliche Verbesserungen für ausländische Menschen, beispielsweise das neue Staatsangehörigen-gesetz, das seit dem 1. Januar 2000 gilt. Nach diesem Gesetz erhalten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit unter der Voraussetzung, dass ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebt. Generell eingebürgert werden kann nach § 85 AuslG jeder Ausländer, der sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine gültige Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung besitzt (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002: 294).
Auch im neuen Zuwanderungsgesetz, das bereits am 1. Januar 2003 in Kraft treten sollte, sind einige Verbesserungen in den ausländerrechtlichen Regelungen vorgesehen (z. B. die Regelung staatlicher Integrationsange-bote, die Anerkennung von nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung für den Status als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskon-vention, eine klarere und sicherere Rechtsstellung von EU - Bürgern, die
Reduzierung der Aufenthaltstitel[11]). Der Status von Bürgerkriegsflücht-lingen und Geduldeten verbessert sich, da sie nach diesem Gesetz sofort Arbeit aufnehmen dürfen und nicht mehr ein Jahr lang warten müssen. Da es zukünftig nur noch zwei Aufenthaltstitel (befristete Aufenthaltserlaubnis und unbefristete Niederlassungserlaubnis) gibt haben Flüchtlinge, die vorher eine Duldung erhielten, eine bessere rechtliche Stellung. Außerdem wird der Anwerbestopp für hoch qualifizierte Ausländer aufgehoben. (vgl. Bundesministerium des Innern 2004: 1 ff.). Nachdem im Bundesrat keine Mehrheit für das Gesetz zustande kam, einigten sich Regierung und Opposition nach jahrelangem Streit nun in diesem Jahr doch noch auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz. Dieser wurde dann im Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet und wird damit zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Die Schwierigkeiten der Parteien bei der Einigung auf ein gemeinsames Zuwanderungsgesetz veranschaulichen die unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des Umgangs mit Zuwanderern in Deutschland (vgl. ebd.).
Trotz dieser Verbesserungen ist der Status von Ausländern in Deutschland immer noch unbefriedigend aufgrund mangelnder politischer Mitwirkungsrechte, die an den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gebunden sind.
2.3 Sozioökonomische und psychosoziale Lage der Ausländer
Da sich viele ethnische Konflikte im Nachhinein als soziale Konflikte (siehe Kapitel 4) herausstellen, sind ausreichende Kenntnisse über die Lebenslage von Einwanderern als Hintergrundwissen für die interkulturelle Konfliktregelung notwendig. Bei den Ausführungen ist zu berücksichtigen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf ihre sozioökonomische und psychosoziale Lage sowohl untereinander als auch im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung unterscheiden (z. B. Flüchtlinge - Gastarbeiter, Flüchtlinge untereinander). Gemeinsam ist Migranten, dass sie zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sind und demzufolge zu einer sozialen und psychosozialen Risikogruppe gehören. Gaitanides zählt folgende Schwierigkeiten auf:
- „Belastungen durch den Migrationsprozeß und die ungewisse Aufenthalts-perspektive
- Innerfamiliäre Konflikte als Folge von kulturellen Veränderungen
- Soziale Belastungen
- Belastungen durch Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierungserfahrungen“ (Gaitanides 1995: 31).
Probleme und Schwierigkeiten bezüglich der Erwerbstätigkeit, der finanziellen sowie Wohnsituation, im Bereich Schule, Ausbildung und Gesundheit sollen durch die nachfolgenden Ausführungen verdeutlicht werden.
[...]
[1] Der Status des Aussiedlers und Spätaussiedlers ist durch das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) festgelegt. Voraussetzung für die Anerkennung als (Spät)Aussiedler (§ 4 BVFG) ist die deutsche Volkszugehörigkeit (§ 6 BVFG). Bei erfolgreicher Registrierung erhält der (Spät)Aussiedler die deutsche Staatsbürgerschaft nach Artikel 116, Absatz 1 des Grundgesetzes (vgl. Heinen 2000: 36 ff.).
[2] Es sind Personen, „die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen ohne besonderes Anerkennungsverfahren durch eine Übernahmeerklärung der Bundesregierung aufgenommen wurden: zum Beispiel vietnamesische boat-people, albanische Botschaftsflüchtlinge“ (Diakonisches Werk 1994: 3).
[3] Bürgerkriegsflüchtlinge gem. § 32a AuslG erhalten einen vorübergehenden Aufenthalt mit Aufenthaltsbefugnis (vgl. Diakonisches Werk 1994: 4).
[4] Menschen, die entweder keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Antrag abgelehnt wurde, die aber aus humanitären, rechtlichen oder politischen Gründen nicht abgeschoben werden können, werden als de-facto Flüchtlinge bezeichnet. Sobald
diese Gründe nicht mehr vorliegen, kann eine Abschiebung erfolgen (vgl. Diakonisches Werk 1994: 4).
[5] Eine Duldung wird ausreisepflichtigen Personen erteilt, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (z.B. Sperrung des Flughafens im Herkunftsland, drohende Folter oder Todesstrafe im Herkunftsland, Abschiebung würde gegen Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen) zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschoben
werden können. Sie ist keine Aufenthaltsgenehmigung und eine Abschiebung erfolgt
sobald keine Hinderungsgründe mehr vorliegen (vgl. Kugler 2000: 22 f.).
[6] Subkulturen sind „Teilgruppen einer großen Gesellschaft, (die) eine je eigene Kultur aufweisen“ (Maletzke 1996: 17) und „sich durch eigene 'subkulturspezifische' Merkmale
von anderen Subkulturen“ (ebd.) abgrenzen, aber trotzdem zu einer Gesamtkultur
gehören.
[7] Die neun Stufen sind: 1. Verhärtung; 2. Polarisation und Debatte; 3. Taten; 4. Images, Koalitionen; 5. Gesichtsverlust; 6. Drohstrategien; 7.Begrenzte Vernichtungsschläge;
8. Zersplitterung; 9. Gemeinsam in den Abgrund (vgl. Glasl 1999: 216 ff.).
[8] „Partizipation bezeichnet den Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen, die Einflußnahme auf politische Entscheidungen und die Beteiligung am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft“ (Esser u. a. 1996: 77).
[9] Bei Ausländern, die über einen Flughafen aus einem sicheren Drittstaat einreisen und nach Asyl suchen, wird das Asylverfahren am Flughafen vor der Einreise durchgeführt. Dasselbe gilt, wenn sie keinen Pass oder Passersatz bei sich haben (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004: 5).
[10] Gemäß § 26a AsylVfG sind sichere Drittstaaten Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, in welchen die Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und Europäischen Menschenrechtskonvention gelten und eingehalten werden. Reist ein Ausländer aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland ein, so hat er kein Recht auf Asyl und die Einreise wird ihm verweigert. Als sichere Drittstaaten gelten: Finnland, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004: 4).
[11] Eine umfassende Übersicht der Neuregelungen des Zuwanderungsgesetzes gibt es auf der Homepage des Bundesministeriums des Inneren: www.bmi.bund.de/Annex/de_-
25594/Einzelheiten_des_Zuwanderungsgesetzes.pdf.
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